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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884.

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Einleitung.

Der Stahl wird um so weicher, je höher man ihn anlässt. Will
man einem weichen, elastischen Gegenstand, z. B. einer Feder, die
richtige Härte geben, so wird man sie blau anlaufen lassen, während
man eine harte Schneide nur gelb anlässt.

Das Schmiedeisen zeigt die Eigenschaft der Härtung durch Ab-
löschen nicht, man setzt deshalb die Grenze von Stahl und Schmied-
eisen da, wo die Härtung aufhört; dies tritt bei einem Kohlenstoffgehalt
von circa 0,62 Proz. ein.

Dass Farbe und Textur der Eisensorten sehr abweichend sind,
ist schon angedeutet worden. Je mehr gebundenen Kohlenstoff ein
Eisen enthält, desto weisser, silberfarbiger, je mehr ausgeschiedenen
Kohlenstoff (Graphit), desto schwärzer wird es. Die Extreme der Farben
zeigen grossblättriges Giessereieisen, das fast schwarz ist, und Spiegel-
eisen. Farbe und Glanz werden sehr beeinflusst durch die Textur. So
zeigen Schmiedeisen und Stahl ursprünglich krystallinischen blättrigen
Bruch und glänzende Farbe, durch Schmieden und Walzen wird das
Gefüge sehnig, der Glanz matt, die Farbe meist heller. Das Eisen
krystallisiert im regulären System meist in Oktaedern. Die Krystallform
des Spiegeleisens, welches in grossen, glänzenden Flächen bricht, ist
noch nicht aufgeklärt.

Die Schmiedbarkeit des Eisens steht im allgemeinen im um-
gekehrten Verhältnis zur Härte. Weisses Eisen und abgelöschter
Stahl sind sehr spröde; weicher Stahl und Schmiedeisen sehr dehnbar.
Die Schmiedbarkeit wird beeinträchtigt durch chemische Verunreini-
gungen; so machen geringe Beimengungen von Schwefel Eisen oder
Stahl rotbrüchig, ebenso Kupfer. Phosphor erzeugt Kaltbruch, ähn-
lich wirken Arsen und Antimon. Silicium beeinträchtigt die Festigkeit
des Eisens. Ähnlich wie mit der Schmiedbarkeit verhält es sich mit
der Zähigkeit.

Die Elastizität ist in besonders ausgezeichnetem Grade dem
Stahl eigen. Es ist eine Verbindung von Härte und Zähigkeit. Beson-
ders zeigt der angelassene Stahl eine Elastizität wie kein anderer
Stoff; wir wollen hier nur an die feinen Uhrfedern erinnern.

Eine andere Eigenschaft, die unter den Nutzmetallen das Eisen
allein besitzt, ist seine Schweissbarkeit. Erhitzt man Schmied-
eisen und Stahl, so geht er lange, ehe er schmilzt, in einen erweichten
Zustand über, in dem sich durch Drücken und Hämmern zwei Stücke
mit einander verbinden lassen wie weiches Wachs. Die Schweissbar-
keit steht im umgekehrten Verhältnis zum Kohlenstoffgehalt und hört
auf mit dem harten Stahl. Roheisen ist nicht schweissbar. Die wich-

Einleitung.

Der Stahl wird um so weicher, je höher man ihn anläſst. Will
man einem weichen, elastischen Gegenstand, z. B. einer Feder, die
richtige Härte geben, so wird man sie blau anlaufen lassen, während
man eine harte Schneide nur gelb anläſst.

Das Schmiedeisen zeigt die Eigenschaft der Härtung durch Ab-
löschen nicht, man setzt deshalb die Grenze von Stahl und Schmied-
eisen da, wo die Härtung aufhört; dies tritt bei einem Kohlenstoffgehalt
von circa 0,62 Proz. ein.

Daſs Farbe und Textur der Eisensorten sehr abweichend sind,
ist schon angedeutet worden. Je mehr gebundenen Kohlenstoff ein
Eisen enthält, desto weiſser, silberfarbiger, je mehr ausgeschiedenen
Kohlenstoff (Graphit), desto schwärzer wird es. Die Extreme der Farben
zeigen groſsblättriges Gieſsereieisen, das fast schwarz ist, und Spiegel-
eisen. Farbe und Glanz werden sehr beeinfluſst durch die Textur. So
zeigen Schmiedeisen und Stahl ursprünglich krystallinischen blättrigen
Bruch und glänzende Farbe, durch Schmieden und Walzen wird das
Gefüge sehnig, der Glanz matt, die Farbe meist heller. Das Eisen
krystallisiert im regulären System meist in Oktaëdern. Die Krystallform
des Spiegeleisens, welches in groſsen, glänzenden Flächen bricht, ist
noch nicht aufgeklärt.

Die Schmiedbarkeit des Eisens steht im allgemeinen im um-
gekehrten Verhältnis zur Härte. Weiſses Eisen und abgelöschter
Stahl sind sehr spröde; weicher Stahl und Schmiedeisen sehr dehnbar.
Die Schmiedbarkeit wird beeinträchtigt durch chemische Verunreini-
gungen; so machen geringe Beimengungen von Schwefel Eisen oder
Stahl rotbrüchig, ebenso Kupfer. Phosphor erzeugt Kaltbruch, ähn-
lich wirken Arsen und Antimon. Silicium beeinträchtigt die Festigkeit
des Eisens. Ähnlich wie mit der Schmiedbarkeit verhält es sich mit
der Zähigkeit.

Die Elastizität ist in besonders ausgezeichnetem Grade dem
Stahl eigen. Es ist eine Verbindung von Härte und Zähigkeit. Beson-
ders zeigt der angelassene Stahl eine Elastizität wie kein anderer
Stoff; wir wollen hier nur an die feinen Uhrfedern erinnern.

Eine andere Eigenschaft, die unter den Nutzmetallen das Eisen
allein besitzt, ist seine Schweiſsbarkeit. Erhitzt man Schmied-
eisen und Stahl, so geht er lange, ehe er schmilzt, in einen erweichten
Zustand über, in dem sich durch Drücken und Hämmern zwei Stücke
mit einander verbinden lassen wie weiches Wachs. Die Schweiſsbar-
keit steht im umgekehrten Verhältnis zum Kohlenstoffgehalt und hört
auf mit dem harten Stahl. Roheisen ist nicht schweiſsbar. Die wich-

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[14/0036] Einleitung. Der Stahl wird um so weicher, je höher man ihn anläſst. Will man einem weichen, elastischen Gegenstand, z. B. einer Feder, die richtige Härte geben, so wird man sie blau anlaufen lassen, während man eine harte Schneide nur gelb anläſst. Das Schmiedeisen zeigt die Eigenschaft der Härtung durch Ab- löschen nicht, man setzt deshalb die Grenze von Stahl und Schmied- eisen da, wo die Härtung aufhört; dies tritt bei einem Kohlenstoffgehalt von circa 0,62 Proz. ein. Daſs Farbe und Textur der Eisensorten sehr abweichend sind, ist schon angedeutet worden. Je mehr gebundenen Kohlenstoff ein Eisen enthält, desto weiſser, silberfarbiger, je mehr ausgeschiedenen Kohlenstoff (Graphit), desto schwärzer wird es. Die Extreme der Farben zeigen groſsblättriges Gieſsereieisen, das fast schwarz ist, und Spiegel- eisen. Farbe und Glanz werden sehr beeinfluſst durch die Textur. So zeigen Schmiedeisen und Stahl ursprünglich krystallinischen blättrigen Bruch und glänzende Farbe, durch Schmieden und Walzen wird das Gefüge sehnig, der Glanz matt, die Farbe meist heller. Das Eisen krystallisiert im regulären System meist in Oktaëdern. Die Krystallform des Spiegeleisens, welches in groſsen, glänzenden Flächen bricht, ist noch nicht aufgeklärt. Die Schmiedbarkeit des Eisens steht im allgemeinen im um- gekehrten Verhältnis zur Härte. Weiſses Eisen und abgelöschter Stahl sind sehr spröde; weicher Stahl und Schmiedeisen sehr dehnbar. Die Schmiedbarkeit wird beeinträchtigt durch chemische Verunreini- gungen; so machen geringe Beimengungen von Schwefel Eisen oder Stahl rotbrüchig, ebenso Kupfer. Phosphor erzeugt Kaltbruch, ähn- lich wirken Arsen und Antimon. Silicium beeinträchtigt die Festigkeit des Eisens. Ähnlich wie mit der Schmiedbarkeit verhält es sich mit der Zähigkeit. Die Elastizität ist in besonders ausgezeichnetem Grade dem Stahl eigen. Es ist eine Verbindung von Härte und Zähigkeit. Beson- ders zeigt der angelassene Stahl eine Elastizität wie kein anderer Stoff; wir wollen hier nur an die feinen Uhrfedern erinnern. Eine andere Eigenschaft, die unter den Nutzmetallen das Eisen allein besitzt, ist seine Schweiſsbarkeit. Erhitzt man Schmied- eisen und Stahl, so geht er lange, ehe er schmilzt, in einen erweichten Zustand über, in dem sich durch Drücken und Hämmern zwei Stücke mit einander verbinden lassen wie weiches Wachs. Die Schweiſsbar- keit steht im umgekehrten Verhältnis zum Kohlenstoffgehalt und hört auf mit dem harten Stahl. Roheisen ist nicht schweiſsbar. Die wich-

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 1: Von der ältesten Zeit bis um das Jahr 1500 n. Chr. Braunschweig, 1884, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen01_1884/36>, abgerufen am 29.03.2024.