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Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.

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Joh. Barclayens Argenis/
schlossen halten. Aber es war ein Wunderwerck
die Argenis an zuschawen: So bald sie auß dem
Tempel gegangen mit vnstetten vnd scheutzlich
herumb fliegenden Augen/ fieng sie an zu zittern
vnd zu taumeln. Ihre Gestalt war wütende/ wel-
che die Regung der Götter/ so noch im Gemüht
nicht gäntzlich Grund gesucht/ auff die erste Ver-
wirrung begundte herauß zu stossen. Meleander
verstarrete sonderlich/ vnd wuste nicht was für ein
Fall/ für Furien vnd für Götter seine Tochter rüh-
reten. Aber sie/ nach dem sie eine Weile die Augen
sehr heßlich verdrehet hatte/ fieng an also zu reden:
Warumb fleuchst du/ o Göttin/ vnd verlässest
diese heylige Stelle? Meine Pallas ist wegk: ich
sehe jhren fliegenden Wagen/ vnd die erzürnete
Göttin. Wer macht vns so verwegen? sie fleucht/
weil wir sie in das Elendt verbannet haben. Was
sol ich viel Rauchwerck anzünden? Was sol ich
das Altar mit Blute der Opffer besprengen? O
Göttin/ nimb viel lieber mich mit dir/ vnd trag
mich wo dir hinzu fliegen geliebet. Aber wie? du
dräwest vns mit deinen Waffen. Dein Spieß
vnd deine Egide krachen: ich höre das Getüm-
mel in der Lufft; ich sehe das schreckliche Anscha-
wen der blinckenden Gestirne von dem Himmel.
O Göttin/ verschone ja vnser; reche ja dich nicht
an vns mit deinen Waffen/ vnd schlag mit dei-
nem Donner nicht in diese Gegendt! O der Fu-
rien! wo wilder Götter Zorn hinauß? Worzu ha-

ben

Joh. Barclayens Argenis/
ſchloſſen halten. Aber es war ein Wunderwerck
die Argenis an zuſchawen: So bald ſie auß dem
Tempel gegangen mit vnſtetten vnd ſcheutzlich
herumb fliegenden Augen/ fieng ſie an zu zittern
vnd zu taumeln. Ihre Geſtalt war wuͤtende/ wel-
che die Regung der Goͤtter/ ſo noch im Gemuͤht
nicht gaͤntzlich Grund geſucht/ auff die erſte Ver-
wirꝛung begundte herauß zu ſtoſſen. Meleander
verſtarꝛete ſonderlich/ vnd wuſte nicht was fuͤr ein
Fall/ fuͤr Furien vnd fuͤr Goͤtter ſeine Tochter ruͤh-
reten. Aber ſie/ nach dem ſie eine Weile die Augen
ſehr heßlich verdrehet hatte/ fieng an alſo zu reden:
Warumb fleuchſt du/ o Goͤttin/ vnd verlaͤſſeſt
dieſe heylige Stelle? Meine Pallas iſt wegk: ich
ſehe jhren fliegenden Wagen/ vnd die erzuͤrnete
Goͤttin. Wer macht vns ſo verwegen? ſie fleucht/
weil wir ſie in das Elendt verbannet haben. Was
ſol ich viel Rauchwerck anzuͤnden? Was ſol ich
das Altar mit Blute der Opffer beſprengen? O
Goͤttin/ nimb viel lieber mich mit dir/ vnd trag
mich wo dir hinzu fliegen geliebet. Aber wie? du
draͤweſt vns mit deinen Waffen. Dein Spieß
vnd deine Egide krachen: ich hoͤre das Getuͤm-
mel in der Lufft; ich ſehe das ſchreckliche Anſcha-
wen der blinckenden Geſtirne von dem Himmel.
O Goͤttin/ verſchone ja vnſer; reche ja dich nicht
an vns mit deinen Waffen/ vnd ſchlag mit dei-
nem Donner nicht in dieſe Gegendt! O der Fu-
rien! wo wilder Goͤtter Zorn hinauß? Worzu ha-

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[178/0222] Joh. Barclayens Argenis/ ſchloſſen halten. Aber es war ein Wunderwerck die Argenis an zuſchawen: So bald ſie auß dem Tempel gegangen mit vnſtetten vnd ſcheutzlich herumb fliegenden Augen/ fieng ſie an zu zittern vnd zu taumeln. Ihre Geſtalt war wuͤtende/ wel- che die Regung der Goͤtter/ ſo noch im Gemuͤht nicht gaͤntzlich Grund geſucht/ auff die erſte Ver- wirꝛung begundte herauß zu ſtoſſen. Meleander verſtarꝛete ſonderlich/ vnd wuſte nicht was fuͤr ein Fall/ fuͤr Furien vnd fuͤr Goͤtter ſeine Tochter ruͤh- reten. Aber ſie/ nach dem ſie eine Weile die Augen ſehr heßlich verdrehet hatte/ fieng an alſo zu reden: Warumb fleuchſt du/ o Goͤttin/ vnd verlaͤſſeſt dieſe heylige Stelle? Meine Pallas iſt wegk: ich ſehe jhren fliegenden Wagen/ vnd die erzuͤrnete Goͤttin. Wer macht vns ſo verwegen? ſie fleucht/ weil wir ſie in das Elendt verbannet haben. Was ſol ich viel Rauchwerck anzuͤnden? Was ſol ich das Altar mit Blute der Opffer beſprengen? O Goͤttin/ nimb viel lieber mich mit dir/ vnd trag mich wo dir hinzu fliegen geliebet. Aber wie? du draͤweſt vns mit deinen Waffen. Dein Spieß vnd deine Egide krachen: ich hoͤre das Getuͤm- mel in der Lufft; ich ſehe das ſchreckliche Anſcha- wen der blinckenden Geſtirne von dem Himmel. O Goͤttin/ verſchone ja vnſer; reche ja dich nicht an vns mit deinen Waffen/ vnd ſchlag mit dei- nem Donner nicht in dieſe Gegendt! O der Fu- rien! wo wilder Goͤtter Zorn hinauß? Worzu ha- ben

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Zitationshilfe: Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/222>, abgerufen am 18.04.2024.