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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

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Einleitung.
dieser und jener Tonart vorgezeichnet werden müssen; wie viel
z. E. Des dur Been, und Cis dur Creuze hat. Geht man mit
ihnen die Tonarten in Quinten- und Quartenprogreßionen durch,
so sehen sie den allmähligen Anwachs der Versetzungszeichen deutlich.

§. 43.

Diese Fertigkeit ist allen Musiklernenden anständig
und nöthig. Es können unvermeidliche Fälle kommen: Man soll
den Augenblick ans Accompagnement gehen, ohne daß man so
viel Zeit hat, seine vorgelegte Stimme nur obenhin durch zu sehen;
kaum kann man aus der Schlußnote die Tonart erforschen; die
Vorzeichnung siehet man nur flüchtig an. Unangenehme Zumu-
thung für einen, der die raren Verdienste und schwehren Pflich-
ten eines Ripienisten genau kennt, und der gar wohl weiß, daß
alle Ripienstimmen von Rechtswegen, zur Erhaltung eines guten
Vortrages, vor der Ausführung eines Stückes solten genau durch
gesehen werden! Es können auch, ausser dem Vortrag, Schreib-
fehler, wenigstens Undeutlichkeiten, Zweydeutigkeiten, unerwartete
Veränderungen in Tactarten, Zeitmasse, Figuren, Tonarten u. s.
w. vorfallen, welche auch bey dem geübtesten Ausführer eine
Vorbereitung erfordern.

§. 44.

Hat man aber Zeit, seine Stimme vorher durch-
zusehen: so sehe man zugleich genau auf die Vorzeichnung. Diese
letztere ist oft verschieden, ohngeacht nur eine davon nach der obi-
gen Vorschrift gut ist. Vor diesem fand man selten das D moll
mit einem Be, das C moll mit dem As, u. s. w. vorgezeichnet.
Einige Componisten thun dasselbe noch jetzo, vielleicht aus Ge-
wohnheit, vielleicht aus Liebe zum Alterthum, vielleicht aus an-
dern Ursachen. Oft will der Componist aus guter Absicht den
Ausführer nicht verwirren, und alle Augenblicke eine neue Vorzeich-
nung himahlen, besonders bey Stücken mit vieler Chromatik,
bey Recitativen, wo man im Moduliren viele Freyheit hat u. s. w.:

son-

Einleitung.
dieſer und jener Tonart vorgezeichnet werden müſſen; wie viel
z. E. Des dur Been, und Cis dur Creuze hat. Geht man mit
ihnen die Tonarten in Quinten- und Quartenprogreßionen durch,
ſo ſehen ſie den allmähligen Anwachs der Verſetzungszeichen deutlich.

§. 43.

Dieſe Fertigkeit iſt allen Muſiklernenden anſtändig
und nöthig. Es können unvermeidliche Fälle kommen: Man ſoll
den Augenblick ans Accompagnement gehen, ohne daß man ſo
viel Zeit hat, ſeine vorgelegte Stimme nur obenhin durch zu ſehen;
kaum kann man aus der Schlußnote die Tonart erforſchen; die
Vorzeichnung ſiehet man nur flüchtig an. Unangenehme Zumu-
thung für einen, der die raren Verdienſte und ſchwehren Pflich-
ten eines Ripieniſten genau kennt, und der gar wohl weiß, daß
alle Ripienſtimmen von Rechtswegen, zur Erhaltung eines guten
Vortrages, vor der Ausführung eines Stückes ſolten genau durch
geſehen werden! Es können auch, auſſer dem Vortrag, Schreib-
fehler, wenigſtens Undeutlichkeiten, Zweydeutigkeiten, unerwartete
Veränderungen in Tactarten, Zeitmaſſe, Figuren, Tonarten u. ſ.
w. vorfallen, welche auch bey dem geübteſten Ausführer eine
Vorbereitung erfordern.

§. 44.

Hat man aber Zeit, ſeine Stimme vorher durch-
zuſehen: ſo ſehe man zugleich genau auf die Vorzeichnung. Dieſe
letztere iſt oft verſchieden, ohngeacht nur eine davon nach der obi-
gen Vorſchrift gut iſt. Vor dieſem fand man ſelten das D moll
mit einem Be, das C moll mit dem As, u. ſ. w. vorgezeichnet.
Einige Componiſten thun daſſelbe noch jetzo, vielleicht aus Ge-
wohnheit, vielleicht aus Liebe zum Alterthum, vielleicht aus an-
dern Urſachen. Oft will der Componiſt aus guter Abſicht den
Ausführer nicht verwirren, und alle Augenblicke eine neue Vorzeich-
nung himahlen, beſonders bey Stücken mit vieler Chromatik,
bey Recitativen, wo man im Moduliren viele Freyheit hat u. ſ. w.:

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[10/0020] Einleitung. dieſer und jener Tonart vorgezeichnet werden müſſen; wie viel z. E. Des dur Been, und Cis dur Creuze hat. Geht man mit ihnen die Tonarten in Quinten- und Quartenprogreßionen durch, ſo ſehen ſie den allmähligen Anwachs der Verſetzungszeichen deutlich. §. 43. Dieſe Fertigkeit iſt allen Muſiklernenden anſtändig und nöthig. Es können unvermeidliche Fälle kommen: Man ſoll den Augenblick ans Accompagnement gehen, ohne daß man ſo viel Zeit hat, ſeine vorgelegte Stimme nur obenhin durch zu ſehen; kaum kann man aus der Schlußnote die Tonart erforſchen; die Vorzeichnung ſiehet man nur flüchtig an. Unangenehme Zumu- thung für einen, der die raren Verdienſte und ſchwehren Pflich- ten eines Ripieniſten genau kennt, und der gar wohl weiß, daß alle Ripienſtimmen von Rechtswegen, zur Erhaltung eines guten Vortrages, vor der Ausführung eines Stückes ſolten genau durch geſehen werden! Es können auch, auſſer dem Vortrag, Schreib- fehler, wenigſtens Undeutlichkeiten, Zweydeutigkeiten, unerwartete Veränderungen in Tactarten, Zeitmaſſe, Figuren, Tonarten u. ſ. w. vorfallen, welche auch bey dem geübteſten Ausführer eine Vorbereitung erfordern. §. 44. Hat man aber Zeit, ſeine Stimme vorher durch- zuſehen: ſo ſehe man zugleich genau auf die Vorzeichnung. Dieſe letztere iſt oft verſchieden, ohngeacht nur eine davon nach der obi- gen Vorſchrift gut iſt. Vor dieſem fand man ſelten das D moll mit einem Be, das C moll mit dem As, u. ſ. w. vorgezeichnet. Einige Componiſten thun daſſelbe noch jetzo, vielleicht aus Ge- wohnheit, vielleicht aus Liebe zum Alterthum, vielleicht aus an- dern Urſachen. Oft will der Componiſt aus guter Abſicht den Ausführer nicht verwirren, und alle Augenblicke eine neue Vorzeich- nung himahlen, beſonders bey Stücken mit vieler Chromatik, bey Recitativen, wo man im Moduliren viele Freyheit hat u. ſ. w.: ſon-

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Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/20>, abgerufen am 28.03.2024.