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Allgemeine Zeitung. Nr. 172. Augsburg, 20. Juni 1840.

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Die Rückkehr des Ministers v. Manteuffel von seinem derzeitigen Gesandtschaftsposten in Frankfurt a. M., von der ich Ihnen unlängst als Vermuthung schrieb, ist jetzt zur Gewißheit geworden; jedoch wird nicht der Minister des Innern v. Nostitz und Jänckendorf, wie früher das Gerücht ging, an seine Stelle dahin abgesendet werden. - Der hiesigen preußischen Gesandtschaft ist gegenwärtig der zweite Sohn des berühmten Savigny attachirt worden, der erst einige Zeit unter Baron Bülow in London arbeitete. Die Secretäre unter Hrn. v. Jordan wechseln oft, damit wohl mehrere angehende Diplomaten die treffliche Schule dieses ehemaligen Günstlings des Fürsten Staatskanzlers benutzen und durchgehen sollen. Wir haben deßhalb seit etwa zehn Jahren einen Theil der Hoffnungen der preußischen Diplomatie an uns vorübergehen sehen, konnten jedoch nicht umhin zu beobachten, daß von diesen jungen Leuten keiner dem derzeitigen preußischen Geschäftsträger in Rom, Hrn. v. Buch, der auch mehrere Jahre hier verweilte, gewachsen schienen. Es ist daher sehr erfreulich, einen so gewandten und Zutrauen erweckenden jüngeren Staatsmann bereits auf einem so wichtigen Posten zu erblicken. - Es hält sich gegenwärtig ein correspondirendes Mitglied (Fellow) der Universität Cambridge, Mr. J. F. Stanford hier auf, der sich schon lange mit gründlichen Studien der deutschen Litteratur zu dem Behufe beschäftigt, bei seiner Rückkehr nach England darüber Vorlesungen zu halten. Mr. Stanford war vorher einige Jahre in Frankreich, um seiner Universität über das dasige Unterrichtswesen Bericht zu erstatten. Seine im vergangenen Jahr erschienene Schrift on national education enthält Vorschläge zur Verbesserung des englischen Volksschulwesens, und schildert dasselbe als in den Provinzen Irland und Wales am tiefsten stehend.

Preußen.

Die Erwiederung, die Se. Maj. der König an die Bürgerdeputation von Charlottenburg auf deren Condolenzadresse ertheilte, hat nicht minder allgemeine Theilnahme erregt, als die an den Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin gerichteten Worte. Der König wies in dieser Erwiederung ganz besonders auf die Wohlthat hin, die sein verewigter Vater den Städten durch die Communalverfassung verliehen habe und sprach dabei den Wunsch aus, daß sich der Gemeinsinn, den die Städteordnung voraussetzt, immer mehr verbreiten möge: "denn es ist nothwendig," fügte Se. Maj. hinzu, "daß, wenn die Fürsten bauen, die Völker ihnen dabei treulich mithelfen." Der König erinnerte den bei der Deputation befindlichen Superintendenten Mann an die Predigt, die dieser vor zwei Jahren bei dem Gottesdienst in Charlottenburg gehalten, welcher der Wahl der neuen Stadtverordneten vorangegangen, und daß damals verhältnißmäßig nur wenige Bürger zugegen gewesen, was Höchstdieselben mit großem Bedauern bemerkt hätten, indem eine recht lebhafte Theilnahme an den städtischen Angelegenheiten zu wünschen sey. Eben so wie die Communalfreiheiten, liebt Se. Maj. auch die Oeffentlichkeit und die Presse. Von der frühesten Jugend an durch die Classiker des Alterthums gebildet, und späterhin in beständiger Verbindung mit den edelsten Geistern lebend, welche die Nation in den Gebieten der Wissenschaft und Kunst aufzuzeigen hat, ist schon der Kronprinz durch den wohlwollenden Schutz, den er im Reiche des Gedankens übte, als ein Freund der Oeffentlichkeit stets bezeichnet worden. Jedes Wort, das jetzt der König ausspricht, wird daher mit großer Begierde aufgenommen, und in der That entspricht es auch ganz dem, was von dem edeln Fürsten erwartet wurde. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß, vermöge der großen Pietät, die der Sohn für den verklärten unvergeßlichen Vater hegt, bedeutende Veränderungen in der nächsten Zeit eintreten werden, doch das ist gewiß, daß bei jeder Gelegenheit, wo der Moment eben eine Veränderung erheischen wird, diese in einem Geiste stattfinden werde, der von der ganzen Bildung seiner Zeit, und insbesondere von der deutschen Bildung, ohne welche es für Preußen kein geistiges Leben gibt, durchdrungen seyn wird. - Das Testament Friedrich Wilhelms III, das so schöne Bestimmungen, sowohl hinsichtlich des Privatvermögens Sr. Maj. als in Bezug auf allgemeinere Gegenstände enthält, wird, wie man glaubt, zur Oeffentlichkeit gebracht werden. Es wird einen neuen Beweis von der edelmenschlichen und einfachen Denkart des verewigten Monarchen liefern. Dasselbe rührt bereits aus dem Jahre 1827 her, um welche Zeit der König in Folge eines Beinbruchs ein schweres Leiden zu bestehen hatte, in welchem ihn, wie in seiner letzten Krankheit, die Liebe seines Volkes und die treue Pflege der Fürstin von Liegnitz, als Genien des Trostes umgaben. - Die Rede, welche Professor Preuß am 1 Jun. bei dem Festmahle der Stadt Berlin zur Feier des hundertjährigen Regierungsantritts Friedrichs des Großen gehalten, ist nunmehr im Druck erschienen und verdient eben so bekannt und verbreitet zu werden, als die schöne Denkmünze, die der Hofmedailleur Loos bei derselben Gelegenheit geprägt hat, und die auf der einen Seite Friedrich im 28sten Jahre seines Alters und auf der andern das Modell der Statue zeigt, die Meister Rauch jetzt ausarbeitet.

Noch immer zieht der lebhafte Antheil an Allem, was den verstorbenen König berührt, die Aufmerksamkeit des Publicums nur nach dieser Seite. Ich erlaube mir daher, Ihnen einige Anekdoten mitzutheilen, welche den verstorbenen König betreffen, aber erst jetzt bekannt geworden sind, so wie einige allgemeine Charakterzüge desselben; sie bezeugen alle, welcher wohlwollenden und milden Sinnesart der Monarch war. Wenn derselbe einmal in Aufwallung gegen irgend Jemand seiner Umgebung gerathen war, so durfte dieser gewiß seyn, nachher die entschiedensten Zeichen des Wohlwollens zu erhalten. Während der Krankheit des Königs gab es eine Periode, wo man mit Angst darauf harrte, daß er Eßlust bekomme. In dieser Zeit hatten die Aerzte es verboten, dem Könige alle Rapporte vorzulegen, weil ihn dieß zu sehr aufregen würde. Eine Person seiner nahen Umgebung überbrachte ihm daher nur einen Theil. Der König merkte es, wurde sehr heftig darüber, und schalt, daß man ihn belüge. Da er die trauernde Bestürzung des Gescholtenen sah, schwieg er und, sprach nach einigen Augenblicken: "Ich habe Appetit bekommen - reicht mir einen Zwieback." Voll Freude über dieß günstige Zeichen springt der Gescholtene nach dem Teller mit Zwieback, der auf dem Tische steht. Der König nimmt einen davon, und winkt ihm, sich zu entfernen. Als er hinaus ist, bittet Se. Maj. die Fürstin von Liegnitz, den Zwieback zu essen, um dem treuen Menschen die Scheinfreude zu machen, daß der König in der Besserung sey. Gewiß ein eben so rührender, als feiner Zug der Güte. - Vor einigen Jahren kommt der Kriegsminister, der verstorbene General v. Witzleben, zum Könige, und findet ihn in höchster Aufregung über einen so eben empfangenen Brief. "Lesen Sie," ruft der König, und reicht ihm den Brief dar; "mir so zu schreiben!" Der Brief war von einem verabschiedeten Officier mit starker Familie, dem es nicht gelungen war, eine Versorgung zu erhalten. Er schrieb in den heftigsten Ausdrücken: "Der König heiße der Gerechte, doch er könne ihm diesen Namen nicht geben, denn ein gerechter König würde einem Manne, der Blut und Leben für ihn eingesetzt, nicht so vergelten, daß er Hungers sterben müsse u. s. w." Der König

Die Rückkehr des Ministers v. Manteuffel von seinem derzeitigen Gesandtschaftsposten in Frankfurt a. M., von der ich Ihnen unlängst als Vermuthung schrieb, ist jetzt zur Gewißheit geworden; jedoch wird nicht der Minister des Innern v. Nostitz und Jänckendorf, wie früher das Gerücht ging, an seine Stelle dahin abgesendet werden. – Der hiesigen preußischen Gesandtschaft ist gegenwärtig der zweite Sohn des berühmten Savigny attachirt worden, der erst einige Zeit unter Baron Bülow in London arbeitete. Die Secretäre unter Hrn. v. Jordan wechseln oft, damit wohl mehrere angehende Diplomaten die treffliche Schule dieses ehemaligen Günstlings des Fürsten Staatskanzlers benutzen und durchgehen sollen. Wir haben deßhalb seit etwa zehn Jahren einen Theil der Hoffnungen der preußischen Diplomatie an uns vorübergehen sehen, konnten jedoch nicht umhin zu beobachten, daß von diesen jungen Leuten keiner dem derzeitigen preußischen Geschäftsträger in Rom, Hrn. v. Buch, der auch mehrere Jahre hier verweilte, gewachsen schienen. Es ist daher sehr erfreulich, einen so gewandten und Zutrauen erweckenden jüngeren Staatsmann bereits auf einem so wichtigen Posten zu erblicken. – Es hält sich gegenwärtig ein correspondirendes Mitglied (Fellow) der Universität Cambridge, Mr. J. F. Stanford hier auf, der sich schon lange mit gründlichen Studien der deutschen Litteratur zu dem Behufe beschäftigt, bei seiner Rückkehr nach England darüber Vorlesungen zu halten. Mr. Stanford war vorher einige Jahre in Frankreich, um seiner Universität über das dasige Unterrichtswesen Bericht zu erstatten. Seine im vergangenen Jahr erschienene Schrift on national education enthält Vorschläge zur Verbesserung des englischen Volksschulwesens, und schildert dasselbe als in den Provinzen Irland und Wales am tiefsten stehend.

Preußen.

Die Erwiederung, die Se. Maj. der König an die Bürgerdeputation von Charlottenburg auf deren Condolenzadresse ertheilte, hat nicht minder allgemeine Theilnahme erregt, als die an den Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin gerichteten Worte. Der König wies in dieser Erwiederung ganz besonders auf die Wohlthat hin, die sein verewigter Vater den Städten durch die Communalverfassung verliehen habe und sprach dabei den Wunsch aus, daß sich der Gemeinsinn, den die Städteordnung voraussetzt, immer mehr verbreiten möge: „denn es ist nothwendig,“ fügte Se. Maj. hinzu, „daß, wenn die Fürsten bauen, die Völker ihnen dabei treulich mithelfen.“ Der König erinnerte den bei der Deputation befindlichen Superintendenten Mann an die Predigt, die dieser vor zwei Jahren bei dem Gottesdienst in Charlottenburg gehalten, welcher der Wahl der neuen Stadtverordneten vorangegangen, und daß damals verhältnißmäßig nur wenige Bürger zugegen gewesen, was Höchstdieselben mit großem Bedauern bemerkt hätten, indem eine recht lebhafte Theilnahme an den städtischen Angelegenheiten zu wünschen sey. Eben so wie die Communalfreiheiten, liebt Se. Maj. auch die Oeffentlichkeit und die Presse. Von der frühesten Jugend an durch die Classiker des Alterthums gebildet, und späterhin in beständiger Verbindung mit den edelsten Geistern lebend, welche die Nation in den Gebieten der Wissenschaft und Kunst aufzuzeigen hat, ist schon der Kronprinz durch den wohlwollenden Schutz, den er im Reiche des Gedankens übte, als ein Freund der Oeffentlichkeit stets bezeichnet worden. Jedes Wort, das jetzt der König ausspricht, wird daher mit großer Begierde aufgenommen, und in der That entspricht es auch ganz dem, was von dem edeln Fürsten erwartet wurde. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß, vermöge der großen Pietät, die der Sohn für den verklärten unvergeßlichen Vater hegt, bedeutende Veränderungen in der nächsten Zeit eintreten werden, doch das ist gewiß, daß bei jeder Gelegenheit, wo der Moment eben eine Veränderung erheischen wird, diese in einem Geiste stattfinden werde, der von der ganzen Bildung seiner Zeit, und insbesondere von der deutschen Bildung, ohne welche es für Preußen kein geistiges Leben gibt, durchdrungen seyn wird. – Das Testament Friedrich Wilhelms III, das so schöne Bestimmungen, sowohl hinsichtlich des Privatvermögens Sr. Maj. als in Bezug auf allgemeinere Gegenstände enthält, wird, wie man glaubt, zur Oeffentlichkeit gebracht werden. Es wird einen neuen Beweis von der edelmenschlichen und einfachen Denkart des verewigten Monarchen liefern. Dasselbe rührt bereits aus dem Jahre 1827 her, um welche Zeit der König in Folge eines Beinbruchs ein schweres Leiden zu bestehen hatte, in welchem ihn, wie in seiner letzten Krankheit, die Liebe seines Volkes und die treue Pflege der Fürstin von Liegnitz, als Genien des Trostes umgaben. – Die Rede, welche Professor Preuß am 1 Jun. bei dem Festmahle der Stadt Berlin zur Feier des hundertjährigen Regierungsantritts Friedrichs des Großen gehalten, ist nunmehr im Druck erschienen und verdient eben so bekannt und verbreitet zu werden, als die schöne Denkmünze, die der Hofmedailleur Loos bei derselben Gelegenheit geprägt hat, und die auf der einen Seite Friedrich im 28sten Jahre seines Alters und auf der andern das Modell der Statue zeigt, die Meister Rauch jetzt ausarbeitet.

Noch immer zieht der lebhafte Antheil an Allem, was den verstorbenen König berührt, die Aufmerksamkeit des Publicums nur nach dieser Seite. Ich erlaube mir daher, Ihnen einige Anekdoten mitzutheilen, welche den verstorbenen König betreffen, aber erst jetzt bekannt geworden sind, so wie einige allgemeine Charakterzüge desselben; sie bezeugen alle, welcher wohlwollenden und milden Sinnesart der Monarch war. Wenn derselbe einmal in Aufwallung gegen irgend Jemand seiner Umgebung gerathen war, so durfte dieser gewiß seyn, nachher die entschiedensten Zeichen des Wohlwollens zu erhalten. Während der Krankheit des Königs gab es eine Periode, wo man mit Angst darauf harrte, daß er Eßlust bekomme. In dieser Zeit hatten die Aerzte es verboten, dem Könige alle Rapporte vorzulegen, weil ihn dieß zu sehr aufregen würde. Eine Person seiner nahen Umgebung überbrachte ihm daher nur einen Theil. Der König merkte es, wurde sehr heftig darüber, und schalt, daß man ihn belüge. Da er die trauernde Bestürzung des Gescholtenen sah, schwieg er und, sprach nach einigen Augenblicken: „Ich habe Appetit bekommen – reicht mir einen Zwieback.“ Voll Freude über dieß günstige Zeichen springt der Gescholtene nach dem Teller mit Zwieback, der auf dem Tische steht. Der König nimmt einen davon, und winkt ihm, sich zu entfernen. Als er hinaus ist, bittet Se. Maj. die Fürstin von Liegnitz, den Zwieback zu essen, um dem treuen Menschen die Scheinfreude zu machen, daß der König in der Besserung sey. Gewiß ein eben so rührender, als feiner Zug der Güte. – Vor einigen Jahren kommt der Kriegsminister, der verstorbene General v. Witzleben, zum Könige, und findet ihn in höchster Aufregung über einen so eben empfangenen Brief. „Lesen Sie,“ ruft der König, und reicht ihm den Brief dar; „mir so zu schreiben!“ Der Brief war von einem verabschiedeten Officier mit starker Familie, dem es nicht gelungen war, eine Versorgung zu erhalten. Er schrieb in den heftigsten Ausdrücken: „Der König heiße der Gerechte, doch er könne ihm diesen Namen nicht geben, denn ein gerechter König würde einem Manne, der Blut und Leben für ihn eingesetzt, nicht so vergelten, daß er Hungers sterben müsse u. s. w.“ Der König

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[1374/0006] _ Dresden, 15 Jun. Die Rückkehr des Ministers v. Manteuffel von seinem derzeitigen Gesandtschaftsposten in Frankfurt a. M., von der ich Ihnen unlängst als Vermuthung schrieb, ist jetzt zur Gewißheit geworden; jedoch wird nicht der Minister des Innern v. Nostitz und Jänckendorf, wie früher das Gerücht ging, an seine Stelle dahin abgesendet werden. – Der hiesigen preußischen Gesandtschaft ist gegenwärtig der zweite Sohn des berühmten Savigny attachirt worden, der erst einige Zeit unter Baron Bülow in London arbeitete. Die Secretäre unter Hrn. v. Jordan wechseln oft, damit wohl mehrere angehende Diplomaten die treffliche Schule dieses ehemaligen Günstlings des Fürsten Staatskanzlers benutzen und durchgehen sollen. Wir haben deßhalb seit etwa zehn Jahren einen Theil der Hoffnungen der preußischen Diplomatie an uns vorübergehen sehen, konnten jedoch nicht umhin zu beobachten, daß von diesen jungen Leuten keiner dem derzeitigen preußischen Geschäftsträger in Rom, Hrn. v. Buch, der auch mehrere Jahre hier verweilte, gewachsen schienen. Es ist daher sehr erfreulich, einen so gewandten und Zutrauen erweckenden jüngeren Staatsmann bereits auf einem so wichtigen Posten zu erblicken. – Es hält sich gegenwärtig ein correspondirendes Mitglied (Fellow) der Universität Cambridge, Mr. J. F. Stanford hier auf, der sich schon lange mit gründlichen Studien der deutschen Litteratur zu dem Behufe beschäftigt, bei seiner Rückkehr nach England darüber Vorlesungen zu halten. Mr. Stanford war vorher einige Jahre in Frankreich, um seiner Universität über das dasige Unterrichtswesen Bericht zu erstatten. Seine im vergangenen Jahr erschienene Schrift on national education enthält Vorschläge zur Verbesserung des englischen Volksschulwesens, und schildert dasselbe als in den Provinzen Irland und Wales am tiefsten stehend. Preußen. _ Berlin, 14 Jun. Die Erwiederung, die Se. Maj. der König an die Bürgerdeputation von Charlottenburg auf deren Condolenzadresse ertheilte, hat nicht minder allgemeine Theilnahme erregt, als die an den Magistrat und die Stadtverordneten von Berlin gerichteten Worte. Der König wies in dieser Erwiederung ganz besonders auf die Wohlthat hin, die sein verewigter Vater den Städten durch die Communalverfassung verliehen habe und sprach dabei den Wunsch aus, daß sich der Gemeinsinn, den die Städteordnung voraussetzt, immer mehr verbreiten möge: „denn es ist nothwendig,“ fügte Se. Maj. hinzu, „daß, wenn die Fürsten bauen, die Völker ihnen dabei treulich mithelfen.“ Der König erinnerte den bei der Deputation befindlichen Superintendenten Mann an die Predigt, die dieser vor zwei Jahren bei dem Gottesdienst in Charlottenburg gehalten, welcher der Wahl der neuen Stadtverordneten vorangegangen, und daß damals verhältnißmäßig nur wenige Bürger zugegen gewesen, was Höchstdieselben mit großem Bedauern bemerkt hätten, indem eine recht lebhafte Theilnahme an den städtischen Angelegenheiten zu wünschen sey. Eben so wie die Communalfreiheiten, liebt Se. Maj. auch die Oeffentlichkeit und die Presse. Von der frühesten Jugend an durch die Classiker des Alterthums gebildet, und späterhin in beständiger Verbindung mit den edelsten Geistern lebend, welche die Nation in den Gebieten der Wissenschaft und Kunst aufzuzeigen hat, ist schon der Kronprinz durch den wohlwollenden Schutz, den er im Reiche des Gedankens übte, als ein Freund der Oeffentlichkeit stets bezeichnet worden. Jedes Wort, das jetzt der König ausspricht, wird daher mit großer Begierde aufgenommen, und in der That entspricht es auch ganz dem, was von dem edeln Fürsten erwartet wurde. Allerdings ist nicht anzunehmen, daß, vermöge der großen Pietät, die der Sohn für den verklärten unvergeßlichen Vater hegt, bedeutende Veränderungen in der nächsten Zeit eintreten werden, doch das ist gewiß, daß bei jeder Gelegenheit, wo der Moment eben eine Veränderung erheischen wird, diese in einem Geiste stattfinden werde, der von der ganzen Bildung seiner Zeit, und insbesondere von der deutschen Bildung, ohne welche es für Preußen kein geistiges Leben gibt, durchdrungen seyn wird. – Das Testament Friedrich Wilhelms III, das so schöne Bestimmungen, sowohl hinsichtlich des Privatvermögens Sr. Maj. als in Bezug auf allgemeinere Gegenstände enthält, wird, wie man glaubt, zur Oeffentlichkeit gebracht werden. Es wird einen neuen Beweis von der edelmenschlichen und einfachen Denkart des verewigten Monarchen liefern. Dasselbe rührt bereits aus dem Jahre 1827 her, um welche Zeit der König in Folge eines Beinbruchs ein schweres Leiden zu bestehen hatte, in welchem ihn, wie in seiner letzten Krankheit, die Liebe seines Volkes und die treue Pflege der Fürstin von Liegnitz, als Genien des Trostes umgaben. – Die Rede, welche Professor Preuß am 1 Jun. bei dem Festmahle der Stadt Berlin zur Feier des hundertjährigen Regierungsantritts Friedrichs des Großen gehalten, ist nunmehr im Druck erschienen und verdient eben so bekannt und verbreitet zu werden, als die schöne Denkmünze, die der Hofmedailleur Loos bei derselben Gelegenheit geprägt hat, und die auf der einen Seite Friedrich im 28sten Jahre seines Alters und auf der andern das Modell der Statue zeigt, die Meister Rauch jetzt ausarbeitet. _ Berlin, 14 Jun. Noch immer zieht der lebhafte Antheil an Allem, was den verstorbenen König berührt, die Aufmerksamkeit des Publicums nur nach dieser Seite. Ich erlaube mir daher, Ihnen einige Anekdoten mitzutheilen, welche den verstorbenen König betreffen, aber erst jetzt bekannt geworden sind, so wie einige allgemeine Charakterzüge desselben; sie bezeugen alle, welcher wohlwollenden und milden Sinnesart der Monarch war. Wenn derselbe einmal in Aufwallung gegen irgend Jemand seiner Umgebung gerathen war, so durfte dieser gewiß seyn, nachher die entschiedensten Zeichen des Wohlwollens zu erhalten. Während der Krankheit des Königs gab es eine Periode, wo man mit Angst darauf harrte, daß er Eßlust bekomme. In dieser Zeit hatten die Aerzte es verboten, dem Könige alle Rapporte vorzulegen, weil ihn dieß zu sehr aufregen würde. Eine Person seiner nahen Umgebung überbrachte ihm daher nur einen Theil. Der König merkte es, wurde sehr heftig darüber, und schalt, daß man ihn belüge. Da er die trauernde Bestürzung des Gescholtenen sah, schwieg er und, sprach nach einigen Augenblicken: „Ich habe Appetit bekommen – reicht mir einen Zwieback.“ Voll Freude über dieß günstige Zeichen springt der Gescholtene nach dem Teller mit Zwieback, der auf dem Tische steht. Der König nimmt einen davon, und winkt ihm, sich zu entfernen. Als er hinaus ist, bittet Se. Maj. die Fürstin von Liegnitz, den Zwieback zu essen, um dem treuen Menschen die Scheinfreude zu machen, daß der König in der Besserung sey. Gewiß ein eben so rührender, als feiner Zug der Güte. – Vor einigen Jahren kommt der Kriegsminister, der verstorbene General v. Witzleben, zum Könige, und findet ihn in höchster Aufregung über einen so eben empfangenen Brief. „Lesen Sie,“ ruft der König, und reicht ihm den Brief dar; „mir so zu schreiben!“ Der Brief war von einem verabschiedeten Officier mit starker Familie, dem es nicht gelungen war, eine Versorgung zu erhalten. Er schrieb in den heftigsten Ausdrücken: „Der König heiße der Gerechte, doch er könne ihm diesen Namen nicht geben, denn ein gerechter König würde einem Manne, der Blut und Leben für ihn eingesetzt, nicht so vergelten, daß er Hungers sterben müsse u. s. w.“ Der König

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 172. Augsburg, 20. Juni 1840, S. 1374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_172_18400620/6>, abgerufen am 19.04.2024.