Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum.

(Fortsetzung der früher gelieferten Berichte)

... Es ward nun Zeit mich zu einer Excursion nach den Ruinen von Mesaourat bereit zu machen, obgleich diese Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großen Beschwerden verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Korschud Pascha's Palast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schendy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog ein furchtbares Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwärze. Von allen Seiten durchkreuzten Blitze das Firmament, welche die fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer von Moment zu Moment in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung jenes früheren Brandes, der Schendy für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch; da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgedrungen ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Insecten aller Art angefüllten Stuben der Landleute war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsere zwei kleineren Zelte aufschlagen, die nicht größer wie Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Bischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströmenden Fluthen im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, hat es von Anfang an treu mit dem neuen Gouvernement gehalten und ist jetzt eine seiner mächtigsten Stützen unter den Arabern, was um so wichtiger ist, da den übrigen Schechs, die noch immer einige Rancune wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken) ungeachtet aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zu trauen seyn soll - eine Verstellung, in welcher überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Bischir wird, wie ich vom Kascheff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Regierung von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und läßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung unter ihnen blicken.

Nach einigen Stunden hörte der Regen auf und gestattete uns die Reise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, durch einen weitläuftigen Akazienwald, dessen Bäume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen, meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, ein sanfter Zephyr wehte durch die Zweige und trug duftigen Wohlgeruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouac in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Akermann auf die Jagd, um für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten dießmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gans für unsere Tafel und außerdem noch allerlei bunte Vögel, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bebuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodilweibchen mit seinem kaum erst 3 Fuß lang gewordenen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachhupfte. - Bei unserer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrime aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mekka begriffen seyen. Es waren hohe, gutgewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemd nebst Sandalen, die bunte Lederriemen zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Leute zu seyn. Sie rühmten einstimmig die Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbe (welches auf allen Karten angegeben ist) die Hauptstadt des Reichs und Residenz des Königs sey, sondern Tendelti-Tassir, das auf keiner Karte steht. Kobbe, meinten sie, sey nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und größere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel und Kaufmannschaft eine starke Demarcationslinie gezogen zu seyn, wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Bankiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eine starke Tagereise von Kobbe entfernt. Einen großen Fluß, behaupten sie, gebe es, so viel ihnen bekannt, in ihrem ganzen Lande nicht, aber viel Bäche, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Cisternen, so daß es nirgends als in der angränzenden Wüste an Wasser fehle.

Das Land soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartenfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten, Melonen und andere mir unbekannte Namen, und unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, welche Sudan und Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sie fort, seit einigen Jahren angefangen den Nizzam einzuführen, welchen ein Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, und die Truppen seyen viel weniger gut dressirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und in Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen. Auf meine Frage, ob das Einhorn bei ihnen existire, erwiederten sie zuerst einstimmig, daß dieses Thier sehr häufig bei ihnen sey, ich ward aber bald gewahr, daß sie hierbei nur das Rhinoceros im Sinne hatten. Als ich ihnen die Eigenschaften des Einhorns beschrieb, erklärten sie von einem solchen Geschöpfe nie etwas gehört zu haben.

Sie hatten sämmtlich viel Amulete und Glasperlschnüren an sich hängen, der eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Bild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeit machte. Dieser, welcher der unterrichtetste von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Volksstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhund). Deßwegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der Gefangenen als Sklaven, über welche der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt als über sein Vieh. Im Uebrigen scheint die Regierung mild und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn.

Die Leute konnten etwas arabisch reden und verstanden die Sprache von Kordofan, welche einem der Begleiter des Schechs Bischir ebenfalls bekannt war, der uns daher während der Unterhaltung als Dolmetscher diente.

Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum.

(Fortsetzung der früher gelieferten Berichte)

... Es ward nun Zeit mich zu einer Excursion nach den Ruinen von Mesaourat bereit zu machen, obgleich diese Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großen Beschwerden verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Korschud Pascha's Palast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schendy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog ein furchtbares Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwärze. Von allen Seiten durchkreuzten Blitze das Firmament, welche die fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer von Moment zu Moment in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung jenes früheren Brandes, der Schendy für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch; da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgedrungen ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Insecten aller Art angefüllten Stuben der Landleute war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsere zwei kleineren Zelte aufschlagen, die nicht größer wie Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Bischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströmenden Fluthen im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, hat es von Anfang an treu mit dem neuen Gouvernement gehalten und ist jetzt eine seiner mächtigsten Stützen unter den Arabern, was um so wichtiger ist, da den übrigen Schechs, die noch immer einige Rancune wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken) ungeachtet aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zu trauen seyn soll – eine Verstellung, in welcher überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Bischir wird, wie ich vom Kascheff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Regierung von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und läßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung unter ihnen blicken.

Nach einigen Stunden hörte der Regen auf und gestattete uns die Reise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, durch einen weitläuftigen Akazienwald, dessen Bäume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen, meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, ein sanfter Zephyr wehte durch die Zweige und trug duftigen Wohlgeruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouac in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Akermann auf die Jagd, um für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten dießmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gans für unsere Tafel und außerdem noch allerlei bunte Vögel, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bebuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodilweibchen mit seinem kaum erst 3 Fuß lang gewordenen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachhupfte. – Bei unserer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrime aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mekka begriffen seyen. Es waren hohe, gutgewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemd nebst Sandalen, die bunte Lederriemen zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Leute zu seyn. Sie rühmten einstimmig die Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbé (welches auf allen Karten angegeben ist) die Hauptstadt des Reichs und Residenz des Königs sey, sondern Tendelti-Tassir, das auf keiner Karte steht. Kobbé, meinten sie, sey nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und größere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel und Kaufmannschaft eine starke Demarcationslinie gezogen zu seyn, wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Bankiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eine starke Tagereise von Kobbé entfernt. Einen großen Fluß, behaupten sie, gebe es, so viel ihnen bekannt, in ihrem ganzen Lande nicht, aber viel Bäche, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Cisternen, so daß es nirgends als in der angränzenden Wüste an Wasser fehle.

Das Land soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartenfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten, Melonen und andere mir unbekannte Namen, und unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, welche Sudan und Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sie fort, seit einigen Jahren angefangen den Nizzam einzuführen, welchen ein Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, und die Truppen seyen viel weniger gut dressirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und in Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen. Auf meine Frage, ob das Einhorn bei ihnen existire, erwiederten sie zuerst einstimmig, daß dieses Thier sehr häufig bei ihnen sey, ich ward aber bald gewahr, daß sie hierbei nur das Rhinoceros im Sinne hatten. Als ich ihnen die Eigenschaften des Einhorns beschrieb, erklärten sie von einem solchen Geschöpfe nie etwas gehört zu haben.

Sie hatten sämmtlich viel Amulete und Glasperlschnüren an sich hängen, der eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Bild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeit machte. Dieser, welcher der unterrichtetste von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Volksstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhund). Deßwegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der Gefangenen als Sklaven, über welche der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt als über sein Vieh. Im Uebrigen scheint die Regierung mild und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn.

Die Leute konnten etwas arabisch reden und verstanden die Sprache von Kordofan, welche einem der Begleiter des Schechs Bischir ebenfalls bekannt war, der uns daher während der Unterhaltung als Dolmetscher diente.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0009" n="0969"/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>(Fortsetzung der früher gelieferten Berichte)</p><lb/>
        <p>... Es ward nun Zeit mich zu einer Excursion nach den Ruinen von Mesaourat bereit zu machen, obgleich diese Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großen Beschwerden verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Korschud Pascha's Palast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schendy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog ein furchtbares Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwärze. Von allen Seiten durchkreuzten Blitze das Firmament, welche die fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer von Moment zu Moment in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung jenes früheren Brandes, der Schendy für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch; da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgedrungen ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Insecten aller Art angefüllten Stuben der Landleute war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsere zwei kleineren Zelte aufschlagen, die nicht größer wie Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Bischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströmenden Fluthen im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, hat es von Anfang an treu mit dem neuen Gouvernement gehalten und ist jetzt eine seiner mächtigsten Stützen unter den Arabern, was um so wichtiger ist, da den übrigen Schechs, die noch immer einige Rancune wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken) ungeachtet aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zu trauen seyn soll &#x2013; eine Verstellung, in welcher überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Bischir wird, wie ich vom Kascheff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Regierung von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und läßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung unter ihnen blicken.</p><lb/>
        <p>Nach einigen Stunden hörte der Regen auf und gestattete uns die Reise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, durch einen weitläuftigen Akazienwald, dessen Bäume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen, meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, ein sanfter Zephyr wehte durch die Zweige und trug duftigen Wohlgeruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouac in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Akermann auf die Jagd, um für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten dießmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gans für unsere Tafel und außerdem noch allerlei bunte Vögel, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bebuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodilweibchen mit seinem kaum erst 3 Fuß lang gewordenen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachhupfte. &#x2013; Bei unserer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrime aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mekka begriffen seyen. Es waren hohe, gutgewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemd nebst Sandalen, die bunte Lederriemen zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Leute zu seyn. Sie rühmten einstimmig die Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbé (welches auf allen Karten angegeben ist) die Hauptstadt des Reichs und Residenz des Königs sey, sondern Tendelti-Tassir, das auf keiner Karte steht. Kobbé, meinten sie, sey nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und größere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel und Kaufmannschaft eine starke Demarcationslinie gezogen zu seyn, wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Bankiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eine starke Tagereise von Kobbé entfernt. Einen großen Fluß, behaupten sie, gebe es, so viel ihnen bekannt, in ihrem ganzen Lande nicht, aber viel Bäche, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Cisternen, so daß es nirgends als in der angränzenden Wüste an Wasser fehle.</p><lb/>
        <p>Das Land soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartenfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten, Melonen und andere mir unbekannte Namen, und unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, welche Sudan und Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sie fort, seit einigen Jahren angefangen den Nizzam einzuführen, welchen ein Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, und die Truppen seyen viel weniger gut dressirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und in Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen. Auf meine Frage, ob das Einhorn bei ihnen existire, erwiederten sie zuerst einstimmig, daß dieses Thier sehr häufig bei ihnen sey, ich ward aber bald gewahr, daß sie hierbei nur das Rhinoceros im Sinne hatten. Als ich ihnen die Eigenschaften des Einhorns beschrieb, erklärten sie von einem solchen Geschöpfe nie etwas gehört zu haben.</p><lb/>
        <p>Sie hatten sämmtlich viel Amulete und Glasperlschnüren an sich hängen, der eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Bild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeit machte. Dieser, welcher der unterrichtetste von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Volksstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhund). Deßwegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der Gefangenen als Sklaven, über welche der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt als über sein Vieh. Im Uebrigen scheint die Regierung mild und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn.</p><lb/>
        <p>Die Leute konnten etwas arabisch reden und verstanden die Sprache von Kordofan, welche einem der Begleiter des Schechs Bischir ebenfalls bekannt war, der uns daher während der Unterhaltung als Dolmetscher diente.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0969/0009] Die Ruinen von Mesaourat und Ankunft in Karthum. (Fortsetzung der früher gelieferten Berichte) ... Es ward nun Zeit mich zu einer Excursion nach den Ruinen von Mesaourat bereit zu machen, obgleich diese Tour, weil man sie wegen gänzlichen Wassermangels in der Wüste sehr schnell zurücklegen muß, mit großen Beschwerden verbunden ist. Zu meiner Sicherheit begleiteten mich, auf Befehl des Gouverneurs, der Emir Bischir selbst mit acht seiner ausgesuchtesten Leute. Kurz vor Sonnenuntergang verließen wir Korschud Pascha's Palast, und es war schon dunkel geworden, ehe wir, Schendy zum letztenmal durchziehend, das Ende dieser traurigen Ruinen erreicht hatten. Bald darauf überzog ein furchtbares Gewitter den ganzen Himmel mit Rabenschwärze. Von allen Seiten durchkreuzten Blitze das Firmament, welche die fahlen Mauern der uns umgebenden Trümmer von Moment zu Moment in rothem Feuerschein erglänzen ließen, gleich einer gespenstischen Erscheinung jenes früheren Brandes, der Schendy für immer verheerte. Uns that jedoch diese Artillerie des Himmels nicht den mindesten Abbruch; da sich aber nachher auch ein heftiger Platzregen zu ihr gesellte, mußten wir im nächsten Dorfe nothgedrungen ein Obdach suchen. In den kleinen, wie Backofen heißen, und von Schmutz und Insecten aller Art angefüllten Stuben der Landleute war es indeß nicht lange auszuhalten. Ich ließ daher bei einem mühsam angezündeten Feuer, unter dem fortwährenden Rollen des Donners, unsere zwei kleineren Zelte aufschlagen, die nicht größer wie Schilderhäuser sind, und sonst nur den Eingang der größeren bilden. Hier lagerten wir bald ziemlich trocken, während Schech Bischir mit seinen Leuten, Dromedaren und Pferden sich sorglos unter den herabströmenden Fluthen im Freien bettete. Dieser mächtige Schech, ein geistvoller und unternehmender Mann, hat es von Anfang an treu mit dem neuen Gouvernement gehalten und ist jetzt eine seiner mächtigsten Stützen unter den Arabern, was um so wichtiger ist, da den übrigen Schechs, die noch immer einige Rancune wegen der Vergangenheit bewahren (und es ist ihnen nicht sehr zu verdenken) ungeachtet aller scheinbaren Unterwürfigkeit, nicht viel zu trauen seyn soll – eine Verstellung, in welcher überhaupt alle Orientalen Meister sind. Der Schech Bischir wird, wie ich vom Kascheff hörte, wegen seiner Anhänglichkeit an die jetzige Regierung von jenen Häuptlingen bitter angefeindet, und läßt sich daher auch nicht leicht ohne zahlreiche Begleitung unter ihnen blicken. Nach einigen Stunden hörte der Regen auf und gestattete uns die Reise fortzusetzen, welche die ganze Nacht hindurch in monotoner Einförmigkeit rastlos vorwärts ging. Gegen Morgen kamen wir, bis jetzt noch immer nicht fern vom Nil geblieben, durch einen weitläuftigen Akazienwald, dessen Bäume sich in Folge des fruchtbaren Gewitters der Nacht, wie bei uns im Frühjahr, über und über mit kleinen, meergrünen Blättern von einer reizend frischen und glänzenden Farbe bedeckt hatten. Auch die Luft war abgekühlt, ein sanfter Zephyr wehte durch die Zweige und trug duftigen Wohlgeruch auf seinen Fittigen. Hier schlugen wir unsern ersten Bivouac in der Nähe eines Dorfes auf. Gleich nach dem Frühstück ging ich mit Akermann auf die Jagd, um für weitere Nahrung zu sorgen. Wir erlegten dießmal, außer den so leicht beizukommenden Turteltauben, eine junge wilde Gans für unsere Tafel und außerdem noch allerlei bunte Vögel, nur um der Schönheit ihres Gefieders willen. Am Nil, dessen Ufer hier ziemlich malerisch und bebuscht sind, stießen wir in der Nähe von vierzehn gravitätisch fischenden Pelikanen auf ein Krokodilweibchen mit seinem kaum erst 3 Fuß lang gewordenen Sprößling, welcher letztere einen fruchtlosen Schuß erhielt und dann wie ein Frosch seiner schwerfälligen Mama schleunig ins Wasser nachhupfte. – Bei unserer Zurückkunft meldete man mir die Anwesenheit dreier Pilgrime aus Darfur, die, wie es hieß, auf einer Wallfahrt nach Mekka begriffen seyen. Es waren hohe, gutgewachsene Neger, jeder mit einem langen blauen Hemd nebst Sandalen, die bunte Lederriemen zusammenhielten, bekleidet, und es schienen gewandte Leute zu seyn. Sie rühmten einstimmig die Eigenschaften ihres Sultans, und sagten uns, daß nicht Kobbé (welches auf allen Karten angegeben ist) die Hauptstadt des Reichs und Residenz des Königs sey, sondern Tendelti-Tassir, das auf keiner Karte steht. Kobbé, meinten sie, sey nur die Hauptstadt der Kaufleute, die andere, weit stattlichere und größere, die Residenz des Herrschers und der Großen. Ihren Aeußerungen nach schien in diesem Lande zwischen Adel und Kaufmannschaft eine starke Demarcationslinie gezogen zu seyn, wahrscheinlich besitzen sie dort noch keine vermittelnden Bankiers. Ihrer Aussage nach ist die Residenz nur eine starke Tagereise von Kobbé entfernt. Einen großen Fluß, behaupten sie, gebe es, so viel ihnen bekannt, in ihrem ganzen Lande nicht, aber viel Bäche, die in der Regenzeit zu Flüssen würden, und außerdem zahlreiche Brunnen und Cisternen, so daß es nirgends als in der angränzenden Wüste an Wasser fehle. Das Land soll reich an Waldungen und fruchtbar seyn. Unter den Gartenfrüchten nannten sie Orangen, Citronen, Granaten, Melonen und andere mir unbekannte Namen, und unter den Gemüsen ziemlich die nämlichen, welche Sudan und Kordofan liefern. Der Sultan habe, fuhren sie fort, seit einigen Jahren angefangen den Nizzam einzuführen, welchen ein Weißer befehlige, den der Sultan sehr hoch halte; doch gefalle den Eingebornen dieser Dienst nicht, und die Truppen seyen viel weniger gut dressirt, als die ägyptischen Soldaten, welche sie in Kordofan und in Sudan gesehen; auch besitze der Sultan einige Kanonen. Auf meine Frage, ob das Einhorn bei ihnen existire, erwiederten sie zuerst einstimmig, daß dieses Thier sehr häufig bei ihnen sey, ich ward aber bald gewahr, daß sie hierbei nur das Rhinoceros im Sinne hatten. Als ich ihnen die Eigenschaften des Einhorns beschrieb, erklärten sie von einem solchen Geschöpfe nie etwas gehört zu haben. Sie hatten sämmtlich viel Amulete und Glasperlschnüren an sich hängen, der eine aber außerdem noch eine Art Brieftasche, worin sich ein buntes, roh angefertigtes Bild der heiligen Kabba befand, das er zu zeigen anfänglich einige Schwierigkeit machte. Dieser, welcher der unterrichtetste von den Dreien zu seyn schien, erzählte uns nachher von Volksstämmen, die in den höchsten Gebirgen ihres Landes wohnten und gar keine Religion hätten, nicht einmal so viel, setzte er hinzu, als ein Dschaur (Christenhund). Deßwegen stellt man auch jährlich regelmäßige Jagden auf sie an, und bedient sich der Gefangenen als Sklaven, über welche der Besitzer eine eben so unbeschränkte Herrschaft ausübt als über sein Vieh. Im Uebrigen scheint die Regierung mild und nach ihrer Art auch ziemlich gerecht zu seyn. Die Leute konnten etwas arabisch reden und verstanden die Sprache von Kordofan, welche einem der Begleiter des Schechs Bischir ebenfalls bekannt war, der uns daher während der Unterhaltung als Dolmetscher diente.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/9
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840, S. 0969. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/9>, abgerufen am 19.04.2024.