Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

absetzen, allein da der Föderalismus ohne centrales Haupt stets berufen ist, bescheiden nachzuhinken, auch wenn die Ereignisse sich weite Sprünge erlauben, so wird wenig mehr zu berathen übrig bleiben, als die Frage der endlichen Anerkennung der neuen Regierung und Verfassung und etwelcher schonender Rücksichten für die durch die Ungelenkigkeit der Führer so lange im Kreise herumgetriebenen deutschen Oberwalliser.

Die blutigen Ereignisse im Kanton Wallis lassen sich noch nicht in ihrem ganzen Zusammenhang deutlich übersehen. Aber immerhin wissen wir so viel, daß sich - unter Vorbehalt weiterer Berichtigungen - ein vorläufiges Bild entwerfen läßt. Ich benütze dabei vornehmlich diejenigen Berichte, welche der Vorort den Ständen aus amtlichen Quellen mitgetheilt hat. Ich erinnere vorerst an den Stand der Parteien vor dem Ausbruche des Bürgerkriegs. Die Vermittlungsversuche der eidgenössischen Repräsentanten waren mißlungen. Das Oberwallis zwar hatte Hoffnung gemacht, darauf einzugehen, das Unterwallis sie beharrlich von der Hand gewiesen. Ebenso erging es den neuen Vorschlägen des Vororts zu einer weitern Vermittlung. Abgesehen von den verschiedenen Richtungen, denen die beiden Theile folgten, gab es einzelne Gemeinden, auf welche beide faktisch bestehende Verwaltungen Anspruch machten. Jeder Trennung in zwei Halbkantone abgeneigt, und um dieser nicht Vorschub zu leisten, hatte der Vorort absichtlich über diese Gemeinden keine besondern vorläufigen Verfügungen treffen, sie weder dem einen noch dem andern Theile ausschließlich zutheilen wollen. Er ermahnte beide Theile hier alles zu vermeiden, was zu einer Störung führen könnte, insbesondere aber untersagte er jede Anwendung irgend welcher Gewalt, um hier eine ausschließliche Herrschaft der einen Verwaltung durchzuführen. Diesen Mahnungen zuwider versuchte die Regierung zu Sitten in der Gemeinde Evolenaz die Oberwalliser Salzwage mit polizeilicher Gewalt zu schließen. Hier entspann sich die blutige Rauferei, von der ich früher schon berichtet habe. Darauf Rüstungen von beiden Seiten, kriegerische Proclamationen von Seite der Unterwalliser. Inzwischen war noch immer der status quo, wie er von der Tagsatzung vorläufig anerkannt worden, in den unzweifelhaft den beiden Verwaltungen zugethanen Gemeinden unversehrt geblieben. Kaum hatte der Vorort Kenntniß erhalten von jenen Vorgängen, als er theils die nöthigen militärischen Vorsichtsmaaßregeln traf, um den Bürgerkrieg zu hemmen, theils beiden Regierungen die Weisung ertheilte: "sich nicht nur jeder Gewaltthätigkeit zu enthalten, sondern auch alles zu vermeiden, was mittelbar oder unmittelbar solche Thätlichkeiten herbeiführen könnte. Bald nach dem Eintreffen dieser Botschaft des Vororts in Siders, dem Sitze der Oberwalliser Regierung, waren die Oberwalliser am 1 April in Masse und bewaffnet in Siders eingetroffen und verlangten mit Ungestüm nach dem Unterwallis geführt zu werden. Die Erbitterung war um so größer, als in Sitten die für Oberwallis bestimmten Transporte mit Lebensmitteln zurückgehalten worden waren. Die Regierung mit Rücksicht auf die vorörtliche Weisung suchte die Leute zu beschwichtigen und zur Rückkehr zu bewegen. Dieses Benehmen erregte bei dem Volke Verdacht in die Gesinnung ihrer Führer. Sie glaubten sich verrathen, und es wendete sich die Wuth der Massen gegen ihre eigene Regierung, die Anstand nahm, muthig an die Spitze ihrer Schaaren zu treten und wenigstens den Angriff entschlossen zurückzuschlagen. Eine Schaar Oberwalliser drang in das Haus des Herrn Landeshauptmanns v. Courten ein. Der Bruder desselben, der Gemeindepräsident v. Courten, der auf der Treppe ihr begegnete, wurde durch einen Bajonnettstich getödtet. Diese Gräuelthat erfüllte die Mitglieder des Staatsraths mit Besorgniß für ihre eigene Sicherheit. Sie verließen Siders, ihre Rettung in schleuniger Flucht suchend. Den Oberbefehl über die Oberwalliser hatte der Major v. Courten, Sohn des Landeshauptmanns. Auch er verließ seine Truppen, die sich führerlos nun gegen Brieg zurückzogen. Was dann weiter aus ihnen geworden, ob sie ergrimmt und zugleich entmuthigt sich ganz nach Hause begeben haben, ob sie neuerdings sich unter neuen Führern gesammelt haben, weiß man noch nicht. Am gleichen Tage, 1 April, begannen die Unterwalliser den Angriff auf das factisch unter der Oberwalliser Verwaltung stehende Gebiet. Mehrere Gefechte wurden geliefert, zu Grimißuat, Bramois, wo der commandirende Officier der Oberwalliser, v. Werra, getödtet wurde, und an andern Punkten. Es soll auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben haben. Indessen hatte das Hauptcorps der Walliser von Siders sich zurückgezogen. Auch die andern wendeten sich höher hinauf in die Berge. Am 2 April zogen die Unterwalliser ohne weitern Kampf in das verlassene Siders ein. Nach allem, was man hört, soll ihre Absicht von Anfang gewesen seyn, nicht weiter vorzurücken. So weit nämlich erstreckt sich das französische Gebiet des Kantons Wallis. Oberhalb Siders beginnt das unvermischt deutsche Gebiet. Der Plan war, die französische Bevölkerung, die bisher getheilt war, nun ganz in die Herrschaft und das Interesse des Unterwallis zu bringen, und damit denn allerdings die Mehrheit der Gesammtbevölkerung für die Verfassung vom 3 Aug. 1839 zu vereinigen, welche bisher auf Seite des Oberwallis war. Gerade darin liegt auch die Hauptschwierigkeit der ganzen Sache. Die französische Bevölkerung des Waadtlandes ist offenbar durch Sprache, Zuneigung und ähnliche historische Erinnerungen den Unterwallisern zugethan. Und aus diesem großen Kanton ist der Hauptzugang im Wallis. Von da aus erhielten auch die Unterwalliser vielfältige Unterstützung. Der Vorort ertheilte dem eidgenössischen Commissär den Auftrag: wenn der Bürgerkrieg noch fortdaure, unverzüglich eidgenössische Truppen in den Kanton Wallis einmarschiren zu lassen. Die Vollmachten in dieser Hinsicht wurden noch erweitert. Zugleich wird es aber in diesem Falle nöthig werden, die Tagsatzung noch vor dem 21 April einzuberufen.

Deutschland.

Wie wir gestern berichteten, bewegte sich die allgemeine Discussion in der Kammer der Abgeordneten in Beziehung auf die Verwendung der Staatseinnahmen und Ausgaben in der Hauptsache um die Principienfrage, welche der Steuerausschuß bei dieser Gelegenheit auf den Grund des Finanzgesetzes vom 17 Nov. 1837 in Anregung gebracht hatte. Regierungsrath Dr. Schwindl, welcher diese Discussion eröffnete, bemerkte hiebei, daß wesentliche Bedenken für die beiden ersten Jahre 1835/36 und 1836/37 gegen die Rechnungsergebnisse in den Referaten nicht niedergelegt seyen, daß es sich aber mit dem Jahre 1837/38 als dem ersten Jahre der IVten Finanzperiode ganz anders verhalte, wobei die Frage entstanden sey, ob das Finanzgesetz als ein durch Uebereinstimmung der Stände des Reichs gefaßtes Gesetz, sohin als gesetzliche Norm für den Staatshaushalt der IVten Finanzperiode zu betrachten sey oder nicht. In dieser Beziehung sey er von jeher der Meinung gewesen, daß das Steuerbewilligungsrecht von den Ständen nur dann ausgeübt werden könne, wenn das Budget als Entwurf durch das Finanzgesetz sanctionirt werde, wenn nämlich nach reifer Prüfung des Bedarfs, nach speciell dargethanen Resultaten die Bewilligung

absetzen, allein da der Föderalismus ohne centrales Haupt stets berufen ist, bescheiden nachzuhinken, auch wenn die Ereignisse sich weite Sprünge erlauben, so wird wenig mehr zu berathen übrig bleiben, als die Frage der endlichen Anerkennung der neuen Regierung und Verfassung und etwelcher schonender Rücksichten für die durch die Ungelenkigkeit der Führer so lange im Kreise herumgetriebenen deutschen Oberwalliser.

Die blutigen Ereignisse im Kanton Wallis lassen sich noch nicht in ihrem ganzen Zusammenhang deutlich übersehen. Aber immerhin wissen wir so viel, daß sich – unter Vorbehalt weiterer Berichtigungen – ein vorläufiges Bild entwerfen läßt. Ich benütze dabei vornehmlich diejenigen Berichte, welche der Vorort den Ständen aus amtlichen Quellen mitgetheilt hat. Ich erinnere vorerst an den Stand der Parteien vor dem Ausbruche des Bürgerkriegs. Die Vermittlungsversuche der eidgenössischen Repräsentanten waren mißlungen. Das Oberwallis zwar hatte Hoffnung gemacht, darauf einzugehen, das Unterwallis sie beharrlich von der Hand gewiesen. Ebenso erging es den neuen Vorschlägen des Vororts zu einer weitern Vermittlung. Abgesehen von den verschiedenen Richtungen, denen die beiden Theile folgten, gab es einzelne Gemeinden, auf welche beide faktisch bestehende Verwaltungen Anspruch machten. Jeder Trennung in zwei Halbkantone abgeneigt, und um dieser nicht Vorschub zu leisten, hatte der Vorort absichtlich über diese Gemeinden keine besondern vorläufigen Verfügungen treffen, sie weder dem einen noch dem andern Theile ausschließlich zutheilen wollen. Er ermahnte beide Theile hier alles zu vermeiden, was zu einer Störung führen könnte, insbesondere aber untersagte er jede Anwendung irgend welcher Gewalt, um hier eine ausschließliche Herrschaft der einen Verwaltung durchzuführen. Diesen Mahnungen zuwider versuchte die Regierung zu Sitten in der Gemeinde Evolenaz die Oberwalliser Salzwage mit polizeilicher Gewalt zu schließen. Hier entspann sich die blutige Rauferei, von der ich früher schon berichtet habe. Darauf Rüstungen von beiden Seiten, kriegerische Proclamationen von Seite der Unterwalliser. Inzwischen war noch immer der status quo, wie er von der Tagsatzung vorläufig anerkannt worden, in den unzweifelhaft den beiden Verwaltungen zugethanen Gemeinden unversehrt geblieben. Kaum hatte der Vorort Kenntniß erhalten von jenen Vorgängen, als er theils die nöthigen militärischen Vorsichtsmaaßregeln traf, um den Bürgerkrieg zu hemmen, theils beiden Regierungen die Weisung ertheilte: „sich nicht nur jeder Gewaltthätigkeit zu enthalten, sondern auch alles zu vermeiden, was mittelbar oder unmittelbar solche Thätlichkeiten herbeiführen könnte. Bald nach dem Eintreffen dieser Botschaft des Vororts in Siders, dem Sitze der Oberwalliser Regierung, waren die Oberwalliser am 1 April in Masse und bewaffnet in Siders eingetroffen und verlangten mit Ungestüm nach dem Unterwallis geführt zu werden. Die Erbitterung war um so größer, als in Sitten die für Oberwallis bestimmten Transporte mit Lebensmitteln zurückgehalten worden waren. Die Regierung mit Rücksicht auf die vorörtliche Weisung suchte die Leute zu beschwichtigen und zur Rückkehr zu bewegen. Dieses Benehmen erregte bei dem Volke Verdacht in die Gesinnung ihrer Führer. Sie glaubten sich verrathen, und es wendete sich die Wuth der Massen gegen ihre eigene Regierung, die Anstand nahm, muthig an die Spitze ihrer Schaaren zu treten und wenigstens den Angriff entschlossen zurückzuschlagen. Eine Schaar Oberwalliser drang in das Haus des Herrn Landeshauptmanns v. Courten ein. Der Bruder desselben, der Gemeindepräsident v. Courten, der auf der Treppe ihr begegnete, wurde durch einen Bajonnettstich getödtet. Diese Gräuelthat erfüllte die Mitglieder des Staatsraths mit Besorgniß für ihre eigene Sicherheit. Sie verließen Siders, ihre Rettung in schleuniger Flucht suchend. Den Oberbefehl über die Oberwalliser hatte der Major v. Courten, Sohn des Landeshauptmanns. Auch er verließ seine Truppen, die sich führerlos nun gegen Brieg zurückzogen. Was dann weiter aus ihnen geworden, ob sie ergrimmt und zugleich entmuthigt sich ganz nach Hause begeben haben, ob sie neuerdings sich unter neuen Führern gesammelt haben, weiß man noch nicht. Am gleichen Tage, 1 April, begannen die Unterwalliser den Angriff auf das factisch unter der Oberwalliser Verwaltung stehende Gebiet. Mehrere Gefechte wurden geliefert, zu Grimißuat, Bramois, wo der commandirende Officier der Oberwalliser, v. Werra, getödtet wurde, und an andern Punkten. Es soll auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben haben. Indessen hatte das Hauptcorps der Walliser von Siders sich zurückgezogen. Auch die andern wendeten sich höher hinauf in die Berge. Am 2 April zogen die Unterwalliser ohne weitern Kampf in das verlassene Siders ein. Nach allem, was man hört, soll ihre Absicht von Anfang gewesen seyn, nicht weiter vorzurücken. So weit nämlich erstreckt sich das französische Gebiet des Kantons Wallis. Oberhalb Siders beginnt das unvermischt deutsche Gebiet. Der Plan war, die französische Bevölkerung, die bisher getheilt war, nun ganz in die Herrschaft und das Interesse des Unterwallis zu bringen, und damit denn allerdings die Mehrheit der Gesammtbevölkerung für die Verfassung vom 3 Aug. 1839 zu vereinigen, welche bisher auf Seite des Oberwallis war. Gerade darin liegt auch die Hauptschwierigkeit der ganzen Sache. Die französische Bevölkerung des Waadtlandes ist offenbar durch Sprache, Zuneigung und ähnliche historische Erinnerungen den Unterwallisern zugethan. Und aus diesem großen Kanton ist der Hauptzugang im Wallis. Von da aus erhielten auch die Unterwalliser vielfältige Unterstützung. Der Vorort ertheilte dem eidgenössischen Commissär den Auftrag: wenn der Bürgerkrieg noch fortdaure, unverzüglich eidgenössische Truppen in den Kanton Wallis einmarschiren zu lassen. Die Vollmachten in dieser Hinsicht wurden noch erweitert. Zugleich wird es aber in diesem Falle nöthig werden, die Tagsatzung noch vor dem 21 April einzuberufen.

Deutschland.

Wie wir gestern berichteten, bewegte sich die allgemeine Discussion in der Kammer der Abgeordneten in Beziehung auf die Verwendung der Staatseinnahmen und Ausgaben in der Hauptsache um die Principienfrage, welche der Steuerausschuß bei dieser Gelegenheit auf den Grund des Finanzgesetzes vom 17 Nov. 1837 in Anregung gebracht hatte. Regierungsrath Dr. Schwindl, welcher diese Discussion eröffnete, bemerkte hiebei, daß wesentliche Bedenken für die beiden ersten Jahre 1835/36 und 1836/37 gegen die Rechnungsergebnisse in den Referaten nicht niedergelegt seyen, daß es sich aber mit dem Jahre 1837/38 als dem ersten Jahre der IVten Finanzperiode ganz anders verhalte, wobei die Frage entstanden sey, ob das Finanzgesetz als ein durch Uebereinstimmung der Stände des Reichs gefaßtes Gesetz, sohin als gesetzliche Norm für den Staatshaushalt der IVten Finanzperiode zu betrachten sey oder nicht. In dieser Beziehung sey er von jeher der Meinung gewesen, daß das Steuerbewilligungsrecht von den Ständen nur dann ausgeübt werden könne, wenn das Budget als Entwurf durch das Finanzgesetz sanctionirt werde, wenn nämlich nach reifer Prüfung des Bedarfs, nach speciell dargethanen Resultaten die Bewilligung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0005" n="0805"/>
absetzen, allein da der Föderalismus ohne centrales Haupt stets berufen ist, bescheiden nachzuhinken, auch wenn die Ereignisse sich weite Sprünge erlauben, so wird wenig mehr zu berathen übrig bleiben, als die Frage der endlichen Anerkennung der neuen Regierung und Verfassung und etwelcher schonender Rücksichten für die durch die Ungelenkigkeit der Führer so lange im Kreise herumgetriebenen deutschen Oberwalliser.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Zürich,</hi> 6 April.</dateline>
          <p> Die blutigen Ereignisse im Kanton Wallis lassen sich noch nicht in ihrem ganzen Zusammenhang deutlich übersehen. Aber immerhin wissen wir so viel, daß sich &#x2013; unter Vorbehalt weiterer Berichtigungen &#x2013; ein vorläufiges Bild entwerfen läßt. Ich benütze dabei vornehmlich diejenigen Berichte, welche der Vorort den Ständen aus amtlichen Quellen mitgetheilt hat. Ich erinnere vorerst an den Stand der Parteien vor dem Ausbruche des Bürgerkriegs. Die Vermittlungsversuche der eidgenössischen Repräsentanten waren mißlungen. Das Oberwallis zwar hatte Hoffnung gemacht, darauf einzugehen, das Unterwallis sie beharrlich von der Hand gewiesen. Ebenso erging es den neuen Vorschlägen des Vororts zu einer weitern Vermittlung. Abgesehen von den verschiedenen Richtungen, denen die beiden Theile folgten, gab es einzelne Gemeinden, auf welche beide <hi rendition="#g">faktisch</hi> bestehende Verwaltungen Anspruch machten. Jeder Trennung in zwei Halbkantone abgeneigt, und um dieser nicht Vorschub zu leisten, hatte der Vorort absichtlich über diese Gemeinden keine besondern vorläufigen Verfügungen treffen, sie weder dem einen noch dem andern Theile ausschließlich zutheilen wollen. Er ermahnte beide Theile hier alles zu vermeiden, was zu einer Störung führen könnte, insbesondere aber untersagte er jede Anwendung irgend welcher Gewalt, um hier eine ausschließliche Herrschaft der einen Verwaltung durchzuführen. Diesen Mahnungen zuwider versuchte die Regierung zu Sitten in der Gemeinde Evolenaz die Oberwalliser Salzwage mit polizeilicher Gewalt zu schließen. Hier entspann sich die blutige Rauferei, von der ich früher schon berichtet habe. Darauf Rüstungen von beiden Seiten, kriegerische Proclamationen von Seite der Unterwalliser. Inzwischen war noch immer der status quo, wie er von der Tagsatzung vorläufig anerkannt worden, in den unzweifelhaft den beiden Verwaltungen zugethanen Gemeinden unversehrt geblieben. Kaum hatte der Vorort Kenntniß erhalten von jenen Vorgängen, als er theils die nöthigen militärischen Vorsichtsmaaßregeln traf, um den Bürgerkrieg zu hemmen, theils beiden Regierungen die Weisung ertheilte: &#x201E;sich nicht nur jeder Gewaltthätigkeit zu enthalten, sondern auch alles zu vermeiden, was mittelbar oder unmittelbar solche Thätlichkeiten herbeiführen könnte. Bald nach dem Eintreffen dieser Botschaft des Vororts in Siders, dem Sitze der Oberwalliser Regierung, waren die Oberwalliser am 1 April in Masse und bewaffnet in Siders eingetroffen und verlangten mit Ungestüm nach dem Unterwallis geführt zu werden. Die Erbitterung war um so größer, als in Sitten die für Oberwallis bestimmten Transporte mit Lebensmitteln zurückgehalten worden waren. Die Regierung mit Rücksicht auf die vorörtliche Weisung suchte die Leute zu beschwichtigen und zur Rückkehr zu bewegen. Dieses Benehmen erregte bei dem Volke Verdacht in die Gesinnung ihrer Führer. Sie glaubten sich verrathen, und es wendete sich die Wuth der Massen gegen ihre eigene Regierung, die Anstand nahm, muthig an die Spitze ihrer Schaaren zu treten und wenigstens den Angriff entschlossen zurückzuschlagen. Eine Schaar Oberwalliser drang in das Haus des Herrn Landeshauptmanns v. Courten ein. Der Bruder desselben, der Gemeindepräsident v. Courten, der auf der Treppe ihr begegnete, wurde durch einen Bajonnettstich getödtet. Diese Gräuelthat erfüllte die Mitglieder des Staatsraths mit Besorgniß für ihre eigene Sicherheit. Sie verließen Siders, ihre Rettung in schleuniger Flucht suchend. Den Oberbefehl über die Oberwalliser hatte der Major v. Courten, Sohn des Landeshauptmanns. Auch er verließ seine Truppen, die sich führerlos nun gegen Brieg zurückzogen. Was dann weiter aus ihnen geworden, ob sie ergrimmt und zugleich entmuthigt sich ganz nach Hause begeben haben, ob sie neuerdings sich unter neuen Führern gesammelt haben, weiß man noch nicht. Am gleichen Tage, 1 April, begannen die Unterwalliser den Angriff auf das factisch unter der Oberwalliser Verwaltung stehende Gebiet. Mehrere Gefechte wurden geliefert, zu Grimißuat, Bramois, wo der commandirende Officier der Oberwalliser, v. Werra, getödtet wurde, und an andern Punkten. Es soll auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben haben. Indessen hatte das Hauptcorps der Walliser von Siders sich zurückgezogen. Auch die andern wendeten sich höher hinauf in die Berge. Am 2 April zogen die Unterwalliser ohne weitern Kampf in das verlassene Siders ein. Nach allem, was man hört, soll ihre Absicht von Anfang gewesen seyn, nicht weiter vorzurücken. So weit nämlich erstreckt sich das französische Gebiet des Kantons Wallis. Oberhalb Siders beginnt das unvermischt deutsche Gebiet. Der Plan war, die französische Bevölkerung, die bisher getheilt war, nun ganz in die Herrschaft und das Interesse des Unterwallis zu bringen, und damit denn allerdings die Mehrheit der Gesammtbevölkerung für die Verfassung vom 3 Aug. 1839 zu vereinigen, welche bisher auf Seite des Oberwallis war. Gerade darin liegt auch die Hauptschwierigkeit der ganzen Sache. Die französische Bevölkerung des Waadtlandes ist offenbar durch Sprache, Zuneigung und ähnliche historische Erinnerungen den Unterwallisern zugethan. Und aus diesem großen Kanton ist der Hauptzugang im Wallis. Von da aus erhielten auch die Unterwalliser vielfältige Unterstützung. Der Vorort ertheilte dem eidgenössischen Commissär den Auftrag: wenn der Bürgerkrieg noch fortdaure, unverzüglich eidgenössische Truppen in den Kanton Wallis einmarschiren zu lassen. Die Vollmachten in dieser Hinsicht wurden noch erweitert. Zugleich wird es aber in diesem Falle nöthig werden, die Tagsatzung noch vor dem 21 April einzuberufen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 April.</dateline>
          <p> Wie wir gestern berichteten, bewegte sich die allgemeine Discussion in der Kammer der Abgeordneten in Beziehung auf die Verwendung der Staatseinnahmen und Ausgaben in der Hauptsache um die Principienfrage, welche der Steuerausschuß bei dieser Gelegenheit auf den Grund des Finanzgesetzes vom 17 Nov. 1837 in Anregung gebracht hatte. Regierungsrath Dr. <hi rendition="#g">Schwindl</hi>, welcher diese Discussion eröffnete, bemerkte hiebei, daß wesentliche Bedenken für die beiden ersten Jahre 1835/36 und 1836/37 gegen die Rechnungsergebnisse in den Referaten nicht niedergelegt seyen, daß es sich aber mit dem Jahre 1837/38 als dem ersten Jahre der IVten Finanzperiode ganz anders verhalte, wobei die Frage entstanden sey, ob das Finanzgesetz als ein durch Uebereinstimmung der Stände des Reichs gefaßtes Gesetz, sohin als gesetzliche Norm für den Staatshaushalt der IVten Finanzperiode zu betrachten sey oder nicht. In dieser Beziehung sey er von jeher der Meinung gewesen, daß das Steuerbewilligungsrecht von den Ständen nur dann ausgeübt werden könne, wenn das Budget als Entwurf durch das Finanzgesetz sanctionirt werde, wenn nämlich nach reifer Prüfung des Bedarfs, nach speciell dargethanen Resultaten die Bewilligung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0805/0005] absetzen, allein da der Föderalismus ohne centrales Haupt stets berufen ist, bescheiden nachzuhinken, auch wenn die Ereignisse sich weite Sprünge erlauben, so wird wenig mehr zu berathen übrig bleiben, als die Frage der endlichen Anerkennung der neuen Regierung und Verfassung und etwelcher schonender Rücksichten für die durch die Ungelenkigkeit der Führer so lange im Kreise herumgetriebenen deutschen Oberwalliser. _ Zürich, 6 April. Die blutigen Ereignisse im Kanton Wallis lassen sich noch nicht in ihrem ganzen Zusammenhang deutlich übersehen. Aber immerhin wissen wir so viel, daß sich – unter Vorbehalt weiterer Berichtigungen – ein vorläufiges Bild entwerfen läßt. Ich benütze dabei vornehmlich diejenigen Berichte, welche der Vorort den Ständen aus amtlichen Quellen mitgetheilt hat. Ich erinnere vorerst an den Stand der Parteien vor dem Ausbruche des Bürgerkriegs. Die Vermittlungsversuche der eidgenössischen Repräsentanten waren mißlungen. Das Oberwallis zwar hatte Hoffnung gemacht, darauf einzugehen, das Unterwallis sie beharrlich von der Hand gewiesen. Ebenso erging es den neuen Vorschlägen des Vororts zu einer weitern Vermittlung. Abgesehen von den verschiedenen Richtungen, denen die beiden Theile folgten, gab es einzelne Gemeinden, auf welche beide faktisch bestehende Verwaltungen Anspruch machten. Jeder Trennung in zwei Halbkantone abgeneigt, und um dieser nicht Vorschub zu leisten, hatte der Vorort absichtlich über diese Gemeinden keine besondern vorläufigen Verfügungen treffen, sie weder dem einen noch dem andern Theile ausschließlich zutheilen wollen. Er ermahnte beide Theile hier alles zu vermeiden, was zu einer Störung führen könnte, insbesondere aber untersagte er jede Anwendung irgend welcher Gewalt, um hier eine ausschließliche Herrschaft der einen Verwaltung durchzuführen. Diesen Mahnungen zuwider versuchte die Regierung zu Sitten in der Gemeinde Evolenaz die Oberwalliser Salzwage mit polizeilicher Gewalt zu schließen. Hier entspann sich die blutige Rauferei, von der ich früher schon berichtet habe. Darauf Rüstungen von beiden Seiten, kriegerische Proclamationen von Seite der Unterwalliser. Inzwischen war noch immer der status quo, wie er von der Tagsatzung vorläufig anerkannt worden, in den unzweifelhaft den beiden Verwaltungen zugethanen Gemeinden unversehrt geblieben. Kaum hatte der Vorort Kenntniß erhalten von jenen Vorgängen, als er theils die nöthigen militärischen Vorsichtsmaaßregeln traf, um den Bürgerkrieg zu hemmen, theils beiden Regierungen die Weisung ertheilte: „sich nicht nur jeder Gewaltthätigkeit zu enthalten, sondern auch alles zu vermeiden, was mittelbar oder unmittelbar solche Thätlichkeiten herbeiführen könnte. Bald nach dem Eintreffen dieser Botschaft des Vororts in Siders, dem Sitze der Oberwalliser Regierung, waren die Oberwalliser am 1 April in Masse und bewaffnet in Siders eingetroffen und verlangten mit Ungestüm nach dem Unterwallis geführt zu werden. Die Erbitterung war um so größer, als in Sitten die für Oberwallis bestimmten Transporte mit Lebensmitteln zurückgehalten worden waren. Die Regierung mit Rücksicht auf die vorörtliche Weisung suchte die Leute zu beschwichtigen und zur Rückkehr zu bewegen. Dieses Benehmen erregte bei dem Volke Verdacht in die Gesinnung ihrer Führer. Sie glaubten sich verrathen, und es wendete sich die Wuth der Massen gegen ihre eigene Regierung, die Anstand nahm, muthig an die Spitze ihrer Schaaren zu treten und wenigstens den Angriff entschlossen zurückzuschlagen. Eine Schaar Oberwalliser drang in das Haus des Herrn Landeshauptmanns v. Courten ein. Der Bruder desselben, der Gemeindepräsident v. Courten, der auf der Treppe ihr begegnete, wurde durch einen Bajonnettstich getödtet. Diese Gräuelthat erfüllte die Mitglieder des Staatsraths mit Besorgniß für ihre eigene Sicherheit. Sie verließen Siders, ihre Rettung in schleuniger Flucht suchend. Den Oberbefehl über die Oberwalliser hatte der Major v. Courten, Sohn des Landeshauptmanns. Auch er verließ seine Truppen, die sich führerlos nun gegen Brieg zurückzogen. Was dann weiter aus ihnen geworden, ob sie ergrimmt und zugleich entmuthigt sich ganz nach Hause begeben haben, ob sie neuerdings sich unter neuen Führern gesammelt haben, weiß man noch nicht. Am gleichen Tage, 1 April, begannen die Unterwalliser den Angriff auf das factisch unter der Oberwalliser Verwaltung stehende Gebiet. Mehrere Gefechte wurden geliefert, zu Grimißuat, Bramois, wo der commandirende Officier der Oberwalliser, v. Werra, getödtet wurde, und an andern Punkten. Es soll auf beiden Seiten Todte und Verwundete gegeben haben. Indessen hatte das Hauptcorps der Walliser von Siders sich zurückgezogen. Auch die andern wendeten sich höher hinauf in die Berge. Am 2 April zogen die Unterwalliser ohne weitern Kampf in das verlassene Siders ein. Nach allem, was man hört, soll ihre Absicht von Anfang gewesen seyn, nicht weiter vorzurücken. So weit nämlich erstreckt sich das französische Gebiet des Kantons Wallis. Oberhalb Siders beginnt das unvermischt deutsche Gebiet. Der Plan war, die französische Bevölkerung, die bisher getheilt war, nun ganz in die Herrschaft und das Interesse des Unterwallis zu bringen, und damit denn allerdings die Mehrheit der Gesammtbevölkerung für die Verfassung vom 3 Aug. 1839 zu vereinigen, welche bisher auf Seite des Oberwallis war. Gerade darin liegt auch die Hauptschwierigkeit der ganzen Sache. Die französische Bevölkerung des Waadtlandes ist offenbar durch Sprache, Zuneigung und ähnliche historische Erinnerungen den Unterwallisern zugethan. Und aus diesem großen Kanton ist der Hauptzugang im Wallis. Von da aus erhielten auch die Unterwalliser vielfältige Unterstützung. Der Vorort ertheilte dem eidgenössischen Commissär den Auftrag: wenn der Bürgerkrieg noch fortdaure, unverzüglich eidgenössische Truppen in den Kanton Wallis einmarschiren zu lassen. Die Vollmachten in dieser Hinsicht wurden noch erweitert. Zugleich wird es aber in diesem Falle nöthig werden, die Tagsatzung noch vor dem 21 April einzuberufen. Deutschland. _ München, 5 April. Wie wir gestern berichteten, bewegte sich die allgemeine Discussion in der Kammer der Abgeordneten in Beziehung auf die Verwendung der Staatseinnahmen und Ausgaben in der Hauptsache um die Principienfrage, welche der Steuerausschuß bei dieser Gelegenheit auf den Grund des Finanzgesetzes vom 17 Nov. 1837 in Anregung gebracht hatte. Regierungsrath Dr. Schwindl, welcher diese Discussion eröffnete, bemerkte hiebei, daß wesentliche Bedenken für die beiden ersten Jahre 1835/36 und 1836/37 gegen die Rechnungsergebnisse in den Referaten nicht niedergelegt seyen, daß es sich aber mit dem Jahre 1837/38 als dem ersten Jahre der IVten Finanzperiode ganz anders verhalte, wobei die Frage entstanden sey, ob das Finanzgesetz als ein durch Uebereinstimmung der Stände des Reichs gefaßtes Gesetz, sohin als gesetzliche Norm für den Staatshaushalt der IVten Finanzperiode zu betrachten sey oder nicht. In dieser Beziehung sey er von jeher der Meinung gewesen, daß das Steuerbewilligungsrecht von den Ständen nur dann ausgeübt werden könne, wenn das Budget als Entwurf durch das Finanzgesetz sanctionirt werde, wenn nämlich nach reifer Prüfung des Bedarfs, nach speciell dargethanen Resultaten die Bewilligung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_101_18400410
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_101_18400410/5
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840, S. 0805. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_101_18400410/5>, abgerufen am 29.03.2024.