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Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895.

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lung und damit eine Bevölkerung mit städtischen Anschauungen und Jnteressen
auswies führte man dennoch diese Scheidung durch.

Das Land wurde in 35 städtische und 45 ländliche Wahlkreise eingetheilt,
die allmälig in Bezug auf ihre Wählerschaft sehr ungleich geworden sind.
Während manche Wahlkreise kaum 30000 Einwohner zählen, haben andere 70-
bis 80000 Einwohner. Die einzige Aenderung, zu der man sich in dieser langen
Zeitdauer und bei der gewaltigen Zunahme der Bevölkerung herbeiließ, war, daß
man Leipzig, das durch die Einverleibung einer Anzahl Vororte auf weit über
300000 Einwohner anwuchs, zwei neue Abgeordnete zubilligte. Es wählt statt
früher drei jetzt fünf Abgeordnete, und ist dadurch die Zahl der städtischen Ab-
geordneten des Landes von 35 auf 37 gestiegen. *) Eine Neueintheilung der Wahl-
kreise käme der Sozialdemokratie zu Statten, deshalb unterläßt man sie also lieber.

Die Furcht vor der Sozialdemokratie beherrscht eben heute die ganze Politik,
nicht nur im Reich, sondern auch in den Einzelstaaten.

Die Hauptbestimmungen des sächsischen Landtagswahlrechts sind kurz folgende:
Wähler zum Landtag ist jeder Staatsangehörige, der das 25. Lebensjahr
vollendet hat und mindestens 3 Mk. direkte Staatssteuer entrichtet, und zwar
Einkommensteuer oder Grundsteuer oder beide zusammengerechnet. Der Einkommen-
steuersatz von 3 Mk. wird von einem Jahreseinkommen von 600-700 Mk. er-
hoben. Aber ein erheblicher Theil der industriellen Bevölkerung im Erzgebirge,
im Voigtland und in der Lausitz besitzt nicht dieses Einkommen, daher ist dieser
vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Wählbar zum Abgeordneten ist, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat, seit
mindestens drei Jahren sächsischer Staatsangehöriger ist und mindestens 30 Mk.
direkte Staatssteuern entrichtet. Nach den offiziellen steuerstatistischen Uebersichten
vom Jahre 1890 gab es unter den 1404069 eingeschätzten Personen - von
welchen 76925 steuerfrei waren - nur 118942, die den Zensus von 30 Mk.
Einkommensteuer hatten. Dieser Zensus wird mit einem Einkommen von 2200
bis 2500 Mk. erreicht. Unter den eingeschätzten Personen befinden sich aber auch
wieder Nichtsachsen und Frauen, deren Zahl nicht angegeben ist. Die Abgeordneten
werden auf sechs Jahre gewählt und scheidet alle zwei Jahre ein Drittel aus.
Diese Theilwahlen finden in den meisten anderen Einzelstaaten ebenfalls statt, sie
sind wesentlich aus volkshygienischen Gründen angeordnet, damit bei Wahlen durch
das ganze Land oder Ländchen nicht zu große Aufregung entsteht. Auch fürchtet
man, daß bei der gleichzeitigen Wahl aller Abgeordneten einmal lauter Neulinge
in die Landtagsstuben einrücken möchten und die ganze Regierungsmaschine ins
Stocken gerathe. Der gute Deutsche ahnt gar nicht, wie väterlich seine Regierungen
stets über sein Wohl wachen, ohne dabei das ihre zu vernachlässigen.

Seitdem sozialdemokratische Abgeordnete in der zweiten Ständekammer zu
Dresden sitzen, und dies ist seit dem Jahre 1877 der Fall, wurde von ihnen dreimal der
Antrag auf Einführung des allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrechts für
die Landtagswahlen eingebracht. Auch versuchte man eine Neueintheilung der Wahl-
kreise und die Aufhebung der Scheidung der Wahlkreise in städtische und ländliche
durchzusetzen. Beides ohne Erfolg. Das allgemeine, gleiche Wahlrecht, wie es
im Bewegungsjahr 1848 in Sachsen eingeführt wurde, besteht zwar heute noch
zu Recht und noch unter dem Beust'schen Regiment war es die Panacee, um
welche die bürgerlichen Demokraten und Liberalen sich sammelten und dessen
Wiederherstellung sie forderten, aber das sind längst vergessene Zelten.

Mehr wie in jedem andern deutschen Lande hat in Sachsen die Sozial-
demokratie sich ausgebreitet, und wie diese sich ausdehnte, wichen die bürgerlichen
Parteien mit ihren Forderungen zurück und gaben sie schließlich gänzlich preis.
Jn Folge dieser Entwicklung verschwand der linke Flügel in den bürgerlichen

*) Sachsen hatte 1868 ca. 2400000 Einwohner, 1890 bereits 3503000, rund
50 pCt. mehr. Leipzig hatte Ende 1893 ca. 357000 Einwohner.
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lung und damit eine Bevölkerung mit städtischen Anschauungen und Jnteressen
auswies führte man dennoch diese Scheidung durch.

Das Land wurde in 35 städtische und 45 ländliche Wahlkreise eingetheilt,
die allmälig in Bezug auf ihre Wählerschaft sehr ungleich geworden sind.
Während manche Wahlkreise kaum 30000 Einwohner zählen, haben andere 70-
bis 80000 Einwohner. Die einzige Aenderung, zu der man sich in dieser langen
Zeitdauer und bei der gewaltigen Zunahme der Bevölkerung herbeiließ, war, daß
man Leipzig, das durch die Einverleibung einer Anzahl Vororte auf weit über
300000 Einwohner anwuchs, zwei neue Abgeordnete zubilligte. Es wählt statt
früher drei jetzt fünf Abgeordnete, und ist dadurch die Zahl der städtischen Ab-
geordneten des Landes von 35 auf 37 gestiegen. *) Eine Neueintheilung der Wahl-
kreise käme der Sozialdemokratie zu Statten, deshalb unterläßt man sie also lieber.

Die Furcht vor der Sozialdemokratie beherrscht eben heute die ganze Politik,
nicht nur im Reich, sondern auch in den Einzelstaaten.

Die Hauptbestimmungen des sächsischen Landtagswahlrechts sind kurz folgende:
Wähler zum Landtag ist jeder Staatsangehörige, der das 25. Lebensjahr
vollendet hat und mindestens 3 Mk. direkte Staatssteuer entrichtet, und zwar
Einkommensteuer oder Grundsteuer oder beide zusammengerechnet. Der Einkommen-
steuersatz von 3 Mk. wird von einem Jahreseinkommen von 600-700 Mk. er-
hoben. Aber ein erheblicher Theil der industriellen Bevölkerung im Erzgebirge,
im Voigtland und in der Lausitz besitzt nicht dieses Einkommen, daher ist dieser
vom Wahlrecht ausgeschlossen.

Wählbar zum Abgeordneten ist, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat, seit
mindestens drei Jahren sächsischer Staatsangehöriger ist und mindestens 30 Mk.
direkte Staatssteuern entrichtet. Nach den offiziellen steuerstatistischen Uebersichten
vom Jahre 1890 gab es unter den 1404069 eingeschätzten Personen – von
welchen 76925 steuerfrei waren – nur 118942, die den Zensus von 30 Mk.
Einkommensteuer hatten. Dieser Zensus wird mit einem Einkommen von 2200
bis 2500 Mk. erreicht. Unter den eingeschätzten Personen befinden sich aber auch
wieder Nichtsachsen und Frauen, deren Zahl nicht angegeben ist. Die Abgeordneten
werden auf sechs Jahre gewählt und scheidet alle zwei Jahre ein Drittel aus.
Diese Theilwahlen finden in den meisten anderen Einzelstaaten ebenfalls statt, sie
sind wesentlich aus volkshygienischen Gründen angeordnet, damit bei Wahlen durch
das ganze Land oder Ländchen nicht zu große Aufregung entsteht. Auch fürchtet
man, daß bei der gleichzeitigen Wahl aller Abgeordneten einmal lauter Neulinge
in die Landtagsstuben einrücken möchten und die ganze Regierungsmaschine ins
Stocken gerathe. Der gute Deutsche ahnt gar nicht, wie väterlich seine Regierungen
stets über sein Wohl wachen, ohne dabei das ihre zu vernachlässigen.

Seitdem sozialdemokratische Abgeordnete in der zweiten Ständekammer zu
Dresden sitzen, und dies ist seit dem Jahre 1877 der Fall, wurde von ihnen dreimal der
Antrag auf Einführung des allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrechts für
die Landtagswahlen eingebracht. Auch versuchte man eine Neueintheilung der Wahl-
kreise und die Aufhebung der Scheidung der Wahlkreise in städtische und ländliche
durchzusetzen. Beides ohne Erfolg. Das allgemeine, gleiche Wahlrecht, wie es
im Bewegungsjahr 1848 in Sachsen eingeführt wurde, besteht zwar heute noch
zu Recht und noch unter dem Beust'schen Regiment war es die Panacee, um
welche die bürgerlichen Demokraten und Liberalen sich sammelten und dessen
Wiederherstellung sie forderten, aber das sind längst vergessene Zelten.

Mehr wie in jedem andern deutschen Lande hat in Sachsen die Sozial-
demokratie sich ausgebreitet, und wie diese sich ausdehnte, wichen die bürgerlichen
Parteien mit ihren Forderungen zurück und gaben sie schließlich gänzlich preis.
Jn Folge dieser Entwicklung verschwand der linke Flügel in den bürgerlichen

*) Sachsen hatte 1868 ca. 2400000 Einwohner, 1890 bereits 3503000, rund
50 pCt. mehr. Leipzig hatte Ende 1893 ca. 357000 Einwohner.
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[33/0037] lung und damit eine Bevölkerung mit städtischen Anschauungen und Jnteressen auswies führte man dennoch diese Scheidung durch. Das Land wurde in 35 städtische und 45 ländliche Wahlkreise eingetheilt, die allmälig in Bezug auf ihre Wählerschaft sehr ungleich geworden sind. Während manche Wahlkreise kaum 30000 Einwohner zählen, haben andere 70- bis 80000 Einwohner. Die einzige Aenderung, zu der man sich in dieser langen Zeitdauer und bei der gewaltigen Zunahme der Bevölkerung herbeiließ, war, daß man Leipzig, das durch die Einverleibung einer Anzahl Vororte auf weit über 300000 Einwohner anwuchs, zwei neue Abgeordnete zubilligte. Es wählt statt früher drei jetzt fünf Abgeordnete, und ist dadurch die Zahl der städtischen Ab- geordneten des Landes von 35 auf 37 gestiegen. *) Eine Neueintheilung der Wahl- kreise käme der Sozialdemokratie zu Statten, deshalb unterläßt man sie also lieber. Die Furcht vor der Sozialdemokratie beherrscht eben heute die ganze Politik, nicht nur im Reich, sondern auch in den Einzelstaaten. Die Hauptbestimmungen des sächsischen Landtagswahlrechts sind kurz folgende: Wähler zum Landtag ist jeder Staatsangehörige, der das 25. Lebensjahr vollendet hat und mindestens 3 Mk. direkte Staatssteuer entrichtet, und zwar Einkommensteuer oder Grundsteuer oder beide zusammengerechnet. Der Einkommen- steuersatz von 3 Mk. wird von einem Jahreseinkommen von 600-700 Mk. er- hoben. Aber ein erheblicher Theil der industriellen Bevölkerung im Erzgebirge, im Voigtland und in der Lausitz besitzt nicht dieses Einkommen, daher ist dieser vom Wahlrecht ausgeschlossen. Wählbar zum Abgeordneten ist, wer das 30. Lebensjahr vollendet hat, seit mindestens drei Jahren sächsischer Staatsangehöriger ist und mindestens 30 Mk. direkte Staatssteuern entrichtet. Nach den offiziellen steuerstatistischen Uebersichten vom Jahre 1890 gab es unter den 1404069 eingeschätzten Personen – von welchen 76925 steuerfrei waren – nur 118942, die den Zensus von 30 Mk. Einkommensteuer hatten. Dieser Zensus wird mit einem Einkommen von 2200 bis 2500 Mk. erreicht. Unter den eingeschätzten Personen befinden sich aber auch wieder Nichtsachsen und Frauen, deren Zahl nicht angegeben ist. Die Abgeordneten werden auf sechs Jahre gewählt und scheidet alle zwei Jahre ein Drittel aus. Diese Theilwahlen finden in den meisten anderen Einzelstaaten ebenfalls statt, sie sind wesentlich aus volkshygienischen Gründen angeordnet, damit bei Wahlen durch das ganze Land oder Ländchen nicht zu große Aufregung entsteht. Auch fürchtet man, daß bei der gleichzeitigen Wahl aller Abgeordneten einmal lauter Neulinge in die Landtagsstuben einrücken möchten und die ganze Regierungsmaschine ins Stocken gerathe. Der gute Deutsche ahnt gar nicht, wie väterlich seine Regierungen stets über sein Wohl wachen, ohne dabei das ihre zu vernachlässigen. Seitdem sozialdemokratische Abgeordnete in der zweiten Ständekammer zu Dresden sitzen, und dies ist seit dem Jahre 1877 der Fall, wurde von ihnen dreimal der Antrag auf Einführung des allgemeinen gleichen direkten und geheimen Wahlrechts für die Landtagswahlen eingebracht. Auch versuchte man eine Neueintheilung der Wahl- kreise und die Aufhebung der Scheidung der Wahlkreise in städtische und ländliche durchzusetzen. Beides ohne Erfolg. Das allgemeine, gleiche Wahlrecht, wie es im Bewegungsjahr 1848 in Sachsen eingeführt wurde, besteht zwar heute noch zu Recht und noch unter dem Beust'schen Regiment war es die Panacee, um welche die bürgerlichen Demokraten und Liberalen sich sammelten und dessen Wiederherstellung sie forderten, aber das sind längst vergessene Zelten. Mehr wie in jedem andern deutschen Lande hat in Sachsen die Sozial- demokratie sich ausgebreitet, und wie diese sich ausdehnte, wichen die bürgerlichen Parteien mit ihren Forderungen zurück und gaben sie schließlich gänzlich preis. Jn Folge dieser Entwicklung verschwand der linke Flügel in den bürgerlichen   *) Sachsen hatte 1868 ca. 2400000 Einwohner, 1890 bereits 3503000, rund 50 pCt. mehr. Leipzig hatte Ende 1893 ca. 357000 Einwohner. 3

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-10-30T15:09:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-10-30T15:09:45Z)

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Zitationshilfe: Bebel, August: Die Sozialdemokratie und das Allgemeine Stimmrecht. Berlin, 1895, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bebel_sozialdemokratie_1895/37>, abgerufen am 29.03.2024.