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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Fidelis (lustig). Ich muß mich bloß erst wieder in
den (mit ironischer Betonung) "Hofton" finden! (Reicht
ihr die Hand und behält ihre Hand in der seinen.)
Denk
nur, Mamchen: drei Wochen in meiner Hütte, jeden Tag
neun Stunden in Eis und Schnee draußen, bis man
dann abends gar nichts mehr spürt als eine grenzen-
lose Dankbarkeit, daß man jetzt wieder sitzen darf, still-
sitzen und kein Bein mehr rühren, und den Kopf schon
gar nicht -- herrlich ist das! (Läßt ihre Hand los.) Aber
wo steckt denn Luz? Drei Wochen ehelicher Entbehrung
und dann bloß ... Schwiegermutter? -- Also wo --?
Therese. Die gnädige Frau ist heute früh im Auto
fort.
Diener (durch die Türe links vom Glasschrank, mit einem
Rucksack, Skiern, einem Bergstock und einer Mappe, geht zur
ersten Türe rechts und hier ab).
Justine. Dir entgegen, vermuteten wir.
Fidelis (kopfschüttelnd). Ich sah doch in jeder Station
hinaus, ob sie nicht vielleicht -- ich kenne diese Leiden-
schaft ja. (Vorwurfsvoll.) Warum bist du nicht mit?
Justine. Ich --
Fidelis. Man darf sie doch nicht allein fahren lassen,
sie kommt ja bekanntlich nie dort an, wohin sie will.
Justine. Ich bin doch selbst erst seit einer halben
Stunde hier. -- (Langsam.) Sie hat mir nämlich einige
recht merkwürdige Briefe geschrieben.
Diener (durch die erste Türe rechts, geht durch die Türe
links vom Glasschrank wieder ab.)
Fidelis (erstaunt, nachdenklich). Dir auch? (Er scheint
Fidelis (luſtig). Ich muß mich bloß erſt wieder in
den (mit ironiſcher Betonung) „Hofton“ finden! (Reicht
ihr die Hand und behaͤlt ihre Hand in der ſeinen.)
Denk
nur, Mamchen: drei Wochen in meiner Hütte, jeden Tag
neun Stunden in Eis und Schnee draußen, bis man
dann abends gar nichts mehr ſpürt als eine grenzen-
loſe Dankbarkeit, daß man jetzt wieder ſitzen darf, ſtill-
ſitzen und kein Bein mehr rühren, und den Kopf ſchon
gar nicht — herrlich iſt das! (Laͤßt ihre Hand los.) Aber
wo ſteckt denn Luz? Drei Wochen ehelicher Entbehrung
und dann bloß ... Schwiegermutter? — Alſo wo —?
Thereſe. Die gnädige Frau iſt heute früh im Auto
fort.
Diener (durch die Tuͤre links vom Glasſchrank, mit einem
Ruckſack, Skiern, einem Bergſtock und einer Mappe, geht zur
erſten Tuͤre rechts und hier ab).
Juſtine. Dir entgegen, vermuteten wir.
Fidelis (kopfſchuͤttelnd). Ich ſah doch in jeder Station
hinaus, ob ſie nicht vielleicht — ich kenne dieſe Leiden-
ſchaft ja. (Vorwurfsvoll.) Warum biſt du nicht mit?
Juſtine. Ich —
Fidelis. Man darf ſie doch nicht allein fahren laſſen,
ſie kommt ja bekanntlich nie dort an, wohin ſie will.
Juſtine. Ich bin doch ſelbſt erſt ſeit einer halben
Stunde hier. — (Langſam.) Sie hat mir nämlich einige
recht merkwürdige Briefe geſchrieben.
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[18/0021] Fidelis (luſtig). Ich muß mich bloß erſt wieder in den (mit ironiſcher Betonung) „Hofton“ finden! (Reicht ihr die Hand und behaͤlt ihre Hand in der ſeinen.) Denk nur, Mamchen: drei Wochen in meiner Hütte, jeden Tag neun Stunden in Eis und Schnee draußen, bis man dann abends gar nichts mehr ſpürt als eine grenzen- loſe Dankbarkeit, daß man jetzt wieder ſitzen darf, ſtill- ſitzen und kein Bein mehr rühren, und den Kopf ſchon gar nicht — herrlich iſt das! (Laͤßt ihre Hand los.) Aber wo ſteckt denn Luz? Drei Wochen ehelicher Entbehrung und dann bloß ... Schwiegermutter? — Alſo wo —? Thereſe. Die gnädige Frau iſt heute früh im Auto fort. Diener (durch die Tuͤre links vom Glasſchrank, mit einem Ruckſack, Skiern, einem Bergſtock und einer Mappe, geht zur erſten Tuͤre rechts und hier ab). Juſtine. Dir entgegen, vermuteten wir. Fidelis (kopfſchuͤttelnd). Ich ſah doch in jeder Station hinaus, ob ſie nicht vielleicht — ich kenne dieſe Leiden- ſchaft ja. (Vorwurfsvoll.) Warum biſt du nicht mit? Juſtine. Ich — Fidelis. Man darf ſie doch nicht allein fahren laſſen, ſie kommt ja bekanntlich nie dort an, wohin ſie will. Juſtine. Ich bin doch ſelbſt erſt ſeit einer halben Stunde hier. — (Langſam.) Sie hat mir nämlich einige recht merkwürdige Briefe geſchrieben. Diener (durch die erſte Tuͤre rechts, geht durch die Tuͤre links vom Glasſchrank wieder ab.) Fidelis (erſtaunt, nachdenklich). Dir auch? (Er ſcheint

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/21>, abgerufen am 28.03.2024.