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Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840.

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soll so groß gewesen seyn, daß die Garnison genöthigt gewesen wäre, die Gefallenen zu verbrennen, um einem Typhus zu entgehen, der sich schon in der Stadt zu zeigen begann. So erzählen die Eingebornen selbst die Begebenheit. Ich gebe sie Ihnen, wie ich sie erhalten, doch ohne für ihre Wahrheit einzustehen.

Italien.

Briefen aus Neapel zufolge ist der Graf v. Syracus in Begriff, eine Reise nach der Schweiz, den Rheingegenden, Holland und Hamburg zu unternehmen. Den Rückweg gedenkt der Prinz über Berlin, Dresden und Wien einzuschlagen. Auch der Herzog von Lucca hat für diesen Sommer wieder eine Reise vor; man glaubt nach Frankfurt a. M. und Dresden. Der königl. sardinische Gesandte in Neapel, Marquis Crosa di Vergagni, ist von seinem Hof einberufen worden. - Die von England genommenen und nach Corfu und Malta gebrachten neapolitanischen Schiffe sollten, nach einem frühern Beschlusse des englischen Cabinets, so lange in ihrer dermaligen Verwahrung bleiben, bis die ganze Angelegenheit wegen des Schwefelmonopols beendigt sey; allein dieser Beschluß ist nun auf Einschreiten des Hrn. Thiers widerrufen worden. England verlangt indessen noch immer volle Entschädigung für die englischen in Neapel etablirten Kaufleute, und überdieß in Zukunft Aufhebung jeden Zolls auf die Schwefelausfuhr. So drückend diese Forderungen sind, so soll Hr. Thiers doch der besten Zuversicht seyn, diese Sache arrangiren zu können. Der Staatssecretär Caprioli hatte eine theilweise Aenderung des neapolitanischen Ministeriums verlangt; als der König diese Forderung verweigerte, zog sich Caprioli unter dem Vorwand einer Krankheit zurück, und nahm keinen Theil an den Berathungen hinsichtlich der dem Herzoge von Sevra Capriola zu ertheilenden Instructionen, sondern überließ deren Fassung und Verantwortung dem Hrn. Cocle, dem einflußreichen Beichtvater des Königs. Noch liegen 7 englische und 1 französisches Schiff im Hafen von Neapel; ein englisches Kriegsschiff hat sich in den Hafen von Baja zurückgezogen.

Deutschland.

Wie heute verlautet, wird Se. k. Hoh. unser Kronprinz nächsten Donnerstag oder Freitag München wieder verlassen, um sich nach Aschaffenburg zu begeben. In unsrer Stadt fängt es nun allmählich an etwas leer und stille zu werden. Wenn die Abwesenheit des allerhöchsten Hofs allein schon sehr fühlbar ist, so begibt sich nunmehr auch ein Theil der höhern Gesellschaft theils auf ihre Güter, theils in die Bäder; auch mehrere Mitglieder des diplomatischen Corps verlassen für einige Zeit unsre Stadt; so ist heute der ehrwürdige Doyen desselben, der k. würtembergische Gesandte Frhr. v. Schmitz-Grollenburg, nach Baden-Baden abgereist, mit ihm der als Archäolog rühmlich bekannte Domdechant v. Jaumann, welch letzterer einige Tage zum Besuche hier verweilte, und sich wieder nach Rothenburg am Neckar zurück begibt. - Wie das Gerücht geht, wird der Züricher Antistes Hurter von seinen Freunden hier zum Besuch erwartet.

Se. Maj. der König von Würtemberg hat im vorigen Jahre aus Privatmitteln am Ufer des Neckars bei der Badestadt Kannstadt ein Sommertheater erbauen lassen. Es ist am 29 Mai d. J. mit einem neuen Ballet eröffnet worden. Das Wohlwollen des Königs hatte dabei vorzüglich die Badegäste im Auge. Diese entbehrten bisher eines Schauspiels an Ort und Stelle, und zudem fielen die Sommerferien der Stuttgarter Bühne mit dem Haupttheil der Badezeit zusammen. Der schöne Bau ist ein neuer Beweis, mit welcher Liebe der König bemüht ist, den reizenden Mittelpunkt des schönen Landes zu heben und zu schmücken. Das Theater liegt für Stuttgart und Kannstadt gleich bequem, ganz frei im königlichen Park an der Landstraße zwischen dem Rosenstein und der Neckarbrücke. Das Aeußere des massiven Gebäudes in seinen reinen, zierlichen Verhältnissen macht den angenehmsten Eindruck. Die Bühne bietet den passendsten Rahmen für das Lustspiel und die komische Oper, für welche Gattungen das Haus zunächst bestimmt ist. Der Saal mit zwei Galerien beherbergt bequem 500 Zuschauer, und kann ihrer über 600 fassen. Die flach gewölbte Decke und die Brüstungen der Galerien sind ohne Prunk, sehr heiter und geschmackvoll bemalt: Kunstsymbole aller Art in natürlichen Farben auf weißem Grund. Linien, Contouren und Farben vereinigen sich zu einem äußerst freundlichen, harmonischen Ganzen. Dabei sind nicht nur die Momente, welche der Berechnung unterliegen, die optischen, sondern auch diejenigen, welche der Architekt nicht ganz in der Gewalt hat, die akustischen, vollkommen befriedigend ausgefallen; man sieht und hört auf allen Punkten des Saales gleich gut. Hinter dem Parterre an der Hauptfacade des Gebäudes liegt ein heller, geräumiger, im muntersten Farbenschmuck prangender Foyer, aus dem man auf einen großen Balcon tritt, wo der Blick die Stadt jenseits des Flusses und das ganze reizende Thal beherrscht. Wer das Gebäude im Einzelnen betrachtet, bewundert die treffliche Benützung des Raums. Schnurboden, erster und zweiter Raum unter der Bühne, Salons und Vorzimmer der beiden fürstlichen Logen beim Foyer, die zahlreichen Ankleidezimmer, Corridors u. s. w. - Alles ist so bequem und geräumig, daß man beim Eindruck von Niedlichkeit, den das Aeußere auf einen gemacht, kaum begreifen kann, wie alles dieses Platz gefunden. Besonders sinnreich ist für die rasche Entleerung des Hauses gesorgt: den Eintretenden steht die Wahl zwischen den äußern Pforten frei; aber während der Vorstellung werden die verschiedenen Abtheilungen des Saales durch das Schließen gewisser Thüren von einander abgesondert, so daß beim Ausgang jede ihre eigenen Vomitorien hat, und die Menschenströme sich nirgends kreuzen können. Dr. Zanth, der nicht nur den Plan entworfen, sondern auch die Ausführung und Decoration bis ins Einzelnste geleitet, hat bei diesem Bau sein ausgezeichnetes Talent aufs glücklichste bewährt. Decorationen und Maschinen sind vom Maschinisten des Mannheimer Theaters, Mühldorfer, der in seinem Fach eines wohlverdienten Rufs genießt. Was er im Kannstadter Theater geleistet, ist in jeder Beziehung befriedigend. Am 17 Jun. theilte ich die Freude einer glänzenden Versammlung über das so wohl gelungene Werk; ich dachte, einem deutschen Theaterdichter, einem Componisten, wenn er dieses lachende Haus der komischen Musen sieht, muß vor Schöpfungslust das Wasser in den Mund kommen. Welch ein Genuß, von einer so allerliebsten Bühne herab, in einem so zierlichen Saale, der nur zwei Galerien hat, einen gewählten Kreis verständiger Landsleute geistreich zu belustigen! Da fiel mein Blick auf den geschmackvollen Vorhang, den ich bisher nicht beachtet. Er zeigt in acht Patronen eben so viele Namen deutscher Theaterdichter und Componisten: Schröder, Jünger, Iffland, Kotzebue; Hiller, Wenzel Müller, Zumsteg, Weigel. "Lauter Todte!" äußerte ich, auf den Vorhang zeigend, gegen meinen Nachbar. "Wohl mit Recht," erwiederte dieser; "hier haben einmal die Todten Recht und die Lebenden desto weniger, die deutschen nämlich. Es wäre aber doch nicht ganz schicklich gewesen, hätte man auf den Vorhang Namen schreiben wollen, wie Scribe, Auber, Adam und dergleichen." "Ei," sagte ich, "diese werden innen angeschrieben seyn."

soll so groß gewesen seyn, daß die Garnison genöthigt gewesen wäre, die Gefallenen zu verbrennen, um einem Typhus zu entgehen, der sich schon in der Stadt zu zeigen begann. So erzählen die Eingebornen selbst die Begebenheit. Ich gebe sie Ihnen, wie ich sie erhalten, doch ohne für ihre Wahrheit einzustehen.

Italien.

Briefen aus Neapel zufolge ist der Graf v. Syracus in Begriff, eine Reise nach der Schweiz, den Rheingegenden, Holland und Hamburg zu unternehmen. Den Rückweg gedenkt der Prinz über Berlin, Dresden und Wien einzuschlagen. Auch der Herzog von Lucca hat für diesen Sommer wieder eine Reise vor; man glaubt nach Frankfurt a. M. und Dresden. Der königl. sardinische Gesandte in Neapel, Marquis Crosa di Vergagni, ist von seinem Hof einberufen worden. – Die von England genommenen und nach Corfu und Malta gebrachten neapolitanischen Schiffe sollten, nach einem frühern Beschlusse des englischen Cabinets, so lange in ihrer dermaligen Verwahrung bleiben, bis die ganze Angelegenheit wegen des Schwefelmonopols beendigt sey; allein dieser Beschluß ist nun auf Einschreiten des Hrn. Thiers widerrufen worden. England verlangt indessen noch immer volle Entschädigung für die englischen in Neapel etablirten Kaufleute, und überdieß in Zukunft Aufhebung jeden Zolls auf die Schwefelausfuhr. So drückend diese Forderungen sind, so soll Hr. Thiers doch der besten Zuversicht seyn, diese Sache arrangiren zu können. Der Staatssecretär Caprioli hatte eine theilweise Aenderung des neapolitanischen Ministeriums verlangt; als der König diese Forderung verweigerte, zog sich Caprioli unter dem Vorwand einer Krankheit zurück, und nahm keinen Theil an den Berathungen hinsichtlich der dem Herzoge von Sevra Capriola zu ertheilenden Instructionen, sondern überließ deren Fassung und Verantwortung dem Hrn. Cocle, dem einflußreichen Beichtvater des Königs. Noch liegen 7 englische und 1 französisches Schiff im Hafen von Neapel; ein englisches Kriegsschiff hat sich in den Hafen von Baja zurückgezogen.

Deutschland.

Wie heute verlautet, wird Se. k. Hoh. unser Kronprinz nächsten Donnerstag oder Freitag München wieder verlassen, um sich nach Aschaffenburg zu begeben. In unsrer Stadt fängt es nun allmählich an etwas leer und stille zu werden. Wenn die Abwesenheit des allerhöchsten Hofs allein schon sehr fühlbar ist, so begibt sich nunmehr auch ein Theil der höhern Gesellschaft theils auf ihre Güter, theils in die Bäder; auch mehrere Mitglieder des diplomatischen Corps verlassen für einige Zeit unsre Stadt; so ist heute der ehrwürdige Doyen desselben, der k. würtembergische Gesandte Frhr. v. Schmitz-Grollenburg, nach Baden-Baden abgereist, mit ihm der als Archäolog rühmlich bekannte Domdechant v. Jaumann, welch letzterer einige Tage zum Besuche hier verweilte, und sich wieder nach Rothenburg am Neckar zurück begibt. – Wie das Gerücht geht, wird der Züricher Antistes Hurter von seinen Freunden hier zum Besuch erwartet.

Se. Maj. der König von Würtemberg hat im vorigen Jahre aus Privatmitteln am Ufer des Neckars bei der Badestadt Kannstadt ein Sommertheater erbauen lassen. Es ist am 29 Mai d. J. mit einem neuen Ballet eröffnet worden. Das Wohlwollen des Königs hatte dabei vorzüglich die Badegäste im Auge. Diese entbehrten bisher eines Schauspiels an Ort und Stelle, und zudem fielen die Sommerferien der Stuttgarter Bühne mit dem Haupttheil der Badezeit zusammen. Der schöne Bau ist ein neuer Beweis, mit welcher Liebe der König bemüht ist, den reizenden Mittelpunkt des schönen Landes zu heben und zu schmücken. Das Theater liegt für Stuttgart und Kannstadt gleich bequem, ganz frei im königlichen Park an der Landstraße zwischen dem Rosenstein und der Neckarbrücke. Das Aeußere des massiven Gebäudes in seinen reinen, zierlichen Verhältnissen macht den angenehmsten Eindruck. Die Bühne bietet den passendsten Rahmen für das Lustspiel und die komische Oper, für welche Gattungen das Haus zunächst bestimmt ist. Der Saal mit zwei Galerien beherbergt bequem 500 Zuschauer, und kann ihrer über 600 fassen. Die flach gewölbte Decke und die Brüstungen der Galerien sind ohne Prunk, sehr heiter und geschmackvoll bemalt: Kunstsymbole aller Art in natürlichen Farben auf weißem Grund. Linien, Contouren und Farben vereinigen sich zu einem äußerst freundlichen, harmonischen Ganzen. Dabei sind nicht nur die Momente, welche der Berechnung unterliegen, die optischen, sondern auch diejenigen, welche der Architekt nicht ganz in der Gewalt hat, die akustischen, vollkommen befriedigend ausgefallen; man sieht und hört auf allen Punkten des Saales gleich gut. Hinter dem Parterre an der Hauptfaçade des Gebäudes liegt ein heller, geräumiger, im muntersten Farbenschmuck prangender Foyer, aus dem man auf einen großen Balcon tritt, wo der Blick die Stadt jenseits des Flusses und das ganze reizende Thal beherrscht. Wer das Gebäude im Einzelnen betrachtet, bewundert die treffliche Benützung des Raums. Schnurboden, erster und zweiter Raum unter der Bühne, Salons und Vorzimmer der beiden fürstlichen Logen beim Foyer, die zahlreichen Ankleidezimmer, Corridors u. s. w. – Alles ist so bequem und geräumig, daß man beim Eindruck von Niedlichkeit, den das Aeußere auf einen gemacht, kaum begreifen kann, wie alles dieses Platz gefunden. Besonders sinnreich ist für die rasche Entleerung des Hauses gesorgt: den Eintretenden steht die Wahl zwischen den äußern Pforten frei; aber während der Vorstellung werden die verschiedenen Abtheilungen des Saales durch das Schließen gewisser Thüren von einander abgesondert, so daß beim Ausgang jede ihre eigenen Vomitorien hat, und die Menschenströme sich nirgends kreuzen können. Dr. Zanth, der nicht nur den Plan entworfen, sondern auch die Ausführung und Decoration bis ins Einzelnste geleitet, hat bei diesem Bau sein ausgezeichnetes Talent aufs glücklichste bewährt. Decorationen und Maschinen sind vom Maschinisten des Mannheimer Theaters, Mühldorfer, der in seinem Fach eines wohlverdienten Rufs genießt. Was er im Kannstadter Theater geleistet, ist in jeder Beziehung befriedigend. Am 17 Jun. theilte ich die Freude einer glänzenden Versammlung über das so wohl gelungene Werk; ich dachte, einem deutschen Theaterdichter, einem Componisten, wenn er dieses lachende Haus der komischen Musen sieht, muß vor Schöpfungslust das Wasser in den Mund kommen. Welch ein Genuß, von einer so allerliebsten Bühne herab, in einem so zierlichen Saale, der nur zwei Galerien hat, einen gewählten Kreis verständiger Landsleute geistreich zu belustigen! Da fiel mein Blick auf den geschmackvollen Vorhang, den ich bisher nicht beachtet. Er zeigt in acht Patronen eben so viele Namen deutscher Theaterdichter und Componisten: Schröder, Jünger, Iffland, Kotzebue; Hiller, Wenzel Müller, Zumsteg, Weigel. „Lauter Todte!“ äußerte ich, auf den Vorhang zeigend, gegen meinen Nachbar. „Wohl mit Recht,“ erwiederte dieser; „hier haben einmal die Todten Recht und die Lebenden desto weniger, die deutschen nämlich. Es wäre aber doch nicht ganz schicklich gewesen, hätte man auf den Vorhang Namen schreiben wollen, wie Scribe, Auber, Adam und dergleichen.“ „Ei,“ sagte ich, „diese werden innen angeschrieben seyn.“

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[1405/0005] soll so groß gewesen seyn, daß die Garnison genöthigt gewesen wäre, die Gefallenen zu verbrennen, um einem Typhus zu entgehen, der sich schon in der Stadt zu zeigen begann. So erzählen die Eingebornen selbst die Begebenheit. Ich gebe sie Ihnen, wie ich sie erhalten, doch ohne für ihre Wahrheit einzustehen. Italien. _ Von der italienischen Gränze, 15 Jun. Briefen aus Neapel zufolge ist der Graf v. Syracus in Begriff, eine Reise nach der Schweiz, den Rheingegenden, Holland und Hamburg zu unternehmen. Den Rückweg gedenkt der Prinz über Berlin, Dresden und Wien einzuschlagen. Auch der Herzog von Lucca hat für diesen Sommer wieder eine Reise vor; man glaubt nach Frankfurt a. M. und Dresden. Der königl. sardinische Gesandte in Neapel, Marquis Crosa di Vergagni, ist von seinem Hof einberufen worden. – Die von England genommenen und nach Corfu und Malta gebrachten neapolitanischen Schiffe sollten, nach einem frühern Beschlusse des englischen Cabinets, so lange in ihrer dermaligen Verwahrung bleiben, bis die ganze Angelegenheit wegen des Schwefelmonopols beendigt sey; allein dieser Beschluß ist nun auf Einschreiten des Hrn. Thiers widerrufen worden. England verlangt indessen noch immer volle Entschädigung für die englischen in Neapel etablirten Kaufleute, und überdieß in Zukunft Aufhebung jeden Zolls auf die Schwefelausfuhr. So drückend diese Forderungen sind, so soll Hr. Thiers doch der besten Zuversicht seyn, diese Sache arrangiren zu können. Der Staatssecretär Caprioli hatte eine theilweise Aenderung des neapolitanischen Ministeriums verlangt; als der König diese Forderung verweigerte, zog sich Caprioli unter dem Vorwand einer Krankheit zurück, und nahm keinen Theil an den Berathungen hinsichtlich der dem Herzoge von Sevra Capriola zu ertheilenden Instructionen, sondern überließ deren Fassung und Verantwortung dem Hrn. Cocle, dem einflußreichen Beichtvater des Königs. Noch liegen 7 englische und 1 französisches Schiff im Hafen von Neapel; ein englisches Kriegsschiff hat sich in den Hafen von Baja zurückgezogen. Deutschland. _ München, 22 Jun. Wie heute verlautet, wird Se. k. Hoh. unser Kronprinz nächsten Donnerstag oder Freitag München wieder verlassen, um sich nach Aschaffenburg zu begeben. In unsrer Stadt fängt es nun allmählich an etwas leer und stille zu werden. Wenn die Abwesenheit des allerhöchsten Hofs allein schon sehr fühlbar ist, so begibt sich nunmehr auch ein Theil der höhern Gesellschaft theils auf ihre Güter, theils in die Bäder; auch mehrere Mitglieder des diplomatischen Corps verlassen für einige Zeit unsre Stadt; so ist heute der ehrwürdige Doyen desselben, der k. würtembergische Gesandte Frhr. v. Schmitz-Grollenburg, nach Baden-Baden abgereist, mit ihm der als Archäolog rühmlich bekannte Domdechant v. Jaumann, welch letzterer einige Tage zum Besuche hier verweilte, und sich wieder nach Rothenburg am Neckar zurück begibt. – Wie das Gerücht geht, wird der Züricher Antistes Hurter von seinen Freunden hier zum Besuch erwartet. _ Stuttgart, 19 Jun. Se. Maj. der König von Würtemberg hat im vorigen Jahre aus Privatmitteln am Ufer des Neckars bei der Badestadt Kannstadt ein Sommertheater erbauen lassen. Es ist am 29 Mai d. J. mit einem neuen Ballet eröffnet worden. Das Wohlwollen des Königs hatte dabei vorzüglich die Badegäste im Auge. Diese entbehrten bisher eines Schauspiels an Ort und Stelle, und zudem fielen die Sommerferien der Stuttgarter Bühne mit dem Haupttheil der Badezeit zusammen. Der schöne Bau ist ein neuer Beweis, mit welcher Liebe der König bemüht ist, den reizenden Mittelpunkt des schönen Landes zu heben und zu schmücken. Das Theater liegt für Stuttgart und Kannstadt gleich bequem, ganz frei im königlichen Park an der Landstraße zwischen dem Rosenstein und der Neckarbrücke. Das Aeußere des massiven Gebäudes in seinen reinen, zierlichen Verhältnissen macht den angenehmsten Eindruck. Die Bühne bietet den passendsten Rahmen für das Lustspiel und die komische Oper, für welche Gattungen das Haus zunächst bestimmt ist. Der Saal mit zwei Galerien beherbergt bequem 500 Zuschauer, und kann ihrer über 600 fassen. Die flach gewölbte Decke und die Brüstungen der Galerien sind ohne Prunk, sehr heiter und geschmackvoll bemalt: Kunstsymbole aller Art in natürlichen Farben auf weißem Grund. Linien, Contouren und Farben vereinigen sich zu einem äußerst freundlichen, harmonischen Ganzen. Dabei sind nicht nur die Momente, welche der Berechnung unterliegen, die optischen, sondern auch diejenigen, welche der Architekt nicht ganz in der Gewalt hat, die akustischen, vollkommen befriedigend ausgefallen; man sieht und hört auf allen Punkten des Saales gleich gut. Hinter dem Parterre an der Hauptfaçade des Gebäudes liegt ein heller, geräumiger, im muntersten Farbenschmuck prangender Foyer, aus dem man auf einen großen Balcon tritt, wo der Blick die Stadt jenseits des Flusses und das ganze reizende Thal beherrscht. Wer das Gebäude im Einzelnen betrachtet, bewundert die treffliche Benützung des Raums. Schnurboden, erster und zweiter Raum unter der Bühne, Salons und Vorzimmer der beiden fürstlichen Logen beim Foyer, die zahlreichen Ankleidezimmer, Corridors u. s. w. – Alles ist so bequem und geräumig, daß man beim Eindruck von Niedlichkeit, den das Aeußere auf einen gemacht, kaum begreifen kann, wie alles dieses Platz gefunden. Besonders sinnreich ist für die rasche Entleerung des Hauses gesorgt: den Eintretenden steht die Wahl zwischen den äußern Pforten frei; aber während der Vorstellung werden die verschiedenen Abtheilungen des Saales durch das Schließen gewisser Thüren von einander abgesondert, so daß beim Ausgang jede ihre eigenen Vomitorien hat, und die Menschenströme sich nirgends kreuzen können. Dr. Zanth, der nicht nur den Plan entworfen, sondern auch die Ausführung und Decoration bis ins Einzelnste geleitet, hat bei diesem Bau sein ausgezeichnetes Talent aufs glücklichste bewährt. Decorationen und Maschinen sind vom Maschinisten des Mannheimer Theaters, Mühldorfer, der in seinem Fach eines wohlverdienten Rufs genießt. Was er im Kannstadter Theater geleistet, ist in jeder Beziehung befriedigend. Am 17 Jun. theilte ich die Freude einer glänzenden Versammlung über das so wohl gelungene Werk; ich dachte, einem deutschen Theaterdichter, einem Componisten, wenn er dieses lachende Haus der komischen Musen sieht, muß vor Schöpfungslust das Wasser in den Mund kommen. Welch ein Genuß, von einer so allerliebsten Bühne herab, in einem so zierlichen Saale, der nur zwei Galerien hat, einen gewählten Kreis verständiger Landsleute geistreich zu belustigen! Da fiel mein Blick auf den geschmackvollen Vorhang, den ich bisher nicht beachtet. Er zeigt in acht Patronen eben so viele Namen deutscher Theaterdichter und Componisten: Schröder, Jünger, Iffland, Kotzebue; Hiller, Wenzel Müller, Zumsteg, Weigel. „Lauter Todte!“ äußerte ich, auf den Vorhang zeigend, gegen meinen Nachbar. „Wohl mit Recht,“ erwiederte dieser; „hier haben einmal die Todten Recht und die Lebenden desto weniger, die deutschen nämlich. Es wäre aber doch nicht ganz schicklich gewesen, hätte man auf den Vorhang Namen schreiben wollen, wie Scribe, Auber, Adam und dergleichen.“ „Ei,“ sagte ich, „diese werden innen angeschrieben seyn.“

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 176. Augsburg, 24. Juni 1840, S. 1405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_176_18400624/5>, abgerufen am 24.04.2024.