Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

heime Walten in Mersen für Zauberwesen hielt und seine dun-
keln Figuren, gleich den Hexen und Zauberern, mit dem Namen
"Bocksreuter" bezeichnete. Nicht nur findet man in Mersen den
sichern Zufluchtsort der aus Deutschland gescheuchten jüdischen
Gauner und das hundertjährige Depot massenhafter Diebsbeute,
sondern man erkennt hier auch die hohe Schule, in welcher gleich-
zeitig die französischen und deutschen Gaunerkoryphäen um das
Ende des 17. Jahrhunderts herangebildet wurden. Ebenso wenig
darf es überraschen, daß Thiele (I, 51) unter den 197 in
Berlin zur Untersuchung gezogenen Gaunern nur 19 Christen
anführt, wenn man die Zusammensetzung der Bevölkerung in den
Ortschaften berücksichtigt, aus denen die Bandegenossen stammten,
welche zum Arrest und zur Untersuchung nach Berlin gebracht
wurden.

Um nun die verschiedenen Elemente und die Entwickelung
des deutschen Gaunerthums richtig auffassen zu können, bedarf
es einer kurzen Skizze über das erste Auftreten der Juden und
der Zigeuner in Deutschland.



Viertes Kapitel.
a. Erstes Auftreten der Juden in Deutschland.

Der Verkehr der Juden in Deutschland ist schon sehr alt.
Thiel 1) erwähnt des Auftretens der Juden in Deutschland sogar
schon vor Christus und fügt hinzu: "Lazius lib. de migratione
gentium narrat: Extare Viennae antiquissimas inscriptiones
Hebraico sermone aeneis tabulis ac lapidibus insculptas, 120
annos ante Christ. nat. originem protrahentes.
" 2) Er bezieht sich

1) "Principia jurisprudentiae judaicae per Germaniam communis"
(Halle 1790), §. 3 u. Note.
2) Cölestinus, Abt zu St.-Emmerani in Regensburg, führt in seinem
"Mausoleum oder Herrliches Grab des Bayrischen Apostels und Blutzeugens

heime Walten in Merſen für Zauberweſen hielt und ſeine dun-
keln Figuren, gleich den Hexen und Zauberern, mit dem Namen
„Bocksreuter“ bezeichnete. Nicht nur findet man in Merſen den
ſichern Zufluchtsort der aus Deutſchland geſcheuchten jüdiſchen
Gauner und das hundertjährige Depot maſſenhafter Diebsbeute,
ſondern man erkennt hier auch die hohe Schule, in welcher gleich-
zeitig die franzöſiſchen und deutſchen Gaunerkoryphäen um das
Ende des 17. Jahrhunderts herangebildet wurden. Ebenſo wenig
darf es überraſchen, daß Thiele (I, 51) unter den 197 in
Berlin zur Unterſuchung gezogenen Gaunern nur 19 Chriſten
anführt, wenn man die Zuſammenſetzung der Bevölkerung in den
Ortſchaften berückſichtigt, aus denen die Bandegenoſſen ſtammten,
welche zum Arreſt und zur Unterſuchung nach Berlin gebracht
wurden.

Um nun die verſchiedenen Elemente und die Entwickelung
des deutſchen Gaunerthums richtig auffaſſen zu können, bedarf
es einer kurzen Skizze über das erſte Auftreten der Juden und
der Zigeuner in Deutſchland.



Viertes Kapitel.
a. Erſtes Auftreten der Juden in Deutſchland.

Der Verkehr der Juden in Deutſchland iſt ſchon ſehr alt.
Thiel 1) erwähnt des Auftretens der Juden in Deutſchland ſogar
ſchon vor Chriſtus und fügt hinzu: „Lazius lib. de migratione
gentium narrat: Extare Viennae antiquissimas inscriptiones
Hebraico sermone aeneis tabulis ac lapidibus insculptas, 120
annos ante Christ. nat. originem protrahentes.
2) Er bezieht ſich

1) „Principia jurisprudentiae judaicae per Germaniam communis
(Halle 1790), §. 3 u. Note.
2) Cöleſtinus, Abt zu St.-Emmerani in Regensburg, führt in ſeinem
„Mauſoleum oder Herrliches Grab des Bayriſchen Apoſtels und Blutzeugens
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0034" n="18"/>
heime Walten in Mer&#x017F;en für Zauberwe&#x017F;en hielt und &#x017F;eine dun-<lb/>
keln Figuren, gleich den Hexen und Zauberern, mit dem Namen<lb/>
&#x201E;Bocksreuter&#x201C; bezeichnete. Nicht nur findet man in Mer&#x017F;en den<lb/>
&#x017F;ichern Zufluchtsort der aus Deut&#x017F;chland ge&#x017F;cheuchten jüdi&#x017F;chen<lb/>
Gauner und das hundertjährige Depot ma&#x017F;&#x017F;enhafter Diebsbeute,<lb/>
&#x017F;ondern man erkennt hier auch die hohe Schule, in welcher gleich-<lb/>
zeitig die franzö&#x017F;i&#x017F;chen und deut&#x017F;chen Gaunerkoryphäen um das<lb/>
Ende des 17. Jahrhunderts herangebildet wurden. Eben&#x017F;o wenig<lb/>
darf es überra&#x017F;chen, daß Thiele (<hi rendition="#aq">I</hi>, 51) unter den 197 in<lb/>
Berlin zur Unter&#x017F;uchung gezogenen Gaunern nur 19 Chri&#x017F;ten<lb/>
anführt, wenn man die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der Bevölkerung in den<lb/>
Ort&#x017F;chaften berück&#x017F;ichtigt, aus denen die Bandegeno&#x017F;&#x017F;en &#x017F;tammten,<lb/>
welche zum Arre&#x017F;t und zur Unter&#x017F;uchung nach Berlin gebracht<lb/>
wurden.</p><lb/>
          <p>Um nun die ver&#x017F;chiedenen Elemente und die Entwickelung<lb/>
des deut&#x017F;chen Gaunerthums richtig auffa&#x017F;&#x017F;en zu können, bedarf<lb/>
es einer kurzen Skizze über das er&#x017F;te Auftreten der Juden und<lb/>
der Zigeuner in Deut&#x017F;chland.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Viertes Kapitel.</hi><lb/> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">a.</hi> Er&#x017F;tes Auftreten der Juden in Deut&#x017F;chland.</hi> </head><lb/>
          <p>Der Verkehr der Juden in Deut&#x017F;chland i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;ehr alt.<lb/>
Thiel <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">&#x201E;Principia jurisprudentiae judaicae per Germaniam communis</hi>&#x201C;<lb/>
(Halle 1790), §. 3 u. Note.</note> erwähnt des Auftretens der Juden in Deut&#x017F;chland &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;chon vor Chri&#x017F;tus und fügt hinzu: <hi rendition="#aq">&#x201E;Lazius lib. de migratione<lb/>
gentium narrat: Extare Viennae antiquissimas inscriptiones<lb/>
Hebraico sermone aeneis tabulis ac lapidibus insculptas, 120<lb/>
annos ante Christ. nat. originem protrahentes.</hi>&#x201C; <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="2)">Cöle&#x017F;tinus, Abt zu St.-Emmerani in Regensburg, führt in &#x017F;einem<lb/>
&#x201E;Mau&#x017F;oleum oder Herrliches Grab des Bayri&#x017F;chen Apo&#x017F;tels und Blutzeugens</note> Er bezieht &#x017F;ich<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0034] heime Walten in Merſen für Zauberweſen hielt und ſeine dun- keln Figuren, gleich den Hexen und Zauberern, mit dem Namen „Bocksreuter“ bezeichnete. Nicht nur findet man in Merſen den ſichern Zufluchtsort der aus Deutſchland geſcheuchten jüdiſchen Gauner und das hundertjährige Depot maſſenhafter Diebsbeute, ſondern man erkennt hier auch die hohe Schule, in welcher gleich- zeitig die franzöſiſchen und deutſchen Gaunerkoryphäen um das Ende des 17. Jahrhunderts herangebildet wurden. Ebenſo wenig darf es überraſchen, daß Thiele (I, 51) unter den 197 in Berlin zur Unterſuchung gezogenen Gaunern nur 19 Chriſten anführt, wenn man die Zuſammenſetzung der Bevölkerung in den Ortſchaften berückſichtigt, aus denen die Bandegenoſſen ſtammten, welche zum Arreſt und zur Unterſuchung nach Berlin gebracht wurden. Um nun die verſchiedenen Elemente und die Entwickelung des deutſchen Gaunerthums richtig auffaſſen zu können, bedarf es einer kurzen Skizze über das erſte Auftreten der Juden und der Zigeuner in Deutſchland. Viertes Kapitel. a. Erſtes Auftreten der Juden in Deutſchland. Der Verkehr der Juden in Deutſchland iſt ſchon ſehr alt. Thiel 1) erwähnt des Auftretens der Juden in Deutſchland ſogar ſchon vor Chriſtus und fügt hinzu: „Lazius lib. de migratione gentium narrat: Extare Viennae antiquissimas inscriptiones Hebraico sermone aeneis tabulis ac lapidibus insculptas, 120 annos ante Christ. nat. originem protrahentes.“ 2) Er bezieht ſich 1) „Principia jurisprudentiae judaicae per Germaniam communis“ (Halle 1790), §. 3 u. Note. 2) Cöleſtinus, Abt zu St.-Emmerani in Regensburg, führt in ſeinem „Mauſoleum oder Herrliches Grab des Bayriſchen Apoſtels und Blutzeugens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/34
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 1. Leipzig, 1858, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum01_1858/34>, abgerufen am 25.04.2024.