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Allgemeine Zeitung. Nr. 179. Augsburg, 26. Juni 1840.

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Berechnung nahm sie erst das in der Vertheidigungskunst weniger gewandte Dagligt Allehanda zum Gegenstand ihrer Stiche, und nachdem sie diesen Gegner lange genug mit ihrem scharfen Stachel geneckt und gequält hatte, um ihn am Ende zu einigen unbehülflichen Bärensprüngen zu verleiten, wodurch er sich selbst vor den Augen des Publicums lächerlich machte, fängt sie jetzt auch an, dem Aftonbladet näher auf den Leib zu gehen.

Die Taktik der Oppositionszeitungen gegen diesen gefährlichen Gegner war nicht eben geeignet, jene "Redlichkeit", welche sie sich selbst so gern zuschreiben, in dem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Anfangs versuchten sie den Gegner ganz zu ignoriren, in der Hoffnung, hiedurch das Publicum, besonders in den Provinzen, von dem Daseyn des Widersachers in gänzlicher Unwissenheit halten zu können. Da man zuletzt diese Hoffnung aufgeben mußte, brach endlich Dagligt Allehanda das Schweigen, womit es bisher Monate lang die Angriffe der Biene hatte vorbeigehen lassen, und schalt dabei diese "ein allgemein verachtetes Blatt." Als am Ende auch Aftonbladet zu einer Antwort gereizt wurde, wählte dieß die etwas feinere Kriegslist, seinen Lesern einige obscure, zum Theil wenig geachtete Namen von Personen vorzuführen, welche es als die muthmaßliche Redaction der schwedischen Biene bezeichnete, um damit das Blatt im Publicum zu discreditiren, obwohl sicherlich Niemand über die wirkliche Redaction der Biene besser unterrichtet seyn konnte, als eben Aftonbladet. - Die Tendenz der schwedischen Biene ist übrigens zu sehr ultraconservativ (sie nennt die schwedische Verfassung vom Jahr 1809 "ein Meisterwerk des menschlichen Geistes", und ist sogar der neuen Ministerialeinrichtung abhold gewesen), um auf die Länge populär werden zu können, zumal wenn die Redaction fortfährt, eine Menge von Beamteneinsendungen aufzunehmen, deren Mittelmäßigkeit schon anfängt, die gut geschriebenen Originalartikel zu verdrängen. Bis jetzt aber ist ihre Abonnentenzahl in stetem Zunehmen.

Die zwei andern neuentstandenen conservativen Blätter, Folkbladet (das Volksblatt) und das so eben beginnende Morgonbladet (Morgenblatt) sind zu unbedeutend, um mehr als eben genannt zu werden. Ob diese Zeitungen von oben her unterstützt werden, wie Aftonbladet insinuirt, weiß ich nicht.

Alle diese verschiedenen Organe der periodischen Presse erscheinen in der Hauptstadt. Die vielen Provinzzeitungen, die unter sich eben so verschieden an Farben und Tendenzen sind, doch der Mehrzahl nach meistens einem gemäßigteren Liberalismus huldigen, können hier nicht in Betracht genommen werden, da sie in der Regel nur in einem beschränkteren Kreise gelesen werden, mithin einen geringeren Einfluß auf die öffentliche Meinung ausüben. Mehrere unter ihnen sind indessen mit nicht unbedeutendem Talent geschrieben.

Als Supplement zu dieser Skizze des schwedischen Zeitungswesens muß ich noch einer Rolle erwähnen, welche einige Exredacteure von Zeitungen bei dem jetzigen Reichstage gespielt haben; denn diese Rolle ist, obwohl sie hinter den Coulissen gespielt wird, zu merkwürdig, um nicht einige Erwähnung zu verdienen. Sie ist überdieß für Schweden charakteristisch. Obwohl der schwedische Bauernstand keinem der andern Länder an Bildung nachsteht, im Gegentheil in dieser Beziehung einige Vorzüge vor den meisten seiner fremden Mitbrüder haben dürfte, ist es leicht begreiflich, daß nur äußerst wenige unter den ehrenwerthen Mitgliedern jenes Standes die nöthigen Kenntnisse besitzen, um als Reichstagsmänner die Staatsgeschäfte aus eigener Einsicht selbstständig beurtheilen zu können. Sie werden also in der Regel Werkzeuge Anderer, welche ihren schlichten Verstand entweder aufklären oder irre führen, um ihre Stimmen bei Motionen und Votirungen für eigene Zwecke zu benützen. Der Bauer kann auch eben so gut wie ein Anderer für den Ehrgeiz zugänglich seyn und sieht daher nicht ungern, wenn ihm schon fertiggeschriebene Motionen oder Reden in die Hand gesteckt werden, mit denen er Aufsehen in seinem Stande erwecken kann. Einige sind reich genug, um solche Gefälligkeiten sogar gut bezahlen zu können. Ueberdieß sind sie selbst von den Wählern daheim besoldet, und da öfters mehrere Districte sich um einen gemeinsamen Reichstagsmann vereinigen, kann ihr Gehalt zuweilen sehr bedeutend werden, so daß sie, auch ohne selbst sehr vermögend zu seyn, dennoch bedeutende Honorare austheilen können. Man hat schon bei früheren Reichstagen Beispiele von Bauern gehabt, welche ein ganzes Kanzleipersonal in ihrem Sold gehabt haben.

Einige schlaue Köpfe verstehen gewöhnlich beim Anfang jedes Reichstags von diesen Umständen Vortheil zu ziehen. Niemals aber waren die Bauern in so radicale Hände gefallen, wie dießmal; niemals war der gesunde Bauernverstand auf eine so entwürdigende Weise bis zur Carricatur gemißbraucht worden. Wenn man die ganze französische Phraseologie der Deputirtenkammer aus dem Mund eines schwedischen Bauers fließen oder ihn in seiner Rede über die Branntweinbrennerei den Menschen "ein Ebenbild der höchsten Weltkraft" nennen hört, so mag man in der Ferne über die reißenden Fortschritte der Civilisation erstaunen. Sieht man aber in der Nähe, wie solche Phrasen verfertigt und dem guten Bauer in den Mund geschoben werden, so weiß man nicht, ob man mehr über solche Erscheinungen lachen oder sie als ernste Zeichen des Verfalls einer ehemals großartigen und volksthümlichen Institution betrachten und bedauern soll.

Unter denen, welche als Schriftsteller für den sattsam bekannt gewordenen Hans Jansson und für mehrere andere seiner Mitbrüder thätig gewesen, sind, außer dem früher genannten Lindeberg, die HH. Gustav Hjerta und Sandström als die radicalsten zu nennen. Jener, nicht mit dem Redacteur des Abendblatts zu verwechseln, ist ein ehemaliger Obristlieutenant und Exredacteur einer Zeitung, Medborgaren genannt, welche vor einigen Jahren durch ihre Saint-Simonistischen Lehren einiges Aufsehen weckte. Dieser ist ein noch sehr junger Mann, derselbe, der in den bekannten Crusenstolpe'schen Auftritten vor zwei Jahren die wichtigste Rolle spielte (er ist mit der Tochter Crusenstolpe's verlobt) und Exredacteur einer fanatischen Zeitung, Stockholmsbladet, welche seitdem entstand, aber nur eine kurze Dauer hatte. Beide sind gute Köpfe, dürften aber zugleich als die exaltirtesten im ganzen Königreich betrachtet werden. Im Lande selbst fanden ihre durchaus radicalen und utopischen Bestrebungen bisher wenig Sympathie. Sie hoffen aber, daß die Bauern, welche während des Reichstags in ihre Schule gegangen und die verführerischen Lehren inter pocula eingesaugt haben, einst in ihrer Heimath dieselben unter ihren Genossen fortpflanzen werden. Ohne Zweifel kann für die Zukunft auf diese Weise viel Unheil gestiftet werden, wenn nicht mit der Wiedervornahme des Pflugs auch der gesunde Bauernverstand zurückkehrt.

Großbritannien.

Die Politik, welche England in China einzuschlagen beabsichtigt, ist nun bekannt. Man will keine Eroberung machen, wenn es sich nur irgend vermeiden läßt, und wenn nach den ersten siegreichen Erfolgen, welche man

Berechnung nahm sie erst das in der Vertheidigungskunst weniger gewandte Dagligt Allehanda zum Gegenstand ihrer Stiche, und nachdem sie diesen Gegner lange genug mit ihrem scharfen Stachel geneckt und gequält hatte, um ihn am Ende zu einigen unbehülflichen Bärensprüngen zu verleiten, wodurch er sich selbst vor den Augen des Publicums lächerlich machte, fängt sie jetzt auch an, dem Aftonbladet näher auf den Leib zu gehen.

Die Taktik der Oppositionszeitungen gegen diesen gefährlichen Gegner war nicht eben geeignet, jene „Redlichkeit“, welche sie sich selbst so gern zuschreiben, in dem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Anfangs versuchten sie den Gegner ganz zu ignoriren, in der Hoffnung, hiedurch das Publicum, besonders in den Provinzen, von dem Daseyn des Widersachers in gänzlicher Unwissenheit halten zu können. Da man zuletzt diese Hoffnung aufgeben mußte, brach endlich Dagligt Allehanda das Schweigen, womit es bisher Monate lang die Angriffe der Biene hatte vorbeigehen lassen, und schalt dabei diese „ein allgemein verachtetes Blatt.“ Als am Ende auch Aftonbladet zu einer Antwort gereizt wurde, wählte dieß die etwas feinere Kriegslist, seinen Lesern einige obscure, zum Theil wenig geachtete Namen von Personen vorzuführen, welche es als die muthmaßliche Redaction der schwedischen Biene bezeichnete, um damit das Blatt im Publicum zu discreditiren, obwohl sicherlich Niemand über die wirkliche Redaction der Biene besser unterrichtet seyn konnte, als eben Aftonbladet. – Die Tendenz der schwedischen Biene ist übrigens zu sehr ultraconservativ (sie nennt die schwedische Verfassung vom Jahr 1809 „ein Meisterwerk des menschlichen Geistes“, und ist sogar der neuen Ministerialeinrichtung abhold gewesen), um auf die Länge populär werden zu können, zumal wenn die Redaction fortfährt, eine Menge von Beamteneinsendungen aufzunehmen, deren Mittelmäßigkeit schon anfängt, die gut geschriebenen Originalartikel zu verdrängen. Bis jetzt aber ist ihre Abonnentenzahl in stetem Zunehmen.

Die zwei andern neuentstandenen conservativen Blätter, Folkbladet (das Volksblatt) und das so eben beginnende Morgonbladet (Morgenblatt) sind zu unbedeutend, um mehr als eben genannt zu werden. Ob diese Zeitungen von oben her unterstützt werden, wie Aftonbladet insinuirt, weiß ich nicht.

Alle diese verschiedenen Organe der periodischen Presse erscheinen in der Hauptstadt. Die vielen Provinzzeitungen, die unter sich eben so verschieden an Farben und Tendenzen sind, doch der Mehrzahl nach meistens einem gemäßigteren Liberalismus huldigen, können hier nicht in Betracht genommen werden, da sie in der Regel nur in einem beschränkteren Kreise gelesen werden, mithin einen geringeren Einfluß auf die öffentliche Meinung ausüben. Mehrere unter ihnen sind indessen mit nicht unbedeutendem Talent geschrieben.

Als Supplement zu dieser Skizze des schwedischen Zeitungswesens muß ich noch einer Rolle erwähnen, welche einige Exredacteure von Zeitungen bei dem jetzigen Reichstage gespielt haben; denn diese Rolle ist, obwohl sie hinter den Coulissen gespielt wird, zu merkwürdig, um nicht einige Erwähnung zu verdienen. Sie ist überdieß für Schweden charakteristisch. Obwohl der schwedische Bauernstand keinem der andern Länder an Bildung nachsteht, im Gegentheil in dieser Beziehung einige Vorzüge vor den meisten seiner fremden Mitbrüder haben dürfte, ist es leicht begreiflich, daß nur äußerst wenige unter den ehrenwerthen Mitgliedern jenes Standes die nöthigen Kenntnisse besitzen, um als Reichstagsmänner die Staatsgeschäfte aus eigener Einsicht selbstständig beurtheilen zu können. Sie werden also in der Regel Werkzeuge Anderer, welche ihren schlichten Verstand entweder aufklären oder irre führen, um ihre Stimmen bei Motionen und Votirungen für eigene Zwecke zu benützen. Der Bauer kann auch eben so gut wie ein Anderer für den Ehrgeiz zugänglich seyn und sieht daher nicht ungern, wenn ihm schon fertiggeschriebene Motionen oder Reden in die Hand gesteckt werden, mit denen er Aufsehen in seinem Stande erwecken kann. Einige sind reich genug, um solche Gefälligkeiten sogar gut bezahlen zu können. Ueberdieß sind sie selbst von den Wählern daheim besoldet, und da öfters mehrere Districte sich um einen gemeinsamen Reichstagsmann vereinigen, kann ihr Gehalt zuweilen sehr bedeutend werden, so daß sie, auch ohne selbst sehr vermögend zu seyn, dennoch bedeutende Honorare austheilen können. Man hat schon bei früheren Reichstagen Beispiele von Bauern gehabt, welche ein ganzes Kanzleipersonal in ihrem Sold gehabt haben.

Einige schlaue Köpfe verstehen gewöhnlich beim Anfang jedes Reichstags von diesen Umständen Vortheil zu ziehen. Niemals aber waren die Bauern in so radicale Hände gefallen, wie dießmal; niemals war der gesunde Bauernverstand auf eine so entwürdigende Weise bis zur Carricatur gemißbraucht worden. Wenn man die ganze französische Phraseologie der Deputirtenkammer aus dem Mund eines schwedischen Bauers fließen oder ihn in seiner Rede über die Branntweinbrennerei den Menschen „ein Ebenbild der höchsten Weltkraft“ nennen hört, so mag man in der Ferne über die reißenden Fortschritte der Civilisation erstaunen. Sieht man aber in der Nähe, wie solche Phrasen verfertigt und dem guten Bauer in den Mund geschoben werden, so weiß man nicht, ob man mehr über solche Erscheinungen lachen oder sie als ernste Zeichen des Verfalls einer ehemals großartigen und volksthümlichen Institution betrachten und bedauern soll.

Unter denen, welche als Schriftsteller für den sattsam bekannt gewordenen Hans Jansson und für mehrere andere seiner Mitbrüder thätig gewesen, sind, außer dem früher genannten Lindeberg, die HH. Gustav Hjerta und Sandström als die radicalsten zu nennen. Jener, nicht mit dem Redacteur des Abendblatts zu verwechseln, ist ein ehemaliger Obristlieutenant und Exredacteur einer Zeitung, Medborgaren genannt, welche vor einigen Jahren durch ihre Saint-Simonistischen Lehren einiges Aufsehen weckte. Dieser ist ein noch sehr junger Mann, derselbe, der in den bekannten Crusenstolpe'schen Auftritten vor zwei Jahren die wichtigste Rolle spielte (er ist mit der Tochter Crusenstolpe's verlobt) und Exredacteur einer fanatischen Zeitung, Stockholmsbladet, welche seitdem entstand, aber nur eine kurze Dauer hatte. Beide sind gute Köpfe, dürften aber zugleich als die exaltirtesten im ganzen Königreich betrachtet werden. Im Lande selbst fanden ihre durchaus radicalen und utopischen Bestrebungen bisher wenig Sympathie. Sie hoffen aber, daß die Bauern, welche während des Reichstags in ihre Schule gegangen und die verführerischen Lehren inter pocula eingesaugt haben, einst in ihrer Heimath dieselben unter ihren Genossen fortpflanzen werden. Ohne Zweifel kann für die Zukunft auf diese Weise viel Unheil gestiftet werden, wenn nicht mit der Wiedervornahme des Pflugs auch der gesunde Bauernverstand zurückkehrt.

Großbritannien.

Die Politik, welche England in China einzuschlagen beabsichtigt, ist nun bekannt. Man will keine Eroberung machen, wenn es sich nur irgend vermeiden läßt, und wenn nach den ersten siegreichen Erfolgen, welche man

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[1412/0012] Berechnung nahm sie erst das in der Vertheidigungskunst weniger gewandte Dagligt Allehanda zum Gegenstand ihrer Stiche, und nachdem sie diesen Gegner lange genug mit ihrem scharfen Stachel geneckt und gequält hatte, um ihn am Ende zu einigen unbehülflichen Bärensprüngen zu verleiten, wodurch er sich selbst vor den Augen des Publicums lächerlich machte, fängt sie jetzt auch an, dem Aftonbladet näher auf den Leib zu gehen. Die Taktik der Oppositionszeitungen gegen diesen gefährlichen Gegner war nicht eben geeignet, jene „Redlichkeit“, welche sie sich selbst so gern zuschreiben, in dem vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Anfangs versuchten sie den Gegner ganz zu ignoriren, in der Hoffnung, hiedurch das Publicum, besonders in den Provinzen, von dem Daseyn des Widersachers in gänzlicher Unwissenheit halten zu können. Da man zuletzt diese Hoffnung aufgeben mußte, brach endlich Dagligt Allehanda das Schweigen, womit es bisher Monate lang die Angriffe der Biene hatte vorbeigehen lassen, und schalt dabei diese „ein allgemein verachtetes Blatt.“ Als am Ende auch Aftonbladet zu einer Antwort gereizt wurde, wählte dieß die etwas feinere Kriegslist, seinen Lesern einige obscure, zum Theil wenig geachtete Namen von Personen vorzuführen, welche es als die muthmaßliche Redaction der schwedischen Biene bezeichnete, um damit das Blatt im Publicum zu discreditiren, obwohl sicherlich Niemand über die wirkliche Redaction der Biene besser unterrichtet seyn konnte, als eben Aftonbladet. – Die Tendenz der schwedischen Biene ist übrigens zu sehr ultraconservativ (sie nennt die schwedische Verfassung vom Jahr 1809 „ein Meisterwerk des menschlichen Geistes“, und ist sogar der neuen Ministerialeinrichtung abhold gewesen), um auf die Länge populär werden zu können, zumal wenn die Redaction fortfährt, eine Menge von Beamteneinsendungen aufzunehmen, deren Mittelmäßigkeit schon anfängt, die gut geschriebenen Originalartikel zu verdrängen. Bis jetzt aber ist ihre Abonnentenzahl in stetem Zunehmen. Die zwei andern neuentstandenen conservativen Blätter, Folkbladet (das Volksblatt) und das so eben beginnende Morgonbladet (Morgenblatt) sind zu unbedeutend, um mehr als eben genannt zu werden. Ob diese Zeitungen von oben her unterstützt werden, wie Aftonbladet insinuirt, weiß ich nicht. Alle diese verschiedenen Organe der periodischen Presse erscheinen in der Hauptstadt. Die vielen Provinzzeitungen, die unter sich eben so verschieden an Farben und Tendenzen sind, doch der Mehrzahl nach meistens einem gemäßigteren Liberalismus huldigen, können hier nicht in Betracht genommen werden, da sie in der Regel nur in einem beschränkteren Kreise gelesen werden, mithin einen geringeren Einfluß auf die öffentliche Meinung ausüben. Mehrere unter ihnen sind indessen mit nicht unbedeutendem Talent geschrieben. Als Supplement zu dieser Skizze des schwedischen Zeitungswesens muß ich noch einer Rolle erwähnen, welche einige Exredacteure von Zeitungen bei dem jetzigen Reichstage gespielt haben; denn diese Rolle ist, obwohl sie hinter den Coulissen gespielt wird, zu merkwürdig, um nicht einige Erwähnung zu verdienen. Sie ist überdieß für Schweden charakteristisch. Obwohl der schwedische Bauernstand keinem der andern Länder an Bildung nachsteht, im Gegentheil in dieser Beziehung einige Vorzüge vor den meisten seiner fremden Mitbrüder haben dürfte, ist es leicht begreiflich, daß nur äußerst wenige unter den ehrenwerthen Mitgliedern jenes Standes die nöthigen Kenntnisse besitzen, um als Reichstagsmänner die Staatsgeschäfte aus eigener Einsicht selbstständig beurtheilen zu können. Sie werden also in der Regel Werkzeuge Anderer, welche ihren schlichten Verstand entweder aufklären oder irre führen, um ihre Stimmen bei Motionen und Votirungen für eigene Zwecke zu benützen. Der Bauer kann auch eben so gut wie ein Anderer für den Ehrgeiz zugänglich seyn und sieht daher nicht ungern, wenn ihm schon fertiggeschriebene Motionen oder Reden in die Hand gesteckt werden, mit denen er Aufsehen in seinem Stande erwecken kann. Einige sind reich genug, um solche Gefälligkeiten sogar gut bezahlen zu können. Ueberdieß sind sie selbst von den Wählern daheim besoldet, und da öfters mehrere Districte sich um einen gemeinsamen Reichstagsmann vereinigen, kann ihr Gehalt zuweilen sehr bedeutend werden, so daß sie, auch ohne selbst sehr vermögend zu seyn, dennoch bedeutende Honorare austheilen können. Man hat schon bei früheren Reichstagen Beispiele von Bauern gehabt, welche ein ganzes Kanzleipersonal in ihrem Sold gehabt haben. Einige schlaue Köpfe verstehen gewöhnlich beim Anfang jedes Reichstags von diesen Umständen Vortheil zu ziehen. Niemals aber waren die Bauern in so radicale Hände gefallen, wie dießmal; niemals war der gesunde Bauernverstand auf eine so entwürdigende Weise bis zur Carricatur gemißbraucht worden. Wenn man die ganze französische Phraseologie der Deputirtenkammer aus dem Mund eines schwedischen Bauers fließen oder ihn in seiner Rede über die Branntweinbrennerei den Menschen „ein Ebenbild der höchsten Weltkraft“ nennen hört, so mag man in der Ferne über die reißenden Fortschritte der Civilisation erstaunen. Sieht man aber in der Nähe, wie solche Phrasen verfertigt und dem guten Bauer in den Mund geschoben werden, so weiß man nicht, ob man mehr über solche Erscheinungen lachen oder sie als ernste Zeichen des Verfalls einer ehemals großartigen und volksthümlichen Institution betrachten und bedauern soll. Unter denen, welche als Schriftsteller für den sattsam bekannt gewordenen Hans Jansson und für mehrere andere seiner Mitbrüder thätig gewesen, sind, außer dem früher genannten Lindeberg, die HH. Gustav Hjerta und Sandström als die radicalsten zu nennen. Jener, nicht mit dem Redacteur des Abendblatts zu verwechseln, ist ein ehemaliger Obristlieutenant und Exredacteur einer Zeitung, Medborgaren genannt, welche vor einigen Jahren durch ihre Saint-Simonistischen Lehren einiges Aufsehen weckte. Dieser ist ein noch sehr junger Mann, derselbe, der in den bekannten Crusenstolpe'schen Auftritten vor zwei Jahren die wichtigste Rolle spielte (er ist mit der Tochter Crusenstolpe's verlobt) und Exredacteur einer fanatischen Zeitung, Stockholmsbladet, welche seitdem entstand, aber nur eine kurze Dauer hatte. Beide sind gute Köpfe, dürften aber zugleich als die exaltirtesten im ganzen Königreich betrachtet werden. Im Lande selbst fanden ihre durchaus radicalen und utopischen Bestrebungen bisher wenig Sympathie. Sie hoffen aber, daß die Bauern, welche während des Reichstags in ihre Schule gegangen und die verführerischen Lehren inter pocula eingesaugt haben, einst in ihrer Heimath dieselben unter ihren Genossen fortpflanzen werden. Ohne Zweifel kann für die Zukunft auf diese Weise viel Unheil gestiftet werden, wenn nicht mit der Wiedervornahme des Pflugs auch der gesunde Bauernverstand zurückkehrt. Großbritannien. _ London, 17 Jun. Die Politik, welche England in China einzuschlagen beabsichtigt, ist nun bekannt. Man will keine Eroberung machen, wenn es sich nur irgend vermeiden läßt, und wenn nach den ersten siegreichen Erfolgen, welche man

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 179. Augsburg, 26. Juni 1840, S. 1412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_178_18400626/12>, abgerufen am 20.04.2024.