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Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.

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Jn Preußen aber sind neun Zehntel des Volks dem Könige treu und nur durch
künstlichen Mechanismus der Wahl um ihren Ausdruck gebracht. Die Träger
der Revolution sind die Wahlmänner-Kollegien, die der Umsturzpartei ein
über das Land verbreitetes und leicht zu handhabendes Netz gewähren, wie dies
1789 die Pariser Elekteurs gezeigt haben. Jch stehe nicht an, indirekte Wahlen
für eins der wesentlichsten Hilfsmittel der Revolution zu erklären, und ich glaube,
in diesen Dingen praktisch einige Erfahrungen gesammelt zu haben."

Wie man sieht, richtete sich Bismarck's ganzer Haß in jener Zeit gegen die
liberale Bourgeoisie. Er war des naiven Glaubens, wie er das auch in einer
Unterhaltung mit Lassalle deutlich durchblicken ließ, und wofür die Herrschaft
Napoleons III. während anderthalb Jahrzehnten zu sprechen schien, daß bei
dem allgemeinen direkten Wahlrecht in Preußen eine ihm günstiger gesinnte Kammer
zusammen gekommen wäre.

Als er später dann entdeckte, daß auch mit der Bourgeoisie sehr gut aus-
zukommen sei, einerlei ob ihre Vertreter nach dem Dreiklassenwahlsystem oder dem
allgemeinen gleichen direkten Wahlrecht gewählt werden, wenn man nur ihre
materiellen Jnteressen wahrzunehmen versteht, und er die Erfahrung machte, daß
gerade die Arbeiter ihm die unbequemste und unangenehmste Opposition in den
Reichstag sandten, erschien ihm das Dreiklassenwahlsystem wieder als das genehmere
und er söhnte sich mit ihm aus.

Was liegt an der Elendigkeit, Erbärmlichkeit und Widersinnlichkeit eines
Wahlsystems, sobald es die gewünschten Vertreter schafft! Alsdann hat es seine
Aufgabe und seinen Zweck erfüllt.

Die Nationalliberalen aber waren von der neuen deutschen Herrlichkeit und dem
Ausfall der ersten Wahlen zum Norddeutschen Reichstag, ungeachtet der Bedenken
einiger ihrer Mitglieder, so entzückt, daß sie in einem Wahlaufruf für die
preußischen Landtagswahlen, unterzeichnet von v. Bennigsen. Lasker, Miquel u. s. w.,
das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für das
"festeste Bollwerk der Freiheit" erklärte
und verkündeten:

"Preußens Geschicke sind enger als jemals mit den Lebensbedingungen
des deutschen Volksgeistes verknüpft; sie werden sich um so schleuniger und glor-
reicher erfüllen, je weiter und breiter die Betheiligung aller Klassen herangezogen
wird. Das beschränkte Klassenwahlsystem hat sich überlebt und der nächste
Landtag wird zu prüfen haben, in welcher Weise und unter was für Voraus-
setzungen der Uebergang zum allgemeinen Stimmrecht zu bereiten ist."

Heute sind die Unterzeichner jenes Aufrufs, soweit sie noch am Leben sind,
nebst ihren Parteigenossen die eifrigsten Anhänger des "überlebten, be-
schränkten Klassenwahlsystems"
, und sie arbeiteten am eifrigsten an der oben
skizzirten "Reform" dieses Wahlsystems.

Damals (1867) begeisterte man sich aber nicht blos für das allgemeine Wahl-
recht, man hielt auch die Diäten für die Reichstags-Abgeordneten für unumgänglich
nöthig. Bismarck hatte bei der Schlußberathung der norddeutschen Bundes-
verfassung erklärt, daß die verbündeten Regierungen lieber auf das Verfassungs-
werk verzichteten, als die Diäten bewilligten - man sieht, seine Schwärmerei für
das allgemeine Wahlrecht hatte enge Grenzen - darauf antwortete Herr v. Bennigsen
in der 33. Sitzung am 15. April 1867:

"Jch halte es für ein ganz bedenkliches Experiment, daß in einem deutschen
Parlamente die Diäten beseitigt werden sollen. Meine Herren! Jch weiß nicht,
welche Folgen davon für den Reichstag hervorgerufen werden; ich halte diese
Folgen für durchaus unberechenbar, und ich habe es daher sehr beklagt, daß von
Seiten der Regierung ein solches Gewicht auf diese Frage gelegt wird... Jch
hoffe von den nächsten Jahren, daß es möglich sein wird, im Reichstag über die
Bewilligung der Diäten im Wege der Gesetzgebung eine andere Vereinbarung zu treffen."

So Herr v. Bennigsen damals. Heute betrachtet er die Bewilligung der
Diäten als eine Art Kompensation für eine Verschlechterung oder Beseitigung des

Jn Preußen aber sind neun Zehntel des Volks dem Könige treu und nur durch
künstlichen Mechanismus der Wahl um ihren Ausdruck gebracht. Die Träger
der Revolution sind die Wahlmänner-Kollegien, die der Umsturzpartei ein
über das Land verbreitetes und leicht zu handhabendes Netz gewähren, wie dies
1789 die Pariser Elekteurs gezeigt haben. Jch stehe nicht an, indirekte Wahlen
für eins der wesentlichsten Hilfsmittel der Revolution zu erklären, und ich glaube,
in diesen Dingen praktisch einige Erfahrungen gesammelt zu haben.“

Wie man sieht, richtete sich Bismarck's ganzer Haß in jener Zeit gegen die
liberale Bourgeoisie. Er war des naiven Glaubens, wie er das auch in einer
Unterhaltung mit Lassalle deutlich durchblicken ließ, und wofür die Herrschaft
Napoleons III. während anderthalb Jahrzehnten zu sprechen schien, daß bei
dem allgemeinen direkten Wahlrecht in Preußen eine ihm günstiger gesinnte Kammer
zusammen gekommen wäre.

Als er später dann entdeckte, daß auch mit der Bourgeoisie sehr gut aus-
zukommen sei, einerlei ob ihre Vertreter nach dem Dreiklassenwahlsystem oder dem
allgemeinen gleichen direkten Wahlrecht gewählt werden, wenn man nur ihre
materiellen Jnteressen wahrzunehmen versteht, und er die Erfahrung machte, daß
gerade die Arbeiter ihm die unbequemste und unangenehmste Opposition in den
Reichstag sandten, erschien ihm das Dreiklassenwahlsystem wieder als das genehmere
und er söhnte sich mit ihm aus.

Was liegt an der Elendigkeit, Erbärmlichkeit und Widersinnlichkeit eines
Wahlsystems, sobald es die gewünschten Vertreter schafft! Alsdann hat es seine
Aufgabe und seinen Zweck erfüllt.

Die Nationalliberalen aber waren von der neuen deutschen Herrlichkeit und dem
Ausfall der ersten Wahlen zum Norddeutschen Reichstag, ungeachtet der Bedenken
einiger ihrer Mitglieder, so entzückt, daß sie in einem Wahlaufruf für die
preußischen Landtagswahlen, unterzeichnet von v. Bennigsen. Lasker, Miquel u. s. w.,
das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für das
„festeste Bollwerk der Freiheit“ erklärte
und verkündeten:

Preußens Geschicke sind enger als jemals mit den Lebensbedingungen
des deutschen Volksgeistes verknüpft; sie werden sich um so schleuniger und glor-
reicher erfüllen, je weiter und breiter die Betheiligung aller Klassen herangezogen
wird. Das beschränkte Klassenwahlsystem hat sich überlebt und der nächste
Landtag wird zu prüfen haben, in welcher Weise und unter was für Voraus-
setzungen der Uebergang zum allgemeinen Stimmrecht zu bereiten ist.“

Heute sind die Unterzeichner jenes Aufrufs, soweit sie noch am Leben sind,
nebst ihren Parteigenossen die eifrigsten Anhänger des „überlebten, be-
schränkten Klassenwahlsystems“
, und sie arbeiteten am eifrigsten an der oben
skizzirten „Reform“ dieses Wahlsystems.

Damals (1867) begeisterte man sich aber nicht blos für das allgemeine Wahl-
recht, man hielt auch die Diäten für die Reichstags-Abgeordneten für unumgänglich
nöthig. Bismarck hatte bei der Schlußberathung der norddeutschen Bundes-
verfassung erklärt, daß die verbündeten Regierungen lieber auf das Verfassungs-
werk verzichteten, als die Diäten bewilligten – man sieht, seine Schwärmerei für
das allgemeine Wahlrecht hatte enge Grenzen – darauf antwortete Herr v. Bennigsen
in der 33. Sitzung am 15. April 1867:

„Jch halte es für ein ganz bedenkliches Experiment, daß in einem deutschen
Parlamente die Diäten beseitigt werden sollen. Meine Herren! Jch weiß nicht,
welche Folgen davon für den Reichstag hervorgerufen werden; ich halte diese
Folgen für durchaus unberechenbar, und ich habe es daher sehr beklagt, daß von
Seiten der Regierung ein solches Gewicht auf diese Frage gelegt wird… Jch
hoffe von den nächsten Jahren, daß es möglich sein wird, im Reichstag über die
Bewilligung der Diäten im Wege der Gesetzgebung eine andere Vereinbarung zu treffen.“

So Herr v. Bennigsen damals. Heute betrachtet er die Bewilligung der
Diäten als eine Art Kompensation für eine Verschlechterung oder Beseitigung des

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[45/0049] Jn Preußen aber sind neun Zehntel des Volks dem Könige treu und nur durch künstlichen Mechanismus der Wahl um ihren Ausdruck gebracht. Die Träger der Revolution sind die Wahlmänner-Kollegien, die der Umsturzpartei ein über das Land verbreitetes und leicht zu handhabendes Netz gewähren, wie dies 1789 die Pariser Elekteurs gezeigt haben. Jch stehe nicht an, indirekte Wahlen für eins der wesentlichsten Hilfsmittel der Revolution zu erklären, und ich glaube, in diesen Dingen praktisch einige Erfahrungen gesammelt zu haben.“ Wie man sieht, richtete sich Bismarck's ganzer Haß in jener Zeit gegen die liberale Bourgeoisie. Er war des naiven Glaubens, wie er das auch in einer Unterhaltung mit Lassalle deutlich durchblicken ließ, und wofür die Herrschaft Napoleons III. während anderthalb Jahrzehnten zu sprechen schien, daß bei dem allgemeinen direkten Wahlrecht in Preußen eine ihm günstiger gesinnte Kammer zusammen gekommen wäre. Als er später dann entdeckte, daß auch mit der Bourgeoisie sehr gut aus- zukommen sei, einerlei ob ihre Vertreter nach dem Dreiklassenwahlsystem oder dem allgemeinen gleichen direkten Wahlrecht gewählt werden, wenn man nur ihre materiellen Jnteressen wahrzunehmen versteht, und er die Erfahrung machte, daß gerade die Arbeiter ihm die unbequemste und unangenehmste Opposition in den Reichstag sandten, erschien ihm das Dreiklassenwahlsystem wieder als das genehmere und er söhnte sich mit ihm aus. Was liegt an der Elendigkeit, Erbärmlichkeit und Widersinnlichkeit eines Wahlsystems, sobald es die gewünschten Vertreter schafft! Alsdann hat es seine Aufgabe und seinen Zweck erfüllt. Die Nationalliberalen aber waren von der neuen deutschen Herrlichkeit und dem Ausfall der ersten Wahlen zum Norddeutschen Reichstag, ungeachtet der Bedenken einiger ihrer Mitglieder, so entzückt, daß sie in einem Wahlaufruf für die preußischen Landtagswahlen, unterzeichnet von v. Bennigsen. Lasker, Miquel u. s. w., das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für das „festeste Bollwerk der Freiheit“ erklärte und verkündeten: „Preußens Geschicke sind enger als jemals mit den Lebensbedingungen des deutschen Volksgeistes verknüpft; sie werden sich um so schleuniger und glor- reicher erfüllen, je weiter und breiter die Betheiligung aller Klassen herangezogen wird. Das beschränkte Klassenwahlsystem hat sich überlebt und der nächste Landtag wird zu prüfen haben, in welcher Weise und unter was für Voraus- setzungen der Uebergang zum allgemeinen Stimmrecht zu bereiten ist.“ Heute sind die Unterzeichner jenes Aufrufs, soweit sie noch am Leben sind, nebst ihren Parteigenossen die eifrigsten Anhänger des „überlebten, be- schränkten Klassenwahlsystems“, und sie arbeiteten am eifrigsten an der oben skizzirten „Reform“ dieses Wahlsystems. Damals (1867) begeisterte man sich aber nicht blos für das allgemeine Wahl- recht, man hielt auch die Diäten für die Reichstags-Abgeordneten für unumgänglich nöthig. Bismarck hatte bei der Schlußberathung der norddeutschen Bundes- verfassung erklärt, daß die verbündeten Regierungen lieber auf das Verfassungs- werk verzichteten, als die Diäten bewilligten – man sieht, seine Schwärmerei für das allgemeine Wahlrecht hatte enge Grenzen – darauf antwortete Herr v. Bennigsen in der 33. Sitzung am 15. April 1867: „Jch halte es für ein ganz bedenkliches Experiment, daß in einem deutschen Parlamente die Diäten beseitigt werden sollen. Meine Herren! Jch weiß nicht, welche Folgen davon für den Reichstag hervorgerufen werden; ich halte diese Folgen für durchaus unberechenbar, und ich habe es daher sehr beklagt, daß von Seiten der Regierung ein solches Gewicht auf diese Frage gelegt wird… Jch hoffe von den nächsten Jahren, daß es möglich sein wird, im Reichstag über die Bewilligung der Diäten im Wege der Gesetzgebung eine andere Vereinbarung zu treffen.“ So Herr v. Bennigsen damals. Heute betrachtet er die Bewilligung der Diäten als eine Art Kompensation für eine Verschlechterung oder Beseitigung des  

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-10-30T15:09:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-10-30T15:09:45Z)

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Zitationshilfe: Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/49>, abgerufen am 19.04.2024.