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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Fidelis. Oder keins. Oder beides. Ich weiß es
nicht. -- Ich braue Bier, verdiene damit Geld und ver-
wende das dann, um den Leuten das Bier zu verekeln.
(Lacht.) Das macht mir Spaß und mag auch eine Art
moralischer Rückversicherung sein. Könnte man sich's
in allen Dingen so einrichten, dann käme man vielleicht
der Wahrheit näher.
Justine (plötzlich sehr gereizt). Du philosophierst mir da
vor und denkst nicht daran, daß indessen deine Frau --
Fidelis (ernst). Ich denke die ganze Zeit daran.
Justine (vorwurfsvoll). Das weißt du dann aber gut
zu verbergen.
Fidelis (achselzuckend; trocken). Wir können auch die
Hände ringen, wenn du dir davon mehr versprichst.
Justine (nach einer kleinen Pause, leise, langsam, angst-
voll).
Fidl! Ich komme nicht mehr leicht in Alarm, aber
in ihrem letzten Brief, weißt du, wo sie mir abschrieb,
da stand: (ganz leise, sehr langsam) es hätte jetzt ja
doch alles keinen Sinn mehr, sie sei nun einmal ver-
loren.
Fidelis (ganz ernst, ohne Spott, rein sachlich). Sie war
in diesen drei Jahren schon ziemlich oft verloren.
Justine (leise, in einem fast bittenden Ton). Es könnte
doch aber auch einmal -- (Hält ein und blickt Fidelis
ängstlich an.)
Fidelis (kurz zustimmend). Es könnte. -- (Steht auf
und geht langsam zum Kamin; nach einer kleinen Pause,
achselzuckend.)
Es kann jedem Menschen jeden Augenblick
alles mögliche geschehen.
Fidelis. Oder keins. Oder beides. Ich weiß es
nicht. — Ich braue Bier, verdiene damit Geld und ver-
wende das dann, um den Leuten das Bier zu verekeln.
(Lacht.) Das macht mir Spaß und mag auch eine Art
moraliſcher Rückverſicherung ſein. Könnte man ſich's
in allen Dingen ſo einrichten, dann käme man vielleicht
der Wahrheit näher.
Juſtine (ploͤtzlich ſehr gereizt). Du philoſophierſt mir da
vor und denkſt nicht daran, daß indeſſen deine Frau —
Fidelis (ernſt). Ich denke die ganze Zeit daran.
Juſtine (vorwurfsvoll). Das weißt du dann aber gut
zu verbergen.
Fidelis (achſelzuckend; trocken). Wir können auch die
Hände ringen, wenn du dir davon mehr verſprichſt.
Juſtine (nach einer kleinen Pauſe, leiſe, langſam, angſt-
voll).
Fidl! Ich komme nicht mehr leicht in Alarm, aber
in ihrem letzten Brief, weißt du, wo ſie mir abſchrieb,
da ſtand: (ganz leiſe, ſehr langſam) es hätte jetzt ja
doch alles keinen Sinn mehr, ſie ſei nun einmal ver-
loren.
Fidelis (ganz ernſt, ohne Spott, rein ſachlich). Sie war
in dieſen drei Jahren ſchon ziemlich oft verloren.
Juſtine (leiſe, in einem faſt bittenden Ton). Es könnte
doch aber auch einmal — (Haͤlt ein und blickt Fidelis
aͤngſtlich an.)
Fidelis (kurz zuſtimmend). Es könnte. — (Steht auf
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Es kann jedem Menſchen jeden Augenblick
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[37/0040] Fidelis. Oder keins. Oder beides. Ich weiß es nicht. — Ich braue Bier, verdiene damit Geld und ver- wende das dann, um den Leuten das Bier zu verekeln. (Lacht.) Das macht mir Spaß und mag auch eine Art moraliſcher Rückverſicherung ſein. Könnte man ſich's in allen Dingen ſo einrichten, dann käme man vielleicht der Wahrheit näher. Juſtine (ploͤtzlich ſehr gereizt). Du philoſophierſt mir da vor und denkſt nicht daran, daß indeſſen deine Frau — Fidelis (ernſt). Ich denke die ganze Zeit daran. Juſtine (vorwurfsvoll). Das weißt du dann aber gut zu verbergen. Fidelis (achſelzuckend; trocken). Wir können auch die Hände ringen, wenn du dir davon mehr verſprichſt. Juſtine (nach einer kleinen Pauſe, leiſe, langſam, angſt- voll). Fidl! Ich komme nicht mehr leicht in Alarm, aber in ihrem letzten Brief, weißt du, wo ſie mir abſchrieb, da ſtand: (ganz leiſe, ſehr langſam) es hätte jetzt ja doch alles keinen Sinn mehr, ſie ſei nun einmal ver- loren. Fidelis (ganz ernſt, ohne Spott, rein ſachlich). Sie war in dieſen drei Jahren ſchon ziemlich oft verloren. Juſtine (leiſe, in einem faſt bittenden Ton). Es könnte doch aber auch einmal — (Haͤlt ein und blickt Fidelis aͤngſtlich an.) Fidelis (kurz zuſtimmend). Es könnte. — (Steht auf und geht langſam zum Kamin; nach einer kleinen Pauſe, achſelzuckend.) Es kann jedem Menſchen jeden Augenblick alles mögliche geſchehen.

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/40>, abgerufen am 28.03.2024.