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Allgemeine Zeitung. Nr. 149. Augsburg, 28. Mai 1840.

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Glück hätte gereichen können, wenn nicht Wucsitsch neuen ehrgeizigen Planen nachgehangen und dadurch das Einvernehmen mit Jephrem wieder zerstört hätte. Kaum war nämlich der Contre-Revolutionsversuch im Monat Mai vorigen Jahrs gedämpft, als Wucsitsch mit noch einigen Primaten, vielleicht auch unterstützt durch fremden Einfluß, Plane zu schmieden anfing, den Fürsten Milosch nicht nur zur Resignation zu bewegen, sondern auch seine ganze Familie des Erbfolgerechts auf die Fürstenwürde in Serbien verlustig zu machen. - Solche Gesinnung Wucsitschs war genügend die bisherige Harmonie mit Hrn. Jephrem zu zerstören und diesen gegen erstern zu stimmen. Dessen ungeachtet verfolgte Hr. Wucsitsch mit seinem Anhang das vorgesetzte Ziel einige Zeit noch glücklich, indem es ihm gelang, nicht nur den Fürsten Milosch zur bekannten Resignation auf die Regierung zu Gunsten seines ältern Sohnes Milan zu bewegen, sondern auch nach dem bald darauf erfolgten Tode des Fürsten Milan mit Hrn. Petroniewitsch und ihrem nunmehrigen Gegner, Hrn. Jephrem Obrenowitsch, Mitglied der für den minderjährigen Fürsten Michael errichteten Regentschaft zu werden, von welcher Stellung aus er und die Seinigen nun erst recht zu wirken anfingen. Keine geringe Freude ward ihnen, als sie erfuhren, daß Fürst Milosch seinem Sohne Michael die Rückkehr nach Serbien zur Uebernahme der Regierung nicht gestatten wolle, indem dadurch die Hoffnung, selbst Fürst von Serbien werden zu können, bedeutende Nahrung erhielt; in dieser Aussicht blieb Hr. Jephrem der einzige gefährliche Rival, und aus diesem Grunde wurde Allem aufgeboten, um dessen Ansehen beim Volk herabzusetzen und seinen Einfluß zu schmälern, dagegen die öffentliche Meinung mehr und mehr zu eigenen Gunsten zu stimmen. So suchte Wucsitsch besonders auch bei dem Militär sein Ansehen zu heben, indem er diesem mündlich die Nachricht ertheilte, daß Fürst Milosch seinem Sohne nicht gestatte, nach Serbien zu kommen und die Fürstenwürde zu übernehmen, und beifügte, daß dadurch Serbien nichts verlieren werde, es vielmehr dem Volke besser gehen würde, wenn ein anderer aus den angesehenen Serben, wobei er sich in die Brust warf, Fürst Serbiens würde. Allein seine Erwartung, irgend eine günstige Aeußerung zu vernehmen, wurde bitter getäuscht, er mußte vielmehr erfahren, daß nicht einmal das Militär große Achtung und Neigung für ihn hege, denn kaum hatte er seine Rede, worin er klar genug angedeutet hatte, daß auch er den serbischen Fürstenthron einnehmen könne, geendet, als ein Major mit der lauten Aeußerung gegen ihn auftrat: "Man merkt schon, daß Ihr selbst Serbiens Fürst werden möchtet; seyd aber versichert, daß Euch dieses nicht gelingen wird." Eben so zeigten sich Spuren von Unzufriedenheit des Volkes gegen Hrn. Wucsitsch, als er bei Gelegenheit dessen Zusammentrittes zu Bekämpfung der gegen das Grundgesetz erhobenen Reaction verschiedene weder mit dem Staatsrechte noch mit der Staatswirthschaft sich vertragende Verheißungen machte, die er natürlich auch später nicht zu erfüllen vermochte. - Diese unangenehmen Erfahrungen einerseits, andrerseits aber das sichtbare Steigen des Ansehens Hrn. Jephrems, bestimmten Hrn. Wucsitsch, die für ihn selbst unerreichbare Fürstenwürde lieber jemanden andern zuzuspielen, als sie Hrn. Jephrem, welchem gegenüber er sich schon zu sehr compromittirt hatte, zu überlassen. So faßte er mit seiner Partei den Plan, entweder den Sohn oder den Enkel des Georg Czerny, ehemaligen Anführers der Serben, auf den erledigten Thron zu berufen - ohne Rücksicht auf seinen der Verfassung geleisteten Eid, wornach die Fürstenwürde Serbiens in der Familie Obrenowitsch erblich ist, und ohne Rücksicht auf die Huldigungs-Adresse, welche Senat und Regierung gemeinschaftlich und einstimmig zu Gunsten des jungen Fürsten Michael nach Konstantinopel gesendet hatten.

Allein um diesen Plan durchzuführen, war der Beistand des Volkes unumgänglich nöthig; durch dieses dachte man die Wahl des neuen Clienten zu leiten, sich dessen zu versichern war jedoch nicht leicht, da der Minister des Innern, sobald er die wahren Absichten der Wucsitsch'schen Partei erkannte, von dieser abfiel und zu Hrn. Jephrem übertrat. Dadurch gelangte letztere zu der Einsicht, daß das vorgesteckte Ziel nur mit Vorsicht und auf Umwegen zu erreichen sey. Zu dem Ende wurde dem Senate die Nothwendigkeit der Sendung eigener Commissäre unter das Volk, unter dem Vorwande demselben das Grundgesetz zu erklären und es überhaupt von dem politischen Zustande seines Vaterlands zu unterrichten, vorgestellt, und nach vom Senate erlangter Gutheißung dieses Vorschlags zu dieser Commission nur solche Männer berufen, auf welche sich Wucsitsch unbedingt verlassen konnte; und diese wurden sofort mit geheimen Instructionen von Wucsitsch in die Bezirke gesendet. Während diese Commission in den Bezirken thätig war, um das Volk für den Sohn Kara Georgs zu bearbeiten, haben andere, die zur Classe der Besserunterrichteten und Gelehrten gehören, nicht gesäumt, die Verdienste des Georgs Czerny in Schriften und Reden hoch zu preisen, und den Mord zu rechtfertigen, den er an seinem leiblichen Vater begangen hat; keiner hat jedoch der weitern auf dem Andenken dieses Anführers lastenden Flecken, keiner der geschichtlichen Daten erwähnt, daß er auch den eigenen Bruder hat hängen, einen Priester hat lebendig begraben lassen, daß er der leiblichen Mutter einen gefüllten Korb auf den Kopf hat setzen lassen, und andere Frevel, deren Beschreibung das Gemüth empört, verübt, und zuletzt Serbien heimlich verlassen hat, das Volk der Wuth und Rache der Türken überlassend. In der That ist es kaum zu begreifen, wie sonst geachtete Männer für Georg Czerny in die Schranken treten mögen auf Kosten der Familie Milosch Obrenowitschs, der doch gewiß viele und große Verdienste um Serbien hat. Milosch hat Serbien auf den von dem fliehenden Georg Czerny verlassenen Trümmern emporgehoben, er hat es von Räubern und Gesindel aller Art gereinigt, er hat das Recht des Eigenthums und die persönliche Sicherheit hergestellt, und sein Vaterland theils durch die Waffen, theils durch sein eminentes Talent im Wege der Verhandlung bis nahe zur Selbstständigkeit gebracht, welch' kostbares Gut die ehrgeizigen Primaten, nachdem sie erfahren, daß ihre Plane Schiffbruch gelitten, dem Meistbietenden gerne hintangegeben, wenn sich nur Käufer dafür gefunden hätten. - Je mehr durch diese Umtriebe der Familie Obrenowitsch Gefahr drohte, in demselben Maaße fand sich Hr. Jephrem bewogen, entschieden dagegen zu agiren, wozu es seinerseits eben nicht besonderer Anstrengung bedurfte. Denn die Regentschaft, mit welcher Hr. Jephrem in Opposition stand, so wie der Senat, worin ebenfalls Wucsitsch die Majorität hatte, hatten durch verschiedene Mißgriffe die Neigung des Volks in dem Grade verscherzt, daß ein offener Aufstand zu besorgen stand, welcher gewiß nur durch die Kunde von der baldigen Ankunft des Fürsten Michael niedergehalten wurde. So standen die Sachen in Serbien zur Zeit als von Konstantinopel die Nachricht einlief, daß die Pforte den Sohn Miloschs, Michael, als Fürsten Serbiens anerkannt und einen Beamten nach Bucharest gesandt habe, um ihn nach Konstantinopel zu geleiten, wo ihn der Sultan zu sehen und mit Ehrendecorationen zu versehen wünsche. - Daß diese Botschaft diejenigen furchtbar hart getroffen haben muß, die sich mit dem Plane trugen, an Czerny's Sohn die Fürstenwürde zu übertragen, ist um so erklärlicher, wenn man erwägt, daß einer von diesen sogenannten Patrioten zur Verwirklichung dieses Vorhabens die Rolle übernahm, aus dem Staatsschatze fünfzigtausend Stück kaiserliche Ducaten unter dem Vorwande einer Anleihe, die man aber nie mehr zurückzuzahlen gedachte, zu entnehmen, deren Erstattung nun geschehen muß. - Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß also diejenigen, an deren Spitze Hr. Jephrem stund, dahin strebten, das Erbfolgerecht in der Fürstenwürde, das bei mehrmaligen Landtagsabschlüssen, dann durch die öffentlichen Staatsacten der Pforte, besonders aber durch das im Jahre 1839 beschworene Fundamentalgesetz festgesetzt wurde, aufrecht zu erhalten und den Fürsten Michael, dem gleich nach dem ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Tode seines ältern Bruders Milan, alle Primaten, ehe noch die politische Spaltung eintrat, huldigten, und die darüber ausgefertigte Acte nach Konstantinopel sandten, sobald als möglich in Serbien zu sehen; daß hingegen die Partei des Hrn. Wucsitsch sich vorgesetzt hatte, besagtes Erbfolgerecht zu vernichten, die Obrenowitsch'sche Familie zu vertreiben und an ihrer Stelle die Kara Georg'sche - jedoch nicht erblich, sondern nur temporär, um für sich selbst nicht alle Aussichten zu verschließen - auf den Fürstenthron zu heben, und unterdessen ihre Plane zur Reife zu bringen. Diese ehrgeizigen und eben so sträflichen Plane haben sich auch geoffenbart, als man gleich nach der Ankunft des Fürsten Michael vernahm, daß die HH. Petroniewitsch und Wucsitsch von dem Großwessier eine Anordnung zu erlangen wußten, wornach sie beide dem Fürsten als dessen unmittelbare Räthe zur Seite gesetzt werden, obgleich Wucsitsch nicht einmal des Lesens oder Schreibens kundig ist.

Wenn man nun in Betracht nimmt, daß nach dem Fundamentalgesetze die Besetzung der Aemter dem Fürsten zusteht, und keiner andern niedern oder höhern Gewalt; wenn man dagegen sieht, wie hier der Großwessier zwei nicht einmal verfassungsmäßig bestehende Aemter besetzt; wenn man ferner erwägt, daß die Constitution die berathende und gesetzgebende Gewalt dem Senate, bestehend aus 16 Mitgliedern und 1 Präsidenten, die vollziehende aber dem Fürsten, und zwar diesem allein überträgt, der sie durch seine vier Minister des Innern, der Justiz und des Cultus, dann der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten ausübt; wenn man, sage ich, alles dieses zusammennimmt, und dagegen

Glück hätte gereichen können, wenn nicht Wucsitsch neuen ehrgeizigen Planen nachgehangen und dadurch das Einvernehmen mit Jephrem wieder zerstört hätte. Kaum war nämlich der Contre-Revolutionsversuch im Monat Mai vorigen Jahrs gedämpft, als Wucsitsch mit noch einigen Primaten, vielleicht auch unterstützt durch fremden Einfluß, Plane zu schmieden anfing, den Fürsten Milosch nicht nur zur Resignation zu bewegen, sondern auch seine ganze Familie des Erbfolgerechts auf die Fürstenwürde in Serbien verlustig zu machen. – Solche Gesinnung Wucsitschs war genügend die bisherige Harmonie mit Hrn. Jephrem zu zerstören und diesen gegen erstern zu stimmen. Dessen ungeachtet verfolgte Hr. Wucsitsch mit seinem Anhang das vorgesetzte Ziel einige Zeit noch glücklich, indem es ihm gelang, nicht nur den Fürsten Milosch zur bekannten Resignation auf die Regierung zu Gunsten seines ältern Sohnes Milan zu bewegen, sondern auch nach dem bald darauf erfolgten Tode des Fürsten Milan mit Hrn. Petroniewitsch und ihrem nunmehrigen Gegner, Hrn. Jephrem Obrenowitsch, Mitglied der für den minderjährigen Fürsten Michael errichteten Regentschaft zu werden, von welcher Stellung aus er und die Seinigen nun erst recht zu wirken anfingen. Keine geringe Freude ward ihnen, als sie erfuhren, daß Fürst Milosch seinem Sohne Michael die Rückkehr nach Serbien zur Uebernahme der Regierung nicht gestatten wolle, indem dadurch die Hoffnung, selbst Fürst von Serbien werden zu können, bedeutende Nahrung erhielt; in dieser Aussicht blieb Hr. Jephrem der einzige gefährliche Rival, und aus diesem Grunde wurde Allem aufgeboten, um dessen Ansehen beim Volk herabzusetzen und seinen Einfluß zu schmälern, dagegen die öffentliche Meinung mehr und mehr zu eigenen Gunsten zu stimmen. So suchte Wucsitsch besonders auch bei dem Militär sein Ansehen zu heben, indem er diesem mündlich die Nachricht ertheilte, daß Fürst Milosch seinem Sohne nicht gestatte, nach Serbien zu kommen und die Fürstenwürde zu übernehmen, und beifügte, daß dadurch Serbien nichts verlieren werde, es vielmehr dem Volke besser gehen würde, wenn ein anderer aus den angesehenen Serben, wobei er sich in die Brust warf, Fürst Serbiens würde. Allein seine Erwartung, irgend eine günstige Aeußerung zu vernehmen, wurde bitter getäuscht, er mußte vielmehr erfahren, daß nicht einmal das Militär große Achtung und Neigung für ihn hege, denn kaum hatte er seine Rede, worin er klar genug angedeutet hatte, daß auch er den serbischen Fürstenthron einnehmen könne, geendet, als ein Major mit der lauten Aeußerung gegen ihn auftrat: „Man merkt schon, daß Ihr selbst Serbiens Fürst werden möchtet; seyd aber versichert, daß Euch dieses nicht gelingen wird.“ Eben so zeigten sich Spuren von Unzufriedenheit des Volkes gegen Hrn. Wucsitsch, als er bei Gelegenheit dessen Zusammentrittes zu Bekämpfung der gegen das Grundgesetz erhobenen Reaction verschiedene weder mit dem Staatsrechte noch mit der Staatswirthschaft sich vertragende Verheißungen machte, die er natürlich auch später nicht zu erfüllen vermochte. – Diese unangenehmen Erfahrungen einerseits, andrerseits aber das sichtbare Steigen des Ansehens Hrn. Jephrems, bestimmten Hrn. Wucsitsch, die für ihn selbst unerreichbare Fürstenwürde lieber jemanden andern zuzuspielen, als sie Hrn. Jephrem, welchem gegenüber er sich schon zu sehr compromittirt hatte, zu überlassen. So faßte er mit seiner Partei den Plan, entweder den Sohn oder den Enkel des Georg Czerny, ehemaligen Anführers der Serben, auf den erledigten Thron zu berufen – ohne Rücksicht auf seinen der Verfassung geleisteten Eid, wornach die Fürstenwürde Serbiens in der Familie Obrenowitsch erblich ist, und ohne Rücksicht auf die Huldigungs-Adresse, welche Senat und Regierung gemeinschaftlich und einstimmig zu Gunsten des jungen Fürsten Michael nach Konstantinopel gesendet hatten.

Allein um diesen Plan durchzuführen, war der Beistand des Volkes unumgänglich nöthig; durch dieses dachte man die Wahl des neuen Clienten zu leiten, sich dessen zu versichern war jedoch nicht leicht, da der Minister des Innern, sobald er die wahren Absichten der Wucsitsch'schen Partei erkannte, von dieser abfiel und zu Hrn. Jephrem übertrat. Dadurch gelangte letztere zu der Einsicht, daß das vorgesteckte Ziel nur mit Vorsicht und auf Umwegen zu erreichen sey. Zu dem Ende wurde dem Senate die Nothwendigkeit der Sendung eigener Commissäre unter das Volk, unter dem Vorwande demselben das Grundgesetz zu erklären und es überhaupt von dem politischen Zustande seines Vaterlands zu unterrichten, vorgestellt, und nach vom Senate erlangter Gutheißung dieses Vorschlags zu dieser Commission nur solche Männer berufen, auf welche sich Wucsitsch unbedingt verlassen konnte; und diese wurden sofort mit geheimen Instructionen von Wucsitsch in die Bezirke gesendet. Während diese Commission in den Bezirken thätig war, um das Volk für den Sohn Kara Georgs zu bearbeiten, haben andere, die zur Classe der Besserunterrichteten und Gelehrten gehören, nicht gesäumt, die Verdienste des Georgs Czerny in Schriften und Reden hoch zu preisen, und den Mord zu rechtfertigen, den er an seinem leiblichen Vater begangen hat; keiner hat jedoch der weitern auf dem Andenken dieses Anführers lastenden Flecken, keiner der geschichtlichen Daten erwähnt, daß er auch den eigenen Bruder hat hängen, einen Priester hat lebendig begraben lassen, daß er der leiblichen Mutter einen gefüllten Korb auf den Kopf hat setzen lassen, und andere Frevel, deren Beschreibung das Gemüth empört, verübt, und zuletzt Serbien heimlich verlassen hat, das Volk der Wuth und Rache der Türken überlassend. In der That ist es kaum zu begreifen, wie sonst geachtete Männer für Georg Czerny in die Schranken treten mögen auf Kosten der Familie Milosch Obrenowitschs, der doch gewiß viele und große Verdienste um Serbien hat. Milosch hat Serbien auf den von dem fliehenden Georg Czerny verlassenen Trümmern emporgehoben, er hat es von Räubern und Gesindel aller Art gereinigt, er hat das Recht des Eigenthums und die persönliche Sicherheit hergestellt, und sein Vaterland theils durch die Waffen, theils durch sein eminentes Talent im Wege der Verhandlung bis nahe zur Selbstständigkeit gebracht, welch' kostbares Gut die ehrgeizigen Primaten, nachdem sie erfahren, daß ihre Plane Schiffbruch gelitten, dem Meistbietenden gerne hintangegeben, wenn sich nur Käufer dafür gefunden hätten. – Je mehr durch diese Umtriebe der Familie Obrenowitsch Gefahr drohte, in demselben Maaße fand sich Hr. Jephrem bewogen, entschieden dagegen zu agiren, wozu es seinerseits eben nicht besonderer Anstrengung bedurfte. Denn die Regentschaft, mit welcher Hr. Jephrem in Opposition stand, so wie der Senat, worin ebenfalls Wucsitsch die Majorität hatte, hatten durch verschiedene Mißgriffe die Neigung des Volks in dem Grade verscherzt, daß ein offener Aufstand zu besorgen stand, welcher gewiß nur durch die Kunde von der baldigen Ankunft des Fürsten Michael niedergehalten wurde. So standen die Sachen in Serbien zur Zeit als von Konstantinopel die Nachricht einlief, daß die Pforte den Sohn Miloschs, Michael, als Fürsten Serbiens anerkannt und einen Beamten nach Bucharest gesandt habe, um ihn nach Konstantinopel zu geleiten, wo ihn der Sultan zu sehen und mit Ehrendecorationen zu versehen wünsche. – Daß diese Botschaft diejenigen furchtbar hart getroffen haben muß, die sich mit dem Plane trugen, an Czerny's Sohn die Fürstenwürde zu übertragen, ist um so erklärlicher, wenn man erwägt, daß einer von diesen sogenannten Patrioten zur Verwirklichung dieses Vorhabens die Rolle übernahm, aus dem Staatsschatze fünfzigtausend Stück kaiserliche Ducaten unter dem Vorwande einer Anleihe, die man aber nie mehr zurückzuzahlen gedachte, zu entnehmen, deren Erstattung nun geschehen muß. – Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß also diejenigen, an deren Spitze Hr. Jephrem stund, dahin strebten, das Erbfolgerecht in der Fürstenwürde, das bei mehrmaligen Landtagsabschlüssen, dann durch die öffentlichen Staatsacten der Pforte, besonders aber durch das im Jahre 1839 beschworene Fundamentalgesetz festgesetzt wurde, aufrecht zu erhalten und den Fürsten Michael, dem gleich nach dem ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Tode seines ältern Bruders Milan, alle Primaten, ehe noch die politische Spaltung eintrat, huldigten, und die darüber ausgefertigte Acte nach Konstantinopel sandten, sobald als möglich in Serbien zu sehen; daß hingegen die Partei des Hrn. Wucsitsch sich vorgesetzt hatte, besagtes Erbfolgerecht zu vernichten, die Obrenowitsch'sche Familie zu vertreiben und an ihrer Stelle die Kara Georg'sche – jedoch nicht erblich, sondern nur temporär, um für sich selbst nicht alle Aussichten zu verschließen – auf den Fürstenthron zu heben, und unterdessen ihre Plane zur Reife zu bringen. Diese ehrgeizigen und eben so sträflichen Plane haben sich auch geoffenbart, als man gleich nach der Ankunft des Fürsten Michael vernahm, daß die HH. Petroniewitsch und Wucsitsch von dem Großwessier eine Anordnung zu erlangen wußten, wornach sie beide dem Fürsten als dessen unmittelbare Räthe zur Seite gesetzt werden, obgleich Wucsitsch nicht einmal des Lesens oder Schreibens kundig ist.

Wenn man nun in Betracht nimmt, daß nach dem Fundamentalgesetze die Besetzung der Aemter dem Fürsten zusteht, und keiner andern niedern oder höhern Gewalt; wenn man dagegen sieht, wie hier der Großwessier zwei nicht einmal verfassungsmäßig bestehende Aemter besetzt; wenn man ferner erwägt, daß die Constitution die berathende und gesetzgebende Gewalt dem Senate, bestehend aus 16 Mitgliedern und 1 Präsidenten, die vollziehende aber dem Fürsten, und zwar diesem allein überträgt, der sie durch seine vier Minister des Innern, der Justiz und des Cultus, dann der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten ausübt; wenn man, sage ich, alles dieses zusammennimmt, und dagegen

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Glück hätte gereichen können, wenn nicht Wucsitsch neuen ehrgeizigen Planen nachgehangen und dadurch das Einvernehmen mit Jephrem wieder zerstört hätte. Kaum war nämlich der Contre-Revolutionsversuch im Monat Mai vorigen Jahrs gedämpft, als Wucsitsch mit noch einigen Primaten, vielleicht auch unterstützt durch fremden Einfluß, Plane zu schmieden anfing, den Fürsten Milosch nicht nur zur Resignation zu bewegen, sondern auch seine ganze Familie des Erbfolgerechts auf die Fürstenwürde in Serbien verlustig zu machen. &#x2013; Solche Gesinnung Wucsitschs war genügend die bisherige Harmonie mit Hrn. Jephrem zu zerstören und diesen gegen erstern zu stimmen. Dessen ungeachtet verfolgte Hr. Wucsitsch mit seinem Anhang das vorgesetzte Ziel einige Zeit noch glücklich, indem es ihm gelang, nicht nur den Fürsten Milosch zur bekannten Resignation auf die Regierung zu Gunsten seines ältern Sohnes Milan zu bewegen, sondern auch nach dem bald darauf erfolgten Tode des Fürsten Milan mit Hrn. Petroniewitsch und ihrem nunmehrigen Gegner, Hrn. Jephrem Obrenowitsch, Mitglied der für den minderjährigen Fürsten Michael errichteten Regentschaft zu werden, von welcher Stellung aus er und die Seinigen nun erst recht zu wirken anfingen. Keine geringe Freude ward ihnen, als sie erfuhren, daß Fürst Milosch seinem Sohne Michael die Rückkehr nach Serbien zur Uebernahme der Regierung nicht gestatten wolle, indem dadurch die Hoffnung, selbst Fürst von Serbien werden zu können, bedeutende Nahrung erhielt; in dieser Aussicht blieb Hr. Jephrem der einzige gefährliche Rival, und aus diesem Grunde wurde Allem aufgeboten, um dessen Ansehen beim Volk herabzusetzen und seinen Einfluß zu schmälern, dagegen die öffentliche Meinung mehr und mehr zu eigenen Gunsten zu stimmen. So suchte Wucsitsch besonders auch bei dem Militär sein Ansehen zu heben, indem er diesem mündlich die Nachricht ertheilte, daß Fürst Milosch seinem Sohne nicht gestatte, nach Serbien zu kommen und die Fürstenwürde zu übernehmen, und beifügte, daß dadurch Serbien nichts verlieren werde, es vielmehr dem Volke besser gehen würde, wenn ein anderer aus den angesehenen Serben, wobei er sich in die Brust warf, Fürst Serbiens würde. Allein seine Erwartung, irgend eine günstige Aeußerung zu vernehmen, wurde bitter getäuscht, er mußte vielmehr erfahren, daß nicht einmal das Militär große Achtung und Neigung für ihn hege, denn kaum hatte er seine Rede, worin er klar genug angedeutet hatte, daß auch er den serbischen Fürstenthron einnehmen könne, geendet, als ein Major mit der lauten Aeußerung gegen ihn auftrat: &#x201E;Man merkt schon, daß Ihr selbst Serbiens Fürst werden möchtet; seyd aber versichert, daß Euch dieses nicht gelingen wird.&#x201C; Eben so zeigten sich Spuren von Unzufriedenheit des Volkes gegen Hrn. Wucsitsch, als er bei Gelegenheit dessen Zusammentrittes zu Bekämpfung der gegen das Grundgesetz erhobenen Reaction verschiedene weder mit dem Staatsrechte noch mit der Staatswirthschaft sich vertragende Verheißungen machte, die er natürlich auch später nicht zu erfüllen vermochte. &#x2013; Diese unangenehmen Erfahrungen einerseits, andrerseits aber das sichtbare Steigen des Ansehens Hrn. Jephrems, bestimmten Hrn. Wucsitsch, die für ihn selbst unerreichbare Fürstenwürde lieber jemanden andern zuzuspielen, als sie Hrn. Jephrem, welchem gegenüber er sich schon zu sehr compromittirt hatte, zu überlassen. So faßte er mit seiner Partei den Plan, entweder den Sohn oder den Enkel des Georg Czerny, ehemaligen Anführers der Serben, auf den erledigten Thron zu berufen &#x2013; ohne Rücksicht auf seinen der Verfassung geleisteten Eid, wornach die Fürstenwürde Serbiens in der Familie Obrenowitsch erblich ist, und ohne Rücksicht auf die Huldigungs-Adresse, welche Senat und Regierung gemeinschaftlich und einstimmig zu Gunsten des jungen Fürsten Michael nach Konstantinopel gesendet hatten.</p><lb/>
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Während diese Commission in den Bezirken thätig war, um das Volk für den Sohn Kara Georgs zu bearbeiten, haben andere, die zur Classe der Besserunterrichteten und Gelehrten gehören, nicht gesäumt, die Verdienste des Georgs Czerny in Schriften und Reden hoch zu preisen, und den Mord zu rechtfertigen, den er an seinem leiblichen Vater begangen hat; keiner hat jedoch der weitern auf dem Andenken dieses Anführers lastenden Flecken, keiner der geschichtlichen Daten erwähnt, daß er auch den eigenen Bruder hat hängen, einen Priester hat lebendig begraben lassen, daß er der leiblichen Mutter einen gefüllten Korb auf den Kopf hat setzen lassen, und andere Frevel, deren Beschreibung das Gemüth empört, verübt, und zuletzt Serbien heimlich verlassen hat, das Volk der Wuth und Rache der Türken überlassend. In der That ist es kaum zu begreifen, wie sonst geachtete Männer für Georg Czerny in die Schranken treten mögen auf Kosten der Familie Milosch Obrenowitschs, der doch gewiß viele und große Verdienste um Serbien hat. Milosch hat Serbien auf den von dem fliehenden Georg Czerny verlassenen Trümmern emporgehoben, er hat es von Räubern und Gesindel aller Art gereinigt, er hat das Recht des Eigenthums und die persönliche Sicherheit hergestellt, und sein Vaterland theils durch die Waffen, theils durch sein eminentes Talent im Wege der Verhandlung bis nahe zur Selbstständigkeit gebracht, welch' kostbares Gut die ehrgeizigen Primaten, nachdem sie erfahren, daß ihre Plane Schiffbruch gelitten, dem Meistbietenden gerne hintangegeben, wenn sich nur Käufer dafür gefunden hätten. &#x2013; Je mehr durch diese Umtriebe der Familie Obrenowitsch Gefahr drohte, in demselben Maaße fand sich Hr. Jephrem bewogen, entschieden dagegen zu agiren, wozu es seinerseits eben nicht besonderer Anstrengung bedurfte. Denn die Regentschaft, mit welcher Hr. Jephrem in Opposition stand, so wie der Senat, worin ebenfalls Wucsitsch die Majorität hatte, hatten durch verschiedene Mißgriffe die Neigung des Volks in dem Grade verscherzt, daß ein offener Aufstand zu besorgen stand, welcher gewiß nur durch die Kunde von der baldigen Ankunft des Fürsten Michael niedergehalten wurde. So standen die Sachen in Serbien zur Zeit als von Konstantinopel die Nachricht einlief, daß die Pforte den Sohn Miloschs, Michael, als Fürsten Serbiens anerkannt und einen Beamten nach Bucharest gesandt habe, um ihn nach Konstantinopel zu geleiten, wo ihn der Sultan zu sehen und mit Ehrendecorationen zu versehen wünsche. &#x2013; Daß diese Botschaft diejenigen furchtbar hart getroffen haben muß, die sich mit dem Plane trugen, an Czerny's Sohn die Fürstenwürde zu übertragen, ist um so erklärlicher, wenn man erwägt, daß einer von diesen sogenannten Patrioten zur Verwirklichung dieses Vorhabens die Rolle übernahm, aus dem Staatsschatze fünfzigtausend Stück kaiserliche Ducaten unter dem Vorwande einer Anleihe, die man aber nie mehr zurückzuzahlen gedachte, zu entnehmen, deren Erstattung nun geschehen muß. &#x2013; Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß also diejenigen, an deren Spitze Hr. Jephrem stund, dahin strebten, das Erbfolgerecht in der Fürstenwürde, das bei mehrmaligen Landtagsabschlüssen, dann durch die öffentlichen Staatsacten der Pforte, besonders aber durch das im Jahre 1839 beschworene Fundamentalgesetz festgesetzt wurde, aufrecht zu erhalten und den Fürsten Michael, dem gleich nach dem ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Tode seines ältern Bruders Milan, alle Primaten, ehe noch die politische Spaltung eintrat, huldigten, und die darüber ausgefertigte Acte nach Konstantinopel sandten, sobald als möglich in Serbien zu sehen; daß hingegen die Partei des Hrn. Wucsitsch sich vorgesetzt hatte, besagtes Erbfolgerecht zu vernichten, die Obrenowitsch'sche Familie zu vertreiben und an ihrer Stelle die Kara Georg'sche &#x2013; jedoch nicht erblich, sondern nur temporär, um für sich selbst nicht alle Aussichten zu verschließen &#x2013; auf den Fürstenthron zu heben, und unterdessen ihre Plane zur Reife zu bringen. Diese ehrgeizigen und eben so sträflichen Plane haben sich auch geoffenbart, als man gleich nach der Ankunft des Fürsten Michael vernahm, daß die HH. Petroniewitsch und Wucsitsch von dem Großwessier eine Anordnung zu erlangen wußten, wornach sie beide dem Fürsten als dessen unmittelbare Räthe zur Seite gesetzt werden, obgleich Wucsitsch nicht einmal des Lesens oder Schreibens kundig ist.</p><lb/>
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Petroniewitsch und ihrem nunmehrigen Gegner, Hrn. Jephrem Obrenowitsch, Mitglied der für den minderjährigen Fürsten Michael errichteten Regentschaft zu werden, von welcher Stellung aus er und die Seinigen nun erst recht zu wirken anfingen. Keine geringe Freude ward ihnen, als sie erfuhren, daß Fürst Milosch seinem Sohne Michael die Rückkehr nach Serbien zur Uebernahme der Regierung nicht gestatten wolle, indem dadurch die Hoffnung, selbst Fürst von Serbien werden zu können, bedeutende Nahrung erhielt; in dieser Aussicht blieb Hr. Jephrem der einzige gefährliche Rival, und aus diesem Grunde wurde Allem aufgeboten, um dessen Ansehen beim Volk herabzusetzen und seinen Einfluß zu schmälern, dagegen die öffentliche Meinung mehr und mehr zu eigenen Gunsten zu stimmen. So suchte Wucsitsch besonders auch bei dem Militär sein Ansehen zu heben, indem er diesem mündlich die Nachricht ertheilte, daß Fürst Milosch seinem Sohne nicht gestatte, nach Serbien zu kommen und die Fürstenwürde zu übernehmen, und beifügte, daß dadurch Serbien nichts verlieren werde, es vielmehr dem Volke besser gehen würde, wenn ein anderer aus den angesehenen Serben, wobei er sich in die Brust warf, Fürst Serbiens würde. Allein seine Erwartung, irgend eine günstige Aeußerung zu vernehmen, wurde bitter getäuscht, er mußte vielmehr erfahren, daß nicht einmal das Militär große Achtung und Neigung für ihn hege, denn kaum hatte er seine Rede, worin er klar genug angedeutet hatte, daß auch er den serbischen Fürstenthron einnehmen könne, geendet, als ein Major mit der lauten Aeußerung gegen ihn auftrat: „Man merkt schon, daß Ihr selbst Serbiens Fürst werden möchtet; seyd aber versichert, daß Euch dieses nicht gelingen wird.“ Eben so zeigten sich Spuren von Unzufriedenheit des Volkes gegen Hrn. Wucsitsch, als er bei Gelegenheit dessen Zusammentrittes zu Bekämpfung der gegen das Grundgesetz erhobenen Reaction verschiedene weder mit dem Staatsrechte noch mit der Staatswirthschaft sich vertragende Verheißungen machte, die er natürlich auch später nicht zu erfüllen vermochte. – Diese unangenehmen Erfahrungen einerseits, andrerseits aber das sichtbare Steigen des Ansehens Hrn. Jephrems, bestimmten Hrn. Wucsitsch, die für ihn selbst unerreichbare Fürstenwürde lieber jemanden andern zuzuspielen, als sie Hrn. Jephrem, welchem gegenüber er sich schon zu sehr compromittirt hatte, zu überlassen. So faßte er mit seiner Partei den Plan, entweder den Sohn oder den Enkel des Georg Czerny, ehemaligen Anführers der Serben, auf den erledigten Thron zu berufen – ohne Rücksicht auf seinen der Verfassung geleisteten Eid, wornach die Fürstenwürde Serbiens in der Familie Obrenowitsch erblich ist, und ohne Rücksicht auf die Huldigungs-Adresse, welche Senat und Regierung gemeinschaftlich und einstimmig zu Gunsten des jungen Fürsten Michael nach Konstantinopel gesendet hatten. Allein um diesen Plan durchzuführen, war der Beistand des Volkes unumgänglich nöthig; durch dieses dachte man die Wahl des neuen Clienten zu leiten, sich dessen zu versichern war jedoch nicht leicht, da der Minister des Innern, sobald er die wahren Absichten der Wucsitsch'schen Partei erkannte, von dieser abfiel und zu Hrn. Jephrem übertrat. Dadurch gelangte letztere zu der Einsicht, daß das vorgesteckte Ziel nur mit Vorsicht und auf Umwegen zu erreichen sey. Zu dem Ende wurde dem Senate die Nothwendigkeit der Sendung eigener Commissäre unter das Volk, unter dem Vorwande demselben das Grundgesetz zu erklären und es überhaupt von dem politischen Zustande seines Vaterlands zu unterrichten, vorgestellt, und nach vom Senate erlangter Gutheißung dieses Vorschlags zu dieser Commission nur solche Männer berufen, auf welche sich Wucsitsch unbedingt verlassen konnte; und diese wurden sofort mit geheimen Instructionen von Wucsitsch in die Bezirke gesendet. Während diese Commission in den Bezirken thätig war, um das Volk für den Sohn Kara Georgs zu bearbeiten, haben andere, die zur Classe der Besserunterrichteten und Gelehrten gehören, nicht gesäumt, die Verdienste des Georgs Czerny in Schriften und Reden hoch zu preisen, und den Mord zu rechtfertigen, den er an seinem leiblichen Vater begangen hat; keiner hat jedoch der weitern auf dem Andenken dieses Anführers lastenden Flecken, keiner der geschichtlichen Daten erwähnt, daß er auch den eigenen Bruder hat hängen, einen Priester hat lebendig begraben lassen, daß er der leiblichen Mutter einen gefüllten Korb auf den Kopf hat setzen lassen, und andere Frevel, deren Beschreibung das Gemüth empört, verübt, und zuletzt Serbien heimlich verlassen hat, das Volk der Wuth und Rache der Türken überlassend. In der That ist es kaum zu begreifen, wie sonst geachtete Männer für Georg Czerny in die Schranken treten mögen auf Kosten der Familie Milosch Obrenowitschs, der doch gewiß viele und große Verdienste um Serbien hat. Milosch hat Serbien auf den von dem fliehenden Georg Czerny verlassenen Trümmern emporgehoben, er hat es von Räubern und Gesindel aller Art gereinigt, er hat das Recht des Eigenthums und die persönliche Sicherheit hergestellt, und sein Vaterland theils durch die Waffen, theils durch sein eminentes Talent im Wege der Verhandlung bis nahe zur Selbstständigkeit gebracht, welch' kostbares Gut die ehrgeizigen Primaten, nachdem sie erfahren, daß ihre Plane Schiffbruch gelitten, dem Meistbietenden gerne hintangegeben, wenn sich nur Käufer dafür gefunden hätten. – Je mehr durch diese Umtriebe der Familie Obrenowitsch Gefahr drohte, in demselben Maaße fand sich Hr. Jephrem bewogen, entschieden dagegen zu agiren, wozu es seinerseits eben nicht besonderer Anstrengung bedurfte. Denn die Regentschaft, mit welcher Hr. Jephrem in Opposition stand, so wie der Senat, worin ebenfalls Wucsitsch die Majorität hatte, hatten durch verschiedene Mißgriffe die Neigung des Volks in dem Grade verscherzt, daß ein offener Aufstand zu besorgen stand, welcher gewiß nur durch die Kunde von der baldigen Ankunft des Fürsten Michael niedergehalten wurde. So standen die Sachen in Serbien zur Zeit als von Konstantinopel die Nachricht einlief, daß die Pforte den Sohn Miloschs, Michael, als Fürsten Serbiens anerkannt und einen Beamten nach Bucharest gesandt habe, um ihn nach Konstantinopel zu geleiten, wo ihn der Sultan zu sehen und mit Ehrendecorationen zu versehen wünsche. – Daß diese Botschaft diejenigen furchtbar hart getroffen haben muß, die sich mit dem Plane trugen, an Czerny's Sohn die Fürstenwürde zu übertragen, ist um so erklärlicher, wenn man erwägt, daß einer von diesen sogenannten Patrioten zur Verwirklichung dieses Vorhabens die Rolle übernahm, aus dem Staatsschatze fünfzigtausend Stück kaiserliche Ducaten unter dem Vorwande einer Anleihe, die man aber nie mehr zurückzuzahlen gedachte, zu entnehmen, deren Erstattung nun geschehen muß. – Aus dem Gesagten ist ersichtlich, daß also diejenigen, an deren Spitze Hr. Jephrem stund, dahin strebten, das Erbfolgerecht in der Fürstenwürde, das bei mehrmaligen Landtagsabschlüssen, dann durch die öffentlichen Staatsacten der Pforte, besonders aber durch das im Jahre 1839 beschworene Fundamentalgesetz festgesetzt wurde, aufrecht zu erhalten und den Fürsten Michael, dem gleich nach dem ohne Hinterlassung von Descendenten erfolgten Tode seines ältern Bruders Milan, alle Primaten, ehe noch die politische Spaltung eintrat, huldigten, und die darüber ausgefertigte Acte nach Konstantinopel sandten, sobald als möglich in Serbien zu sehen; daß hingegen die Partei des Hrn. Wucsitsch sich vorgesetzt hatte, besagtes Erbfolgerecht zu vernichten, die Obrenowitsch'sche Familie zu vertreiben und an ihrer Stelle die Kara Georg'sche – jedoch nicht erblich, sondern nur temporär, um für sich selbst nicht alle Aussichten zu verschließen – auf den Fürstenthron zu heben, und unterdessen ihre Plane zur Reife zu bringen. Diese ehrgeizigen und eben so sträflichen Plane haben sich auch geoffenbart, als man gleich nach der Ankunft des Fürsten Michael vernahm, daß die HH. Petroniewitsch und Wucsitsch von dem Großwessier eine Anordnung zu erlangen wußten, wornach sie beide dem Fürsten als dessen unmittelbare Räthe zur Seite gesetzt werden, obgleich Wucsitsch nicht einmal des Lesens oder Schreibens kundig ist. Wenn man nun in Betracht nimmt, daß nach dem Fundamentalgesetze die Besetzung der Aemter dem Fürsten zusteht, und keiner andern niedern oder höhern Gewalt; wenn man dagegen sieht, wie hier der Großwessier zwei nicht einmal verfassungsmäßig bestehende Aemter besetzt; wenn man ferner erwägt, daß die Constitution die berathende und gesetzgebende Gewalt dem Senate, bestehend aus 16 Mitgliedern und 1 Präsidenten, die vollziehende aber dem Fürsten, und zwar diesem allein überträgt, der sie durch seine vier Minister des Innern, der Justiz und des Cultus, dann der Finanzen und der auswärtigen Angelegenheiten ausübt; wenn man, sage ich, alles dieses zusammennimmt, und dagegen

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 149. Augsburg, 28. Mai 1840, S. 1189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_149_18400528/13>, abgerufen am 16.04.2024.