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Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840.

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Hoffnung des Lösegeldes und Brandschatzung aller Art zu fristen. Die Banden wurden so zahlreich und so dreist, daß im vorigen Winter selbst in den Straßen von Palermo Niemand seines Lebens sicher war. Da man von den verheißenen Vortheilen des Schwefelmonopols keinen einzigen, wohl aber die durch dasselbe hervorgerufenen Uebel empfand, so konnte die allgemeine Entrüstung über diese Maaßregel nicht ausbleiben. Am meisten schrieen natürlich dawider diejenigen Besitzer von Schwefelwerken, welche zu Grunde gerichtet waren. Die übrigen aber, welche sich halten konnten, waren auch nicht zufrieden, denn von dem ihnen ganz erwünschten Ruin Vieler hatten sie deßhalb keinen Vortheil, weil die Compagnie mit dem Abnehmen des Schwefels einhielt und andere Käufer sich nicht fanden, und weil sie überhaupt viel lieber selbst zu dem der Compagnie bewilligten hohen Verkaufspreise verkauft hätten, als durch Freude über die um 466,000 Ducati vermehrte Staatseinnahme ihren Patriotismus zu beweisen. Einer der Besitzer versicherte mir, die Gesellschaft habe von ihm 10,000 Cantar genommen, während er allein 400,000 Cantar ausbeuten könnte. Ihn fechte das wenig an; er lasse ruhig fortarbeiten und lagere seinen Schwefel auf, in der Hoffnung besserer Zeiten, es fehle ihm weder an Capitalien noch an Raum dazu; doch von den 145 Eigenthümern in Sicilien seyen wenige so günstig gestellt; man thue ihnen himmelschreiende Gewalt; es sey ein fürchterlicher Eingriff in die geheiligten Rechte des Eigenthums. Man sieht, wie diese Ansicht von der Sache, so einseitig sie ist, doch unter den Leuten sich verbreitet hat; wie werden erst jene reden, welche ihre Arbeiten haben einstellen müssen! Die gegenwärtige dringende Noth macht die Möglichkeit künftiger besserer Conjuncturen vergessen. In der Maaßregel wird nichts gefunden, als eine neue Geldschneiderei der Regierung; in den Unternehmern erkennt man nur die bevorzugten Fremden, die gehaßten Franzosen. Die in Bezug auf diese Angelegenheit herrschende Stimmung gibt folgendes Wort eines persönlich unbetheiligten und sehr einsichtsvollen Siciliers zu erkennen. "Wir leben in einem Lande, welches der Herr mit seinem besten Segen gesegnet hat, welches von Fruchtbarkeit überfließt, welches an Hülfsmitteln nicht seines Gleichen hat. Die Gaben, welche wir vom Himmel haben, hat man stückweise eine nach der andern uns verderbt und uns entrissen. Da ist uns nichts geblieben, als noch ein kleiner Brunnen, den Satan uns im Schooße der Erde brodeln läßt. Und nicht zufrieden, uns um die Güter, die uns Gott geschenkt hat, zu betrügen, hat man zuletzt uns auch noch dasjenige geraubt, was selbst der Teufel uns gegönnt hat." *)

Spanien.

Während der blutige Kampf in den Provinzen fortgeht, verliert der Congreß seine Zeit mit der zu nichts führenden Discussion der Adresse, welche nur dazu dient, verschiedenen Deputirten Gelegenheit zu geben, ihre längst anerkannten Rednertalente mit neuem Glanze zu entfalten. In der That muß man den Reden, in welchen Alcala Galiano und Martinez de la Rosa die trefflichsten Grundsätze der Versöhnlichkeit, der Mäßigung, der wahren Gerechtigkeit aussprachen, Bewunderung zollen; mehr aber als Bewunderung, die allgemeinste Begeisterung, die tiefste, sich in Thränen Luft machende Rührung erregte ein Vortrag des Deputirten von Guipuscoa, Olano, der vorgestern zum erstenmal im Congresse das Wort nahm. Dieser junge Mann, der seit sechs Jahren für seine Königin focht, und mit rühmlichen Narben geziert ist, war in Espartero's Gefolge Zeuge der denkwürdigen Aussöhnung von Vergara, und wurde von eben den Leuten, gegen die er die Waffen geführt hatte, vertrauensvoll zu ihrem Vertreter im Nationalcongresse gewählt. Da Olozaga und Calatrava jene Nordprovinzen mit dem Vorwurfe zweideutiger Gesinnungen belasten wollten, so erhob sich Hr. Olano mit Unwillen, und machte seinen Gefühlen in einer Sprache Luft, die eines ächten castilischen Ritters würdig war. Zuerst deutete er an, wie gefährlich, wie kleinlich und unstatthaft es sey, aufs neue Fragen zur Erörterung zu bringen, die bereits durch Thatsachen entschieden sind, und dann vertheidigte er mit unwiderlegbarer Wahrheit die Hochherzigkeit der Bewohner der baskischen Provinzen, die Treue, mit der sie den geleisteten Schwur beobachten, ihre Liebe zu den Einrichtungen ihrer Altvordern, denen sie nicht nur die Rettung ihrer Freiheit, sondern auch die Erhaltung ihrer Sittlichkeit und ihres Glaubens verdanken. Aller Ruhm fiel in dieser Rede auf die, nicht durch die Gewalt der Waffen, sondern durch das erwachende Gefühl von der Nothwendigkeit der Aussöhnung wieder gewonnenen Provinzen, und die Begeisterung, mit welcher der Redner sich ausdrückte, fand auf allen Seiten des Congresses den lautesten Anklang. Diese Rede, die keines Auszugs fähig ist, gibt durch das Anführen vieler geschichtlichen Einzelnheiten nicht weniger als durch ihr eigenthümliches Gepräge die wichtigsten Aufschlüsse über die eigentliche Beschaffenheit des von den Basken geführten Kampfes und über die wahre Veranlassung der Beendigung desselben. - Gestern wurde eine Commission niedergesetzt, um auf das schnellste die Mittel anzugeben, durch welche den in den Vertrag von Vergara einbegriffenen Officieren, so so wie den Wittwen und Waisen, welche die Nation unter ihren Schutz genommen hat, ihr Auskommen gesichert werden könnte. - In diesen Tagen sind Couriere von Espartero eingetroffen und an ihn zurückbefördert worden, ohne daß etwas Bestimmtes über die gemachten Mittheilungen verlautet hätte. Gewiß ist es, daß der Herzog de la Victoria fortwährend auf die Moderirten zürnt, und auch über den Einfluß, welchen der französische Botschafter auf das bestehende Ministerium ausüben soll, seine Unzufriedenheit zu erkennen gibt, und daher erklären sich vielleicht die Gerüchte von einem bevorstehenden Ministerwechsel. Namentlich wird der Deputirte Sancho als eine der Personen bezeichnet, deren Eintritt in das Ministerium der Herzog wünsche. Hr. Sancho, sonst einer der heftigsten Redner von der Opposition, hat in der jetzigen Legislatur noch nicht das Wort genommen. So wie mir die Lage der Dinge erscheint, glaube ich, daß ein mehr oder minder vollständiger Ministerwechsel erst bei Gelegenheit der Discussion der von der Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe über Ayuntamientos, Budgets u. s. w. erfolgen wird; denn daß die Majorität des Congresses das Ministerium ohne weiteres ermächtigen werde, jene Gesetze in Ausführung zu bringen, kann ich unmöglich glauben, indem durch diese Ermächtigung der Congreß selbst das Decret seiner Auflösung unterzeichnen würde.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hat sich bis zum 23 April vertagt, in Erwartung, daß die Regierung auf die hinsichtlich des Grundgesetzes und des Budgets sehr lebhaften Bemerkungen bis dahin geantwortet haben

*) Nach dieser Darstellung des Schwefelmonopols in Sicilien erlauben wir uns auf das so eben erschienene Werk von Friedrich v. Raumer: "Italien. Beiträge zur Kenntniß dieses Landes" (2 Theile), zu verweisen, wo sich eine lichtvolle Auseinandersetzung der Verhältnisse findet.

Hoffnung des Lösegeldes und Brandschatzung aller Art zu fristen. Die Banden wurden so zahlreich und so dreist, daß im vorigen Winter selbst in den Straßen von Palermo Niemand seines Lebens sicher war. Da man von den verheißenen Vortheilen des Schwefelmonopols keinen einzigen, wohl aber die durch dasselbe hervorgerufenen Uebel empfand, so konnte die allgemeine Entrüstung über diese Maaßregel nicht ausbleiben. Am meisten schrieen natürlich dawider diejenigen Besitzer von Schwefelwerken, welche zu Grunde gerichtet waren. Die übrigen aber, welche sich halten konnten, waren auch nicht zufrieden, denn von dem ihnen ganz erwünschten Ruin Vieler hatten sie deßhalb keinen Vortheil, weil die Compagnie mit dem Abnehmen des Schwefels einhielt und andere Käufer sich nicht fanden, und weil sie überhaupt viel lieber selbst zu dem der Compagnie bewilligten hohen Verkaufspreise verkauft hätten, als durch Freude über die um 466,000 Ducati vermehrte Staatseinnahme ihren Patriotismus zu beweisen. Einer der Besitzer versicherte mir, die Gesellschaft habe von ihm 10,000 Cantar genommen, während er allein 400,000 Cantar ausbeuten könnte. Ihn fechte das wenig an; er lasse ruhig fortarbeiten und lagere seinen Schwefel auf, in der Hoffnung besserer Zeiten, es fehle ihm weder an Capitalien noch an Raum dazu; doch von den 145 Eigenthümern in Sicilien seyen wenige so günstig gestellt; man thue ihnen himmelschreiende Gewalt; es sey ein fürchterlicher Eingriff in die geheiligten Rechte des Eigenthums. Man sieht, wie diese Ansicht von der Sache, so einseitig sie ist, doch unter den Leuten sich verbreitet hat; wie werden erst jene reden, welche ihre Arbeiten haben einstellen müssen! Die gegenwärtige dringende Noth macht die Möglichkeit künftiger besserer Conjuncturen vergessen. In der Maaßregel wird nichts gefunden, als eine neue Geldschneiderei der Regierung; in den Unternehmern erkennt man nur die bevorzugten Fremden, die gehaßten Franzosen. Die in Bezug auf diese Angelegenheit herrschende Stimmung gibt folgendes Wort eines persönlich unbetheiligten und sehr einsichtsvollen Siciliers zu erkennen. „Wir leben in einem Lande, welches der Herr mit seinem besten Segen gesegnet hat, welches von Fruchtbarkeit überfließt, welches an Hülfsmitteln nicht seines Gleichen hat. Die Gaben, welche wir vom Himmel haben, hat man stückweise eine nach der andern uns verderbt und uns entrissen. Da ist uns nichts geblieben, als noch ein kleiner Brunnen, den Satan uns im Schooße der Erde brodeln läßt. Und nicht zufrieden, uns um die Güter, die uns Gott geschenkt hat, zu betrügen, hat man zuletzt uns auch noch dasjenige geraubt, was selbst der Teufel uns gegönnt hat.“ *)

Spanien.

Während der blutige Kampf in den Provinzen fortgeht, verliert der Congreß seine Zeit mit der zu nichts führenden Discussion der Adresse, welche nur dazu dient, verschiedenen Deputirten Gelegenheit zu geben, ihre längst anerkannten Rednertalente mit neuem Glanze zu entfalten. In der That muß man den Reden, in welchen Alcala Galiano und Martinez de la Rosa die trefflichsten Grundsätze der Versöhnlichkeit, der Mäßigung, der wahren Gerechtigkeit aussprachen, Bewunderung zollen; mehr aber als Bewunderung, die allgemeinste Begeisterung, die tiefste, sich in Thränen Luft machende Rührung erregte ein Vortrag des Deputirten von Guipuscoa, Olano, der vorgestern zum erstenmal im Congresse das Wort nahm. Dieser junge Mann, der seit sechs Jahren für seine Königin focht, und mit rühmlichen Narben geziert ist, war in Espartero's Gefolge Zeuge der denkwürdigen Aussöhnung von Vergara, und wurde von eben den Leuten, gegen die er die Waffen geführt hatte, vertrauensvoll zu ihrem Vertreter im Nationalcongresse gewählt. Da Olozaga und Calatrava jene Nordprovinzen mit dem Vorwurfe zweideutiger Gesinnungen belasten wollten, so erhob sich Hr. Olano mit Unwillen, und machte seinen Gefühlen in einer Sprache Luft, die eines ächten castilischen Ritters würdig war. Zuerst deutete er an, wie gefährlich, wie kleinlich und unstatthaft es sey, aufs neue Fragen zur Erörterung zu bringen, die bereits durch Thatsachen entschieden sind, und dann vertheidigte er mit unwiderlegbarer Wahrheit die Hochherzigkeit der Bewohner der baskischen Provinzen, die Treue, mit der sie den geleisteten Schwur beobachten, ihre Liebe zu den Einrichtungen ihrer Altvordern, denen sie nicht nur die Rettung ihrer Freiheit, sondern auch die Erhaltung ihrer Sittlichkeit und ihres Glaubens verdanken. Aller Ruhm fiel in dieser Rede auf die, nicht durch die Gewalt der Waffen, sondern durch das erwachende Gefühl von der Nothwendigkeit der Aussöhnung wieder gewonnenen Provinzen, und die Begeisterung, mit welcher der Redner sich ausdrückte, fand auf allen Seiten des Congresses den lautesten Anklang. Diese Rede, die keines Auszugs fähig ist, gibt durch das Anführen vieler geschichtlichen Einzelnheiten nicht weniger als durch ihr eigenthümliches Gepräge die wichtigsten Aufschlüsse über die eigentliche Beschaffenheit des von den Basken geführten Kampfes und über die wahre Veranlassung der Beendigung desselben. – Gestern wurde eine Commission niedergesetzt, um auf das schnellste die Mittel anzugeben, durch welche den in den Vertrag von Vergara einbegriffenen Officieren, so so wie den Wittwen und Waisen, welche die Nation unter ihren Schutz genommen hat, ihr Auskommen gesichert werden könnte. – In diesen Tagen sind Couriere von Espartero eingetroffen und an ihn zurückbefördert worden, ohne daß etwas Bestimmtes über die gemachten Mittheilungen verlautet hätte. Gewiß ist es, daß der Herzog de la Victoria fortwährend auf die Moderirten zürnt, und auch über den Einfluß, welchen der französische Botschafter auf das bestehende Ministerium ausüben soll, seine Unzufriedenheit zu erkennen gibt, und daher erklären sich vielleicht die Gerüchte von einem bevorstehenden Ministerwechsel. Namentlich wird der Deputirte Sancho als eine der Personen bezeichnet, deren Eintritt in das Ministerium der Herzog wünsche. Hr. Sancho, sonst einer der heftigsten Redner von der Opposition, hat in der jetzigen Legislatur noch nicht das Wort genommen. So wie mir die Lage der Dinge erscheint, glaube ich, daß ein mehr oder minder vollständiger Ministerwechsel erst bei Gelegenheit der Discussion der von der Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe über Ayuntamientos, Budgets u. s. w. erfolgen wird; denn daß die Majorität des Congresses das Ministerium ohne weiteres ermächtigen werde, jene Gesetze in Ausführung zu bringen, kann ich unmöglich glauben, indem durch diese Ermächtigung der Congreß selbst das Decret seiner Auflösung unterzeichnen würde.

Niederlande.

Die zweite Kammer der Generalstaaten hat sich bis zum 23 April vertagt, in Erwartung, daß die Regierung auf die hinsichtlich des Grundgesetzes und des Budgets sehr lebhaften Bemerkungen bis dahin geantwortet haben

*) Nach dieser Darstellung des Schwefelmonopols in Sicilien erlauben wir uns auf das so eben erschienene Werk von Friedrich v. Raumer: „Italien. Beiträge zur Kenntniß dieses Landes“ (2 Theile), zu verweisen, wo sich eine lichtvolle Auseinandersetzung der Verhältnisse findet.
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[0803/0011] Hoffnung des Lösegeldes und Brandschatzung aller Art zu fristen. Die Banden wurden so zahlreich und so dreist, daß im vorigen Winter selbst in den Straßen von Palermo Niemand seines Lebens sicher war. Da man von den verheißenen Vortheilen des Schwefelmonopols keinen einzigen, wohl aber die durch dasselbe hervorgerufenen Uebel empfand, so konnte die allgemeine Entrüstung über diese Maaßregel nicht ausbleiben. Am meisten schrieen natürlich dawider diejenigen Besitzer von Schwefelwerken, welche zu Grunde gerichtet waren. Die übrigen aber, welche sich halten konnten, waren auch nicht zufrieden, denn von dem ihnen ganz erwünschten Ruin Vieler hatten sie deßhalb keinen Vortheil, weil die Compagnie mit dem Abnehmen des Schwefels einhielt und andere Käufer sich nicht fanden, und weil sie überhaupt viel lieber selbst zu dem der Compagnie bewilligten hohen Verkaufspreise verkauft hätten, als durch Freude über die um 466,000 Ducati vermehrte Staatseinnahme ihren Patriotismus zu beweisen. Einer der Besitzer versicherte mir, die Gesellschaft habe von ihm 10,000 Cantar genommen, während er allein 400,000 Cantar ausbeuten könnte. Ihn fechte das wenig an; er lasse ruhig fortarbeiten und lagere seinen Schwefel auf, in der Hoffnung besserer Zeiten, es fehle ihm weder an Capitalien noch an Raum dazu; doch von den 145 Eigenthümern in Sicilien seyen wenige so günstig gestellt; man thue ihnen himmelschreiende Gewalt; es sey ein fürchterlicher Eingriff in die geheiligten Rechte des Eigenthums. Man sieht, wie diese Ansicht von der Sache, so einseitig sie ist, doch unter den Leuten sich verbreitet hat; wie werden erst jene reden, welche ihre Arbeiten haben einstellen müssen! Die gegenwärtige dringende Noth macht die Möglichkeit künftiger besserer Conjuncturen vergessen. In der Maaßregel wird nichts gefunden, als eine neue Geldschneiderei der Regierung; in den Unternehmern erkennt man nur die bevorzugten Fremden, die gehaßten Franzosen. Die in Bezug auf diese Angelegenheit herrschende Stimmung gibt folgendes Wort eines persönlich unbetheiligten und sehr einsichtsvollen Siciliers zu erkennen. „Wir leben in einem Lande, welches der Herr mit seinem besten Segen gesegnet hat, welches von Fruchtbarkeit überfließt, welches an Hülfsmitteln nicht seines Gleichen hat. Die Gaben, welche wir vom Himmel haben, hat man stückweise eine nach der andern uns verderbt und uns entrissen. Da ist uns nichts geblieben, als noch ein kleiner Brunnen, den Satan uns im Schooße der Erde brodeln läßt. Und nicht zufrieden, uns um die Güter, die uns Gott geschenkt hat, zu betrügen, hat man zuletzt uns auch noch dasjenige geraubt, was selbst der Teufel uns gegönnt hat.“ *) Spanien. _ Madrid, 28 März. Während der blutige Kampf in den Provinzen fortgeht, verliert der Congreß seine Zeit mit der zu nichts führenden Discussion der Adresse, welche nur dazu dient, verschiedenen Deputirten Gelegenheit zu geben, ihre längst anerkannten Rednertalente mit neuem Glanze zu entfalten. In der That muß man den Reden, in welchen Alcala Galiano und Martinez de la Rosa die trefflichsten Grundsätze der Versöhnlichkeit, der Mäßigung, der wahren Gerechtigkeit aussprachen, Bewunderung zollen; mehr aber als Bewunderung, die allgemeinste Begeisterung, die tiefste, sich in Thränen Luft machende Rührung erregte ein Vortrag des Deputirten von Guipuscoa, Olano, der vorgestern zum erstenmal im Congresse das Wort nahm. Dieser junge Mann, der seit sechs Jahren für seine Königin focht, und mit rühmlichen Narben geziert ist, war in Espartero's Gefolge Zeuge der denkwürdigen Aussöhnung von Vergara, und wurde von eben den Leuten, gegen die er die Waffen geführt hatte, vertrauensvoll zu ihrem Vertreter im Nationalcongresse gewählt. Da Olozaga und Calatrava jene Nordprovinzen mit dem Vorwurfe zweideutiger Gesinnungen belasten wollten, so erhob sich Hr. Olano mit Unwillen, und machte seinen Gefühlen in einer Sprache Luft, die eines ächten castilischen Ritters würdig war. Zuerst deutete er an, wie gefährlich, wie kleinlich und unstatthaft es sey, aufs neue Fragen zur Erörterung zu bringen, die bereits durch Thatsachen entschieden sind, und dann vertheidigte er mit unwiderlegbarer Wahrheit die Hochherzigkeit der Bewohner der baskischen Provinzen, die Treue, mit der sie den geleisteten Schwur beobachten, ihre Liebe zu den Einrichtungen ihrer Altvordern, denen sie nicht nur die Rettung ihrer Freiheit, sondern auch die Erhaltung ihrer Sittlichkeit und ihres Glaubens verdanken. Aller Ruhm fiel in dieser Rede auf die, nicht durch die Gewalt der Waffen, sondern durch das erwachende Gefühl von der Nothwendigkeit der Aussöhnung wieder gewonnenen Provinzen, und die Begeisterung, mit welcher der Redner sich ausdrückte, fand auf allen Seiten des Congresses den lautesten Anklang. Diese Rede, die keines Auszugs fähig ist, gibt durch das Anführen vieler geschichtlichen Einzelnheiten nicht weniger als durch ihr eigenthümliches Gepräge die wichtigsten Aufschlüsse über die eigentliche Beschaffenheit des von den Basken geführten Kampfes und über die wahre Veranlassung der Beendigung desselben. – Gestern wurde eine Commission niedergesetzt, um auf das schnellste die Mittel anzugeben, durch welche den in den Vertrag von Vergara einbegriffenen Officieren, so so wie den Wittwen und Waisen, welche die Nation unter ihren Schutz genommen hat, ihr Auskommen gesichert werden könnte. – In diesen Tagen sind Couriere von Espartero eingetroffen und an ihn zurückbefördert worden, ohne daß etwas Bestimmtes über die gemachten Mittheilungen verlautet hätte. Gewiß ist es, daß der Herzog de la Victoria fortwährend auf die Moderirten zürnt, und auch über den Einfluß, welchen der französische Botschafter auf das bestehende Ministerium ausüben soll, seine Unzufriedenheit zu erkennen gibt, und daher erklären sich vielleicht die Gerüchte von einem bevorstehenden Ministerwechsel. Namentlich wird der Deputirte Sancho als eine der Personen bezeichnet, deren Eintritt in das Ministerium der Herzog wünsche. Hr. Sancho, sonst einer der heftigsten Redner von der Opposition, hat in der jetzigen Legislatur noch nicht das Wort genommen. So wie mir die Lage der Dinge erscheint, glaube ich, daß ein mehr oder minder vollständiger Ministerwechsel erst bei Gelegenheit der Discussion der von der Regierung vorgelegten Gesetzesentwürfe über Ayuntamientos, Budgets u. s. w. erfolgen wird; denn daß die Majorität des Congresses das Ministerium ohne weiteres ermächtigen werde, jene Gesetze in Ausführung zu bringen, kann ich unmöglich glauben, indem durch diese Ermächtigung der Congreß selbst das Decret seiner Auflösung unterzeichnen würde. Niederlande. _ Haag, 1 April. Die zweite Kammer der Generalstaaten hat sich bis zum 23 April vertagt, in Erwartung, daß die Regierung auf die hinsichtlich des Grundgesetzes und des Budgets sehr lebhaften Bemerkungen bis dahin geantwortet haben *) Nach dieser Darstellung des Schwefelmonopols in Sicilien erlauben wir uns auf das so eben erschienene Werk von Friedrich v. Raumer: „Italien. Beiträge zur Kenntniß dieses Landes“ (2 Theile), zu verweisen, wo sich eine lichtvolle Auseinandersetzung der Verhältnisse findet.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840, S. 0803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_101_18400410/11>, abgerufen am 23.04.2024.