Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Hr. v. Montalembert begann mit dem Ausdruck des Erstaunens, daß die "parlamentarische" Regierung so vielen Widerwillen in der Kammer finde. Es sey dieß im Grund nur die ganz gemäßigte, vernünftige Idee der Juliusrevolution, d. h. das Uebergewicht der legitimen Wünsche des Landes in legaler Weise ausgedrückt. Fast ohne Widerstand sey jenes Wort in die letzte Deputirtenkammer-Adresse aufgenommen worden, der eine große Zahl conservativer Boten beigestimmt habe. Selbst aber wenn dieses Wort unbekannte Schrecknisse einschlösse, würde es durch die Annahme von Seite der Pairskammer viel von seiner Kraft und vielleicht seine ganze Gefahr verlieren. Ein zweites Schreckbild sey der Zutritt der Linken und ihrer Journale. Er seinerseits glaube, man sollte sich über die Annäherung der Linken an die Regierung eher freuen, als sich beunruhigen, denn wenn er auch die Principien der Linken, mit Ausnahme ihrer Meinungen über die auswärtige Politik, keineswegs theile, so könne er doch nicht läugnen, daß die Stellung dieser Partei in Frankreich sowohl wegen der Zahl, als der Thätigkeit und Energie ihrer Mitglieder hohe Bedeutung habe; man könne daher nur wünschen, daß ihre jetzige der Regierung günstige Stimmung von Dauer seyn möge, denn jene Partei für immer auszuschließen, sie zu einer bleibenden Opposition zu zwingen, schiene ihm die unverständigste und gefährlichste Politik von der Welt, während ihre jetzige Anschließung gar viele Vorurtheile der Partei beschwichtigen werde. Welche Energie dagegen der jetzige Conseilpräsident der Unordnung und den Factionen gegenüber besitze, das habe er bei mehr als Einer Gelegenheit so schlagend bewiesen, daß sein damaliges Benehmen wohl auch eine gute Bürgschaft für die Zukunft biete. "Oft höre ich sagen (fuhr der Redner fort), daß diese oder jene Partei schwächer werde. Kürzlich sagten die einen, die conservative Partei sey verschwunden; die andern discutirten über den Ursprung und Genealogie des linken Centrums. Noch andere fragten: wißt ihr, was aus den Doctrinären geworden ist? (Gelächter.) Ich weiß es nicht, und kümmere mich nicht darum; ich glaube auch nicht, daß das Land sich viel um das Schicksal dieser Parteien kümmere, denen es nur von ferne zusieht. Was aber bei all diesen Discussionen leidet, das ist die Größe und der legitime Einfluß Frankreichs. Ja bei diesen großen Fragen der allgemeinen Politik, die auftauchen und sich lösen inmitten der Gleichgültigkeit und des Hin- und Herredens einer Versammlung, die man ihrer Mission ungetreu glauben könnte, greift in der Welt ein Gedanke mehr und mehr um sich: der Gedanke, daß Frankreich im Sinken ist. Ich beschwöre Sie, ich beschwöre die Regierung, ich beschwöre die Männer, die mit der höchsten Gewalt bekleidet sind: lassen Sie diesen Gedanken nicht noch mehr Raum gewinnen, weder im Innern noch nach außen. Ich beschwöre Sie, über das geheiligte Unterpfand, das wir von unsern Vätern erhalten, über die Nationalgröße zu wachen, nicht zu dulden, daß unter der Repräsentativregierung, unter einer Regierung der Freiheit und der Nationalität, jenes Unterpfand weniger glänzend und kostbar erscheine, als unter der absoluten Monarchie. (Bewegung.) Ferne von mir ist der Gedanke ein berüchtigtes und ungerechtes Wort zu wiederholen, das auf eine andere Epoche unserer Geschichte angewendet worden, von der man sagte, sie sey im Koth stecken geblieben. Ich wiederhole dieses Wort nur, um es zu tadeln. Ich fürchte aber, daß die Nachwelt, wenn sie unsre endlosen Discussionen und ihre nichtigen Resultate sieht, von unsrer gegenwärtigen Geschichtsepoche sage, sie sey in der Leere stecken geblieben. (Bewegung.) Vielleicht hält man mir entgegen, diese Schwäche, diese Abnahme des Nationalgefühls und der Theilnahme an den großen Angelegenheiten Europa's komme daher, daß Frankreich im Jahre 1830 das Princip der Legitimität zerrissen, daß es eine Revolution vollbracht habe. Ich bekämpfe diese Behauptung. Zwar kann ich nicht sagen, wie der Hr. Präsident des Conseils, daß ich ein Kind der Juliusrevolution sey, daß ich ihr Alles, was ich bin, verdanke. Im Gegentheil bin ich, das Wenige, was ich bin, ohne sie und trotz ihr geworden. Aber nichts destoweniger bringe ich ihr eine feierliche und uneigennützige Huldigung; sie war eine große That, denn sie war ehrenwerth, wie der Hr. Präsident des Conseils gesagt, sie war ehrenwerth, denn sie war gemäßigt. Ich sage hiemit nicht, daß die Juliusrevolution ein Glück gewesen; aber sie war ein Act der Gerechtigkeit, und eine Gerechtigkeit bringt einer großen Nation niemals Unglück. (Zeichen der Beistimmung.) Am wenigsten aber kann man der Juliusrevolution Schuld geben, sie habe Frankreich geschwächt; und zum Beweis hiefür rufe ich Ihnen nur die Erinnerungen von 1830 zurück. Waren wir in den Tagen, die der Juliusrevolution folgten, nicht die überwiegende Macht in Europa? Die Politik, die ich meinem Lande wünsche, ist: jene Tage wiederzufinden ohne ihre Inconvenienzen. (Lebhafter Beifall.) Ich glaube, der Präsident des Conseils trägt das Gefühl jener Politik und jener Stellung in sich; ich glaube auch, er hat den Willen und die Macht, sie zu verwirklichen; daher stimme ich seinem Ministerium bei. Die Größe unsers Vaterlandes" ... Der Redner konnte diese Phrase über wieder zu erringendes Uebergewicht nicht vollenden, da in demselben Augenblick einer der Pairs, Hr. v. Bessieres, wie es hieß, vom Schlag gerührt, in Ohnmacht fiel, was sonst für ein schlimmes Omen gegolten hätte. Der Kanzler sagte: "Graf Montalembert sieht, welches Unglück eben eingetreten. Will die Kammer fortfahren?" Von allen Seiten: "Nein! nein! auf morgen."

In der Rede des Hrn. Villemain in der Pairskammersitzung vom 16 April, deren Resultat wir gestern gemeldet, befindet sich folgende Stelle über die orientalische Frage. "In was bestand - fragte der Redner - der angebliche Fehler der Politik des letzten Ministeriums? Das letzte Ministerium zeigte einen freundschaftlichen und aufrichtigen Widerstand einer Macht gegenüber, welche ihre Achtung für den Ruhm, der in den Erinnerungen einer großen Zeit des Kaiserreichs und in dem Mann liegt, der jene Zeit personificirt, öffentlich ausgesprochen hat. Dieser Mann (Marschall Soult), sage ich, übte mit aller Offenheit einen freundschaftlichen, friedlichen, militärischen Widerstand, durch welchen ein gewandtes, mächtiges Cabinet bewogen wurde, nochmals zu überlegen, bei gewissen Maaßregeln zu zaudern, so daß endlich Elemente der Versöhnung zwischen zwei mächtigen Cabinetten vorbereitet wurden. Wenn ein anderes Ministerium aus diesen Elementen der Versöhnung Nutzen zieht, so wünschen wir uns und dem Land Glück dazu. Nur soll man nicht das früher Geschehene verleumden und sich selbst rühmen, während man nur auf derselben Bahn beharrt."

Die Zahl der schwarzen Kugeln, welche sich bei der Abstimmung über die geheimen Fonds in der Urne der Pairskammer vorfanden, betrug nur 53, statt 59, wie uns gestern irrig mitgetheilt worden. Die Majorität war 87.

Es heißt, Graf Jaubert werde nächstens der Kammer einen Gesetzesentwurf zur Vollendung des Louvre vorlegen.

Die Nachrichten aus Algier in den Touloner und Marseiller Blättern gehen nicht weiter, als bis zum 4 April. Das Wetter war schlecht und die Atlaskette wieder mit Schnee bedeckt, was den Marsch nach Dellys hinderte, so daß derselbe wahrscheinlich bis zum Ende der großen Operationen gegen

Hr. v. Montalembert begann mit dem Ausdruck des Erstaunens, daß die „parlamentarische“ Regierung so vielen Widerwillen in der Kammer finde. Es sey dieß im Grund nur die ganz gemäßigte, vernünftige Idee der Juliusrevolution, d. h. das Uebergewicht der legitimen Wünsche des Landes in legaler Weise ausgedrückt. Fast ohne Widerstand sey jenes Wort in die letzte Deputirtenkammer-Adresse aufgenommen worden, der eine große Zahl conservativer Boten beigestimmt habe. Selbst aber wenn dieses Wort unbekannte Schrecknisse einschlösse, würde es durch die Annahme von Seite der Pairskammer viel von seiner Kraft und vielleicht seine ganze Gefahr verlieren. Ein zweites Schreckbild sey der Zutritt der Linken und ihrer Journale. Er seinerseits glaube, man sollte sich über die Annäherung der Linken an die Regierung eher freuen, als sich beunruhigen, denn wenn er auch die Principien der Linken, mit Ausnahme ihrer Meinungen über die auswärtige Politik, keineswegs theile, so könne er doch nicht läugnen, daß die Stellung dieser Partei in Frankreich sowohl wegen der Zahl, als der Thätigkeit und Energie ihrer Mitglieder hohe Bedeutung habe; man könne daher nur wünschen, daß ihre jetzige der Regierung günstige Stimmung von Dauer seyn möge, denn jene Partei für immer auszuschließen, sie zu einer bleibenden Opposition zu zwingen, schiene ihm die unverständigste und gefährlichste Politik von der Welt, während ihre jetzige Anschließung gar viele Vorurtheile der Partei beschwichtigen werde. Welche Energie dagegen der jetzige Conseilpräsident der Unordnung und den Factionen gegenüber besitze, das habe er bei mehr als Einer Gelegenheit so schlagend bewiesen, daß sein damaliges Benehmen wohl auch eine gute Bürgschaft für die Zukunft biete. „Oft höre ich sagen (fuhr der Redner fort), daß diese oder jene Partei schwächer werde. Kürzlich sagten die einen, die conservative Partei sey verschwunden; die andern discutirten über den Ursprung und Genealogie des linken Centrums. Noch andere fragten: wißt ihr, was aus den Doctrinären geworden ist? (Gelächter.) Ich weiß es nicht, und kümmere mich nicht darum; ich glaube auch nicht, daß das Land sich viel um das Schicksal dieser Parteien kümmere, denen es nur von ferne zusieht. Was aber bei all diesen Discussionen leidet, das ist die Größe und der legitime Einfluß Frankreichs. Ja bei diesen großen Fragen der allgemeinen Politik, die auftauchen und sich lösen inmitten der Gleichgültigkeit und des Hin- und Herredens einer Versammlung, die man ihrer Mission ungetreu glauben könnte, greift in der Welt ein Gedanke mehr und mehr um sich: der Gedanke, daß Frankreich im Sinken ist. Ich beschwöre Sie, ich beschwöre die Regierung, ich beschwöre die Männer, die mit der höchsten Gewalt bekleidet sind: lassen Sie diesen Gedanken nicht noch mehr Raum gewinnen, weder im Innern noch nach außen. Ich beschwöre Sie, über das geheiligte Unterpfand, das wir von unsern Vätern erhalten, über die Nationalgröße zu wachen, nicht zu dulden, daß unter der Repräsentativregierung, unter einer Regierung der Freiheit und der Nationalität, jenes Unterpfand weniger glänzend und kostbar erscheine, als unter der absoluten Monarchie. (Bewegung.) Ferne von mir ist der Gedanke ein berüchtigtes und ungerechtes Wort zu wiederholen, das auf eine andere Epoche unserer Geschichte angewendet worden, von der man sagte, sie sey im Koth stecken geblieben. Ich wiederhole dieses Wort nur, um es zu tadeln. Ich fürchte aber, daß die Nachwelt, wenn sie unsre endlosen Discussionen und ihre nichtigen Resultate sieht, von unsrer gegenwärtigen Geschichtsepoche sage, sie sey in der Leere stecken geblieben. (Bewegung.) Vielleicht hält man mir entgegen, diese Schwäche, diese Abnahme des Nationalgefühls und der Theilnahme an den großen Angelegenheiten Europa's komme daher, daß Frankreich im Jahre 1830 das Princip der Legitimität zerrissen, daß es eine Revolution vollbracht habe. Ich bekämpfe diese Behauptung. Zwar kann ich nicht sagen, wie der Hr. Präsident des Conseils, daß ich ein Kind der Juliusrevolution sey, daß ich ihr Alles, was ich bin, verdanke. Im Gegentheil bin ich, das Wenige, was ich bin, ohne sie und trotz ihr geworden. Aber nichts destoweniger bringe ich ihr eine feierliche und uneigennützige Huldigung; sie war eine große That, denn sie war ehrenwerth, wie der Hr. Präsident des Conseils gesagt, sie war ehrenwerth, denn sie war gemäßigt. Ich sage hiemit nicht, daß die Juliusrevolution ein Glück gewesen; aber sie war ein Act der Gerechtigkeit, und eine Gerechtigkeit bringt einer großen Nation niemals Unglück. (Zeichen der Beistimmung.) Am wenigsten aber kann man der Juliusrevolution Schuld geben, sie habe Frankreich geschwächt; und zum Beweis hiefür rufe ich Ihnen nur die Erinnerungen von 1830 zurück. Waren wir in den Tagen, die der Juliusrevolution folgten, nicht die überwiegende Macht in Europa? Die Politik, die ich meinem Lande wünsche, ist: jene Tage wiederzufinden ohne ihre Inconvenienzen. (Lebhafter Beifall.) Ich glaube, der Präsident des Conseils trägt das Gefühl jener Politik und jener Stellung in sich; ich glaube auch, er hat den Willen und die Macht, sie zu verwirklichen; daher stimme ich seinem Ministerium bei. Die Größe unsers Vaterlandes“ ... Der Redner konnte diese Phrase über wieder zu erringendes Uebergewicht nicht vollenden, da in demselben Augenblick einer der Pairs, Hr. v. Bessières, wie es hieß, vom Schlag gerührt, in Ohnmacht fiel, was sonst für ein schlimmes Omen gegolten hätte. Der Kanzler sagte: „Graf Montalembert sieht, welches Unglück eben eingetreten. Will die Kammer fortfahren?“ Von allen Seiten: „Nein! nein! auf morgen.“

In der Rede des Hrn. Villemain in der Pairskammersitzung vom 16 April, deren Resultat wir gestern gemeldet, befindet sich folgende Stelle über die orientalische Frage. „In was bestand – fragte der Redner – der angebliche Fehler der Politik des letzten Ministeriums? Das letzte Ministerium zeigte einen freundschaftlichen und aufrichtigen Widerstand einer Macht gegenüber, welche ihre Achtung für den Ruhm, der in den Erinnerungen einer großen Zeit des Kaiserreichs und in dem Mann liegt, der jene Zeit personificirt, öffentlich ausgesprochen hat. Dieser Mann (Marschall Soult), sage ich, übte mit aller Offenheit einen freundschaftlichen, friedlichen, militärischen Widerstand, durch welchen ein gewandtes, mächtiges Cabinet bewogen wurde, nochmals zu überlegen, bei gewissen Maaßregeln zu zaudern, so daß endlich Elemente der Versöhnung zwischen zwei mächtigen Cabinetten vorbereitet wurden. Wenn ein anderes Ministerium aus diesen Elementen der Versöhnung Nutzen zieht, so wünschen wir uns und dem Land Glück dazu. Nur soll man nicht das früher Geschehene verleumden und sich selbst rühmen, während man nur auf derselben Bahn beharrt.“

Die Zahl der schwarzen Kugeln, welche sich bei der Abstimmung über die geheimen Fonds in der Urne der Pairskammer vorfanden, betrug nur 53, statt 59, wie uns gestern irrig mitgetheilt worden. Die Majorität war 87.

Es heißt, Graf Jaubert werde nächstens der Kammer einen Gesetzesentwurf zur Vollendung des Louvre vorlegen.

Die Nachrichten aus Algier in den Touloner und Marseiller Blättern gehen nicht weiter, als bis zum 4 April. Das Wetter war schlecht und die Atlaskette wieder mit Schnee bedeckt, was den Marsch nach Dellys hinderte, so daß derselbe wahrscheinlich bis zum Ende der großen Operationen gegen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0899"/>
Hr. v. Montalembert begann mit dem Ausdruck des Erstaunens, daß die &#x201E;parlamentarische&#x201C; Regierung so vielen Widerwillen in der Kammer finde. Es sey dieß im Grund nur die ganz gemäßigte, vernünftige Idee der Juliusrevolution, d. h. das Uebergewicht der legitimen Wünsche des Landes in legaler Weise ausgedrückt. Fast ohne Widerstand sey jenes Wort in die letzte Deputirtenkammer-Adresse aufgenommen worden, der eine große Zahl conservativer Boten beigestimmt habe. Selbst aber wenn dieses Wort unbekannte Schrecknisse einschlösse, würde es durch die Annahme von Seite der Pairskammer viel von seiner Kraft und vielleicht seine ganze Gefahr verlieren. Ein zweites Schreckbild sey der Zutritt der Linken und ihrer Journale. Er seinerseits glaube, man sollte sich über die Annäherung der Linken an die Regierung eher freuen, als sich beunruhigen, denn wenn er auch die Principien der Linken, mit Ausnahme ihrer Meinungen über die auswärtige Politik, keineswegs theile, so könne er doch nicht läugnen, daß die Stellung dieser Partei in Frankreich sowohl wegen der Zahl, als der Thätigkeit und Energie ihrer Mitglieder hohe Bedeutung habe; man könne daher nur wünschen, daß ihre jetzige der Regierung günstige Stimmung von Dauer seyn möge, denn jene Partei für immer auszuschließen, sie zu einer bleibenden Opposition zu zwingen, schiene ihm die unverständigste und gefährlichste Politik von der Welt, während ihre jetzige Anschließung gar viele Vorurtheile der Partei beschwichtigen werde. Welche Energie dagegen der jetzige Conseilpräsident der Unordnung und den Factionen gegenüber besitze, das habe er bei mehr als Einer Gelegenheit so schlagend bewiesen, daß sein damaliges Benehmen wohl auch eine gute Bürgschaft für die Zukunft biete. &#x201E;Oft höre ich sagen (fuhr der Redner fort), daß diese oder jene Partei schwächer werde. Kürzlich sagten die einen, die conservative Partei sey verschwunden; die andern discutirten über den Ursprung und Genealogie des linken Centrums. Noch andere fragten: wißt ihr, was aus den Doctrinären geworden ist? (Gelächter.) Ich weiß es nicht, und kümmere mich nicht darum; ich glaube auch nicht, daß das Land sich viel um das Schicksal dieser Parteien kümmere, denen es nur von ferne zusieht. Was aber bei all diesen Discussionen leidet, das ist die Größe und der legitime Einfluß Frankreichs. Ja bei diesen großen Fragen der allgemeinen Politik, die auftauchen und sich lösen inmitten der Gleichgültigkeit und des Hin- und Herredens einer Versammlung, die man ihrer Mission ungetreu glauben könnte, greift in der Welt ein Gedanke mehr und mehr um sich: der Gedanke, daß Frankreich im Sinken ist. Ich beschwöre Sie, ich beschwöre die Regierung, ich beschwöre die Männer, die mit der höchsten Gewalt bekleidet sind: lassen Sie diesen Gedanken nicht noch mehr Raum gewinnen, weder im Innern noch nach außen. Ich beschwöre Sie, über das geheiligte Unterpfand, das wir von unsern Vätern erhalten, über die Nationalgröße zu wachen, nicht zu dulden, daß unter der Repräsentativregierung, unter einer Regierung der Freiheit und der Nationalität, jenes Unterpfand weniger glänzend und kostbar erscheine, als unter der absoluten Monarchie. (Bewegung.) Ferne von mir ist der Gedanke ein berüchtigtes und ungerechtes Wort zu wiederholen, das auf eine andere Epoche unserer Geschichte angewendet worden, von der man sagte, sie sey im Koth stecken geblieben. Ich wiederhole dieses Wort nur, um es zu tadeln. Ich fürchte aber, daß die Nachwelt, wenn sie unsre endlosen Discussionen und ihre nichtigen Resultate sieht, von unsrer gegenwärtigen Geschichtsepoche sage, sie sey in der Leere stecken geblieben. (Bewegung.) Vielleicht hält man mir entgegen, diese Schwäche, diese Abnahme des Nationalgefühls und der Theilnahme an den großen Angelegenheiten Europa's komme daher, daß Frankreich im Jahre 1830 das Princip der Legitimität zerrissen, daß es eine Revolution vollbracht habe. Ich bekämpfe diese Behauptung. Zwar kann ich nicht sagen, wie der Hr. Präsident des Conseils, daß ich ein Kind der Juliusrevolution sey, daß ich ihr Alles, was ich bin, verdanke. Im Gegentheil bin ich, das Wenige, was ich bin, ohne sie und trotz ihr geworden. Aber nichts destoweniger bringe ich ihr eine feierliche und uneigennützige Huldigung; sie war eine große That, denn sie war ehrenwerth, wie der Hr. Präsident des Conseils gesagt, sie war ehrenwerth, denn sie war gemäßigt. Ich sage hiemit nicht, daß die Juliusrevolution ein Glück gewesen; aber sie war ein Act der Gerechtigkeit, und eine Gerechtigkeit bringt einer großen Nation niemals Unglück. (Zeichen der Beistimmung.) Am wenigsten aber kann man der Juliusrevolution Schuld geben, sie habe Frankreich geschwächt; und zum Beweis hiefür rufe ich Ihnen nur die Erinnerungen von 1830 zurück. Waren wir in den Tagen, die der Juliusrevolution folgten, nicht die überwiegende Macht in Europa? Die Politik, die ich meinem Lande wünsche, ist: jene Tage wiederzufinden ohne ihre Inconvenienzen. (Lebhafter Beifall.) Ich glaube, der Präsident des Conseils trägt das Gefühl jener Politik und jener Stellung in sich; ich glaube auch, er hat den Willen und die Macht, sie zu verwirklichen; daher stimme ich seinem Ministerium bei. Die Größe unsers Vaterlandes&#x201C; ... Der Redner konnte diese Phrase über wieder zu erringendes Uebergewicht nicht vollenden, da in demselben Augenblick einer der Pairs, Hr. v. Bessières, wie es hieß, vom Schlag gerührt, in Ohnmacht fiel, was sonst für ein schlimmes Omen gegolten hätte. Der <hi rendition="#g">Kanzler</hi> sagte: &#x201E;Graf Montalembert sieht, welches Unglück eben eingetreten. Will die Kammer fortfahren?&#x201C; Von allen Seiten: &#x201E;Nein! nein! auf morgen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>In der Rede des Hrn. Villemain in der Pairskammersitzung vom 16 April, deren Resultat wir gestern gemeldet, befindet sich folgende Stelle über die orientalische Frage. &#x201E;In was bestand &#x2013; fragte der Redner &#x2013; der angebliche Fehler der Politik des letzten Ministeriums? Das letzte Ministerium zeigte einen freundschaftlichen und aufrichtigen Widerstand einer Macht gegenüber, welche ihre Achtung für den Ruhm, der in den Erinnerungen einer großen Zeit des Kaiserreichs und in dem Mann liegt, der jene Zeit personificirt, öffentlich ausgesprochen hat. Dieser Mann (Marschall Soult), sage ich, übte mit aller Offenheit einen freundschaftlichen, friedlichen, militärischen Widerstand, durch welchen ein gewandtes, mächtiges Cabinet bewogen wurde, nochmals zu überlegen, bei gewissen Maaßregeln zu zaudern, so daß endlich Elemente der Versöhnung zwischen zwei mächtigen Cabinetten vorbereitet wurden. Wenn ein anderes Ministerium aus diesen Elementen der Versöhnung Nutzen zieht, so wünschen wir uns und dem Land Glück dazu. Nur soll man nicht das früher Geschehene verleumden und sich selbst rühmen, während man nur auf derselben Bahn beharrt.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die Zahl der schwarzen Kugeln, welche sich bei der Abstimmung über die geheimen Fonds in der Urne der Pairskammer vorfanden, betrug nur 53, statt 59, wie uns gestern irrig mitgetheilt worden. Die Majorität war 87.</p><lb/>
          <p>Es heißt, Graf Jaubert werde nächstens der Kammer einen Gesetzesentwurf zur Vollendung des Louvre vorlegen.</p><lb/>
          <p>Die Nachrichten aus <hi rendition="#g">Algier</hi> in den Touloner und Marseiller Blättern gehen nicht weiter, als bis zum 4 April. Das Wetter war schlecht und die Atlaskette wieder mit Schnee bedeckt, was den Marsch nach Dellys hinderte, so daß derselbe wahrscheinlich bis zum Ende der großen Operationen gegen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0899/0003] Hr. v. Montalembert begann mit dem Ausdruck des Erstaunens, daß die „parlamentarische“ Regierung so vielen Widerwillen in der Kammer finde. Es sey dieß im Grund nur die ganz gemäßigte, vernünftige Idee der Juliusrevolution, d. h. das Uebergewicht der legitimen Wünsche des Landes in legaler Weise ausgedrückt. Fast ohne Widerstand sey jenes Wort in die letzte Deputirtenkammer-Adresse aufgenommen worden, der eine große Zahl conservativer Boten beigestimmt habe. Selbst aber wenn dieses Wort unbekannte Schrecknisse einschlösse, würde es durch die Annahme von Seite der Pairskammer viel von seiner Kraft und vielleicht seine ganze Gefahr verlieren. Ein zweites Schreckbild sey der Zutritt der Linken und ihrer Journale. Er seinerseits glaube, man sollte sich über die Annäherung der Linken an die Regierung eher freuen, als sich beunruhigen, denn wenn er auch die Principien der Linken, mit Ausnahme ihrer Meinungen über die auswärtige Politik, keineswegs theile, so könne er doch nicht läugnen, daß die Stellung dieser Partei in Frankreich sowohl wegen der Zahl, als der Thätigkeit und Energie ihrer Mitglieder hohe Bedeutung habe; man könne daher nur wünschen, daß ihre jetzige der Regierung günstige Stimmung von Dauer seyn möge, denn jene Partei für immer auszuschließen, sie zu einer bleibenden Opposition zu zwingen, schiene ihm die unverständigste und gefährlichste Politik von der Welt, während ihre jetzige Anschließung gar viele Vorurtheile der Partei beschwichtigen werde. Welche Energie dagegen der jetzige Conseilpräsident der Unordnung und den Factionen gegenüber besitze, das habe er bei mehr als Einer Gelegenheit so schlagend bewiesen, daß sein damaliges Benehmen wohl auch eine gute Bürgschaft für die Zukunft biete. „Oft höre ich sagen (fuhr der Redner fort), daß diese oder jene Partei schwächer werde. Kürzlich sagten die einen, die conservative Partei sey verschwunden; die andern discutirten über den Ursprung und Genealogie des linken Centrums. Noch andere fragten: wißt ihr, was aus den Doctrinären geworden ist? (Gelächter.) Ich weiß es nicht, und kümmere mich nicht darum; ich glaube auch nicht, daß das Land sich viel um das Schicksal dieser Parteien kümmere, denen es nur von ferne zusieht. Was aber bei all diesen Discussionen leidet, das ist die Größe und der legitime Einfluß Frankreichs. Ja bei diesen großen Fragen der allgemeinen Politik, die auftauchen und sich lösen inmitten der Gleichgültigkeit und des Hin- und Herredens einer Versammlung, die man ihrer Mission ungetreu glauben könnte, greift in der Welt ein Gedanke mehr und mehr um sich: der Gedanke, daß Frankreich im Sinken ist. Ich beschwöre Sie, ich beschwöre die Regierung, ich beschwöre die Männer, die mit der höchsten Gewalt bekleidet sind: lassen Sie diesen Gedanken nicht noch mehr Raum gewinnen, weder im Innern noch nach außen. Ich beschwöre Sie, über das geheiligte Unterpfand, das wir von unsern Vätern erhalten, über die Nationalgröße zu wachen, nicht zu dulden, daß unter der Repräsentativregierung, unter einer Regierung der Freiheit und der Nationalität, jenes Unterpfand weniger glänzend und kostbar erscheine, als unter der absoluten Monarchie. (Bewegung.) Ferne von mir ist der Gedanke ein berüchtigtes und ungerechtes Wort zu wiederholen, das auf eine andere Epoche unserer Geschichte angewendet worden, von der man sagte, sie sey im Koth stecken geblieben. Ich wiederhole dieses Wort nur, um es zu tadeln. Ich fürchte aber, daß die Nachwelt, wenn sie unsre endlosen Discussionen und ihre nichtigen Resultate sieht, von unsrer gegenwärtigen Geschichtsepoche sage, sie sey in der Leere stecken geblieben. (Bewegung.) Vielleicht hält man mir entgegen, diese Schwäche, diese Abnahme des Nationalgefühls und der Theilnahme an den großen Angelegenheiten Europa's komme daher, daß Frankreich im Jahre 1830 das Princip der Legitimität zerrissen, daß es eine Revolution vollbracht habe. Ich bekämpfe diese Behauptung. Zwar kann ich nicht sagen, wie der Hr. Präsident des Conseils, daß ich ein Kind der Juliusrevolution sey, daß ich ihr Alles, was ich bin, verdanke. Im Gegentheil bin ich, das Wenige, was ich bin, ohne sie und trotz ihr geworden. Aber nichts destoweniger bringe ich ihr eine feierliche und uneigennützige Huldigung; sie war eine große That, denn sie war ehrenwerth, wie der Hr. Präsident des Conseils gesagt, sie war ehrenwerth, denn sie war gemäßigt. Ich sage hiemit nicht, daß die Juliusrevolution ein Glück gewesen; aber sie war ein Act der Gerechtigkeit, und eine Gerechtigkeit bringt einer großen Nation niemals Unglück. (Zeichen der Beistimmung.) Am wenigsten aber kann man der Juliusrevolution Schuld geben, sie habe Frankreich geschwächt; und zum Beweis hiefür rufe ich Ihnen nur die Erinnerungen von 1830 zurück. Waren wir in den Tagen, die der Juliusrevolution folgten, nicht die überwiegende Macht in Europa? Die Politik, die ich meinem Lande wünsche, ist: jene Tage wiederzufinden ohne ihre Inconvenienzen. (Lebhafter Beifall.) Ich glaube, der Präsident des Conseils trägt das Gefühl jener Politik und jener Stellung in sich; ich glaube auch, er hat den Willen und die Macht, sie zu verwirklichen; daher stimme ich seinem Ministerium bei. Die Größe unsers Vaterlandes“ ... Der Redner konnte diese Phrase über wieder zu erringendes Uebergewicht nicht vollenden, da in demselben Augenblick einer der Pairs, Hr. v. Bessières, wie es hieß, vom Schlag gerührt, in Ohnmacht fiel, was sonst für ein schlimmes Omen gegolten hätte. Der Kanzler sagte: „Graf Montalembert sieht, welches Unglück eben eingetreten. Will die Kammer fortfahren?“ Von allen Seiten: „Nein! nein! auf morgen.“ In der Rede des Hrn. Villemain in der Pairskammersitzung vom 16 April, deren Resultat wir gestern gemeldet, befindet sich folgende Stelle über die orientalische Frage. „In was bestand – fragte der Redner – der angebliche Fehler der Politik des letzten Ministeriums? Das letzte Ministerium zeigte einen freundschaftlichen und aufrichtigen Widerstand einer Macht gegenüber, welche ihre Achtung für den Ruhm, der in den Erinnerungen einer großen Zeit des Kaiserreichs und in dem Mann liegt, der jene Zeit personificirt, öffentlich ausgesprochen hat. Dieser Mann (Marschall Soult), sage ich, übte mit aller Offenheit einen freundschaftlichen, friedlichen, militärischen Widerstand, durch welchen ein gewandtes, mächtiges Cabinet bewogen wurde, nochmals zu überlegen, bei gewissen Maaßregeln zu zaudern, so daß endlich Elemente der Versöhnung zwischen zwei mächtigen Cabinetten vorbereitet wurden. Wenn ein anderes Ministerium aus diesen Elementen der Versöhnung Nutzen zieht, so wünschen wir uns und dem Land Glück dazu. Nur soll man nicht das früher Geschehene verleumden und sich selbst rühmen, während man nur auf derselben Bahn beharrt.“ Die Zahl der schwarzen Kugeln, welche sich bei der Abstimmung über die geheimen Fonds in der Urne der Pairskammer vorfanden, betrug nur 53, statt 59, wie uns gestern irrig mitgetheilt worden. Die Majorität war 87. Es heißt, Graf Jaubert werde nächstens der Kammer einen Gesetzesentwurf zur Vollendung des Louvre vorlegen. Die Nachrichten aus Algier in den Touloner und Marseiller Blättern gehen nicht weiter, als bis zum 4 April. Das Wetter war schlecht und die Atlaskette wieder mit Schnee bedeckt, was den Marsch nach Dellys hinderte, so daß derselbe wahrscheinlich bis zum Ende der großen Operationen gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 113. Augsburg, 22. April 1840, S. 0899. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_113_18400422/3>, abgerufen am 29.03.2024.