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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Luz (schluchzt bei seinen Worten laut auf, voll Mitleid
mit sich selbst).
Ja, Fidl, ich bin sehr arm! (Schluchzt
noch einmal auf; dann, in einem kindisch klagenden Ton.)

Im Auto hab ich mir heute die ganze Zeit gewünscht:
Wenn wir nur schon im Graben lägen, und alles wär
vorbei! -- Du bist ja so stark, Fidl! Du hättest es
überwunden.
Fidelis (ganz ruhig, trocken). An den Chauffeur aber
hast du nicht gedacht?
Luz (noch in Tränen; im Ton eines gekränkten Kindes,
klagend).
Du machst schon wieder Witze!
Fidelis (trocken). Kind, das ist gar kein Witz, wenn
ich dagegen bin, seinen Chauffeur umzubringen.
Luz (wendet sich plötzlich heftig um; mit harter Stimme,
fast schreiend).
Was ich da durchgemacht habe, war so
gräßlich, daß ich mit keinem Menschen mehr Mitleid
haben kann! (Indem sie wieder zur Sitzbank geht.) Das
ahnt ja niemand, das ahnt ja niemand! (Plötzlich wieder
sehr heftig, fast wild.)
Und man soll mir nur nicht mehr
sagen, daß Leid veredelt! Gemein und tückisch und nieder-
trächtig macht's! Mich ekelt ja vor mir selbst! (Setzt
sich auf die Sitzbank links.)
Fidelis (steht behutsam auf und legt seine Pfeife auf den
langen Tisch rechts; nach einer kleinen Pause, sehr ruhig).

Wie wär's, wenn du mir nun aber von Anfang an er-
zähltest!
Luz (mit einem harten und trotzigen Gesicht, zu Boden
blickend; höhnisch, leise).
Wünsch dir's nicht!
Fidelis (geht langsam nach links; nach einer kleinen
Pause, wieder stehen bleibend, in einem sehr einfachen Ton).

Luz (ſchluchzt bei ſeinen Worten laut auf, voll Mitleid
mit ſich ſelbſt).
Ja, Fidl, ich bin ſehr arm! (Schluchzt
noch einmal auf; dann, in einem kindiſch klagenden Ton.)

Im Auto hab ich mir heute die ganze Zeit gewünſcht:
Wenn wir nur ſchon im Graben lägen, und alles wär
vorbei! — Du biſt ja ſo ſtark, Fidl! Du hätteſt es
überwunden.
Fidelis (ganz ruhig, trocken). An den Chauffeur aber
haſt du nicht gedacht?
Luz (noch in Traͤnen; im Ton eines gekraͤnkten Kindes,
klagend).
Du machſt ſchon wieder Witze!
Fidelis (trocken). Kind, das iſt gar kein Witz, wenn
ich dagegen bin, ſeinen Chauffeur umzubringen.
Luz (wendet ſich ploͤtzlich heftig um; mit harter Stimme,
faſt ſchreiend).
Was ich da durchgemacht habe, war ſo
gräßlich, daß ich mit keinem Menſchen mehr Mitleid
haben kann! (Indem ſie wieder zur Sitzbank geht.) Das
ahnt ja niemand, das ahnt ja niemand! (Ploͤtzlich wieder
ſehr heftig, faſt wild.)
Und man ſoll mir nur nicht mehr
ſagen, daß Leid veredelt! Gemein und tückiſch und nieder-
trächtig macht's! Mich ekelt ja vor mir ſelbſt! (Setzt
ſich auf die Sitzbank links.)
Fidelis (ſteht behutſam auf und legt ſeine Pfeife auf den
langen Tiſch rechts; nach einer kleinen Pauſe, ſehr ruhig).

Wie wär's, wenn du mir nun aber von Anfang an er-
zählteſt!
Luz (mit einem harten und trotzigen Geſicht, zu Boden
blickend; hoͤhniſch, leiſe).
Wünſch dir's nicht!
Fidelis (geht langſam nach links; nach einer kleinen
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[43/0046] Luz (ſchluchzt bei ſeinen Worten laut auf, voll Mitleid mit ſich ſelbſt). Ja, Fidl, ich bin ſehr arm! (Schluchzt noch einmal auf; dann, in einem kindiſch klagenden Ton.) Im Auto hab ich mir heute die ganze Zeit gewünſcht: Wenn wir nur ſchon im Graben lägen, und alles wär vorbei! — Du biſt ja ſo ſtark, Fidl! Du hätteſt es überwunden. Fidelis (ganz ruhig, trocken). An den Chauffeur aber haſt du nicht gedacht? Luz (noch in Traͤnen; im Ton eines gekraͤnkten Kindes, klagend). Du machſt ſchon wieder Witze! Fidelis (trocken). Kind, das iſt gar kein Witz, wenn ich dagegen bin, ſeinen Chauffeur umzubringen. Luz (wendet ſich ploͤtzlich heftig um; mit harter Stimme, faſt ſchreiend). Was ich da durchgemacht habe, war ſo gräßlich, daß ich mit keinem Menſchen mehr Mitleid haben kann! (Indem ſie wieder zur Sitzbank geht.) Das ahnt ja niemand, das ahnt ja niemand! (Ploͤtzlich wieder ſehr heftig, faſt wild.) Und man ſoll mir nur nicht mehr ſagen, daß Leid veredelt! Gemein und tückiſch und nieder- trächtig macht's! Mich ekelt ja vor mir ſelbſt! (Setzt ſich auf die Sitzbank links.) Fidelis (ſteht behutſam auf und legt ſeine Pfeife auf den langen Tiſch rechts; nach einer kleinen Pauſe, ſehr ruhig). Wie wär's, wenn du mir nun aber von Anfang an er- zählteſt! Luz (mit einem harten und trotzigen Geſicht, zu Boden blickend; hoͤhniſch, leiſe). Wünſch dir's nicht! Fidelis (geht langſam nach links; nach einer kleinen Pauſe, wieder ſtehen bleibend, in einem ſehr einfachen Ton).

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/46>, abgerufen am 28.03.2024.