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Allgemeine Zeitung. Nr. 116. Augsburg, 25. April 1840.

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wie gewöhnlich geschrieben wird), Laloba, O'Callaghan u. m. A. meist früher gediente Militärs oder geübte Guerilleros aus den letzten Kriegen. Diesen schloß sich auch Cabrera an; jung, ohne Erfahrung, ohne Geld, ohne Verwandte im niedern Aragon, daher ohne allen und jeden Einfluß, den solche Dinge geben, zeichnete er sich dagegen vor allen durch seine geistige Ueberlegenheit, schnelle Auffassungsgabe, Ordnungsliebe und Superiorität in jeglicher Beziehung aus, so daß ihn Carnicer in seinem ersten, eben organisirten Bataillon zum Capitän einer Eliten-Compagnie (Voltigeurs) ernannte. ... Es war in demselben Jahr 1836, als Mina, damaliger Obergeneral des Feindes, die Gefangensetzung von Cabrera's alter Mutter und seiner drei jüngern Schwestern (aus der zweiten Ehe, sein Vater war schon lange todt) befahl, und da diese, mindestens gesetzlose und empörende Maaßregel durchaus nicht den Fortschritten des Sohnes Einhalt thun konnte, vielmehr Cabrera in fast täglich wiederholten Schlägen die Christinische Macht der gänzlichen Vernichtung immer näher brachte, so ließ der General Nogneras die alte 70jährige Mutter erschießen. Cabrera's Mutter, 72 Jahr alt, blind und gelähmt, lebte mit ihren drei Töchtern in großer Zurückgezogenheit in einer Vorstadt Tortosa's, nur Liebe athmend für ihren Sohn, den sie gewöhnlich el pio General, "den gottesfürchtigen General" nannte, und für welchen sie nichts mehr thun konnte als beten. Wenn man ihr sagte, wie beneidenswerth sie als Mutter eines solchen Mannes und eines solchen Helden sey, erwiederte sie nach einigen Brustbekreuzigungen, als Zeichen des höchsten Respects für ihren Sohn, und ihres Dankes zum Himmel: "o Gott! wenn man mir mein Ramonchen nur nicht tödtet." Folgenden Brief, welchen Cabrera seiner Mutter schrieb und zusandte, und dessen Original dem Berichterstatter vorlag, zeugt ganz von dem kindlichen und liebevollen Herzen des Sohnes zu seiner Mutter; er ist ein treues Bild seines Innern und trägt das Datum vom 17 October 1834.

"Meine liebe Mutter, jede Stunde Zeit, welche ich mir in der Vertheidigung der Rechte unsers Königs Karl V und seiner heiligen Sache ermüßigen kann, möchte ich nur dir widmen. Gestern war ich bei Alcanniz, heute bin ich in Monroyo, und in einer Stunde muß ich schon wieder weiter. Ich habe nicht Ruhe, nicht Rast. O, wie schlägt mir das Herz, wenn ich bedenke, wie nahe ich dir bin, und doch kann ich weder dich noch meine Schwestern umarmen; es möchte mir brechen dieses arme Herz, daß ich all' diesen Freuden entsagen muß, denn morgen bin ich schon wieder weit, weit von hier entfernt. Bald werdet ihr wieder von einer Schlacht hören: betet, daß Gott unsere Waffen beschütze. Ich sage dir nicht, wohin ich gehe, aber ich verspreche dir, binnen heute und vierzehn Tagen Nachricht von mir zu senden. Ach, es ist ein schweres Leben, das ich führe, aber die Hoffnung versüßt es, daß ich so mitwirke, um unsern König auf seinen Thron zu setzen. Wenn dieß große Werk gelingen sollte, so wird mich wohl der König zum Capitän seiner Garde ernennen; ich werde dann nicht mehr so arm seyn als jetzt, und dir, theure Mutter, einen Bedienten, Wagen und Pferde halten können. O, dann werde ich ganz glücklich seyn! Leb wohl. Dein Ramon.

NB. Apropos, behalte Andre bei dir; er ist noch zu jung und zart, und ich fürchte für seine Gesundheit." (Andre ist ein naher Verwandter.)

Kaum kann man es glauben, daß die Rache des Feindes auf diese schuldlose Familie fallen konnte, auf diese Frauen, verlassen von allem und jedem männlichen Schutz. Kaum ist es möglich, zu glauben, daß drei commandirende Generale des Feindes in Gemeinschaft diesen teuflichen Plan ausbrüteten, und daß es Schriftsteller wagten, die Apologie dieser Schauderthat zu übernehmen.

Bewaffnete Grenadiere rissen die alte Mutter von ihrem Krankenbett und schleppten sie aufs Schaffot. Dort fällt die Arme auf die Knie nieder, und fragt, bittet und beschwört die Krieger, ihr zu sagen, was man wolle und was sie gethan habe, um so schändlich behandelt zu werden. Sie schweigen alle, nur einer unter ihnen - es war der Officier selbst - raunte ihr barsch entgegen: "man wird dich sogleich erschießen, denn dein Sohn ist unser größter Feind!" - "Gnade, Gnade!" seufzt die arme alte Frau. Doch unter rauhester Behandlung verbindet man ihr die Augen - unnütze Vorsicht, denn sie war ja blind - und ladet die Gewehre. Jetzt ermannt sich die Mutter des heldenmüthigsten Soldaten, und ihrerseits groß, ruft sie mit starker Stimme: "Nun wohl, Sennores, ich bin die Mutter Cabrera's, und ich bin stolz, einen solchen Sohn erzeugt zu haben!" Sie schlägt das Kreuz auf ihrer Brust, welche im Augenblick von zwölf Kugeln durchbohrt wird.

Nur wie durch Wunder werden die drei Schwestern gerettet, da man sie aus Furcht eines Aufstands der indignirten Zuschauer ins Gefängniß zurückschleppte, um ein andermal das bereits ausgesprochene Todesurtheil zu vollstrecken.

Man mag sich das gebrochene Herz des Sohnes und dessen Leiden denken. Sein erster Schrei war ein Schrei der Verzweiflung; sein erstes Wort Schwur ewiger Rache. Man weiß, wie schrecklich er Wort gehalten.

Dieser Act unerhörter Grausamkeit hatte auf Cabrera's Charakter, Denk- und Handlungsweise den tiefsten, entschiedensten Einfluß. Der junge Spanier, durch die glühende Sonne des Südens erzeugt, gebräunt und gepflegt; der feurige Catalan, dessen Blut kocht, wenn es Rache gilt, und der, wenn er Rache schwor, den Schwur erfüllt oder stirbt; der einzige, vielgeliebte Sohn, der niemals seine Leidenschaften zu zügeln gelernt, da er nie dazu angehalten wurde (denn seine Mutter kannte nur Ein Glück, Eine Wonne, ihren Ramon); der glückliche Soldat und Feldherr, unbesiegt und das Schrecken seiner Feinde, umgeben von Tausenden, die nur für ihn athmen, jeden seiner Wünsche abzulauschen, jeden seiner Befehle, oft nur gar zu rasch, auszuführen sich beeilen - dieser erhält heute die Schreckensbotschaft, und erst Tags zuvor spielte ihm das Kriegsglück eine große Zahl Gefangene in die Hände; er erblickt darin Gottes Finger - er befiehlt, und Alle sinken als blutige Sühnopfer seiner schuldlos gemordeten Mutter!

Tiefes Schaudern erregt dieses Ereigniß. Es fand statt in den Siegesfeldern von Cadrillas, unweit Bundol, im Königreich Valencia. Der Feind, welcher diese Schreckensthat durch die "Ermordung einer alten Mutter, um des Sohnes Fehl zu strafen", hervorgerufen, läßt ebenfalls so viel Gefangene erschießen, als er besitzt. Beide Theile überbieten sich nun in Grausamkeiten, und Cabrera, dem das Kriegsglück immer neue Gefangene zuführte, opfert sie alle. Er erstürmt Utiel, Requenna, Sueca etc. im Königreich Valencia, eilt nach Aragon, vereint sich mit Serrador, erstürmt Mirambel, Bordon, Orcajo und andere Orte mehr, und alle Gefangenen fallen!

(Weitere Auszüge folgen.)

Die Vertheidigung des südwestlichen Deutschlands.

In Ihrem Blatt vom 4 d. M. haben wir mit wahrer Genugthuung einen gediegenen Artikel aus Wien vom 28 März über die großartigen Leistungen gelesen, welche das gemeinsame deutsche Vaterland

wie gewöhnlich geschrieben wird), Laloba, O'Callaghan u. m. A. meist früher gediente Militärs oder geübte Guerilleros aus den letzten Kriegen. Diesen schloß sich auch Cabrera an; jung, ohne Erfahrung, ohne Geld, ohne Verwandte im niedern Aragon, daher ohne allen und jeden Einfluß, den solche Dinge geben, zeichnete er sich dagegen vor allen durch seine geistige Ueberlegenheit, schnelle Auffassungsgabe, Ordnungsliebe und Superiorität in jeglicher Beziehung aus, so daß ihn Carnicer in seinem ersten, eben organisirten Bataillon zum Capitän einer Eliten-Compagnie (Voltigeurs) ernannte. ... Es war in demselben Jahr 1836, als Mina, damaliger Obergeneral des Feindes, die Gefangensetzung von Cabrera's alter Mutter und seiner drei jüngern Schwestern (aus der zweiten Ehe, sein Vater war schon lange todt) befahl, und da diese, mindestens gesetzlose und empörende Maaßregel durchaus nicht den Fortschritten des Sohnes Einhalt thun konnte, vielmehr Cabrera in fast täglich wiederholten Schlägen die Christinische Macht der gänzlichen Vernichtung immer näher brachte, so ließ der General Nogneras die alte 70jährige Mutter erschießen. Cabrera's Mutter, 72 Jahr alt, blind und gelähmt, lebte mit ihren drei Töchtern in großer Zurückgezogenheit in einer Vorstadt Tortosa's, nur Liebe athmend für ihren Sohn, den sie gewöhnlich el pio General, „den gottesfürchtigen General“ nannte, und für welchen sie nichts mehr thun konnte als beten. Wenn man ihr sagte, wie beneidenswerth sie als Mutter eines solchen Mannes und eines solchen Helden sey, erwiederte sie nach einigen Brustbekreuzigungen, als Zeichen des höchsten Respects für ihren Sohn, und ihres Dankes zum Himmel: „o Gott! wenn man mir mein Ramonchen nur nicht tödtet.“ Folgenden Brief, welchen Cabrera seiner Mutter schrieb und zusandte, und dessen Original dem Berichterstatter vorlag, zeugt ganz von dem kindlichen und liebevollen Herzen des Sohnes zu seiner Mutter; er ist ein treues Bild seines Innern und trägt das Datum vom 17 October 1834.

„Meine liebe Mutter, jede Stunde Zeit, welche ich mir in der Vertheidigung der Rechte unsers Königs Karl V und seiner heiligen Sache ermüßigen kann, möchte ich nur dir widmen. Gestern war ich bei Alcañiz, heute bin ich in Monroyo, und in einer Stunde muß ich schon wieder weiter. Ich habe nicht Ruhe, nicht Rast. O, wie schlägt mir das Herz, wenn ich bedenke, wie nahe ich dir bin, und doch kann ich weder dich noch meine Schwestern umarmen; es möchte mir brechen dieses arme Herz, daß ich all' diesen Freuden entsagen muß, denn morgen bin ich schon wieder weit, weit von hier entfernt. Bald werdet ihr wieder von einer Schlacht hören: betet, daß Gott unsere Waffen beschütze. Ich sage dir nicht, wohin ich gehe, aber ich verspreche dir, binnen heute und vierzehn Tagen Nachricht von mir zu senden. Ach, es ist ein schweres Leben, das ich führe, aber die Hoffnung versüßt es, daß ich so mitwirke, um unsern König auf seinen Thron zu setzen. Wenn dieß große Werk gelingen sollte, so wird mich wohl der König zum Capitän seiner Garde ernennen; ich werde dann nicht mehr so arm seyn als jetzt, und dir, theure Mutter, einen Bedienten, Wagen und Pferde halten können. O, dann werde ich ganz glücklich seyn! Leb wohl. Dein Ramon.

NB. Apropos, behalte André bei dir; er ist noch zu jung und zart, und ich fürchte für seine Gesundheit.“ (André ist ein naher Verwandter.)

Kaum kann man es glauben, daß die Rache des Feindes auf diese schuldlose Familie fallen konnte, auf diese Frauen, verlassen von allem und jedem männlichen Schutz. Kaum ist es möglich, zu glauben, daß drei commandirende Generale des Feindes in Gemeinschaft diesen teuflichen Plan ausbrüteten, und daß es Schriftsteller wagten, die Apologie dieser Schauderthat zu übernehmen.

Bewaffnete Grenadiere rissen die alte Mutter von ihrem Krankenbett und schleppten sie aufs Schaffot. Dort fällt die Arme auf die Knie nieder, und fragt, bittet und beschwört die Krieger, ihr zu sagen, was man wolle und was sie gethan habe, um so schändlich behandelt zu werden. Sie schweigen alle, nur einer unter ihnen – es war der Officier selbst – raunte ihr barsch entgegen: „man wird dich sogleich erschießen, denn dein Sohn ist unser größter Feind!“ – „Gnade, Gnade!“ seufzt die arme alte Frau. Doch unter rauhester Behandlung verbindet man ihr die Augen – unnütze Vorsicht, denn sie war ja blind – und ladet die Gewehre. Jetzt ermannt sich die Mutter des heldenmüthigsten Soldaten, und ihrerseits groß, ruft sie mit starker Stimme: „Nun wohl, Señores, ich bin die Mutter Cabrera's, und ich bin stolz, einen solchen Sohn erzeugt zu haben!“ Sie schlägt das Kreuz auf ihrer Brust, welche im Augenblick von zwölf Kugeln durchbohrt wird.

Nur wie durch Wunder werden die drei Schwestern gerettet, da man sie aus Furcht eines Aufstands der indignirten Zuschauer ins Gefängniß zurückschleppte, um ein andermal das bereits ausgesprochene Todesurtheil zu vollstrecken.

Man mag sich das gebrochene Herz des Sohnes und dessen Leiden denken. Sein erster Schrei war ein Schrei der Verzweiflung; sein erstes Wort Schwur ewiger Rache. Man weiß, wie schrecklich er Wort gehalten.

Dieser Act unerhörter Grausamkeit hatte auf Cabrera's Charakter, Denk- und Handlungsweise den tiefsten, entschiedensten Einfluß. Der junge Spanier, durch die glühende Sonne des Südens erzeugt, gebräunt und gepflegt; der feurige Catalan, dessen Blut kocht, wenn es Rache gilt, und der, wenn er Rache schwor, den Schwur erfüllt oder stirbt; der einzige, vielgeliebte Sohn, der niemals seine Leidenschaften zu zügeln gelernt, da er nie dazu angehalten wurde (denn seine Mutter kannte nur Ein Glück, Eine Wonne, ihren Ramon); der glückliche Soldat und Feldherr, unbesiegt und das Schrecken seiner Feinde, umgeben von Tausenden, die nur für ihn athmen, jeden seiner Wünsche abzulauschen, jeden seiner Befehle, oft nur gar zu rasch, auszuführen sich beeilen – dieser erhält heute die Schreckensbotschaft, und erst Tags zuvor spielte ihm das Kriegsglück eine große Zahl Gefangene in die Hände; er erblickt darin Gottes Finger – er befiehlt, und Alle sinken als blutige Sühnopfer seiner schuldlos gemordeten Mutter!

Tiefes Schaudern erregt dieses Ereigniß. Es fand statt in den Siegesfeldern von Cadrillas, unweit Buñol, im Königreich Valencia. Der Feind, welcher diese Schreckensthat durch die „Ermordung einer alten Mutter, um des Sohnes Fehl zu strafen“, hervorgerufen, läßt ebenfalls so viel Gefangene erschießen, als er besitzt. Beide Theile überbieten sich nun in Grausamkeiten, und Cabrera, dem das Kriegsglück immer neue Gefangene zuführte, opfert sie alle. Er erstürmt Utiel, Requeña, Sueca etc. im Königreich Valencia, eilt nach Aragon, vereint sich mit Serrador, erstürmt Mirambel, Bordon, Orcajo und andere Orte mehr, und alle Gefangenen fallen!

(Weitere Auszüge folgen.)

Die Vertheidigung des südwestlichen Deutschlands.

In Ihrem Blatt vom 4 d. M. haben wir mit wahrer Genugthuung einen gediegenen Artikel aus Wien vom 28 März über die großartigen Leistungen gelesen, welche das gemeinsame deutsche Vaterland

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[0923/0010] wie gewöhnlich geschrieben wird), Laloba, O'Callaghan u. m. A. meist früher gediente Militärs oder geübte Guerilleros aus den letzten Kriegen. Diesen schloß sich auch Cabrera an; jung, ohne Erfahrung, ohne Geld, ohne Verwandte im niedern Aragon, daher ohne allen und jeden Einfluß, den solche Dinge geben, zeichnete er sich dagegen vor allen durch seine geistige Ueberlegenheit, schnelle Auffassungsgabe, Ordnungsliebe und Superiorität in jeglicher Beziehung aus, so daß ihn Carnicer in seinem ersten, eben organisirten Bataillon zum Capitän einer Eliten-Compagnie (Voltigeurs) ernannte. ... 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Wenn man ihr sagte, wie beneidenswerth sie als Mutter eines solchen Mannes und eines solchen Helden sey, erwiederte sie nach einigen Brustbekreuzigungen, als Zeichen des höchsten Respects für ihren Sohn, und ihres Dankes zum Himmel: „o Gott! wenn man mir mein Ramonchen nur nicht tödtet.“ Folgenden Brief, welchen Cabrera seiner Mutter schrieb und zusandte, und dessen Original dem Berichterstatter vorlag, zeugt ganz von dem kindlichen und liebevollen Herzen des Sohnes zu seiner Mutter; er ist ein treues Bild seines Innern und trägt das Datum vom 17 October 1834. „Meine liebe Mutter, jede Stunde Zeit, welche ich mir in der Vertheidigung der Rechte unsers Königs Karl V und seiner heiligen Sache ermüßigen kann, möchte ich nur dir widmen. Gestern war ich bei Alcañiz, heute bin ich in Monroyo, und in einer Stunde muß ich schon wieder weiter. Ich habe nicht Ruhe, nicht Rast. O, wie schlägt mir das Herz, wenn ich bedenke, wie nahe ich dir bin, und doch kann ich weder dich noch meine Schwestern umarmen; es möchte mir brechen dieses arme Herz, daß ich all' diesen Freuden entsagen muß, denn morgen bin ich schon wieder weit, weit von hier entfernt. Bald werdet ihr wieder von einer Schlacht hören: betet, daß Gott unsere Waffen beschütze. Ich sage dir nicht, wohin ich gehe, aber ich verspreche dir, binnen heute und vierzehn Tagen Nachricht von mir zu senden. Ach, es ist ein schweres Leben, das ich führe, aber die Hoffnung versüßt es, daß ich so mitwirke, um unsern König auf seinen Thron zu setzen. Wenn dieß große Werk gelingen sollte, so wird mich wohl der König zum Capitän seiner Garde ernennen; ich werde dann nicht mehr so arm seyn als jetzt, und dir, theure Mutter, einen Bedienten, Wagen und Pferde halten können. O, dann werde ich ganz glücklich seyn! Leb wohl. Dein Ramon. NB. 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Der junge Spanier, durch die glühende Sonne des Südens erzeugt, gebräunt und gepflegt; der feurige Catalan, dessen Blut kocht, wenn es Rache gilt, und der, wenn er Rache schwor, den Schwur erfüllt oder stirbt; der einzige, vielgeliebte Sohn, der niemals seine Leidenschaften zu zügeln gelernt, da er nie dazu angehalten wurde (denn seine Mutter kannte nur Ein Glück, Eine Wonne, ihren Ramon); der glückliche Soldat und Feldherr, unbesiegt und das Schrecken seiner Feinde, umgeben von Tausenden, die nur für ihn athmen, jeden seiner Wünsche abzulauschen, jeden seiner Befehle, oft nur gar zu rasch, auszuführen sich beeilen – dieser erhält heute die Schreckensbotschaft, und erst Tags zuvor spielte ihm das Kriegsglück eine große Zahl Gefangene in die Hände; er erblickt darin Gottes Finger – er befiehlt, und Alle sinken als blutige Sühnopfer seiner schuldlos gemordeten Mutter! Tiefes Schaudern erregt dieses Ereigniß. 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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 116. Augsburg, 25. April 1840, S. 0923. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_116_18400425/10>, abgerufen am 28.03.2024.