Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

Sprache zur äußerlichen Erscheinung. Dadurch ist im Menschen
eine stete Wechselwirkung zwischen Geistigem und Leiblichem als
Nothwendigkeit gegeben.

Jst der Gedanke in Wort und Sprache äußere Erscheinung
geworden, so ist Wort und Sprache zum dauernden Ausdruck des-
selben Gedankens und Begriffs festgestellt. So bildet sich die Ge-
sammtheit der überhaupt oder bei einem besondern Volke vorhan-
denen Wörter und Sprachformen, in denen die Gesammtheit der
überhaupt oder bei einem besondern Volke vorhandenen Begriffe
und Begriffsverhältnisse ausgeprägt und niedergelegt ist, als ge-
sprochene Sprache,
d. h. als ein Organ, durch welches die
Gedanken und Begriffe des einen leicht auch andern verständlich
und somit ein Gemeingut aller werden und wodurch in jedem sprach-
vernehmenden Geiste wieder Geistiges erzeugt werden kann. 1)



Zweites Kapitel.
B. Die Ursprache und die Sprachstämme.

Hat sich die Sprache auf organische Weise und mit innerer
Nothwendigkeit gebildet und entwickelt, indem das ursprünglich
gesprochene Wort in organischer Entwickelung des Einfachen zum
Mannichfachen allmählich zur zusammenhängenden Sprache als
Ausdruck von Gedanken, Begriffen und Begriffsbeziehungen sich
entfaltete: so wird auch das klar, was ohnehin unsere wahr-
haft classische Zeit glänzender Sprachvergleichung auf das über-
zeugendste dargethan hat, daß es eine aus der Uranschauung
verleiblichte Ursprache gegeben hat, deren Einheit durch Trübung
und Versetzung der Uranschauungen sich gelockert und im Verlauf
der Zeit durch die Wirkungen neuer Umgebungen und Einflüsse

1) K. F. Becker, "Ausführliche deutsche Grammatik" (Frankfurt a. M.
1836), Einl., S. 1 fg.; H. Dittmar, "Die Geschichte der Welt vor und nach
Christus" (Heidelberg 1853), I, 13 fg.

Sprache zur äußerlichen Erſcheinung. Dadurch iſt im Menſchen
eine ſtete Wechſelwirkung zwiſchen Geiſtigem und Leiblichem als
Nothwendigkeit gegeben.

Jſt der Gedanke in Wort und Sprache äußere Erſcheinung
geworden, ſo iſt Wort und Sprache zum dauernden Ausdruck deſ-
ſelben Gedankens und Begriffs feſtgeſtellt. So bildet ſich die Ge-
ſammtheit der überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhan-
denen Wörter und Sprachformen, in denen die Geſammtheit der
überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhandenen Begriffe
und Begriffsverhältniſſe ausgeprägt und niedergelegt iſt, als ge-
ſprochene Sprache,
d. h. als ein Organ, durch welches die
Gedanken und Begriffe des einen leicht auch andern verſtändlich
und ſomit ein Gemeingut aller werden und wodurch in jedem ſprach-
vernehmenden Geiſte wieder Geiſtiges erzeugt werden kann. 1)



Zweites Kapitel.
B. Die Urſprache und die Sprachſtämme.

Hat ſich die Sprache auf organiſche Weiſe und mit innerer
Nothwendigkeit gebildet und entwickelt, indem das urſprünglich
geſprochene Wort in organiſcher Entwickelung des Einfachen zum
Mannichfachen allmählich zur zuſammenhängenden Sprache als
Ausdruck von Gedanken, Begriffen und Begriffsbeziehungen ſich
entfaltete: ſo wird auch das klar, was ohnehin unſere wahr-
haft claſſiſche Zeit glänzender Sprachvergleichung auf das über-
zeugendſte dargethan hat, daß es eine aus der Uranſchauung
verleiblichte Urſprache gegeben hat, deren Einheit durch Trübung
und Verſetzung der Uranſchauungen ſich gelockert und im Verlauf
der Zeit durch die Wirkungen neuer Umgebungen und Einflüſſe

1) K. F. Becker, „Ausführliche deutſche Grammatik“ (Frankfurt a. M.
1836), Einl., S. 1 fg.; H. Dittmar, „Die Geſchichte der Welt vor und nach
Chriſtus“ (Heidelberg 1853), I, 13 fg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0036" n="2"/>
Sprache zur äußerlichen Er&#x017F;cheinung. Dadurch i&#x017F;t im Men&#x017F;chen<lb/>
eine &#x017F;tete Wech&#x017F;elwirkung zwi&#x017F;chen Gei&#x017F;tigem und Leiblichem als<lb/>
Nothwendigkeit gegeben.</p><lb/>
            <p>J&#x017F;t der Gedanke in Wort und Sprache äußere Er&#x017F;cheinung<lb/>
geworden, &#x017F;o i&#x017F;t Wort und Sprache zum dauernden Ausdruck de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben Gedankens und Begriffs fe&#x017F;tge&#x017F;tellt. So bildet &#x017F;ich die Ge-<lb/>
&#x017F;ammtheit der überhaupt oder bei einem be&#x017F;ondern Volke vorhan-<lb/>
denen Wörter und Sprachformen, in denen die Ge&#x017F;ammtheit der<lb/>
überhaupt oder bei einem be&#x017F;ondern Volke vorhandenen Begriffe<lb/>
und Begriffsverhältni&#x017F;&#x017F;e ausgeprägt und niedergelegt i&#x017F;t, als <hi rendition="#g">ge-<lb/>
&#x017F;prochene Sprache,</hi> d. h. als ein Organ, durch welches die<lb/>
Gedanken und Begriffe des einen leicht auch andern ver&#x017F;tändlich<lb/>
und &#x017F;omit ein Gemeingut aller werden und wodurch in jedem &#x017F;prach-<lb/>
vernehmenden Gei&#x017F;te wieder Gei&#x017F;tiges erzeugt werden kann. <note place="foot" n="1)">K. F. Becker, &#x201E;Ausführliche deut&#x017F;che Grammatik&#x201C; (Frankfurt a. M.<lb/>
1836), Einl., S. 1 fg.; H. Dittmar, &#x201E;Die Ge&#x017F;chichte der Welt vor und nach<lb/>
Chri&#x017F;tus&#x201C; (Heidelberg 1853), <hi rendition="#aq">I,</hi> 13 fg.</note></p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Zweites Kapitel.</hi><lb/> <hi rendition="#aq">B.</hi> <hi rendition="#b">Die Ur&#x017F;prache und die Sprach&#x017F;tämme.</hi> </head><lb/>
            <p>Hat &#x017F;ich die Sprache auf organi&#x017F;che Wei&#x017F;e und mit innerer<lb/>
Nothwendigkeit gebildet und entwickelt, indem das ur&#x017F;prünglich<lb/>
ge&#x017F;prochene <hi rendition="#g">Wort</hi> in organi&#x017F;cher Entwickelung des Einfachen zum<lb/>
Mannichfachen allmählich zur zu&#x017F;ammenhängenden <hi rendition="#g">Sprache</hi> als<lb/>
Ausdruck von Gedanken, Begriffen und Begriffsbeziehungen &#x017F;ich<lb/>
entfaltete: &#x017F;o wird auch das klar, was ohnehin un&#x017F;ere wahr-<lb/>
haft cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Zeit glänzender Sprachvergleichung auf das über-<lb/>
zeugend&#x017F;te dargethan hat, daß es eine aus der Uran&#x017F;chauung<lb/>
verleiblichte Ur&#x017F;prache gegeben hat, deren Einheit durch Trübung<lb/>
und Ver&#x017F;etzung der Uran&#x017F;chauungen &#x017F;ich gelockert und im Verlauf<lb/>
der Zeit durch die Wirkungen neuer Umgebungen und Einflü&#x017F;&#x017F;e<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0036] Sprache zur äußerlichen Erſcheinung. Dadurch iſt im Menſchen eine ſtete Wechſelwirkung zwiſchen Geiſtigem und Leiblichem als Nothwendigkeit gegeben. Jſt der Gedanke in Wort und Sprache äußere Erſcheinung geworden, ſo iſt Wort und Sprache zum dauernden Ausdruck deſ- ſelben Gedankens und Begriffs feſtgeſtellt. So bildet ſich die Ge- ſammtheit der überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhan- denen Wörter und Sprachformen, in denen die Geſammtheit der überhaupt oder bei einem beſondern Volke vorhandenen Begriffe und Begriffsverhältniſſe ausgeprägt und niedergelegt iſt, als ge- ſprochene Sprache, d. h. als ein Organ, durch welches die Gedanken und Begriffe des einen leicht auch andern verſtändlich und ſomit ein Gemeingut aller werden und wodurch in jedem ſprach- vernehmenden Geiſte wieder Geiſtiges erzeugt werden kann. 1) Zweites Kapitel. B. Die Urſprache und die Sprachſtämme. Hat ſich die Sprache auf organiſche Weiſe und mit innerer Nothwendigkeit gebildet und entwickelt, indem das urſprünglich geſprochene Wort in organiſcher Entwickelung des Einfachen zum Mannichfachen allmählich zur zuſammenhängenden Sprache als Ausdruck von Gedanken, Begriffen und Begriffsbeziehungen ſich entfaltete: ſo wird auch das klar, was ohnehin unſere wahr- haft claſſiſche Zeit glänzender Sprachvergleichung auf das über- zeugendſte dargethan hat, daß es eine aus der Uranſchauung verleiblichte Urſprache gegeben hat, deren Einheit durch Trübung und Verſetzung der Uranſchauungen ſich gelockert und im Verlauf der Zeit durch die Wirkungen neuer Umgebungen und Einflüſſe 1) K. F. Becker, „Ausführliche deutſche Grammatik“ (Frankfurt a. M. 1836), Einl., S. 1 fg.; H. Dittmar, „Die Geſchichte der Welt vor und nach Chriſtus“ (Heidelberg 1853), I, 13 fg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/36
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 3. Leipzig, 1862, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum03_1862/36>, abgerufen am 24.04.2024.