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Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840.

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Herzog Paul Wilhelm von Würtemberg im Fazogl.

Sie werden vielleicht schon meine glückliche Ankunft im Lande der Goldgruben und der Schwarzen erfahren haben, *) so wie mein Schreiben aus Derr in Nubien (S. Allg. Zeitung Nro. 67) Sie von meinem etwas gigantischen, nun glücklich ausgeführten Reiseplan unterrichtet haben wird. Daß ich so schnell diese große Reise zurücklegte, verdanke ich wohl - nächst dem allmächtigen Schöpfer und Leiter der Welten - meinem gütigen Beschützer auf dieser gefahrvollen Unternehmung, dem Vicekönig von Aegypten. Mehemed Ali hatte nämlich die Güte, sich auf das wohlwollendste meiner anzunehmen und, als der Protector aller wissenschaftlichen Unternehmungen in seinem großen Staatengebiete, alles Erdenkliche aufbieten zu lassen, um meinen weitumfassenden Reiseplan zu befördern. Durch die Vorsorge dieses großen Mannes ward mir nicht nur überall der ehrenvollste Empfang zu Theil, sondern es wurde auch Alles aufgeboten, um meine Reise zu beschleunigen und mir diejenigen Bequemlichkeiten zu gewähren, welche allein das Leben in diesem mörderischen Lande erhalten können. Unbegränzt wird daher stets meine innige Dankbarkeit für diesen Fürsten seyn, dem ich es verdanke, wenn ich meinen Namen unter die Zahl derjenigen schreiben darf, welche am tiefsten in das Innere dieses großen und mysteriösen Landes eingedrungen sind. Der größte Wunsch meines Lebens ist erfüllt; auch wenn die Parze meinen Faden zerschneidet und ich nicht mehr zurückkehre, so hoffe ich, meine mit strenger Genauigkeit geführten Tagebücher werden mich überleben, und Ihnen, treuer Freund, überlasse ich es alsdann, sie zu ordnen und dem Publicum zu übergeben. Auch meine Sammlungen sind nicht arm zu nennen. Was Vögel betrifft, so könnte ich wohl eine ganze Fauna aufstellen, und in den andern Reichen war ich auch nicht unglücklich. Selbst ein riesiges Präparat von einem Hippopotamus liegt bereit, nach Europa von hier abzugehen. Diese Thiere, so wie Elephanten und Löwen sind hier sehr gemein, das Nashorn aber selten. Obgleich meine Zeit sehr beschränkt ist, indem morgen schon die Expedition, die der Pascha für mich ausrüsten ließ, und mit der ich bis zum 9ten oder 8ten Breitengrad vorzudringen hoffe, nach den räthselhaften ganz unbekannten Gebirgen abgeht, so will ich doch in möglichster Kürze Ihnen die Skizze meiner Reise von Korosko bis hieher mittheilen.

Am 9 Januar verließ ich jenen Ort, um durch die große nubische Wüste nach Abu Hamed zu gelangen, was nach zehn langen Kamelmärschen geschah. Die Berghaus'sche Karte (Nr. V. des Atlas Asia und Afrika) von Arabien und dem Nil-Lande, wie verdienstvoll auch in vieler anderer Hinsicht, ist nicht richtig, was diese Wüste betrifft. Die hohen Gebirgszüge z. B. sind gar nicht angedeutet und die Brunnen zu weit südlich gestellt. Raum und Zeit gestatten mir nicht, diese Gebirgszüge, welche abgesonderte Gruppen wie die Mondskrater bilden, hier genau zu beschreiben; ich habe indessen ihre Topographie so genau wie möglich in meinem Tagebuch verzeichnet. Die wichtigsten sind der Gebirgszug des Wadi Tora von Norden nach Süden, der Umrischa von Südost nach Westen, der Gebel Medine, der sich nach Süden hinzieht und in einer wilden Schlucht bis zum Februar einen Brunnen süßen Regenwassers enthält. In Ostsüdost ist der Gebirgszug Banat Refit; von hier ist nach halbem Tagmarsch ein zwischen Schieferschichten gelegenes Becken, der Doum Dallah genannt, der halbe Weg der Wüste. Eine dieser Gegend, wie es scheint, eigenthümliche Palme wächst hier, eine schöne bisher unbekannte Species, mit Corypha verwandt. Hier nahe fängt der hohe Gebirgszug El Morat an, dessen furchtbar wildes Thal das Bild der Wüste und des Todes ist, von zahllosen Gerippen angefüllt, welches noch etwas brackichtes Wasser enthielt. Weiter südlich erhebt sich der höchste Gebirgszug, der Abussihah von Nordost nach Südost streichend, durch einen hohen Berg mit vier Spitzen ausgezeichnet. Wenn man sich dem Nil nähert, erblickt das Auge die Gebel Abumigarah und Guraibad, und zuletzt den hohen Bergzug des Umguran von Osten nach Südwesten, nahe dem Strome sich anlehnend. Alle diese Bergmassen werden durch sandige und steinige Flächen getrennt, und bilden theils Ringgebirge, theils Halbkreise, das wahre Bild der Mondkarte; alle sind auch vulcanischer Natur, und die Schlacken und Laven, welche an vielen Orten in mächtigen Lagen zu Tage kommen, gehören keineswegs der ältesten Formation an. In ungeheuern Massen erscheint der Eisenstein, auch als Gerölle, hohle Gnoden bildend, die ganz den Bomben und Granaten gleichen und innerlich mit einem schwarzglänzenden Pulver (Titan?) gefüllt sind Auch jene runden Sandsteingerölle (Sandsteinstalaktiten) in Kugelform, wie ich sie vom hohen Missouri (Canon bul river) mitbrachte, erscheinen häufig. Ferner gewaltige Schichten Eisenstein und Kieselbreccien, abwechselnd mit Quarzadern und Thonschiefergebilden, welche in Senkungen von Norden nach Süden große Flächen bedecken. Die Ebene, aus Quarzsand bestehend, mit Achaten und Carniolen gemengt, trennt das Gebirge, dessen Gestein oft in einzelnen Felsmassen in riesigen Gestaltungen vortritt; dasselbe besteht aus sienitischem Granit von grauer oder röthlicher Farbe, und tritt beim Gareibad selbst in Massen von 100 Fuß Höhe vor. Die höchsten Spitzen der Wüstengebirge erreichen 800 bis 1000 Fuß über die höchste Fläche derselben, die Wüste selbst erhebt sich in ihren Ebenen 800 bis 1200 Fuß über den Spiegel des rothen Meeres.

Die Nächte waren sehr empfindlich kühl in der Wüste, und wenn Morgens 6 Uhr das Thermometer + 5-6°R. zeigte, so stand es um 2 Uhr Nachmittags auf + 29 und + 30°R. Die letzten Tage blies ein furchtbarer Sturm, der Wolken aufgelösten Sandes mit sich führte. Die nackten, barfußigen Schaikie-Araber, die neben den Kamelen herliefen, litten sehr dabei und vier Kameele blieben todt liegen. Auf 6 Tagemärsche sandte der Mudir von Berber mir seine Hedschin (Renn-Kamele) entgegen, so wie Wasser; ohne diese Hülfe hätte ich verunglücken können. Die herrliche Insel Mokrat mit ihrer reichen Vegetation und ihren Tropenvögeln entschädigte mich für einige Tage, und nach 5 Tagen erreichte ich Berber, das Land der Robatat-Araber durchziehend. Der freundliche Mudir, Halim Effendi, war mir bis zu den Schelaal (Stromschnellen) von Singir entgegengekommen, und oberhalb derselben erwartete mich die vom Vicekönig für mich ausgerüstete Barke nebst einem Officier, Namens Jakoub Effendi, der nun mein treuer Begleiter bis hieher geworden ist. O Freund! welchen absurden Begriff macht man sich bei uns von den Orientalen; es gibt keine zuvorkommenderen Menschen, wie diese, und der gebildete Türke ist ein

*) Das letzte Schreiben Sr. Hoh. aus Sennaar vom 15 Febr. war, nebst einem großen Transport gesammelter Naturschätze, zu Ende Aprils in Mergentheim eingetroffen, und drückte die Absicht des Herzogs aus, den Fazogl zu bereisen.
Herzog Paul Wilhelm von Würtemberg im Fazogl.

Sie werden vielleicht schon meine glückliche Ankunft im Lande der Goldgruben und der Schwarzen erfahren haben, *) so wie mein Schreiben aus Derr in Nubien (S. Allg. Zeitung Nro. 67) Sie von meinem etwas gigantischen, nun glücklich ausgeführten Reiseplan unterrichtet haben wird. Daß ich so schnell diese große Reise zurücklegte, verdanke ich wohl – nächst dem allmächtigen Schöpfer und Leiter der Welten – meinem gütigen Beschützer auf dieser gefahrvollen Unternehmung, dem Vicekönig von Aegypten. Mehemed Ali hatte nämlich die Güte, sich auf das wohlwollendste meiner anzunehmen und, als der Protector aller wissenschaftlichen Unternehmungen in seinem großen Staatengebiete, alles Erdenkliche aufbieten zu lassen, um meinen weitumfassenden Reiseplan zu befördern. Durch die Vorsorge dieses großen Mannes ward mir nicht nur überall der ehrenvollste Empfang zu Theil, sondern es wurde auch Alles aufgeboten, um meine Reise zu beschleunigen und mir diejenigen Bequemlichkeiten zu gewähren, welche allein das Leben in diesem mörderischen Lande erhalten können. Unbegränzt wird daher stets meine innige Dankbarkeit für diesen Fürsten seyn, dem ich es verdanke, wenn ich meinen Namen unter die Zahl derjenigen schreiben darf, welche am tiefsten in das Innere dieses großen und mysteriösen Landes eingedrungen sind. Der größte Wunsch meines Lebens ist erfüllt; auch wenn die Parze meinen Faden zerschneidet und ich nicht mehr zurückkehre, so hoffe ich, meine mit strenger Genauigkeit geführten Tagebücher werden mich überleben, und Ihnen, treuer Freund, überlasse ich es alsdann, sie zu ordnen und dem Publicum zu übergeben. Auch meine Sammlungen sind nicht arm zu nennen. Was Vögel betrifft, so könnte ich wohl eine ganze Fauna aufstellen, und in den andern Reichen war ich auch nicht unglücklich. Selbst ein riesiges Präparat von einem Hippopotamus liegt bereit, nach Europa von hier abzugehen. Diese Thiere, so wie Elephanten und Löwen sind hier sehr gemein, das Nashorn aber selten. Obgleich meine Zeit sehr beschränkt ist, indem morgen schon die Expedition, die der Pascha für mich ausrüsten ließ, und mit der ich bis zum 9ten oder 8ten Breitengrad vorzudringen hoffe, nach den räthselhaften ganz unbekannten Gebirgen abgeht, so will ich doch in möglichster Kürze Ihnen die Skizze meiner Reise von Korosko bis hieher mittheilen.

Am 9 Januar verließ ich jenen Ort, um durch die große nubische Wüste nach Abu Hamed zu gelangen, was nach zehn langen Kamelmärschen geschah. Die Berghaus'sche Karte (Nr. V. des Atlas Asia und Afrika) von Arabien und dem Nil-Lande, wie verdienstvoll auch in vieler anderer Hinsicht, ist nicht richtig, was diese Wüste betrifft. Die hohen Gebirgszüge z. B. sind gar nicht angedeutet und die Brunnen zu weit südlich gestellt. Raum und Zeit gestatten mir nicht, diese Gebirgszüge, welche abgesonderte Gruppen wie die Mondskrater bilden, hier genau zu beschreiben; ich habe indessen ihre Topographie so genau wie möglich in meinem Tagebuch verzeichnet. Die wichtigsten sind der Gebirgszug des Wadi Tora von Norden nach Süden, der Umrischa von Südost nach Westen, der Gebel Mediné, der sich nach Süden hinzieht und in einer wilden Schlucht bis zum Februar einen Brunnen süßen Regenwassers enthält. In Ostsüdost ist der Gebirgszug Banat Refit; von hier ist nach halbem Tagmarsch ein zwischen Schieferschichten gelegenes Becken, der Doum Dalláh genannt, der halbe Weg der Wüste. Eine dieser Gegend, wie es scheint, eigenthümliche Palme wächst hier, eine schöne bisher unbekannte Species, mit Corypha verwandt. Hier nahe fängt der hohe Gebirgszug El Morat an, dessen furchtbar wildes Thal das Bild der Wüste und des Todes ist, von zahllosen Gerippen angefüllt, welches noch etwas brackichtes Wasser enthielt. Weiter südlich erhebt sich der höchste Gebirgszug, der Abussiháh von Nordost nach Südost streichend, durch einen hohen Berg mit vier Spitzen ausgezeichnet. Wenn man sich dem Nil nähert, erblickt das Auge die Gebel Abumigaráh und Guraïbad, und zuletzt den hohen Bergzug des Umguran von Osten nach Südwesten, nahe dem Strome sich anlehnend. Alle diese Bergmassen werden durch sandige und steinige Flächen getrennt, und bilden theils Ringgebirge, theils Halbkreise, das wahre Bild der Mondkarte; alle sind auch vulcanischer Natur, und die Schlacken und Laven, welche an vielen Orten in mächtigen Lagen zu Tage kommen, gehören keineswegs der ältesten Formation an. In ungeheuern Massen erscheint der Eisenstein, auch als Gerölle, hohle Gnoden bildend, die ganz den Bomben und Granaten gleichen und innerlich mit einem schwarzglänzenden Pulver (Titan?) gefüllt sind Auch jene runden Sandsteingerölle (Sandsteinstalaktiten) in Kugelform, wie ich sie vom hohen Missouri (Canon bul river) mitbrachte, erscheinen häufig. Ferner gewaltige Schichten Eisenstein und Kieselbreccien, abwechselnd mit Quarzadern und Thonschiefergebilden, welche in Senkungen von Norden nach Süden große Flächen bedecken. Die Ebene, aus Quarzsand bestehend, mit Achaten und Carniolen gemengt, trennt das Gebirge, dessen Gestein oft in einzelnen Felsmassen in riesigen Gestaltungen vortritt; dasselbe besteht aus sienitischem Granit von grauer oder röthlicher Farbe, und tritt beim Gareïbad selbst in Massen von 100 Fuß Höhe vor. Die höchsten Spitzen der Wüstengebirge erreichen 800 bis 1000 Fuß über die höchste Fläche derselben, die Wüste selbst erhebt sich in ihren Ebenen 800 bis 1200 Fuß über den Spiegel des rothen Meeres.

Die Nächte waren sehr empfindlich kühl in der Wüste, und wenn Morgens 6 Uhr das Thermometer + 5-6°R. zeigte, so stand es um 2 Uhr Nachmittags auf + 29 und + 30°R. Die letzten Tage blies ein furchtbarer Sturm, der Wolken aufgelösten Sandes mit sich führte. Die nackten, barfußigen Schaïkie-Araber, die neben den Kamelen herliefen, litten sehr dabei und vier Kameele blieben todt liegen. Auf 6 Tagemärsche sandte der Mudir von Berber mir seine Hedschin (Renn-Kamele) entgegen, so wie Wasser; ohne diese Hülfe hätte ich verunglücken können. Die herrliche Insel Mokrat mit ihrer reichen Vegetation und ihren Tropenvögeln entschädigte mich für einige Tage, und nach 5 Tagen erreichte ich Berber, das Land der Robatat-Araber durchziehend. Der freundliche Mudir, Halim Effendi, war mir bis zu den Schélaal (Stromschnellen) von Singir entgegengekommen, und oberhalb derselben erwartete mich die vom Vicekönig für mich ausgerüstete Barke nebst einem Officier, Namens Jakoub Effendi, der nun mein treuer Begleiter bis hieher geworden ist. O Freund! welchen absurden Begriff macht man sich bei uns von den Orientalen; es gibt keine zuvorkommenderen Menschen, wie diese, und der gebildete Türke ist ein

*) Das letzte Schreiben Sr. Hoh. aus Sennaar vom 15 Febr. war, nebst einem großen Transport gesammelter Naturschätze, zu Ende Aprils in Mergentheim eingetroffen, und drückte die Absicht des Herzogs aus, den Fazogl zu bereisen.
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[1401/0009] Herzog Paul Wilhelm von Würtemberg im Fazogl. _ Lager Adasi im Fazogl am Bahr el Azrek, 10 März 1840 (11° 15' 47'' nördl. Br. 32° 34' östl. Länge). Sie werden vielleicht schon meine glückliche Ankunft im Lande der Goldgruben und der Schwarzen erfahren haben, *) so wie mein Schreiben aus Derr in Nubien (S. Allg. Zeitung Nro. 67) Sie von meinem etwas gigantischen, nun glücklich ausgeführten Reiseplan unterrichtet haben wird. Daß ich so schnell diese große Reise zurücklegte, verdanke ich wohl – nächst dem allmächtigen Schöpfer und Leiter der Welten – meinem gütigen Beschützer auf dieser gefahrvollen Unternehmung, dem Vicekönig von Aegypten. Mehemed Ali hatte nämlich die Güte, sich auf das wohlwollendste meiner anzunehmen und, als der Protector aller wissenschaftlichen Unternehmungen in seinem großen Staatengebiete, alles Erdenkliche aufbieten zu lassen, um meinen weitumfassenden Reiseplan zu befördern. Durch die Vorsorge dieses großen Mannes ward mir nicht nur überall der ehrenvollste Empfang zu Theil, sondern es wurde auch Alles aufgeboten, um meine Reise zu beschleunigen und mir diejenigen Bequemlichkeiten zu gewähren, welche allein das Leben in diesem mörderischen Lande erhalten können. Unbegränzt wird daher stets meine innige Dankbarkeit für diesen Fürsten seyn, dem ich es verdanke, wenn ich meinen Namen unter die Zahl derjenigen schreiben darf, welche am tiefsten in das Innere dieses großen und mysteriösen Landes eingedrungen sind. Der größte Wunsch meines Lebens ist erfüllt; auch wenn die Parze meinen Faden zerschneidet und ich nicht mehr zurückkehre, so hoffe ich, meine mit strenger Genauigkeit geführten Tagebücher werden mich überleben, und Ihnen, treuer Freund, überlasse ich es alsdann, sie zu ordnen und dem Publicum zu übergeben. Auch meine Sammlungen sind nicht arm zu nennen. Was Vögel betrifft, so könnte ich wohl eine ganze Fauna aufstellen, und in den andern Reichen war ich auch nicht unglücklich. Selbst ein riesiges Präparat von einem Hippopotamus liegt bereit, nach Europa von hier abzugehen. Diese Thiere, so wie Elephanten und Löwen sind hier sehr gemein, das Nashorn aber selten. Obgleich meine Zeit sehr beschränkt ist, indem morgen schon die Expedition, die der Pascha für mich ausrüsten ließ, und mit der ich bis zum 9ten oder 8ten Breitengrad vorzudringen hoffe, nach den räthselhaften ganz unbekannten Gebirgen abgeht, so will ich doch in möglichster Kürze Ihnen die Skizze meiner Reise von Korosko bis hieher mittheilen. Am 9 Januar verließ ich jenen Ort, um durch die große nubische Wüste nach Abu Hamed zu gelangen, was nach zehn langen Kamelmärschen geschah. Die Berghaus'sche Karte (Nr. V. des Atlas Asia und Afrika) von Arabien und dem Nil-Lande, wie verdienstvoll auch in vieler anderer Hinsicht, ist nicht richtig, was diese Wüste betrifft. Die hohen Gebirgszüge z. B. sind gar nicht angedeutet und die Brunnen zu weit südlich gestellt. Raum und Zeit gestatten mir nicht, diese Gebirgszüge, welche abgesonderte Gruppen wie die Mondskrater bilden, hier genau zu beschreiben; ich habe indessen ihre Topographie so genau wie möglich in meinem Tagebuch verzeichnet. Die wichtigsten sind der Gebirgszug des Wadi Tora von Norden nach Süden, der Umrischa von Südost nach Westen, der Gebel Mediné, der sich nach Süden hinzieht und in einer wilden Schlucht bis zum Februar einen Brunnen süßen Regenwassers enthält. In Ostsüdost ist der Gebirgszug Banat Refit; von hier ist nach halbem Tagmarsch ein zwischen Schieferschichten gelegenes Becken, der Doum Dalláh genannt, der halbe Weg der Wüste. Eine dieser Gegend, wie es scheint, eigenthümliche Palme wächst hier, eine schöne bisher unbekannte Species, mit Corypha verwandt. Hier nahe fängt der hohe Gebirgszug El Morat an, dessen furchtbar wildes Thal das Bild der Wüste und des Todes ist, von zahllosen Gerippen angefüllt, welches noch etwas brackichtes Wasser enthielt. Weiter südlich erhebt sich der höchste Gebirgszug, der Abussiháh von Nordost nach Südost streichend, durch einen hohen Berg mit vier Spitzen ausgezeichnet. Wenn man sich dem Nil nähert, erblickt das Auge die Gebel Abumigaráh und Guraïbad, und zuletzt den hohen Bergzug des Umguran von Osten nach Südwesten, nahe dem Strome sich anlehnend. Alle diese Bergmassen werden durch sandige und steinige Flächen getrennt, und bilden theils Ringgebirge, theils Halbkreise, das wahre Bild der Mondkarte; alle sind auch vulcanischer Natur, und die Schlacken und Laven, welche an vielen Orten in mächtigen Lagen zu Tage kommen, gehören keineswegs der ältesten Formation an. In ungeheuern Massen erscheint der Eisenstein, auch als Gerölle, hohle Gnoden bildend, die ganz den Bomben und Granaten gleichen und innerlich mit einem schwarzglänzenden Pulver (Titan?) gefüllt sind Auch jene runden Sandsteingerölle (Sandsteinstalaktiten) in Kugelform, wie ich sie vom hohen Missouri (Canon bul river) mitbrachte, erscheinen häufig. Ferner gewaltige Schichten Eisenstein und Kieselbreccien, abwechselnd mit Quarzadern und Thonschiefergebilden, welche in Senkungen von Norden nach Süden große Flächen bedecken. Die Ebene, aus Quarzsand bestehend, mit Achaten und Carniolen gemengt, trennt das Gebirge, dessen Gestein oft in einzelnen Felsmassen in riesigen Gestaltungen vortritt; dasselbe besteht aus sienitischem Granit von grauer oder röthlicher Farbe, und tritt beim Gareïbad selbst in Massen von 100 Fuß Höhe vor. Die höchsten Spitzen der Wüstengebirge erreichen 800 bis 1000 Fuß über die höchste Fläche derselben, die Wüste selbst erhebt sich in ihren Ebenen 800 bis 1200 Fuß über den Spiegel des rothen Meeres. Die Nächte waren sehr empfindlich kühl in der Wüste, und wenn Morgens 6 Uhr das Thermometer + 5-6°R. zeigte, so stand es um 2 Uhr Nachmittags auf + 29 und + 30°R. Die letzten Tage blies ein furchtbarer Sturm, der Wolken aufgelösten Sandes mit sich führte. Die nackten, barfußigen Schaïkie-Araber, die neben den Kamelen herliefen, litten sehr dabei und vier Kameele blieben todt liegen. Auf 6 Tagemärsche sandte der Mudir von Berber mir seine Hedschin (Renn-Kamele) entgegen, so wie Wasser; ohne diese Hülfe hätte ich verunglücken können. Die herrliche Insel Mokrat mit ihrer reichen Vegetation und ihren Tropenvögeln entschädigte mich für einige Tage, und nach 5 Tagen erreichte ich Berber, das Land der Robatat-Araber durchziehend. Der freundliche Mudir, Halim Effendi, war mir bis zu den Schélaal (Stromschnellen) von Singir entgegengekommen, und oberhalb derselben erwartete mich die vom Vicekönig für mich ausgerüstete Barke nebst einem Officier, Namens Jakoub Effendi, der nun mein treuer Begleiter bis hieher geworden ist. O Freund! welchen absurden Begriff macht man sich bei uns von den Orientalen; es gibt keine zuvorkommenderen Menschen, wie diese, und der gebildete Türke ist ein *) Das letzte Schreiben Sr. Hoh. aus Sennaar vom 15 Febr. war, nebst einem großen Transport gesammelter Naturschätze, zu Ende Aprils in Mergentheim eingetroffen, und drückte die Absicht des Herzogs aus, den Fazogl zu bereisen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840, S. 1401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_176_18400624/9>, abgerufen am 20.04.2024.