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Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840.

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Ministerium dennoch jene "vollständigste Bürgschaft moralischer und religiöser Erziehung" wirklich gewähren, so wird es sich mit einem Theil seiner jetzigen politischen Freunde entzweien, ohne dafür auf der andern Seite einen hinlänglichen Ersatz zu gewinnen, denn bereits macht das Mißtrauen auf dieser Seite Fortschritte. Ich machte schon darauf aufmerksam, daß Hr. Liedts, der einzige, der als ein Mittelsmann zwischen dem Ministerium und der katholischen Seite der Kammer hätte dastehen können, in dieser Hinsicht von seiner Bedeutung dadurch verliert, daß er das Fach des "öffentlichen Unterrichts" an Hrn. Rogier, den Minister der öffentlichen Bauten, abgegeben. Dem Vernehmen nach hat er auch überdieß die Abtheilung des Cultus an den Justizminister, Hrn. Leclercq, abgetreten. Eine seltsame Vermengung der Attributionen, wovon man bisher kein Beispiel gesehen, und die, insofern es sich vor Allem davon handelt, den Katholiken Vertrauen einzuflößen, als ein Mißgriff anzusehen ist, welcher die Stellung des Ministeriums erschweren muß. Die Folgen hievon dürften indessen erst fühlbar werden, wenn Fragen von moralischem Gewichte, wie die der Organisation der Schulen, zur Verhandlung kommen; in allen andern kann das neue Cabinet, will es versprochenermaßen in gemäßigtem, verfassungsmäßigen Geiste wirken, auf die Zustimmung des größeren Theils der Kammer rechnen.

Erst nach dem Schlusse des Briefkastens für die deutsche Post*) ging gestern die Repräsentantenkammer zur Abstimmung über die von der rheinischen Eisenbahndirection gekauften 4000 Actien über: das Gesetz wurde mit 58 Stimmen gegen 4 angenommen, ein Beweis, wie allgemein sich in der letzten Zeit die Meinung zu Gunsten desselben geändert hatte. Dazu kam, daß hier der Anhang der alten Minister, weil die Convention mit der rheinischen Direction das Werk dieser letztern war, kein Oppositionsmotiv aus politischen Rücksichten in Beziehung aufs neue Ministerium haben konnte; wogegen die alte Opposition, einstweilen noch voll Anhänglichkeit für die neuen Minister, sich ihrerseits jedes Widerspruchs enthielt, und zum erstenmal ihre ministerielle Rolle zu übernehmen hatte. So verhallten denn die wenigen Stimmen, die sich gegen das Gesetz erhoben, ohne Anklang. Im Senate werden ähnliche Ursachen eine ähnliche Wirkung hervorbringen, die Opposition wird sich auch hier nur auf wenige Stimmen beschränken. Schon gleich gestern, nach der Abstimmung der Repräsentanten, wurde das Gesetz dem Senat überreicht, der auch alsobald einen Ausschuß zur Prüfung desselben ernannte. Heute stattet derselbe durch das Organ des Grafen Duval seinen Bericht an die Kammer ab, der dahin lautet, daß sich der Ausschuß einstimmig für die Annahme des Gesetzes ausgesprochen. Da die Sitzung erst nach 3 Uhr eröffnet wurde, so wird man schwerlich heute schon mit dieser Angelegenheit zu Ende kommen. Ich wiederhole übrigens, daß die Annahme mit großer Stimmenmehrheit gar nicht zu bezweifeln ist.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hielt heute wieder die erste Sitzung, in welcher aber nichts von Bedeutung vorkam. Einige Petitionen, bezüglich der Revision des Grundgesetzes, der Freiheit des Gottesdienstes etc. wurden vorgelegt. - Se. Durchl. der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar ist nach Mannheim abgereist, um daselbst mit unbestimmtem Urlaub längere Zeit zu residiren. - Die deutsche Oper von Köln wird im nächsten Monat einige Vorstellungen in Amsterdam geben, und u. A. Sabine Heinefetter dabei mitwirken.

Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten sind erschienen, werden aber, da nur äußerst wenig dadurch aufgeklärt wird, nicht befriedigen. Zwar ist die Ziffer des Budgets um beinahe sieben Millionen vermindert, indem das Anlehen von 6,700,000 fl. daraus weggelassen und ein weiterer Ueberschuß von 200,000 fl. vom Jahr 1838 her darin aufgenommen, allein damit ist nicht das mindeste gewonnen, denn dafür sind unter den Ausgaben die Dotation des Syndikats mit 2,500,000 fl. und die 4,000,000 fl. für das Deficit dieses Instituts nicht aufgenommen; wenn sie aber vorher nothwendig waren, so müsse diese Ausgabe es noch jetzt seyn, und auf irgend eine Weise gedeckt werden. Ein Zuschuß aus den Geldmitteln der überseeischen Besitzungen wird für 1840 als nicht thunlich bezeichnet, ohne andere Ursachangabe, und bloß mit dem Bemerken, "man werde die Sache vor die Generalstaaten bringen, wenn durch Versicherung des Decrets vom Jahr 1840 die Regierung auf einen festen und soliden Standpunkt, um für die Zukunft sorgen zu können, gesetzt seyn werde." Damit werden sich die Generalstaaten schwerlich begnügen. Etwas genügender ist die Auskunft, welche über die bereits von Belgien bezahlte Rente pro 1839 gegeben wird. Ein großer Theil davon mußte sogleich an Belgien zurückbezahlt werden, wegen der auf das große Buch der 2 1/2procentigen wirklichen Schuld eingeschriebenen Capitalien belgischer Rechenbeamter und öffentlicher Stiftungen, die seit dem Jahr 1830 ihre Renten nicht erhalten hatten. Der Rest ist vorerst dem Schatze der überseeischen Besitzungen für die an denselben gemachten Vorschüsse zugewiesen worden. Dagegen läßt sich nichts einwenden, als daß die Regierung diese Ausgaben und Verrechnungen wohl hätte aufführen können und ganz unnützer Weise den Vorwurf der Verheimlichung auf sich geladen hat. Die Zuweisung des Rests an den Schatz der überseeischen Besitzungen wird freilich mit den Geldverhältnissen dieser letztern überhaupt zur Sprache kommen. Ueber diese, so wie über die Verhältnisse des Syndikats wird man durch die Antworten der Regierung nicht klüger. Die Regierung gibt ihre Verlegenheit gleich im Anfang der Antworten dadurch zu erkennen, daß sie besonders darauf aufmerksam macht, man dürfe das Budget von 1840, wie es vorgelegt worden, nicht als ein Vorbild angesehen, wie dieses künftig gehalten werden solle. Dieß sind aber Versprechungen auf die Zukunft, mit denen sich die Generalstaaten schwerlich wieder werden abspeisen lassen. Das Andringen auf Ersparnisse, so gerecht es ist, hat indeß die Generalstaaten auch zu manchen Forderungen veranlaßt, deren Verwirklichung in der That nicht wohl möglich ist, und die Regierung bemerkt deßhalb: wenn man das ganze Budget und jeden einzelnen Posten durchgeht, so findet man, daß bei weitem der größte Theil der Summen zu solchen Ausgaben gehört, an welche die Hand zu legen unrathsam und im wahren Interesse des Landes bedenklich seyn würde, wenn nicht eine sehr gründliche Untersuchung vorangeht. Rechne man diese ab, so seyen die Summen, an welche überhaupt gekannt werden könnte, keineswegs so groß, daß die Ergebnisse der Einschränkungen so glänzend ausfallen könnten. Die Regierung verweist daher auf die in der Armee, und zum Theil auch in der Marine bereits

*) Die deutsche Post geht um 4 Uhr Nachmittags ab, und die Briefe müssen wenigstens eine halbe Stunde vorher aufgegeben werden; die französische Post dagegen geht erst um 6 Uhr ab. Da nun die Sitzungen der Kammern gewöhnlich bis gegen 5 Uhr dauern, so können die Brüsseler, vor 6 Uhr ausgegebenen Abendblätter durchgehends schon an demselben Tage nach Paris das Resultat von Abstimmungen abgehen lassen, über die der Correspondent deutscher Blätter erst am nächsten Tage berichten kann.

Ministerium dennoch jene „vollständigste Bürgschaft moralischer und religiöser Erziehung“ wirklich gewähren, so wird es sich mit einem Theil seiner jetzigen politischen Freunde entzweien, ohne dafür auf der andern Seite einen hinlänglichen Ersatz zu gewinnen, denn bereits macht das Mißtrauen auf dieser Seite Fortschritte. Ich machte schon darauf aufmerksam, daß Hr. Liedts, der einzige, der als ein Mittelsmann zwischen dem Ministerium und der katholischen Seite der Kammer hätte dastehen können, in dieser Hinsicht von seiner Bedeutung dadurch verliert, daß er das Fach des „öffentlichen Unterrichts“ an Hrn. Rogier, den Minister der öffentlichen Bauten, abgegeben. Dem Vernehmen nach hat er auch überdieß die Abtheilung des Cultus an den Justizminister, Hrn. Leclercq, abgetreten. Eine seltsame Vermengung der Attributionen, wovon man bisher kein Beispiel gesehen, und die, insofern es sich vor Allem davon handelt, den Katholiken Vertrauen einzuflößen, als ein Mißgriff anzusehen ist, welcher die Stellung des Ministeriums erschweren muß. Die Folgen hievon dürften indessen erst fühlbar werden, wenn Fragen von moralischem Gewichte, wie die der Organisation der Schulen, zur Verhandlung kommen; in allen andern kann das neue Cabinet, will es versprochenermaßen in gemäßigtem, verfassungsmäßigen Geiste wirken, auf die Zustimmung des größeren Theils der Kammer rechnen.

Erst nach dem Schlusse des Briefkastens für die deutsche Post*) ging gestern die Repräsentantenkammer zur Abstimmung über die von der rheinischen Eisenbahndirection gekauften 4000 Actien über: das Gesetz wurde mit 58 Stimmen gegen 4 angenommen, ein Beweis, wie allgemein sich in der letzten Zeit die Meinung zu Gunsten desselben geändert hatte. Dazu kam, daß hier der Anhang der alten Minister, weil die Convention mit der rheinischen Direction das Werk dieser letztern war, kein Oppositionsmotiv aus politischen Rücksichten in Beziehung aufs neue Ministerium haben konnte; wogegen die alte Opposition, einstweilen noch voll Anhänglichkeit für die neuen Minister, sich ihrerseits jedes Widerspruchs enthielt, und zum erstenmal ihre ministerielle Rolle zu übernehmen hatte. So verhallten denn die wenigen Stimmen, die sich gegen das Gesetz erhoben, ohne Anklang. Im Senate werden ähnliche Ursachen eine ähnliche Wirkung hervorbringen, die Opposition wird sich auch hier nur auf wenige Stimmen beschränken. Schon gleich gestern, nach der Abstimmung der Repräsentanten, wurde das Gesetz dem Senat überreicht, der auch alsobald einen Ausschuß zur Prüfung desselben ernannte. Heute stattet derselbe durch das Organ des Grafen Duval seinen Bericht an die Kammer ab, der dahin lautet, daß sich der Ausschuß einstimmig für die Annahme des Gesetzes ausgesprochen. Da die Sitzung erst nach 3 Uhr eröffnet wurde, so wird man schwerlich heute schon mit dieser Angelegenheit zu Ende kommen. Ich wiederhole übrigens, daß die Annahme mit großer Stimmenmehrheit gar nicht zu bezweifeln ist.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hielt heute wieder die erste Sitzung, in welcher aber nichts von Bedeutung vorkam. Einige Petitionen, bezüglich der Revision des Grundgesetzes, der Freiheit des Gottesdienstes etc. wurden vorgelegt. – Se. Durchl. der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar ist nach Mannheim abgereist, um daselbst mit unbestimmtem Urlaub längere Zeit zu residiren. – Die deutsche Oper von Köln wird im nächsten Monat einige Vorstellungen in Amsterdam geben, und u. A. Sabine Heinefetter dabei mitwirken.

Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten sind erschienen, werden aber, da nur äußerst wenig dadurch aufgeklärt wird, nicht befriedigen. Zwar ist die Ziffer des Budgets um beinahe sieben Millionen vermindert, indem das Anlehen von 6,700,000 fl. daraus weggelassen und ein weiterer Ueberschuß von 200,000 fl. vom Jahr 1838 her darin aufgenommen, allein damit ist nicht das mindeste gewonnen, denn dafür sind unter den Ausgaben die Dotation des Syndikats mit 2,500,000 fl. und die 4,000,000 fl. für das Deficit dieses Instituts nicht aufgenommen; wenn sie aber vorher nothwendig waren, so müsse diese Ausgabe es noch jetzt seyn, und auf irgend eine Weise gedeckt werden. Ein Zuschuß aus den Geldmitteln der überseeischen Besitzungen wird für 1840 als nicht thunlich bezeichnet, ohne andere Ursachangabe, und bloß mit dem Bemerken, „man werde die Sache vor die Generalstaaten bringen, wenn durch Versicherung des Decrets vom Jahr 1840 die Regierung auf einen festen und soliden Standpunkt, um für die Zukunft sorgen zu können, gesetzt seyn werde.“ Damit werden sich die Generalstaaten schwerlich begnügen. Etwas genügender ist die Auskunft, welche über die bereits von Belgien bezahlte Rente pro 1839 gegeben wird. Ein großer Theil davon mußte sogleich an Belgien zurückbezahlt werden, wegen der auf das große Buch der 2 1/2procentigen wirklichen Schuld eingeschriebenen Capitalien belgischer Rechenbeamter und öffentlicher Stiftungen, die seit dem Jahr 1830 ihre Renten nicht erhalten hatten. Der Rest ist vorerst dem Schatze der überseeischen Besitzungen für die an denselben gemachten Vorschüsse zugewiesen worden. Dagegen läßt sich nichts einwenden, als daß die Regierung diese Ausgaben und Verrechnungen wohl hätte aufführen können und ganz unnützer Weise den Vorwurf der Verheimlichung auf sich geladen hat. Die Zuweisung des Rests an den Schatz der überseeischen Besitzungen wird freilich mit den Geldverhältnissen dieser letztern überhaupt zur Sprache kommen. Ueber diese, so wie über die Verhältnisse des Syndikats wird man durch die Antworten der Regierung nicht klüger. Die Regierung gibt ihre Verlegenheit gleich im Anfang der Antworten dadurch zu erkennen, daß sie besonders darauf aufmerksam macht, man dürfe das Budget von 1840, wie es vorgelegt worden, nicht als ein Vorbild angesehen, wie dieses künftig gehalten werden solle. Dieß sind aber Versprechungen auf die Zukunft, mit denen sich die Generalstaaten schwerlich wieder werden abspeisen lassen. Das Andringen auf Ersparnisse, so gerecht es ist, hat indeß die Generalstaaten auch zu manchen Forderungen veranlaßt, deren Verwirklichung in der That nicht wohl möglich ist, und die Regierung bemerkt deßhalb: wenn man das ganze Budget und jeden einzelnen Posten durchgeht, so findet man, daß bei weitem der größte Theil der Summen zu solchen Ausgaben gehört, an welche die Hand zu legen unrathsam und im wahren Interesse des Landes bedenklich seyn würde, wenn nicht eine sehr gründliche Untersuchung vorangeht. Rechne man diese ab, so seyen die Summen, an welche überhaupt gekannt werden könnte, keineswegs so groß, daß die Ergebnisse der Einschränkungen so glänzend ausfallen könnten. Die Regierung verweist daher auf die in der Armee, und zum Theil auch in der Marine bereits

*) Die deutsche Post geht um 4 Uhr Nachmittags ab, und die Briefe müssen wenigstens eine halbe Stunde vorher aufgegeben werden; die französische Post dagegen geht erst um 6 Uhr ab. Da nun die Sitzungen der Kammern gewöhnlich bis gegen 5 Uhr dauern, so können die Brüsseler, vor 6 Uhr ausgegebenen Abendblätter durchgehends schon an demselben Tage nach Paris das Resultat von Abstimmungen abgehen lassen, über die der Correspondent deutscher Blätter erst am nächsten Tage berichten kann.
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[0972/0004] Ministerium dennoch jene „vollständigste Bürgschaft moralischer und religiöser Erziehung“ wirklich gewähren, so wird es sich mit einem Theil seiner jetzigen politischen Freunde entzweien, ohne dafür auf der andern Seite einen hinlänglichen Ersatz zu gewinnen, denn bereits macht das Mißtrauen auf dieser Seite Fortschritte. Ich machte schon darauf aufmerksam, daß Hr. Liedts, der einzige, der als ein Mittelsmann zwischen dem Ministerium und der katholischen Seite der Kammer hätte dastehen können, in dieser Hinsicht von seiner Bedeutung dadurch verliert, daß er das Fach des „öffentlichen Unterrichts“ an Hrn. Rogier, den Minister der öffentlichen Bauten, abgegeben. Dem Vernehmen nach hat er auch überdieß die Abtheilung des Cultus an den Justizminister, Hrn. Leclercq, abgetreten. Eine seltsame Vermengung der Attributionen, wovon man bisher kein Beispiel gesehen, und die, insofern es sich vor Allem davon handelt, den Katholiken Vertrauen einzuflößen, als ein Mißgriff anzusehen ist, welcher die Stellung des Ministeriums erschweren muß. Die Folgen hievon dürften indessen erst fühlbar werden, wenn Fragen von moralischem Gewichte, wie die der Organisation der Schulen, zur Verhandlung kommen; in allen andern kann das neue Cabinet, will es versprochenermaßen in gemäßigtem, verfassungsmäßigen Geiste wirken, auf die Zustimmung des größeren Theils der Kammer rechnen. _ Brüssel, 24 April. Erst nach dem Schlusse des Briefkastens für die deutsche Post *) ging gestern die Repräsentantenkammer zur Abstimmung über die von der rheinischen Eisenbahndirection gekauften 4000 Actien über: das Gesetz wurde mit 58 Stimmen gegen 4 angenommen, ein Beweis, wie allgemein sich in der letzten Zeit die Meinung zu Gunsten desselben geändert hatte. Dazu kam, daß hier der Anhang der alten Minister, weil die Convention mit der rheinischen Direction das Werk dieser letztern war, kein Oppositionsmotiv aus politischen Rücksichten in Beziehung aufs neue Ministerium haben konnte; wogegen die alte Opposition, einstweilen noch voll Anhänglichkeit für die neuen Minister, sich ihrerseits jedes Widerspruchs enthielt, und zum erstenmal ihre ministerielle Rolle zu übernehmen hatte. So verhallten denn die wenigen Stimmen, die sich gegen das Gesetz erhoben, ohne Anklang. Im Senate werden ähnliche Ursachen eine ähnliche Wirkung hervorbringen, die Opposition wird sich auch hier nur auf wenige Stimmen beschränken. Schon gleich gestern, nach der Abstimmung der Repräsentanten, wurde das Gesetz dem Senat überreicht, der auch alsobald einen Ausschuß zur Prüfung desselben ernannte. Heute stattet derselbe durch das Organ des Grafen Duval seinen Bericht an die Kammer ab, der dahin lautet, daß sich der Ausschuß einstimmig für die Annahme des Gesetzes ausgesprochen. Da die Sitzung erst nach 3 Uhr eröffnet wurde, so wird man schwerlich heute schon mit dieser Angelegenheit zu Ende kommen. Ich wiederhole übrigens, daß die Annahme mit großer Stimmenmehrheit gar nicht zu bezweifeln ist. Niederlande. _ Aus dem Haag, 24 April. Die zweite Kammer der Generalstaaten hielt heute wieder die erste Sitzung, in welcher aber nichts von Bedeutung vorkam. Einige Petitionen, bezüglich der Revision des Grundgesetzes, der Freiheit des Gottesdienstes etc. wurden vorgelegt. – Se. Durchl. der Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar ist nach Mannheim abgereist, um daselbst mit unbestimmtem Urlaub längere Zeit zu residiren. – Die deutsche Oper von Köln wird im nächsten Monat einige Vorstellungen in Amsterdam geben, und u. A. Sabine Heinefetter dabei mitwirken. _ Vom Niederrhein, 20 April. Die Antworten der Regierung auf die Bedenken der Generalstaaten sind erschienen, werden aber, da nur äußerst wenig dadurch aufgeklärt wird, nicht befriedigen. Zwar ist die Ziffer des Budgets um beinahe sieben Millionen vermindert, indem das Anlehen von 6,700,000 fl. daraus weggelassen und ein weiterer Ueberschuß von 200,000 fl. vom Jahr 1838 her darin aufgenommen, allein damit ist nicht das mindeste gewonnen, denn dafür sind unter den Ausgaben die Dotation des Syndikats mit 2,500,000 fl. und die 4,000,000 fl. für das Deficit dieses Instituts nicht aufgenommen; wenn sie aber vorher nothwendig waren, so müsse diese Ausgabe es noch jetzt seyn, und auf irgend eine Weise gedeckt werden. Ein Zuschuß aus den Geldmitteln der überseeischen Besitzungen wird für 1840 als nicht thunlich bezeichnet, ohne andere Ursachangabe, und bloß mit dem Bemerken, „man werde die Sache vor die Generalstaaten bringen, wenn durch Versicherung des Decrets vom Jahr 1840 die Regierung auf einen festen und soliden Standpunkt, um für die Zukunft sorgen zu können, gesetzt seyn werde.“ Damit werden sich die Generalstaaten schwerlich begnügen. Etwas genügender ist die Auskunft, welche über die bereits von Belgien bezahlte Rente pro 1839 gegeben wird. Ein großer Theil davon mußte sogleich an Belgien zurückbezahlt werden, wegen der auf das große Buch der 2 1/2procentigen wirklichen Schuld eingeschriebenen Capitalien belgischer Rechenbeamter und öffentlicher Stiftungen, die seit dem Jahr 1830 ihre Renten nicht erhalten hatten. Der Rest ist vorerst dem Schatze der überseeischen Besitzungen für die an denselben gemachten Vorschüsse zugewiesen worden. Dagegen läßt sich nichts einwenden, als daß die Regierung diese Ausgaben und Verrechnungen wohl hätte aufführen können und ganz unnützer Weise den Vorwurf der Verheimlichung auf sich geladen hat. Die Zuweisung des Rests an den Schatz der überseeischen Besitzungen wird freilich mit den Geldverhältnissen dieser letztern überhaupt zur Sprache kommen. Ueber diese, so wie über die Verhältnisse des Syndikats wird man durch die Antworten der Regierung nicht klüger. Die Regierung gibt ihre Verlegenheit gleich im Anfang der Antworten dadurch zu erkennen, daß sie besonders darauf aufmerksam macht, man dürfe das Budget von 1840, wie es vorgelegt worden, nicht als ein Vorbild angesehen, wie dieses künftig gehalten werden solle. Dieß sind aber Versprechungen auf die Zukunft, mit denen sich die Generalstaaten schwerlich wieder werden abspeisen lassen. Das Andringen auf Ersparnisse, so gerecht es ist, hat indeß die Generalstaaten auch zu manchen Forderungen veranlaßt, deren Verwirklichung in der That nicht wohl möglich ist, und die Regierung bemerkt deßhalb: wenn man das ganze Budget und jeden einzelnen Posten durchgeht, so findet man, daß bei weitem der größte Theil der Summen zu solchen Ausgaben gehört, an welche die Hand zu legen unrathsam und im wahren Interesse des Landes bedenklich seyn würde, wenn nicht eine sehr gründliche Untersuchung vorangeht. Rechne man diese ab, so seyen die Summen, an welche überhaupt gekannt werden könnte, keineswegs so groß, daß die Ergebnisse der Einschränkungen so glänzend ausfallen könnten. Die Regierung verweist daher auf die in der Armee, und zum Theil auch in der Marine bereits *) Die deutsche Post geht um 4 Uhr Nachmittags ab, und die Briefe müssen wenigstens eine halbe Stunde vorher aufgegeben werden; die französische Post dagegen geht erst um 6 Uhr ab. Da nun die Sitzungen der Kammern gewöhnlich bis gegen 5 Uhr dauern, so können die Brüsseler, vor 6 Uhr ausgegebenen Abendblätter durchgehends schon an demselben Tage nach Paris das Resultat von Abstimmungen abgehen lassen, über die der Correspondent deutscher Blätter erst am nächsten Tage berichten kann.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 122. Augsburg, 1. Mai 1840, S. 0972. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_122_18400501/4>, abgerufen am 24.04.2024.