Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

pba_149.001
selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002
berechtigte Empfindungen
seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003
einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005
sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007
des Erzählers
derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010
als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011
der empfindenden Wahrnehmung
-- d. i. ästhetisch -- pba_149.012
in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013
Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014
also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran pba_149.015
hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016
um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017
von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018
an sich
und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019
veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände
pba_149.020
und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021
Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022
einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023
freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024
Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025
Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026
den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027
psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028
unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (teleiosis pba_149.029
tes energeias) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen -- die pba_149.030
Hedone -- zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031
geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032
vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.1

1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: "Aristoteles, pba_149.034
Lessing und Goethe
", Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: "Des pba_149.035
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon". Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037
Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14-33): Aistheseos de pases pros to aistheton pba_149.038
energouses, teleios de tes eu diakeimenes pros to kalliston ton upo ten aisthesin; pba_149.039
toiouton gar malist einai dokei e teleia energeia; auten de legein energein, \e en pba_149.040
o esti, meden diaphereto; kath' ekaston de beltiste estin e eergeia tou arista

pba_149.001
selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002
berechtigte Empfindungen
seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003
einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005
sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007
des Erzählers
derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010
als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011
der empfindenden Wahrnehmung
— d. i. ästhetischpba_149.012
in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013
Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014
also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran pba_149.015
hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016
um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017
von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018
an sich
und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019
veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände
pba_149.020
und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021
Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022
einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023
freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024
Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025
Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026
den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027
psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028
unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (τελείωσις pba_149.029
τῇς ἐνεργείας) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen — die pba_149.030
Hedone — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031
geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032
vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.1

1 pba_149.033
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034
Lessing und Goethe
“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037
Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14–33): Αἰσθήσεως δὲ πάσης πρὸς τὸ αἰσθητὸν pba_149.038
ἐνεργούσης, τελείως δὲ τῆς εὖ διακειμένης πρὸς τὸ κάλλιστον τῶν ὑπὸ τὴν αἴσθησιν· pba_149.039
τοιοῦτον γὰρ μάλιστ̓ εἶναι δοκεῖ ἡ τελεία ἐνέργεια· αὐτὴν δὲ λέγειν ἐνεργεῖν, \̓η ἐν pba_149.040
ᾧ ἐστὶ, μηδὲν διαφερέτω· καθ' ἕκαστον δὲ βελτίστη ἐστὶν ἡ ἐέργεια τοῦ ἄριστα
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0167" n="149"/><lb n="pba_149.001"/>
selben erfüllt war, und zwar, daß es <hi rendition="#g">gesunde, gute, edle, große, <lb n="pba_149.002"/>
berechtigte Empfindungen</hi> seien; daß der Vortrag einer <hi rendition="#g">Ballade,</hi> <lb n="pba_149.003"/>
einer <hi rendition="#g">gnomischen</hi> oder <hi rendition="#g">satirischen Dichtung</hi> in derselben Weise, mit <lb n="pba_149.004"/>
dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes <hi rendition="#g">Ethos</hi> nachzuahmen geeignet <lb n="pba_149.005"/>
sei; daß endlich die <hi rendition="#g">Erzählung einer Handlung,</hi> wieder unter genau <lb n="pba_149.006"/>
denselben Bedingungen, die Gesamtheit der <hi rendition="#g">in der Darstellungsweise <lb n="pba_149.007"/>
des Erzählers</hi> derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und <lb n="pba_149.008"/>
-Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, <lb n="pba_149.009"/>
daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, <lb n="pba_149.010"/>
als der Dichter, d. i. also, daß er <hi rendition="#g">sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich <lb n="pba_149.011"/>
der empfindenden Wahrnehmung</hi> &#x2014; d. i. <hi rendition="#g">ästhetisch</hi> &#x2014; <lb n="pba_149.012"/> <hi rendition="#g">in den Stand gesetzt werde.</hi> Die Art aber, wie in jedem dieser <lb n="pba_149.013"/>
Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie <lb n="pba_149.014"/>
also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran <lb n="pba_149.015"/>
hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, <lb n="pba_149.016"/>
um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal <lb n="pba_149.017"/>
von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus <hi rendition="#g">dieser Absicht <lb n="pba_149.018"/>
an sich</hi> und zum andern <hi rendition="#g">aus der Natur der dieselbe zugleich <lb n="pba_149.019"/>
veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände</hi> <lb n="pba_149.020"/>
und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden <hi rendition="#g">Mittel.</hi> <lb n="pba_149.021"/>
Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit <lb n="pba_149.022"/>
einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, <lb n="pba_149.023"/>
freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen <lb n="pba_149.024"/>
Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen <lb n="pba_149.025"/>
Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß <lb n="pba_149.026"/>
den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden <lb n="pba_149.027"/>
psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, <lb n="pba_149.028"/>
unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C9;&#x03C3;&#x03B9;&#x03C2;</foreign> <lb n="pba_149.029"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x1FC7;&#x03C2; &#x1F10;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B1;&#x03C2;</foreign>) sich die <hi rendition="#g">Freude,</hi> das <hi rendition="#g">ästhetische Vergnügen</hi> &#x2014; die <lb n="pba_149.030"/> <hi rendition="#g">Hedone</hi> &#x2014; zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher <lb n="pba_149.031"/>
geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je <lb n="pba_149.032"/>
vollendeterer Weise diese selbst von statten geht.<note xml:id="pba_149_1a" n="1" place="foot" next="#pba_149_1b"><lb n="pba_149.033"/>
Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: &#x201E;<hi rendition="#g">Aristoteles, <lb n="pba_149.034"/>
Lessing und Goethe</hi>&#x201C;, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: &#x201E;Des <lb n="pba_149.035"/>
Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon&#x201C;. Die Hauptstelle, auf welche sich <lb n="pba_149.036"/>
die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der <hi rendition="#g">Nikomachischen Ethik</hi> des <lb n="pba_149.037"/>
Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174<hi rendition="#sup">b</hi>, 14&#x2013;33): <foreign xml:lang="grc">&#x0391;&#x1F30;&#x03C3;&#x03B8;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B5;&#x03C9;&#x03C2; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C0;&#x03AC;&#x03C3;&#x03B7;&#x03C2; &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F78; &#x03B1;&#x1F30;&#x03C3;&#x03B8;&#x03B7;&#x03C4;&#x1F78;&#x03BD;</foreign> <lb n="pba_149.038"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1F10;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B3;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C3;&#x03B7;&#x03C2;, &#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03C9;&#x03C2; &#x03B4;&#x1F72; &#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x03B5;&#x1F56; &#x03B4;&#x03B9;&#x03B1;&#x03BA;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BC;&#x03AD;&#x03BD;&#x03B7;&#x03C2; &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78;&#x03C2; &#x03C4;&#x1F78; &#x03BA;&#x03AC;&#x03BB;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x03C4;&#x1FF6;&#x03BD; &#x1F51;&#x03C0;&#x1F78; &#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03B1;&#x1F34;&#x03C3;&#x03B8;&#x03B7;&#x03C3;&#x03B9;&#x03BD;&#x0387;</foreign> <lb n="pba_149.039"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x03BF;&#x03B9;&#x03BF;&#x1FE6;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B3;&#x1F70;&#x03C1; &#x03BC;&#x03AC;&#x03BB;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x0313; &#x03B5;&#x1F36;&#x03BD;&#x03B1;&#x03B9; &#x03B4;&#x03BF;&#x03BA;&#x03B5;&#x1FD6; &#x1F21; &#x03C4;&#x03B5;&#x03BB;&#x03B5;&#x03AF;&#x03B1; &#x1F10;&#x03BD;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B1;&#x0387;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x03B1;&#x1F50;&#x03C4;&#x1F74;&#x03BD; &#x03B4;&#x1F72; &#x03BB;&#x03AD;&#x03B3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03BD; &#x1F10;&#x03BD;&#x03B5;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B5;&#x1FD6;&#x03BD;, \&#x0313;&#x03B7; &#x1F10;&#x03BD;</foreign> <lb n="pba_149.040"/>
<foreign xml:lang="grc">&#x1FA7; &#x1F10;&#x03C3;&#x03C4;&#x1F76;, &#x03BC;&#x03B7;&#x03B4;&#x1F72;&#x03BD; &#x03B4;&#x03B9;&#x03B1;&#x03C6;&#x03B5;&#x03C1;&#x03AD;&#x03C4;&#x03C9;&#x0387;</foreign> <foreign xml:lang="grc">&#x03BA;&#x03B1;&#x03B8;' &#x1F15;&#x03BA;&#x03B1;&#x03C3;&#x03C4;&#x03BF;&#x03BD; &#x03B4;&#x1F72; &#x03B2;&#x03B5;&#x03BB;&#x03C4;&#x03AF;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B7; &#x1F10;&#x03C3;&#x03C4;&#x1F76;&#x03BD; &#x1F21; &#x1F10;&#x03AD;&#x03C1;&#x03B3;&#x03B5;&#x03B9;&#x03B1; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FE6; &#x1F04;&#x03C1;&#x03B9;&#x03C3;&#x03C4;&#x03B1;</foreign> </note></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0167] pba_149.001 selben erfüllt war, und zwar, daß es gesunde, gute, edle, große, pba_149.002 berechtigte Empfindungen seien; daß der Vortrag einer Ballade, pba_149.003 einer gnomischen oder satirischen Dichtung in derselben Weise, mit pba_149.004 dem gleichen Erfolge, ein ebenso geartetes Ethos nachzuahmen geeignet pba_149.005 sei; daß endlich die Erzählung einer Handlung, wieder unter genau pba_149.006 denselben Bedingungen, die Gesamtheit der in der Darstellungsweise pba_149.007 des Erzählers derselben zu Grunde liegenden Seelenbewegungen und pba_149.008 -Thätigkeiten durch die Nachahmung so bei dem Zuhörer wiedererwecke, pba_149.009 daß er mit seinem Empfinden dieser Handlung ebenso gegenübersteht, pba_149.010 als der Dichter, d. i. also, daß er sie richtig aufzunehmen, hinsichtlich pba_149.011 der empfindenden Wahrnehmung — d. i. ästhetisch — pba_149.012 in den Stand gesetzt werde. Die Art aber, wie in jedem dieser pba_149.013 Fälle die künstlerische Nachahmung zu verfahren hat, welche Objekte sie pba_149.014 also zu erwählen, von welcher Seite sie dieselben darzustellen, was daran pba_149.015 hervorzuheben, was fortzulassen, welche Form sie ihnen zu erteilen hat, pba_149.016 um die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen, das alles ergibt sich jedesmal pba_149.017 von selbst und mit Notwendigkeit zu einem Teile aus dieser Absicht pba_149.018 an sich und zum andern aus der Natur der dieselbe zugleich pba_149.019 veranlassenden und sich ihr darbietenden Gegenstände pba_149.020 und der für ihre Nachahmung zur Verwendung gelangenden Mittel. pba_149.021 Damit ist für jede Kunstgattung und für jede ihrer Arten die Möglichkeit pba_149.022 einer bestimmten technischen Gesetzgebung eröffnet; das unübertreffliche, pba_149.023 freilich einzig dastehende Muster dafür ist in der Aristotelischen pba_149.024 Lehre von der Tragödie vorhanden. Die Gewähr aber, daß im einzelnen pba_149.025 Falle jene höchste künstlerische Absicht erreicht ist, liegt darin, daß pba_149.026 den innerhalb und vermittelst der ästhetischen Wahrnehmung sich vollziehenden pba_149.027 psychischen Energien, sofern sie die richtigsten und besten sind, pba_149.028 unfehlbar als begleitende und sie gleichsam krönende Erscheinung (τελείωσις pba_149.029 τῇς ἐνεργείας) sich die Freude, das ästhetische Vergnügen — die pba_149.030 Hedone — zugesellt, und zwar in um so höherem Grade, je höher pba_149.031 geartet der Gegenstand dieser ästhetischen Seelenthätigkeit ist und in je pba_149.032 vollendeterer Weise diese selbst von statten geht. 1 1 pba_149.033 Ausführlich ist dieser Gegenstand vom Verf. behandelt in seinem Buche: „Aristoteles, pba_149.034 Lessing und Goethe“, Leipzig, Teubner 1877, im Abschnitt V: „Des pba_149.035 Aristoteles Lehre von der Hedone und dem Kalon“. Die Hauptstelle, auf welche sich pba_149.036 die im Obigen angedeutete Theorie stützt, steht in der Nikomachischen Ethik des pba_149.037 Aristoteles, Buch X, Kap. 4 (1174b, 14–33): Αἰσθήσεως δὲ πάσης πρὸς τὸ αἰσθητὸν pba_149.038 ἐνεργούσης, τελείως δὲ τῆς εὖ διακειμένης πρὸς τὸ κάλλιστον τῶν ὑπὸ τὴν αἴσθησιν· pba_149.039 τοιοῦτον γὰρ μάλιστ̓ εἶναι δοκεῖ ἡ τελεία ἐνέργεια· αὐτὴν δὲ λέγειν ἐνεργεῖν, \̓η ἐν pba_149.040 ᾧ ἐστὶ, μηδὲν διαφερέτω· καθ' ἕκαστον δὲ βελτίστη ἐστὶν ἡ ἐέργεια τοῦ ἄριστα

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription. (2015-09-30T09:54:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Sandra Richter: ePoetics-Projekt-Koordination

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/167
Zitationshilfe: Baumgart, Hermann: Handbuch der Poetik. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Theorie der Dichtkunst. Stuttgart, 1887, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumgart_poetik_1887/167>, abgerufen am 18.04.2024.