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Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912].

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Aber noch von einem anderen Gesichtspunkte aus ist es durchaus
notwendig, auch die rechtsstehenden Frauen beizeiten in unsere Reihen
hineinzunehmen, statt sie hinauszudrängen - unter unsere verstehe
ich nicht etwa die linksstehenden, sondern unsere weiblichen im Gegensatz
zu den männlichen.

Dafür spricht nämlich ganz besonders eins. Jn allen Ländern,
wo die Frauen das Stimmrecht haben, haben sie viel, viel mehr im
sozialpolitischen als im parteipolitischen Sinne gewirkt. Wo es
sich um Gesetze handelt zum Schutze der Kinder, der Jugendlichen, der
Mütter, der Nüchternheit, der Reinheit, des Friedens usw., spielt die
Richtung, ob sozialdemokratisch, ob liberal oder konservativ, eine weit
geringere Rolle, als die Anschauungen, die aus der weiblichen Psyche
herauswachsen und sich von denen der männlichen unterscheiden.
Und so ist es, meiner Meinung nach, nicht das Wichtigste, welcher
Partei die Frauen angehören, sondern daß wir überhaupt Frauen
haben, die zu den Parlamenten wählen, in die Parlamente wählbar
sind, und diese echt weiblichen Forderungen dort zu vertreten
wissen. Wenn die weiblichen Wähler nur die Parteien verdoppeln und
verdreifachen würden, dann wäre das Frauenstimmrecht noch nicht so
unbedingt notwendig, aber daß sie bei diesen Fragen mit zu bestimmen
haben, fräst ihrer weiblichen Eigenart, kraft ihres anders gearteten
weiblichen Denkens und Fühlens, das ist das entscheidende. Und darum
muß unser ganzes Streben darauf gerichtet sein, möglichst viele Frauen
in unsere Reihen zu ziehen, sie innerhalb unserer weiblichen
Organisationen erstarken zu lassen, selbst denken, mit eigenen Augen
sehen zu lehren, nicht mit denen ihrer männlichen Berater, damit
sie nicht beim Eintritt und in der Mitarbeit in den männlichen Organi-
sationen, den Männer-Parteien, ihre weibliche Eigenart verleugnen,
vergessen - was unfehlbar eintreten muß, wenn ihnen der Zusammen-
schluß mit der großen Frauenstimmrechtsbewegung fehlt und nicht er-
möglicht wird.

Wir können und müssen sagen: "Keine politische Partei entspricht
dem, was wir an Rechten für die Frau und als Frau fordern."
Deshalb müssen wir unsere Rechte als Frauen in unseren Frauen-
Organisationen verfechten und uns hierin fern von allen politischen
Parteien halten. Jm übrigen soll jede einzelne zeigen, daß auch die
Frau politisches Jnteresse und Verständnis hat, indem sie da mitarbeitet,
wo sie es ihrer sonstigen politischen Überzeugung nach kann. Möchte
Gertrud Bäumer recht behalten, wenn sie kürzlich sagte: "Das Zu-
sammengehörigkeitsgefühl, auch politisch verschieden denkender Frauen,

Aber noch von einem anderen Gesichtspunkte aus ist es durchaus
notwendig, auch die rechtsstehenden Frauen beizeiten in unsere Reihen
hineinzunehmen, statt sie hinauszudrängen – unter unsere verstehe
ich nicht etwa die linksstehenden, sondern unsere weiblichen im Gegensatz
zu den männlichen.

Dafür spricht nämlich ganz besonders eins. Jn allen Ländern,
wo die Frauen das Stimmrecht haben, haben sie viel, viel mehr im
sozialpolitischen als im parteipolitischen Sinne gewirkt. Wo es
sich um Gesetze handelt zum Schutze der Kinder, der Jugendlichen, der
Mütter, der Nüchternheit, der Reinheit, des Friedens usw., spielt die
Richtung, ob sozialdemokratisch, ob liberal oder konservativ, eine weit
geringere Rolle, als die Anschauungen, die aus der weiblichen Psyche
herauswachsen und sich von denen der männlichen unterscheiden.
Und so ist es, meiner Meinung nach, nicht das Wichtigste, welcher
Partei die Frauen angehören, sondern daß wir überhaupt Frauen
haben, die zu den Parlamenten wählen, in die Parlamente wählbar
sind, und diese echt weiblichen Forderungen dort zu vertreten
wissen. Wenn die weiblichen Wähler nur die Parteien verdoppeln und
verdreifachen würden, dann wäre das Frauenstimmrecht noch nicht so
unbedingt notwendig, aber daß sie bei diesen Fragen mit zu bestimmen
haben, fräst ihrer weiblichen Eigenart, kraft ihres anders gearteten
weiblichen Denkens und Fühlens, das ist das entscheidende. Und darum
muß unser ganzes Streben darauf gerichtet sein, möglichst viele Frauen
in unsere Reihen zu ziehen, sie innerhalb unserer weiblichen
Organisationen erstarken zu lassen, selbst denken, mit eigenen Augen
sehen zu lehren, nicht mit denen ihrer männlichen Berater, damit
sie nicht beim Eintritt und in der Mitarbeit in den männlichen Organi-
sationen, den Männer-Parteien, ihre weibliche Eigenart verleugnen,
vergessen – was unfehlbar eintreten muß, wenn ihnen der Zusammen-
schluß mit der großen Frauenstimmrechtsbewegung fehlt und nicht er-
möglicht wird.

Wir können und müssen sagen: „Keine politische Partei entspricht
dem, was wir an Rechten für die Frau und als Frau fordern.“
Deshalb müssen wir unsere Rechte als Frauen in unseren Frauen-
Organisationen verfechten und uns hierin fern von allen politischen
Parteien halten. Jm übrigen soll jede einzelne zeigen, daß auch die
Frau politisches Jnteresse und Verständnis hat, indem sie da mitarbeitet,
wo sie es ihrer sonstigen politischen Überzeugung nach kann. Möchte
Gertrud Bäumer recht behalten, wenn sie kürzlich sagte: „Das Zu-
sammengehörigkeitsgefühl, auch politisch verschieden denkender Frauen,

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[13/0012] Aber noch von einem anderen Gesichtspunkte aus ist es durchaus notwendig, auch die rechtsstehenden Frauen beizeiten in unsere Reihen hineinzunehmen, statt sie hinauszudrängen – unter unsere verstehe ich nicht etwa die linksstehenden, sondern unsere weiblichen im Gegensatz zu den männlichen. Dafür spricht nämlich ganz besonders eins. Jn allen Ländern, wo die Frauen das Stimmrecht haben, haben sie viel, viel mehr im sozialpolitischen als im parteipolitischen Sinne gewirkt. Wo es sich um Gesetze handelt zum Schutze der Kinder, der Jugendlichen, der Mütter, der Nüchternheit, der Reinheit, des Friedens usw., spielt die Richtung, ob sozialdemokratisch, ob liberal oder konservativ, eine weit geringere Rolle, als die Anschauungen, die aus der weiblichen Psyche herauswachsen und sich von denen der männlichen unterscheiden. Und so ist es, meiner Meinung nach, nicht das Wichtigste, welcher Partei die Frauen angehören, sondern daß wir überhaupt Frauen haben, die zu den Parlamenten wählen, in die Parlamente wählbar sind, und diese echt weiblichen Forderungen dort zu vertreten wissen. Wenn die weiblichen Wähler nur die Parteien verdoppeln und verdreifachen würden, dann wäre das Frauenstimmrecht noch nicht so unbedingt notwendig, aber daß sie bei diesen Fragen mit zu bestimmen haben, fräst ihrer weiblichen Eigenart, kraft ihres anders gearteten weiblichen Denkens und Fühlens, das ist das entscheidende. Und darum muß unser ganzes Streben darauf gerichtet sein, möglichst viele Frauen in unsere Reihen zu ziehen, sie innerhalb unserer weiblichen Organisationen erstarken zu lassen, selbst denken, mit eigenen Augen sehen zu lehren, nicht mit denen ihrer männlichen Berater, damit sie nicht beim Eintritt und in der Mitarbeit in den männlichen Organi- sationen, den Männer-Parteien, ihre weibliche Eigenart verleugnen, vergessen – was unfehlbar eintreten muß, wenn ihnen der Zusammen- schluß mit der großen Frauenstimmrechtsbewegung fehlt und nicht er- möglicht wird. Wir können und müssen sagen: „Keine politische Partei entspricht dem, was wir an Rechten für die Frau und als Frau fordern.“ Deshalb müssen wir unsere Rechte als Frauen in unseren Frauen- Organisationen verfechten und uns hierin fern von allen politischen Parteien halten. Jm übrigen soll jede einzelne zeigen, daß auch die Frau politisches Jnteresse und Verständnis hat, indem sie da mitarbeitet, wo sie es ihrer sonstigen politischen Überzeugung nach kann. Möchte Gertrud Bäumer recht behalten, wenn sie kürzlich sagte: „Das Zu- sammengehörigkeitsgefühl, auch politisch verschieden denkender Frauen,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-05T18:44:52Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-05T18:44:52Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Bahnson, Minna: Ist es wünschenswert, daß der § 3 aus den Satzungen des Deutschen Verbandes für Frauenstimmrecht gestrichen wird? Bremen, [1912], S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahnson_satzungen_1912/12>, abgerufen am 23.04.2024.