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Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

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lächelnd dabei an des wilden Linchens Seiltänzersprünge
auf der Dielenritze. Auch mein durch das Einfallen des
Horns und der Flöte im Takt so schwieriges Lied gelang
glücklich. Das Haus wurde nicht müde, die neue Preziosa
zu rufen. Ich hatte vollständig gesiegt ... und doch war
mein Glück kein so harmloses, ungetrübtes, wie nach
meinem ersten Erfolge als Margarethe. Ich hatte in
diesen wenigen Monaten die "heißen Bretter" ahnen ge¬
lernt. Das Anfangs so lachend nahe Feenland der idealen
Kunst war in immer weitere Fernen gerückt. Würde
ich es je erreichen? würde ich je eine wahre, edle Künstlerin
werden? Daß es nur nach vielen bitteren Erfahrungen --
nach bangen, schweren Kämpfen und Ringen sein könne,
wußte ich jetzt schon. Aus der fröhlich und unbefangen
durch's Leben hüpfenden kleinen Komödiantin war --
die nachdenkende Schauspielerin einer bretternen Welt
geworden.


Nach diesem zweiten glücklichen Debüt trat ich in
Reih und Glied mit den meist ausgezeichneten Künstlern
des Karlsruher Hoftheaters.

Hätte Ludwig Tieck doch diese "echten Komödianten"
-- wie er am liebsten den wahren, kunstbegeisterten
Schauspieler nannte -- sehen können! Er wäre entzückt
gewesen. Behauptete er mir gegenüber doch späterhin
in Dresden stets hartnäckig: "Es ist ein Nachtheil für
die wahre Kunst, daß die Komödianten nicht mehr die

lächelnd dabei an des wilden Linchens Seiltänzerſprünge
auf der Dielenritze. Auch mein durch das Einfallen des
Horns und der Flöte im Takt ſo ſchwieriges Lied gelang
glücklich. Das Haus wurde nicht müde, die neue Prezioſa
zu rufen. Ich hatte vollſtändig geſiegt … und doch war
mein Glück kein ſo harmloſes, ungetrübtes, wie nach
meinem erſten Erfolge als Margarethe. Ich hatte in
dieſen wenigen Monaten die »heißen Bretter« ahnen ge¬
lernt. Das Anfangs ſo lachend nahe Feenland der idealen
Kunſt war in immer weitere Fernen gerückt. Würde
ich es je erreichen? würde ich je eine wahre, edle Künſtlerin
werden? Daß es nur nach vielen bitteren Erfahrungen —
nach bangen, ſchweren Kämpfen und Ringen ſein könne,
wußte ich jetzt ſchon. Aus der fröhlich und unbefangen
durch's Leben hüpfenden kleinen Komödiantin war —
die nachdenkende Schauſpielerin einer bretternen Welt
geworden.


Nach dieſem zweiten glücklichen Debüt trat ich in
Reih und Glied mit den meiſt ausgezeichneten Künſtlern
des Karlsruher Hoftheaters.

Hätte Ludwig Tieck doch dieſe »echten Komödianten«
— wie er am liebſten den wahren, kunſtbegeiſterten
Schauſpieler nannte — ſehen können! Er wäre entzückt
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in Dresden ſtets hartnäckig: »Es iſt ein Nachtheil für
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[20/0048] lächelnd dabei an des wilden Linchens Seiltänzerſprünge auf der Dielenritze. Auch mein durch das Einfallen des Horns und der Flöte im Takt ſo ſchwieriges Lied gelang glücklich. Das Haus wurde nicht müde, die neue Prezioſa zu rufen. Ich hatte vollſtändig geſiegt … und doch war mein Glück kein ſo harmloſes, ungetrübtes, wie nach meinem erſten Erfolge als Margarethe. Ich hatte in dieſen wenigen Monaten die »heißen Bretter« ahnen ge¬ lernt. Das Anfangs ſo lachend nahe Feenland der idealen Kunſt war in immer weitere Fernen gerückt. Würde ich es je erreichen? würde ich je eine wahre, edle Künſtlerin werden? Daß es nur nach vielen bitteren Erfahrungen — nach bangen, ſchweren Kämpfen und Ringen ſein könne, wußte ich jetzt ſchon. Aus der fröhlich und unbefangen durch's Leben hüpfenden kleinen Komödiantin war — die nachdenkende Schauſpielerin einer bretternen Welt geworden. Nach dieſem zweiten glücklichen Debüt trat ich in Reih und Glied mit den meiſt ausgezeichneten Künſtlern des Karlsruher Hoftheaters. Hätte Ludwig Tieck doch dieſe »echten Komödianten« — wie er am liebſten den wahren, kunſtbegeiſterten Schauſpieler nannte — ſehen können! Er wäre entzückt geweſen. Behauptete er mir gegenüber doch ſpäterhin in Dresden ſtets hartnäckig: »Es iſt ein Nachtheil für die wahre Kunſt, daß die Komödianten nicht mehr die

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Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/48>, abgerufen am 28.03.2024.