Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Deine Felder Dich schmückten" -- sank ich an seine Brust
und erwachte wie aus einem Traum, als nach dem Fallen
des Vorhangs "Margarethe" stürmisch gerufen wurde.

Die Mutter schilderte den ersten Versuch in dem
Brief an eine theure Verwandte:

"Lina wagte gestern ihren ersten Versuch, worüber
die ganze Stadt sich freute. Ich selbst bin noch wie
betäubt davon. Jedermann wußte, welche Liebe und
Lust sie zu diesem Berufe führte, und so war denn das
Haus schon um 5 Uhr so besetzt, daß kaum noch ein
Plätzchen zu finden war. Sie wurde vom Offizierkorps,
das wohl damit das Andenken ihres tapferen Vaters
ehren wollte, freundlich empfangen. Dies machte sie etwas
beklommen, doch faßte sie sich bald und spielte über Er¬
warten. Mit Enthusiasmus wurde sie gerufen. Ich
mußte weinen; ich allein wußte ja, daß Lina außer durch
Talent und Lust noch durch edlere Zwecke zur Bühne
geführt wurde. Sie ist nach diesem Erfolg eben so be¬
scheiden, so innig wie ein Kind. "Hast Du mich lieb,
Mutter?" war das Erste, was sie mir nach der Vor¬
stellung sagte ..."

Meine zweite Rolle war Iffland's "Elise von Val¬
berg", die dritte "Rosalie" im Inkognito von Ziegler.
Es wurde mir Engagement angetragen, und stolz unter¬
schrieb ich den Kontrakt "Großherzoglich badische Hof¬
schauspielerin."

Als ich an meinem 14. Geburtstage ganz still mit
der Mutter, den Brüdern und unserm gerichtlichen Bei¬

Deine Felder Dich ſchmückten« — ſank ich an ſeine Bruſt
und erwachte wie aus einem Traum, als nach dem Fallen
des Vorhangs »Margarethe« ſtürmiſch gerufen wurde.

Die Mutter ſchilderte den erſten Verſuch in dem
Brief an eine theure Verwandte:

»Lina wagte geſtern ihren erſten Verſuch, worüber
die ganze Stadt ſich freute. Ich ſelbſt bin noch wie
betäubt davon. Jedermann wußte, welche Liebe und
Luſt ſie zu dieſem Berufe führte, und ſo war denn das
Haus ſchon um 5 Uhr ſo beſetzt, daß kaum noch ein
Plätzchen zu finden war. Sie wurde vom Offizierkorps,
das wohl damit das Andenken ihres tapferen Vaters
ehren wollte, freundlich empfangen. Dies machte ſie etwas
beklommen, doch faßte ſie ſich bald und ſpielte über Er¬
warten. Mit Enthuſiasmus wurde ſie gerufen. Ich
mußte weinen; ich allein wußte ja, daß Lina außer durch
Talent und Luſt noch durch edlere Zwecke zur Bühne
geführt wurde. Sie iſt nach dieſem Erfolg eben ſo be¬
ſcheiden, ſo innig wie ein Kind. »Haſt Du mich lieb,
Mutter?« war das Erſte, was ſie mir nach der Vor¬
ſtellung ſagte …«

Meine zweite Rolle war Iffland's »Eliſe von Val¬
berg«, die dritte »Roſalie« im Inkognito von Ziegler.
Es wurde mir Engagement angetragen, und ſtolz unter¬
ſchrieb ich den Kontrakt »Großherzoglich badiſche Hof¬
ſchauſpielerin.«

Als ich an meinem 14. Geburtstage ganz ſtill mit
der Mutter, den Brüdern und unſerm gerichtlichen Bei¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0042" n="14"/>
Deine Felder Dich &#x017F;chmückten« &#x2014; &#x017F;ank ich an &#x017F;eine Bru&#x017F;t<lb/>
und erwachte wie aus einem Traum, als nach dem Fallen<lb/>
des Vorhangs »Margarethe« &#x017F;türmi&#x017F;ch gerufen wurde.</p><lb/>
        <p>Die Mutter &#x017F;childerte den er&#x017F;ten Ver&#x017F;uch in dem<lb/>
Brief an eine theure Verwandte:</p><lb/>
        <p>»Lina wagte ge&#x017F;tern ihren er&#x017F;ten Ver&#x017F;uch, worüber<lb/>
die ganze Stadt &#x017F;ich freute. Ich &#x017F;elb&#x017F;t bin noch wie<lb/>
betäubt davon. Jedermann wußte, welche Liebe und<lb/>
Lu&#x017F;t &#x017F;ie zu die&#x017F;em Berufe führte, und &#x017F;o war denn das<lb/>
Haus &#x017F;chon um 5 Uhr &#x017F;o be&#x017F;etzt, daß kaum noch ein<lb/>
Plätzchen zu finden war. Sie wurde vom Offizierkorps,<lb/>
das wohl damit das Andenken ihres tapferen Vaters<lb/>
ehren wollte, freundlich empfangen. Dies machte &#x017F;ie etwas<lb/>
beklommen, doch faßte &#x017F;ie &#x017F;ich bald und &#x017F;pielte über Er¬<lb/>
warten. Mit Enthu&#x017F;iasmus wurde &#x017F;ie gerufen. Ich<lb/>
mußte weinen; ich allein wußte ja, daß Lina außer durch<lb/>
Talent und Lu&#x017F;t noch durch edlere Zwecke zur Bühne<lb/>
geführt wurde. Sie i&#x017F;t nach die&#x017F;em Erfolg eben &#x017F;o be¬<lb/>
&#x017F;cheiden, &#x017F;o innig wie ein Kind. »Ha&#x017F;t Du mich lieb,<lb/>
Mutter?« war das Er&#x017F;te, was &#x017F;ie mir nach der Vor¬<lb/>
&#x017F;tellung &#x017F;agte &#x2026;«</p><lb/>
        <p>Meine zweite Rolle war Iffland's »Eli&#x017F;e von Val¬<lb/>
berg«, die dritte »Ro&#x017F;alie« im Inkognito von Ziegler.<lb/>
Es wurde mir Engagement angetragen, und &#x017F;tolz unter¬<lb/>
&#x017F;chrieb ich den Kontrakt »Großherzoglich badi&#x017F;che Hof¬<lb/>
&#x017F;chau&#x017F;pielerin.«</p><lb/>
        <p>Als ich an meinem 14. Geburtstage ganz &#x017F;till mit<lb/>
der Mutter, den Brüdern und un&#x017F;erm gerichtlichen Bei¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[14/0042] Deine Felder Dich ſchmückten« — ſank ich an ſeine Bruſt und erwachte wie aus einem Traum, als nach dem Fallen des Vorhangs »Margarethe« ſtürmiſch gerufen wurde. Die Mutter ſchilderte den erſten Verſuch in dem Brief an eine theure Verwandte: »Lina wagte geſtern ihren erſten Verſuch, worüber die ganze Stadt ſich freute. Ich ſelbſt bin noch wie betäubt davon. Jedermann wußte, welche Liebe und Luſt ſie zu dieſem Berufe führte, und ſo war denn das Haus ſchon um 5 Uhr ſo beſetzt, daß kaum noch ein Plätzchen zu finden war. Sie wurde vom Offizierkorps, das wohl damit das Andenken ihres tapferen Vaters ehren wollte, freundlich empfangen. Dies machte ſie etwas beklommen, doch faßte ſie ſich bald und ſpielte über Er¬ warten. Mit Enthuſiasmus wurde ſie gerufen. Ich mußte weinen; ich allein wußte ja, daß Lina außer durch Talent und Luſt noch durch edlere Zwecke zur Bühne geführt wurde. Sie iſt nach dieſem Erfolg eben ſo be¬ ſcheiden, ſo innig wie ein Kind. »Haſt Du mich lieb, Mutter?« war das Erſte, was ſie mir nach der Vor¬ ſtellung ſagte …« Meine zweite Rolle war Iffland's »Eliſe von Val¬ berg«, die dritte »Roſalie« im Inkognito von Ziegler. Es wurde mir Engagement angetragen, und ſtolz unter¬ ſchrieb ich den Kontrakt »Großherzoglich badiſche Hof¬ ſchauſpielerin.« Als ich an meinem 14. Geburtstage ganz ſtill mit der Mutter, den Brüdern und unſerm gerichtlichen Bei¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/42
Zitationshilfe: Bauer, Karoline: Aus meinem Bühnenleben. Berlin, 1871, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bauer_buehnenleben_1871/42>, abgerufen am 24.04.2024.