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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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Justine (trocken). Ich gestatte. Erleichtern Sie!
Therese (in einem Ton tiefer Kränkung). Gnädige Frau
haben da früher ein Wort gebraucht ... nämlich daß
ich, wie gnädige Frau sagten, gewissermaßen (sie muß
sich überwinden, das Wort auszusprechen)
"unheilschwan-
ger" ...
Justine (trocken). Sehen Sie sich in den Spiegel!
(Setzt sich auf das Sofa links.)
Therese (gekränkt). Da muß ich also doch aber bitten,
das erklären zu dürfen. --
(Aufgeregt, sehr leise). Mir
ist nämlich um die Frau Doktor so bang!
Justine (keineswegs erschreckt; kurz). Warum?
Therese (aufgeregt, leise). Ich weiß es nicht. Ich weiß
nur, daß sie furchtbar leiden muß.
Justine (trocken). Luz hat immer gelitten, schon als
Kind. Es ist ihr nicht wohl, wenn sie nicht leidet.
(Mit
einer leisen Bitterkeit.)
Bei Mädchen, die das Unglück
haben, in großem Reichtum aufzuwachsen, ist das nichts
Ungewöhnliches.
Therese (kopfschüttelnd). Melancholisch war sie ja von
je. Das mag, wie die gnädige Frau sagten, gewisser-
maßen dazu gehören. Es kleidet sie ja auch so gut.
Jetzt aber .... nein, gnädige Frau! Sie muß jetzt
wirklich irgendeinen ernsten Kummer haben.
Justine (trocken). Seit wann?
Therese. Es fing eigentlich schon gleich nach Weih-
nachten an, bald nachdem gnädige Frau wieder abgereist
waren.
Justine. Was fing da an?
Therese. Die Frau Doktor war plötzlich so ruhelos.
Juſtine (trocken). Ich geſtatte. Erleichtern Sie!
Thereſe (in einem Ton tiefer Kraͤnkung). Gnädige Frau
haben da früher ein Wort gebraucht ... nämlich daß
ich, wie gnädige Frau ſagten, gewiſſermaßen (ſie muß
ſich uͤberwinden, das Wort auszuſprechen)
„unheilſchwan-
ger“ ...
Juſtine (trocken). Sehen Sie ſich in den Spiegel!
(Setzt ſich auf das Sofa links.)
Thereſe (gekraͤnkt). Da muß ich alſo doch aber bitten,
das erklären zu dürfen. —
(Aufgeregt, ſehr leiſe). Mir
iſt nämlich um die Frau Doktor ſo bang!
Juſtine (keineswegs erſchreckt; kurz). Warum?
Thereſe (aufgeregt, leiſe). Ich weiß es nicht. Ich weiß
nur, daß ſie furchtbar leiden muß.
Juſtine (trocken). Luz hat immer gelitten, ſchon als
Kind. Es iſt ihr nicht wohl, wenn ſie nicht leidet.
(Mit
einer leiſen Bitterkeit.)
Bei Mädchen, die das Unglück
haben, in großem Reichtum aufzuwachſen, iſt das nichts
Ungewöhnliches.
Thereſe (kopfſchuͤttelnd). Melancholiſch war ſie ja von
je. Das mag, wie die gnädige Frau ſagten, gewiſſer-
maßen dazu gehören. Es kleidet ſie ja auch ſo gut.
Jetzt aber .... nein, gnädige Frau! Sie muß jetzt
wirklich irgendeinen ernſten Kummer haben.
Juſtine (trocken). Seit wann?
Thereſe. Es fing eigentlich ſchon gleich nach Weih-
nachten an, bald nachdem gnädige Frau wieder abgereiſt
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[15/0018] Juſtine (trocken). Ich geſtatte. Erleichtern Sie! Thereſe (in einem Ton tiefer Kraͤnkung). Gnädige Frau haben da früher ein Wort gebraucht ... nämlich daß ich, wie gnädige Frau ſagten, gewiſſermaßen (ſie muß ſich uͤberwinden, das Wort auszuſprechen) „unheilſchwan- ger“ ... Juſtine (trocken). Sehen Sie ſich in den Spiegel! (Setzt ſich auf das Sofa links.) Thereſe (gekraͤnkt). Da muß ich alſo doch aber bitten, das erklären zu dürfen. — (Aufgeregt, ſehr leiſe). Mir iſt nämlich um die Frau Doktor ſo bang! Juſtine (keineswegs erſchreckt; kurz). Warum? Thereſe (aufgeregt, leiſe). Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ſie furchtbar leiden muß. Juſtine (trocken). Luz hat immer gelitten, ſchon als Kind. Es iſt ihr nicht wohl, wenn ſie nicht leidet. (Mit einer leiſen Bitterkeit.) Bei Mädchen, die das Unglück haben, in großem Reichtum aufzuwachſen, iſt das nichts Ungewöhnliches. Thereſe (kopfſchuͤttelnd). Melancholiſch war ſie ja von je. Das mag, wie die gnädige Frau ſagten, gewiſſer- maßen dazu gehören. Es kleidet ſie ja auch ſo gut. Jetzt aber .... nein, gnädige Frau! Sie muß jetzt wirklich irgendeinen ernſten Kummer haben. Juſtine (trocken). Seit wann? Thereſe. Es fing eigentlich ſchon gleich nach Weih- nachten an, bald nachdem gnädige Frau wieder abgereiſt waren. Juſtine. Was fing da an? Thereſe. Die Frau Doktor war plötzlich ſo ruhelos.

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/18>, abgerufen am 29.03.2024.