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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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die Stimmrechtsverbände als solche sich absolut parteipolitisch neutral
verhalten müßten."

Und dabei ist der Preußische Landesverein es, der am heftigsten
innerhalb des Deutschen Verbandes für die Beibehaltung des § 3 kämpft,
der also einfach nicht aus den Erfahrungen anderer Länder lernen will!

Wenn in der neuen Resolution ausdrücklich betont wird, "daß
der Weltbund für Frauenstimmrecht bei keiner Gelegenheit Stellung für
oder gegen das allgemeine Wahlrecht genommen hat und es auch jetzt
nicht tun wird, da seine Verfassung es klar ausspricht, daß den an-
geschlossenen Ländern die Entscheidung völlig überlassen bleiben muß,
welche Form des Wahlrechts sie zu jeder gegebenen Zeit fordern wollen",
wenn es dann ferner heißt: "Der Weltbund für Frauenstimmrecht
äußert keine Meinung, welche Art von Wahlrecht die Frauen fordern
sollen. Sein einziger Zweck ist, den Grundsatz zu verfechten, daß das
Geschlecht kein Grund sein darf, den Frauen das Wahlrecht vorzuent-
halten," so stimmt das ja ganz mit meinen bisherigen Ausführungen
überein. Erst ist das Frauenstimmrecht zu fordern, weil das Stimm-
recht, das die Männer haben, in demselben Maße den
Frauen
gebührt! Und erst dann ist die Form des Wahlrechts zu
fordern, und zwar "das zu jeder Zeit gegebene", d.h. das Wahlrecht,
das zur Zeit erreichbar ist!

Wie haben sich denn andere Länder verhalten? Haben die immer
nur gleich das Höchste gefordert? Oder haben sie, klug und weise, auch
erst das Erreichbare genommen?

Wenn ich vorhin ausführte, daß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit
die Frauen in Deutschland das kommunale Wahlrecht eher erhalten
werden, als das Reichstagswahlrecht, so durfte ich das, nicht nur, weil
sie es als Grundbesitzerinnen teilweise schon haben, sondern auch, weil
in den uns am nächsten verwandten und am nächsten gelegenen Ländern,
nämlich in England, Schottland, Jrland, Dänemark, Schweden und
ganz neuerdings auch in Kanada und Jtalien die Frauen bisher auch
nur in der Gemeinde wählen. Und nur in den neueren Staaten wie
Australien, Neu-Seeland, in fünf Staaten der Vereinigten Staaten Nord-
amerikas und in Finnland und Norwegen ist die volle politische Gleich-
berechtigung eingeführt.

Aber Norwegen, das uns jetzt immer als vorbildlich hingestellt
wird, hatte 1907 doch auch erst ein beschränktes, von einer Steuergrenze
abhängiges politisches Frauenstimmrecht erhalten. Dann erst arbeiteten die
Frauen weiter, um für alle Frauen das allgemeine Wahlrecht zu erhalten,
was ihnen auch glückte, da die Männer es schon sowohl auf politischem

die Stimmrechtsverbände als solche sich absolut parteipolitisch neutral
verhalten müßten.“

Und dabei ist der Preußische Landesverein es, der am heftigsten
innerhalb des Deutschen Verbandes für die Beibehaltung des § 3 kämpft,
der also einfach nicht aus den Erfahrungen anderer Länder lernen will!

Wenn in der neuen Resolution ausdrücklich betont wird, „daß
der Weltbund für Frauenstimmrecht bei keiner Gelegenheit Stellung für
oder gegen das allgemeine Wahlrecht genommen hat und es auch jetzt
nicht tun wird, da seine Verfassung es klar ausspricht, daß den an-
geschlossenen Ländern die Entscheidung völlig überlassen bleiben muß,
welche Form des Wahlrechts sie zu jeder gegebenen Zeit fordern wollen“,
wenn es dann ferner heißt: „Der Weltbund für Frauenstimmrecht
äußert keine Meinung, welche Art von Wahlrecht die Frauen fordern
sollen. Sein einziger Zweck ist, den Grundsatz zu verfechten, daß das
Geschlecht kein Grund sein darf, den Frauen das Wahlrecht vorzuent-
halten,“ so stimmt das ja ganz mit meinen bisherigen Ausführungen
überein. Erst ist das Frauenstimmrecht zu fordern, weil das Stimm-
recht, das die Männer haben, in demselben Maße den
Frauen
gebührt! Und erst dann ist die Form des Wahlrechts zu
fordern, und zwar „das zu jeder Zeit gegebene“, d.h. das Wahlrecht,
das zur Zeit erreichbar ist!

Wie haben sich denn andere Länder verhalten? Haben die immer
nur gleich das Höchste gefordert? Oder haben sie, klug und weise, auch
erst das Erreichbare genommen?

Wenn ich vorhin ausführte, daß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit
die Frauen in Deutschland das kommunale Wahlrecht eher erhalten
werden, als das Reichstagswahlrecht, so durfte ich das, nicht nur, weil
sie es als Grundbesitzerinnen teilweise schon haben, sondern auch, weil
in den uns am nächsten verwandten und am nächsten gelegenen Ländern,
nämlich in England, Schottland, Jrland, Dänemark, Schweden und
ganz neuerdings auch in Kanada und Jtalien die Frauen bisher auch
nur in der Gemeinde wählen. Und nur in den neueren Staaten wie
Australien, Neu-Seeland, in fünf Staaten der Vereinigten Staaten Nord-
amerikas und in Finnland und Norwegen ist die volle politische Gleich-
berechtigung eingeführt.

Aber Norwegen, das uns jetzt immer als vorbildlich hingestellt
wird, hatte 1907 doch auch erst ein beschränktes, von einer Steuergrenze
abhängiges politisches Frauenstimmrecht erhalten. Dann erst arbeiteten die
Frauen weiter, um für alle Frauen das allgemeine Wahlrecht zu erhalten,
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[15/0014] die Stimmrechtsverbände als solche sich absolut parteipolitisch neutral verhalten müßten.“ Und dabei ist der Preußische Landesverein es, der am heftigsten innerhalb des Deutschen Verbandes für die Beibehaltung des § 3 kämpft, der also einfach nicht aus den Erfahrungen anderer Länder lernen will! Wenn in der neuen Resolution ausdrücklich betont wird, „daß der Weltbund für Frauenstimmrecht bei keiner Gelegenheit Stellung für oder gegen das allgemeine Wahlrecht genommen hat und es auch jetzt nicht tun wird, da seine Verfassung es klar ausspricht, daß den an- geschlossenen Ländern die Entscheidung völlig überlassen bleiben muß, welche Form des Wahlrechts sie zu jeder gegebenen Zeit fordern wollen“, wenn es dann ferner heißt: „Der Weltbund für Frauenstimmrecht äußert keine Meinung, welche Art von Wahlrecht die Frauen fordern sollen. Sein einziger Zweck ist, den Grundsatz zu verfechten, daß das Geschlecht kein Grund sein darf, den Frauen das Wahlrecht vorzuent- halten,“ so stimmt das ja ganz mit meinen bisherigen Ausführungen überein. Erst ist das Frauenstimmrecht zu fordern, weil das Stimm- recht, das die Männer haben, in demselben Maße den Frauen gebührt! Und erst dann ist die Form des Wahlrechts zu fordern, und zwar „das zu jeder Zeit gegebene“, d.h. das Wahlrecht, das zur Zeit erreichbar ist! Wie haben sich denn andere Länder verhalten? Haben die immer nur gleich das Höchste gefordert? Oder haben sie, klug und weise, auch erst das Erreichbare genommen? Wenn ich vorhin ausführte, daß mit sehr großer Wahrscheinlichkeit die Frauen in Deutschland das kommunale Wahlrecht eher erhalten werden, als das Reichstagswahlrecht, so durfte ich das, nicht nur, weil sie es als Grundbesitzerinnen teilweise schon haben, sondern auch, weil in den uns am nächsten verwandten und am nächsten gelegenen Ländern, nämlich in England, Schottland, Jrland, Dänemark, Schweden und ganz neuerdings auch in Kanada und Jtalien die Frauen bisher auch nur in der Gemeinde wählen. Und nur in den neueren Staaten wie Australien, Neu-Seeland, in fünf Staaten der Vereinigten Staaten Nord- amerikas und in Finnland und Norwegen ist die volle politische Gleich- berechtigung eingeführt. Aber Norwegen, das uns jetzt immer als vorbildlich hingestellt wird, hatte 1907 doch auch erst ein beschränktes, von einer Steuergrenze abhängiges politisches Frauenstimmrecht erhalten. Dann erst arbeiteten die Frauen weiter, um für alle Frauen das allgemeine Wahlrecht zu erhalten, was ihnen auch glückte, da die Männer es schon sowohl auf politischem

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-05T18:44:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T18:44:52Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/14>, abgerufen am 24.04.2024.