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Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837.

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stocke nähert und, wenn er ihn erreichen kann, sich an ihn anlegt, um so die
heraustretende Dotterkugel aufzunehmen. Im Vogel wird nicht der ganze Eier-
stock umfasst, sondern nur derjenige Kelch, der das reifste Ei enthält. Es
scheint sogar, dass dieses Anlegen der trichterförmig erweiterten Ausmündung
des Eileiters in die Bauchhöhle sich so eng an den Kelch legt, dass er gleichsam
an ihm saugt und dadurch den Austritt des Eies befördert. Es ist nämlich keinem
Zweifel unterworfen, dass der Eileiter die Fähigkeit hat, sich in seinen einzelnen
Theilen zu bewegen, und dadurch etwas Fremdes gewissermassen einzuschlür-
fen und dann weiter zu bewegen, was am auffallendsten in Fröschen ist, wo we-
nigstens viele Eier zuerst in die Bauchhöhle fallen und dann vom Eileiter aufgeso-
gen werden. In einem Huhne fand ich auch den Trichter des Eileiters in sich der
Queere nach gerunzelt, indem er einen Kelch umfasst hielt. Er legt sich also
nicht bloss an, sondern zieht sich in sich selbst zusammen.

So schlürft sich der Eileiter des Huhns die Dotterkugel ein, welche von
der Dotterhaut umschlossen ist und die Keimschicht enthält, deren Keimbläschen
aber schon verschwunden ist.

Nun treibt der Eileiter die Dotterkugel durch seine ganze Länge hindurch,und Fortlei-
tung dersel-
ben.

wobei er dieselbe umfasst und sich so in sich zusammenzieht, dass das Ei nicht in
gerader Linie fortschiesst, sondern bei der Fortbewegung immer um seine Axe
gedreht wird. Die Bewegung des Eies ist also eine schraubenförmige. Da die
Dotterkugel im Eierstocke so liegt, dass die Keimschicht fast immer dem Stiele
des Kelches zugekehrt ist, da ferner die trichterförmige Mündung des Eileiters
den Kelch von der Seite umfasst, so tritt die Dotterkugel in solcher Lage in den
Eileiter ein, dass die Keimschicht nicht vorn oder hinten ist, sondern an der Seite.
Vorzüglich wird aber diese Stellung dadurch bedingt und mehr gesichert, dass
diejenige Axe, die von der Keimschicht durch den Mittelpunkt des Dotters geht,
auffallend kürzer ist als die senkrecht auf dieser Axe stehende *). Letztere wird
daher bald in die Längenrichtung des Eileiters gestellt werden, wie auch der Dot-
ter eingetreten seyn mag. Wenn nun das Ei schraubenförmig im Eileiter fort-
gedreht wird, so beschreibt die Keimschicht, aus der sich jetzt der Keim zu lösen

*) Hiernach wird es auch verständlicher, warum die Keimschicht, wenn sie nicht in der Nähe
des Stieles vom Kelche ist, sich zuweilen in der Narbe zeigt. Sie bleibt nämlich im kleinsten
Kreise des Dotters. In ganz kleinen Eiern von der Grösse eines Hirsekornes habe ich diese
längliche Gestalt nicht mit Sicherheit zu erkennen vermocht. Sollte sie schon da seyn, so
könnte man vielleicht sagen, dass das Keimbläschen gegen die nächste Stelle der Oberfläche
des Eies sich bewegt und eben deshalb die Centralhöhle, als ursprünglicher Sitz des Keim-
bläschens, der Keimschicht (einer Wirkung des Keimbläschens) näher liegt, als der entge-
gengesetzten Seite.

stocke nähert und, wenn er ihn erreichen kann, sich an ihn anlegt, um so die
heraustretende Dotterkugel aufzunehmen. Im Vogel wird nicht der ganze Eier-
stock umfaſst, sondern nur derjenige Kelch, der das reifste Ei enthält. Es
scheint sogar, daſs dieses Anlegen der trichterförmig erweiterten Ausmündung
des Eileiters in die Bauchhöhle sich so eng an den Kelch legt, daſs er gleichsam
an ihm saugt und dadurch den Austritt des Eies befördert. Es ist nämlich keinem
Zweifel unterworfen, daſs der Eileiter die Fähigkeit hat, sich in seinen einzelnen
Theilen zu bewegen, und dadurch etwas Fremdes gewissermaſsen einzuschlür-
fen und dann weiter zu bewegen, was am auffallendsten in Fröschen ist, wo we-
nigstens viele Eier zuerst in die Bauchhöhle fallen und dann vom Eileiter aufgeso-
gen werden. In einem Huhne fand ich auch den Trichter des Eileiters in sich der
Queere nach gerunzelt, indem er einen Kelch umfaſst hielt. Er legt sich also
nicht bloſs an, sondern zieht sich in sich selbst zusammen.

So schlürft sich der Eileiter des Huhns die Dotterkugel ein, welche von
der Dotterhaut umschlossen ist und die Keimschicht enthält, deren Keimbläschen
aber schon verschwunden ist.

Nun treibt der Eileiter die Dotterkugel durch seine ganze Länge hindurch,und Fortlei-
tung dersel-
ben.

wobei er dieselbe umfaſst und sich so in sich zusammenzieht, daſs das Ei nicht in
gerader Linie fortschieſst, sondern bei der Fortbewegung immer um seine Axe
gedreht wird. Die Bewegung des Eies ist also eine schraubenförmige. Da die
Dotterkugel im Eierstocke so liegt, daſs die Keimschicht fast immer dem Stiele
des Kelches zugekehrt ist, da ferner die trichterförmige Mündung des Eileiters
den Kelch von der Seite umfaſst, so tritt die Dotterkugel in solcher Lage in den
Eileiter ein, daſs die Keimschicht nicht vorn oder hinten ist, sondern an der Seite.
Vorzüglich wird aber diese Stellung dadurch bedingt und mehr gesichert, daſs
diejenige Axe, die von der Keimschicht durch den Mittelpunkt des Dotters geht,
auffallend kürzer ist als die senkrecht auf dieser Axe stehende *). Letztere wird
daher bald in die Längenrichtung des Eileiters gestellt werden, wie auch der Dot-
ter eingetreten seyn mag. Wenn nun das Ei schraubenförmig im Eileiter fort-
gedreht wird, so beschreibt die Keimschicht, aus der sich jetzt der Keim zu lösen

*) Hiernach wird es auch verständlicher, warum die Keimschicht, wenn sie nicht in der Nähe
des Stieles vom Kelche ist, sich zuweilen in der Narbe zeigt. Sie bleibt nämlich im kleinsten
Kreise des Dotters. In ganz kleinen Eiern von der Gröſse eines Hirsekornes habe ich diese
längliche Gestalt nicht mit Sicherheit zu erkennen vermocht. Sollte sie schon da seyn, so
könnte man vielleicht sagen, daſs das Keimbläschen gegen die nächste Stelle der Oberfläche
des Eies sich bewegt und eben deshalb die Centralhöhle, als ursprünglicher Sitz des Keim-
bläschens, der Keimschicht (einer Wirkung des Keimbläschens) näher liegt, als der entge-
gengesetzten Seite.
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[29/0039] stocke nähert und, wenn er ihn erreichen kann, sich an ihn anlegt, um so die heraustretende Dotterkugel aufzunehmen. Im Vogel wird nicht der ganze Eier- stock umfaſst, sondern nur derjenige Kelch, der das reifste Ei enthält. Es scheint sogar, daſs dieses Anlegen der trichterförmig erweiterten Ausmündung des Eileiters in die Bauchhöhle sich so eng an den Kelch legt, daſs er gleichsam an ihm saugt und dadurch den Austritt des Eies befördert. Es ist nämlich keinem Zweifel unterworfen, daſs der Eileiter die Fähigkeit hat, sich in seinen einzelnen Theilen zu bewegen, und dadurch etwas Fremdes gewissermaſsen einzuschlür- fen und dann weiter zu bewegen, was am auffallendsten in Fröschen ist, wo we- nigstens viele Eier zuerst in die Bauchhöhle fallen und dann vom Eileiter aufgeso- gen werden. In einem Huhne fand ich auch den Trichter des Eileiters in sich der Queere nach gerunzelt, indem er einen Kelch umfaſst hielt. Er legt sich also nicht bloſs an, sondern zieht sich in sich selbst zusammen. So schlürft sich der Eileiter des Huhns die Dotterkugel ein, welche von der Dotterhaut umschlossen ist und die Keimschicht enthält, deren Keimbläschen aber schon verschwunden ist. Nun treibt der Eileiter die Dotterkugel durch seine ganze Länge hindurch, wobei er dieselbe umfaſst und sich so in sich zusammenzieht, daſs das Ei nicht in gerader Linie fortschieſst, sondern bei der Fortbewegung immer um seine Axe gedreht wird. Die Bewegung des Eies ist also eine schraubenförmige. Da die Dotterkugel im Eierstocke so liegt, daſs die Keimschicht fast immer dem Stiele des Kelches zugekehrt ist, da ferner die trichterförmige Mündung des Eileiters den Kelch von der Seite umfaſst, so tritt die Dotterkugel in solcher Lage in den Eileiter ein, daſs die Keimschicht nicht vorn oder hinten ist, sondern an der Seite. Vorzüglich wird aber diese Stellung dadurch bedingt und mehr gesichert, daſs diejenige Axe, die von der Keimschicht durch den Mittelpunkt des Dotters geht, auffallend kürzer ist als die senkrecht auf dieser Axe stehende *). Letztere wird daher bald in die Längenrichtung des Eileiters gestellt werden, wie auch der Dot- ter eingetreten seyn mag. Wenn nun das Ei schraubenförmig im Eileiter fort- gedreht wird, so beschreibt die Keimschicht, aus der sich jetzt der Keim zu lösen und Fortlei- tung dersel- ben. *) Hiernach wird es auch verständlicher, warum die Keimschicht, wenn sie nicht in der Nähe des Stieles vom Kelche ist, sich zuweilen in der Narbe zeigt. Sie bleibt nämlich im kleinsten Kreise des Dotters. In ganz kleinen Eiern von der Gröſse eines Hirsekornes habe ich diese längliche Gestalt nicht mit Sicherheit zu erkennen vermocht. Sollte sie schon da seyn, so könnte man vielleicht sagen, daſs das Keimbläschen gegen die nächste Stelle der Oberfläche des Eies sich bewegt und eben deshalb die Centralhöhle, als ursprünglicher Sitz des Keim- bläschens, der Keimschicht (einer Wirkung des Keimbläschens) näher liegt, als der entge- gengesetzten Seite.

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Zitationshilfe: Baer, Karl Ernst von: Über Entwicklungsgeschichte der Thiere. Bd. 2. Königsberg, 1837, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baer_thiere_1837/39>, abgerufen am 24.04.2024.