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Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 88.
28 März 1840

Großbritannien.

Heute ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten.

Der torystische Rechtsgelehrte Frederick Thessiger Esq. ist wirklich ohne Opposition für den Burgflecken Woodstock ins Parlament gewählt worden. Nach erklärtem Poll hielt er von den Hustings eine Rede, worin er den Verdacht zurückwies, als habe er seine Erwählung dem ungesetzlichen Einflusse des Herzogs von Marlborough zu verdanken.

Lord Lyndhurst war in den letzten Tagen an einer heftigen Brustentzündung gefährlich erkrankt, befindet sich aber jetzt in der Genesung.

Der Athenäum-Club hat den französischen Gesandten, Hrn. Guizot, als Ehrenmitglied aufgenommen, und überdieß Se. Excellenz, als eine Anerkennung seiner litterarischen Verdienste, zu einem Festmahl eingeladen. Hr. Guizot hat die Einladung mit Dank angenommen.

(M. Chronicle.) Zwischen der parlamentarischen Lage Frankreichs und Englands waltet gegenwärtig eine große Aehnlichkeit ob. In beiden Ländern sehen wir ganz dasselbe Gleichgewicht der Parteien, und, als Ergebniß davon, dieselben Schwierigkeiten für die Regierung gegenüber der unendlich leichten Stellung der Opposition. Die zwei extremen Meinungen in beiden Ländern brauchen nur in dem Gedanken einig zu seyn, die Regierung sey schlecht, so können sie ihren Tadel augenblicklich in das V rdict eines parlamentarischen Votums verwandeln, während die Gemäßigten und die Centren beider Parlamente allzubittern Haß wider einander hegen, als daß sie sich, auch nur für ein augenblickliches Votum, gegen die extremen Parteien vereinigen könnten. In beiden Ländern hat das Gleichgewicht der Parteien, das der Opposition die Aussicht, zur Gewalt zu gelangen, scheinbar so nahe rückt und dadurch ihre Stellenlust zur wahren Gier steigert, die Opposition wüthend, ja rasend gemacht. Obgleich die verdrängte Partei dem Namen nach die conservative ist, so wird sie doch durch ihren Eifer destructiv, unloyal, jacobinisch. Den König der Franzosen bedroht eine Krisis und eine allgemeine Wahl gefährdet seinen Thron. Seine Conservativen bekümmern sich nicht um die Folgen. "Der König, sagen sie, möge zu Grunde gehen, wenn nur wir unsern Willen durchsetzen." Die Tories haben ähnliche Gesinnungen gegen unsere Königin gezeigt. In Einem Punkt indessen sind die Franzosen patriotischer und von Parteigeist weniger verblendet als wir - bei Maaßregeln auswärtiger Politik, die mit den Nationalinteressen in genauer Berührung stehen. So werden, bringt man die orientalische Frage in Anregung, Hr. Thiers, Marschall Soult und Graf Mole dieselbe Sprache führen. Ja, ihre parlamentarischen Anhänger stellen alle ihre Parteiansichten bei Seite, und behalten kein anderes Ziel im Auge als das Interesse und die Würde der Nation. Bei uns verhält sich dieß anders. Lasset irgend einen Umstand eintreten, der das Ministerium nöthigt, gegen fremde Nationen eine feste und kräftige Sprache zu führen - lasset die Nothwendigkeit hievon noch so klar, ja noch so sehr mit der Tory-Politik im Einklange seyn, die Tories werden nichtsdestoweniger eine reine Parteiwaffe daraus machen, und, das Land über Bord werfend, bloß daran denken, wie sie den Ministern einen Schlag versetzen können. So hat Frankreich gewiß neuerlich Symptome der Rivalität und halber Feindschaft an Tag gelegt. Die Tories habe diese Symptome dem ganzen Umfang nach zugestanden und sich darüber ausgesprochen; und doch, während einerseits Lord Aberdeen auftritt, um Frankreich anzuklagen, tritt andererseits Sir Robert Peel auf, und macht uns zweideutige Vorwürfe darüber, daß wir mit Frankreich auf schlechtem Fuße stehen. In Indien ist es derselbe Fall. Welch' fürchterliche Quelle der Anklage ist nicht die Expedition nach Kabul gewesen? Und nun China - sicherlich würde, wenn es mit einigem Anstand geschehen könnte, jeder von ihnen den stets bereiten und haltlosen Donner, wo nicht der Tories, doch wenigstens einiger Renegaten in ihren Reihen hervorholen. Ein in Opposition stehender französischer Staatsmann wäre eines solchen Betragens unfähig. Daher läßt sich erwarten, daß, wie hemmend auch die gegenwärtige Theilung der Parteien auf die innern Angelegenheiten und die Fortschritte Frankreichs wirken mag, die Ansichten dieses Landes hinsichtlich seiner auswärtigen Politik unverändert dieselben bleiben werden.

Am 17 März, dem St. Patriciustage, ward in Dublin ein feierlicher Aufzug aller Mäßigkeitsvereine der Stadt und Umgegend gehalten, mit Musik und Fahnen. Man rechnet, daß gegen 12,000 Menschen daran Theil nahmen. Alles ging ruhig und anständig ab. Beim Vorüberzug am Schloß zeigte sich


Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Sonnabend
Nr. 88.
28 März 1840

Großbritannien.

Heute ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten.

Der torystische Rechtsgelehrte Frederick Thessiger Esq. ist wirklich ohne Opposition für den Burgflecken Woodstock ins Parlament gewählt worden. Nach erklärtem Poll hielt er von den Hustings eine Rede, worin er den Verdacht zurückwies, als habe er seine Erwählung dem ungesetzlichen Einflusse des Herzogs von Marlborough zu verdanken.

Lord Lyndhurst war in den letzten Tagen an einer heftigen Brustentzündung gefährlich erkrankt, befindet sich aber jetzt in der Genesung.

Der Athenäum-Club hat den französischen Gesandten, Hrn. Guizot, als Ehrenmitglied aufgenommen, und überdieß Se. Excellenz, als eine Anerkennung seiner litterarischen Verdienste, zu einem Festmahl eingeladen. Hr. Guizot hat die Einladung mit Dank angenommen.

(M. Chronicle.) Zwischen der parlamentarischen Lage Frankreichs und Englands waltet gegenwärtig eine große Aehnlichkeit ob. In beiden Ländern sehen wir ganz dasselbe Gleichgewicht der Parteien, und, als Ergebniß davon, dieselben Schwierigkeiten für die Regierung gegenüber der unendlich leichten Stellung der Opposition. Die zwei extremen Meinungen in beiden Ländern brauchen nur in dem Gedanken einig zu seyn, die Regierung sey schlecht, so können sie ihren Tadel augenblicklich in das V rdict eines parlamentarischen Votums verwandeln, während die Gemäßigten und die Centren beider Parlamente allzubittern Haß wider einander hegen, als daß sie sich, auch nur für ein augenblickliches Votum, gegen die extremen Parteien vereinigen könnten. In beiden Ländern hat das Gleichgewicht der Parteien, das der Opposition die Aussicht, zur Gewalt zu gelangen, scheinbar so nahe rückt und dadurch ihre Stellenlust zur wahren Gier steigert, die Opposition wüthend, ja rasend gemacht. Obgleich die verdrängte Partei dem Namen nach die conservative ist, so wird sie doch durch ihren Eifer destructiv, unloyal, jacobinisch. Den König der Franzosen bedroht eine Krisis und eine allgemeine Wahl gefährdet seinen Thron. Seine Conservativen bekümmern sich nicht um die Folgen. „Der König, sagen sie, möge zu Grunde gehen, wenn nur wir unsern Willen durchsetzen.“ Die Tories haben ähnliche Gesinnungen gegen unsere Königin gezeigt. In Einem Punkt indessen sind die Franzosen patriotischer und von Parteigeist weniger verblendet als wir – bei Maaßregeln auswärtiger Politik, die mit den Nationalinteressen in genauer Berührung stehen. So werden, bringt man die orientalische Frage in Anregung, Hr. Thiers, Marschall Soult und Graf Molé dieselbe Sprache führen. Ja, ihre parlamentarischen Anhänger stellen alle ihre Parteiansichten bei Seite, und behalten kein anderes Ziel im Auge als das Interesse und die Würde der Nation. Bei uns verhält sich dieß anders. Lasset irgend einen Umstand eintreten, der das Ministerium nöthigt, gegen fremde Nationen eine feste und kräftige Sprache zu führen – lasset die Nothwendigkeit hievon noch so klar, ja noch so sehr mit der Tory-Politik im Einklange seyn, die Tories werden nichtsdestoweniger eine reine Parteiwaffe daraus machen, und, das Land über Bord werfend, bloß daran denken, wie sie den Ministern einen Schlag versetzen können. So hat Frankreich gewiß neuerlich Symptome der Rivalität und halber Feindschaft an Tag gelegt. Die Tories habe diese Symptome dem ganzen Umfang nach zugestanden und sich darüber ausgesprochen; und doch, während einerseits Lord Aberdeen auftritt, um Frankreich anzuklagen, tritt andererseits Sir Robert Peel auf, und macht uns zweideutige Vorwürfe darüber, daß wir mit Frankreich auf schlechtem Fuße stehen. In Indien ist es derselbe Fall. Welch' fürchterliche Quelle der Anklage ist nicht die Expedition nach Kabul gewesen? Und nun China – sicherlich würde, wenn es mit einigem Anstand geschehen könnte, jeder von ihnen den stets bereiten und haltlosen Donner, wo nicht der Tories, doch wenigstens einiger Renegaten in ihren Reihen hervorholen. Ein in Opposition stehender französischer Staatsmann wäre eines solchen Betragens unfähig. Daher läßt sich erwarten, daß, wie hemmend auch die gegenwärtige Theilung der Parteien auf die innern Angelegenheiten und die Fortschritte Frankreichs wirken mag, die Ansichten dieses Landes hinsichtlich seiner auswärtigen Politik unverändert dieselben bleiben werden.

Am 17 März, dem St. Patriciustage, ward in Dublin ein feierlicher Aufzug aller Mäßigkeitsvereine der Stadt und Umgegend gehalten, mit Musik und Fahnen. Man rechnet, daß gegen 12,000 Menschen daran Theil nahmen. Alles ging ruhig und anständig ab. Beim Vorüberzug am Schloß zeigte sich

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[0697/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Sonnabend Nr. 88. 28 März 1840 Großbritannien. _ London, 21 März. Heute ward im auswärtigen Amt ein Cabinetsrath gehalten, dem sämmtliche Minister beiwohnten. Der torystische Rechtsgelehrte Frederick Thessiger Esq. ist wirklich ohne Opposition für den Burgflecken Woodstock ins Parlament gewählt worden. Nach erklärtem Poll hielt er von den Hustings eine Rede, worin er den Verdacht zurückwies, als habe er seine Erwählung dem ungesetzlichen Einflusse des Herzogs von Marlborough zu verdanken. Lord Lyndhurst war in den letzten Tagen an einer heftigen Brustentzündung gefährlich erkrankt, befindet sich aber jetzt in der Genesung. Der Athenäum-Club hat den französischen Gesandten, Hrn. Guizot, als Ehrenmitglied aufgenommen, und überdieß Se. Excellenz, als eine Anerkennung seiner litterarischen Verdienste, zu einem Festmahl eingeladen. Hr. Guizot hat die Einladung mit Dank angenommen. (M. Chronicle.) Zwischen der parlamentarischen Lage Frankreichs und Englands waltet gegenwärtig eine große Aehnlichkeit ob. In beiden Ländern sehen wir ganz dasselbe Gleichgewicht der Parteien, und, als Ergebniß davon, dieselben Schwierigkeiten für die Regierung gegenüber der unendlich leichten Stellung der Opposition. Die zwei extremen Meinungen in beiden Ländern brauchen nur in dem Gedanken einig zu seyn, die Regierung sey schlecht, so können sie ihren Tadel augenblicklich in das V rdict eines parlamentarischen Votums verwandeln, während die Gemäßigten und die Centren beider Parlamente allzubittern Haß wider einander hegen, als daß sie sich, auch nur für ein augenblickliches Votum, gegen die extremen Parteien vereinigen könnten. In beiden Ländern hat das Gleichgewicht der Parteien, das der Opposition die Aussicht, zur Gewalt zu gelangen, scheinbar so nahe rückt und dadurch ihre Stellenlust zur wahren Gier steigert, die Opposition wüthend, ja rasend gemacht. Obgleich die verdrängte Partei dem Namen nach die conservative ist, so wird sie doch durch ihren Eifer destructiv, unloyal, jacobinisch. Den König der Franzosen bedroht eine Krisis und eine allgemeine Wahl gefährdet seinen Thron. Seine Conservativen bekümmern sich nicht um die Folgen. „Der König, sagen sie, möge zu Grunde gehen, wenn nur wir unsern Willen durchsetzen.“ Die Tories haben ähnliche Gesinnungen gegen unsere Königin gezeigt. In Einem Punkt indessen sind die Franzosen patriotischer und von Parteigeist weniger verblendet als wir – bei Maaßregeln auswärtiger Politik, die mit den Nationalinteressen in genauer Berührung stehen. So werden, bringt man die orientalische Frage in Anregung, Hr. Thiers, Marschall Soult und Graf Molé dieselbe Sprache führen. Ja, ihre parlamentarischen Anhänger stellen alle ihre Parteiansichten bei Seite, und behalten kein anderes Ziel im Auge als das Interesse und die Würde der Nation. Bei uns verhält sich dieß anders. Lasset irgend einen Umstand eintreten, der das Ministerium nöthigt, gegen fremde Nationen eine feste und kräftige Sprache zu führen – lasset die Nothwendigkeit hievon noch so klar, ja noch so sehr mit der Tory-Politik im Einklange seyn, die Tories werden nichtsdestoweniger eine reine Parteiwaffe daraus machen, und, das Land über Bord werfend, bloß daran denken, wie sie den Ministern einen Schlag versetzen können. So hat Frankreich gewiß neuerlich Symptome der Rivalität und halber Feindschaft an Tag gelegt. Die Tories habe diese Symptome dem ganzen Umfang nach zugestanden und sich darüber ausgesprochen; und doch, während einerseits Lord Aberdeen auftritt, um Frankreich anzuklagen, tritt andererseits Sir Robert Peel auf, und macht uns zweideutige Vorwürfe darüber, daß wir mit Frankreich auf schlechtem Fuße stehen. In Indien ist es derselbe Fall. Welch' fürchterliche Quelle der Anklage ist nicht die Expedition nach Kabul gewesen? Und nun China – sicherlich würde, wenn es mit einigem Anstand geschehen könnte, jeder von ihnen den stets bereiten und haltlosen Donner, wo nicht der Tories, doch wenigstens einiger Renegaten in ihren Reihen hervorholen. Ein in Opposition stehender französischer Staatsmann wäre eines solchen Betragens unfähig. Daher läßt sich erwarten, daß, wie hemmend auch die gegenwärtige Theilung der Parteien auf die innern Angelegenheiten und die Fortschritte Frankreichs wirken mag, die Ansichten dieses Landes hinsichtlich seiner auswärtigen Politik unverändert dieselben bleiben werden. Am 17 März, dem St. Patriciustage, ward in Dublin ein feierlicher Aufzug aller Mäßigkeitsvereine der Stadt und Umgegend gehalten, mit Musik und Fahnen. Man rechnet, daß gegen 12,000 Menschen daran Theil nahmen. Alles ging ruhig und anständig ab. Beim Vorüberzug am Schloß zeigte sich

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Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 88. Augsburg, 28. März 1840, S. 0697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_088_18400328/1>, abgerufen am 18.04.2024.