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Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

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Das Ander Buch.
die mit euch/ sind sie alle (damit ich nit was ärgers
sag) Sternseher? Wie wann einer von einem Rau-
ber vberfallen wirdt? es muste so seyn/ saget jhr/ daß
jhn der Räuber vmbbrächte. So haben also eben
die Sternen/ welche diesem Menschen bey seiner
Geburt zuerkant haben daß er vom Mörder hin-
gerichtet würde/ dem Mörder/ so vielleicht lange zu-
vor geboren worden/ das Gemüte vnd die Gewalt
verliehen/ daß er diesen dermal eines wolte vnd
köndte auffreiben? Dann jhr gebet ja für/ es kom-
me nicht weniger von dem Gestirne her daß die-
ser morde/ als daß jener ermordet werde. Wann
einen aber sein Hauß erschläget/ hatt darumb die
Mawer einfallen müssen/ weil es die Gestirne so
mit sich gebracht haben/ daß diesen sein Hauß be-
graben solte? Vielmehr hat jhn die Last erdruckt/
weil die Mawer eingefallen ist. So ist es auch mit
den Ehren vnd Würden/ zu welchen man durch ge-
wisse Staffeln hienauff steiget. Dann können die
Sternen/ welche bey eines Menschen Geburt ge-
wesen seyn/ vnd jhm (wie jhr wollet) hohe Würden
versprochen haben denen/ die vnter jhnen nicht ge-
bohren sindt/ gebieten/ durch welcher Erwehlung
jener zu seinen versehenen Würden gelanget ist?

Ich wolte derhalben sagen/ daß diese Eitelkeit
die grösseste Narrheit auff der Welt sey/ wann die-
ser Nahme Narrheit hierzu nicht viel zu wenig we-
re. Es ist gewiß der ärgste Aberglauben den man
finden kan. Dann worzu dienete die Freyheit der

Men-
X ij

Das Ander Buch.
die mit euch/ ſind ſie alle (damit ich nit was aͤrgers
ſag) Sternſeher? Wie wann einer von einem Rau-
ber vberfallen wirdt? es muſte ſo ſeyn/ ſaget jhr/ daß
jhn der Raͤuber vmbbraͤchte. So haben alſo eben
die Sternen/ welche dieſem Menſchen bey ſeiner
Geburt zuerkant haben daß er vom Moͤrder hin-
gerichtet wuͤrde/ dem Moͤrder/ ſo vielleicht lange zu-
vor geboren worden/ das Gemuͤte vnd die Gewalt
verliehen/ daß er dieſen dermal eines wolte vnd
koͤndte auffreiben? Dann jhr gebet ja fuͤr/ es kom-
me nicht weniger von dem Geſtirne her daß die-
ſer morde/ als daß jener ermordet werde. Wann
einen aber ſein Hauß erſchlaͤget/ hatt darumb die
Mawer einfallen muͤſſen/ weil es die Geſtirne ſo
mit ſich gebracht haben/ daß dieſen ſein Hauß be-
graben ſolte? Vielmehr hat jhn die Laſt erdruckt/
weil die Mawer eingefallen iſt. So iſt es auch mit
den Ehren vnd Wuͤrden/ zu welchen man durch ge-
wiſſe Staffeln hienauff ſteiget. Dann koͤnnen die
Sternen/ welche bey eines Menſchen Geburt ge-
weſen ſeyn/ vnd jhm (wie jhr wollet) hohe Wuͤrden
verſprochen haben denen/ die vnter jhnen nicht ge-
bohren ſindt/ gebieten/ durch welcher Erwehlung
jener zu ſeinen verſehenen Wuͤrden gelanget iſt?

Ich wolte derhalben ſagen/ daß dieſe Eitelkeit
die groͤſſeſte Narꝛheit auff der Welt ſey/ wann die-
ſer Nahme Narꝛheit hierzu nicht viel zu wenig we-
re. Es iſt gewiß der aͤrgſte Aberglauben den man
finden kan. Dann worzu dienete die Freyheit der

Men-
X ij
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[323/0367] Das Ander Buch. die mit euch/ ſind ſie alle (damit ich nit was aͤrgers ſag) Sternſeher? Wie wann einer von einem Rau- ber vberfallen wirdt? es muſte ſo ſeyn/ ſaget jhr/ daß jhn der Raͤuber vmbbraͤchte. So haben alſo eben die Sternen/ welche dieſem Menſchen bey ſeiner Geburt zuerkant haben daß er vom Moͤrder hin- gerichtet wuͤrde/ dem Moͤrder/ ſo vielleicht lange zu- vor geboren worden/ das Gemuͤte vnd die Gewalt verliehen/ daß er dieſen dermal eines wolte vnd koͤndte auffreiben? Dann jhr gebet ja fuͤr/ es kom- me nicht weniger von dem Geſtirne her daß die- ſer morde/ als daß jener ermordet werde. Wann einen aber ſein Hauß erſchlaͤget/ hatt darumb die Mawer einfallen muͤſſen/ weil es die Geſtirne ſo mit ſich gebracht haben/ daß dieſen ſein Hauß be- graben ſolte? Vielmehr hat jhn die Laſt erdruckt/ weil die Mawer eingefallen iſt. So iſt es auch mit den Ehren vnd Wuͤrden/ zu welchen man durch ge- wiſſe Staffeln hienauff ſteiget. Dann koͤnnen die Sternen/ welche bey eines Menſchen Geburt ge- weſen ſeyn/ vnd jhm (wie jhr wollet) hohe Wuͤrden verſprochen haben denen/ die vnter jhnen nicht ge- bohren ſindt/ gebieten/ durch welcher Erwehlung jener zu ſeinen verſehenen Wuͤrden gelanget iſt? Ich wolte derhalben ſagen/ daß dieſe Eitelkeit die groͤſſeſte Narꝛheit auff der Welt ſey/ wann die- ſer Nahme Narꝛheit hierzu nicht viel zu wenig we- re. Es iſt gewiß der aͤrgſte Aberglauben den man finden kan. Dann worzu dienete die Freyheit der Men- X ij

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Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/367>, abgerufen am 25.04.2024.