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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.

Nach der Art, wie der Prozess in alter Zeit geführt wurde, war es
vom Zufall abhängig, ob ein härteres oder ein weicheres Eisen, ob
Stahl oder Schmiedeisen dargestellt wurde. Die Sprache machte anfangs
auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen. An manchen
Orten, wo die Erze die Bildung eines harten Eisens besonders begün-
stigten, wurde von Anfang an meist Stahl erhalten, wie dies im Land
der Chalyber und in Norikum der Fall war. Die überlegenen Eigen-
schaften dieser Eisensorten führten dann auch zu seiner besonderen
Benennung, die meist dem Namen des Landes, von dem es kam, ent-
nommen war, und so wurden Ortsnamen im Laufe der Zeit zuweilen
zum Begriffsworte, wie das griechische Khalups für Stahl. Die Güte des
Produktes war abhängig von dem Erz, daher lokal bedingt.

Erst durch die grosse Reform in dem Eisenhüttenwesen, durch die
Erfindung der Roheisendarstellung und die Einführung des indirekten
Verfahrens lernte man nach und nach aus demselben Erz nach Be-
lieben die eine oder die andere Eisensorte darzustellen. Die Inder
allein verstanden schon früh aus dem Schmiedeisen durch einen zweiten
Prozess durch ein eigentümliches Verfahren den vorzüglichen indi-
schen Stahl zu bereiten.

Die Mangelhaftigkeit der Schmelz- und Gebläsevorrichtungen
suchten die Alten auszugleichen durch die Sorgfalt, mit der sie ihre
Erze auswählten und zur Schmelzung vorbereiteten. Sie rösteten alle
Erze, zerklopften das geröstete Erz zu Haselnussgrösse, siebten das
Feine ab und gaben es meist innig mit Holzkohlenstückchen gemengt
auf. Dadurch unterstützten sie die Wirkung der Hitze und der reduzie-
renden Gase, so dass sie bei kürzerer Chargendauer ein vollständiges
Ausschmelzen bewirkten. Es war diese Vorbereitung um so notwen-
diger, je flacher der Herd und je schwerschmelziger das Erz war.

Ehe wir nun aber auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens
bei den einzelnen Völkern des Altertums näher eingehen, wollen wir
noch zwei allgemeine Punkte in diesem einleitenden Teil der Betrach-
tung unterziehen:

Die Frage der ersten Entdeckung des Eisens und die der
Stellung des Eisens zur Bronze im Altertume.

Die Zeit der Entdeckung des Eisens feststellen zu wollen ist ein
ebenso vergebliches Bemühen, als über den Weg, die Art und Weise
dieser Entdeckung Theorieen aufzustellen. Wir finden das Eisen bereits
in mannigfachem Gebrauche beim Eintritt der ältesten Kulturvölker
in die Geschichte. Hypothesen, die über die Grenzen der ältesten
Überlieferungen hinausgehen, stehen auf sehr zweifelhaftem Boden·

Beck, Geschichte des Eisens. 2
Einleitung.

Nach der Art, wie der Prozeſs in alter Zeit geführt wurde, war es
vom Zufall abhängig, ob ein härteres oder ein weicheres Eisen, ob
Stahl oder Schmiedeisen dargestellt wurde. Die Sprache machte anfangs
auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen. An manchen
Orten, wo die Erze die Bildung eines harten Eisens besonders begün-
stigten, wurde von Anfang an meist Stahl erhalten, wie dies im Land
der Chalyber und in Norikum der Fall war. Die überlegenen Eigen-
schaften dieser Eisensorten führten dann auch zu seiner besonderen
Benennung, die meist dem Namen des Landes, von dem es kam, ent-
nommen war, und so wurden Ortsnamen im Laufe der Zeit zuweilen
zum Begriffsworte, wie das griechische Χάλυψ für Stahl. Die Güte des
Produktes war abhängig von dem Erz, daher lokal bedingt.

Erst durch die groſse Reform in dem Eisenhüttenwesen, durch die
Erfindung der Roheisendarstellung und die Einführung des indirekten
Verfahrens lernte man nach und nach aus demselben Erz nach Be-
lieben die eine oder die andere Eisensorte darzustellen. Die Inder
allein verstanden schon früh aus dem Schmiedeisen durch einen zweiten
Prozeſs durch ein eigentümliches Verfahren den vorzüglichen indi-
schen Stahl zu bereiten.

Die Mangelhaftigkeit der Schmelz- und Gebläsevorrichtungen
suchten die Alten auszugleichen durch die Sorgfalt, mit der sie ihre
Erze auswählten und zur Schmelzung vorbereiteten. Sie rösteten alle
Erze, zerklopften das geröstete Erz zu Haselnuſsgröſse, siebten das
Feine ab und gaben es meist innig mit Holzkohlenstückchen gemengt
auf. Dadurch unterstützten sie die Wirkung der Hitze und der reduzie-
renden Gase, so daſs sie bei kürzerer Chargendauer ein vollständiges
Ausschmelzen bewirkten. Es war diese Vorbereitung um so notwen-
diger, je flacher der Herd und je schwerschmelziger das Erz war.

Ehe wir nun aber auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens
bei den einzelnen Völkern des Altertums näher eingehen, wollen wir
noch zwei allgemeine Punkte in diesem einleitenden Teil der Betrach-
tung unterziehen:

Die Frage der ersten Entdeckung des Eisens und die der
Stellung des Eisens zur Bronze im Altertume.

Die Zeit der Entdeckung des Eisens feststellen zu wollen ist ein
ebenso vergebliches Bemühen, als über den Weg, die Art und Weise
dieser Entdeckung Theorieen aufzustellen. Wir finden das Eisen bereits
in mannigfachem Gebrauche beim Eintritt der ältesten Kulturvölker
in die Geschichte. Hypothesen, die über die Grenzen der ältesten
Überlieferungen hinausgehen, stehen auf sehr zweifelhaftem Boden·

Beck, Geschichte des Eisens. 2
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[17/0039] Einleitung. Nach der Art, wie der Prozeſs in alter Zeit geführt wurde, war es vom Zufall abhängig, ob ein härteres oder ein weicheres Eisen, ob Stahl oder Schmiedeisen dargestellt wurde. Die Sprache machte anfangs auch keinen Unterschied zwischen diesen beiden Zuständen. An manchen Orten, wo die Erze die Bildung eines harten Eisens besonders begün- stigten, wurde von Anfang an meist Stahl erhalten, wie dies im Land der Chalyber und in Norikum der Fall war. Die überlegenen Eigen- schaften dieser Eisensorten führten dann auch zu seiner besonderen Benennung, die meist dem Namen des Landes, von dem es kam, ent- nommen war, und so wurden Ortsnamen im Laufe der Zeit zuweilen zum Begriffsworte, wie das griechische Χάλυψ für Stahl. Die Güte des Produktes war abhängig von dem Erz, daher lokal bedingt. Erst durch die groſse Reform in dem Eisenhüttenwesen, durch die Erfindung der Roheisendarstellung und die Einführung des indirekten Verfahrens lernte man nach und nach aus demselben Erz nach Be- lieben die eine oder die andere Eisensorte darzustellen. Die Inder allein verstanden schon früh aus dem Schmiedeisen durch einen zweiten Prozeſs durch ein eigentümliches Verfahren den vorzüglichen indi- schen Stahl zu bereiten. Die Mangelhaftigkeit der Schmelz- und Gebläsevorrichtungen suchten die Alten auszugleichen durch die Sorgfalt, mit der sie ihre Erze auswählten und zur Schmelzung vorbereiteten. Sie rösteten alle Erze, zerklopften das geröstete Erz zu Haselnuſsgröſse, siebten das Feine ab und gaben es meist innig mit Holzkohlenstückchen gemengt auf. Dadurch unterstützten sie die Wirkung der Hitze und der reduzie- renden Gase, so daſs sie bei kürzerer Chargendauer ein vollständiges Ausschmelzen bewirkten. Es war diese Vorbereitung um so notwen- diger, je flacher der Herd und je schwerschmelziger das Erz war. Ehe wir nun aber auf die Gewinnung und Verarbeitung des Eisens bei den einzelnen Völkern des Altertums näher eingehen, wollen wir noch zwei allgemeine Punkte in diesem einleitenden Teil der Betrach- tung unterziehen: Die Frage der ersten Entdeckung des Eisens und die der Stellung des Eisens zur Bronze im Altertume. Die Zeit der Entdeckung des Eisens feststellen zu wollen ist ein ebenso vergebliches Bemühen, als über den Weg, die Art und Weise dieser Entdeckung Theorieen aufzustellen. Wir finden das Eisen bereits in mannigfachem Gebrauche beim Eintritt der ältesten Kulturvölker in die Geschichte. Hypothesen, die über die Grenzen der ältesten Überlieferungen hinausgehen, stehen auf sehr zweifelhaftem Boden· Beck, Geschichte des Eisens. 2

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/39>, abgerufen am 28.03.2024.