Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Qualitäten: das geringere Fleisch kostet einen halben Franken, das ausgewählte Fleisch 70 Centimen (20 kr.). Zu diesem Preise ist es durchaus unmöglich, daß das Fleisch die Grundlage der Nahrung bilde. Der hohe Preis des Ochsenfleisches hat auch schon darauf geführt, daß man Kühe schlachtet, und schlechtes, ja für die Gesundheit gefährliches Fleisch verzehrt. Ein großer Theil der armen Bevölkerung nährt sich, wie die Garnison einer belagerten Stadt, von dem Fleisch der Pferde, die man abschlägt. Die Gefahr, auf welche die Petition aufmerksam macht, steigt mit jedem Jahre. Der Luxus nimmt zu, die nützlichen Künste verbreiten sich, das Volk ist besser gekleidet, aber schlechter genährt, und wenn man nicht bald Sorge trägt, so wird die arbeitende Classe in Frankreich, wie in Irland, auf Brod und Kartoffeln beschränkt seyn. Die Menschenrace verkümmert zugleich mit den Thieren."

Die schon gestern erwähnte Erörterung über den Eingangszoll auf fremdes Schlachtvieh in der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 März ward eben durch die oben berührte Petition der Metzger von Paris, denen sich die von Lyon und Straßburg anschlossen, veranlaßt, welche alle eine Zollherabsetzung nachsuchten. Vergeblich hatten mehrere Redner, unter andern, wie schon bemerkt, Hr. Fulchiron angeführt, daß das Gesetz von 1822, das plötzlich den Zoll auf fremdes Schlachtvieh von 3 Fr. auf 55 Fr. erhöhte, mehr noch einen politischen, als einen agricolen Charakter habe; vergeblich hatten sie vorgestellt, daß es absurd sey, einen Zweig der Production, selbst den Ackerbau, zum Schaden der Gesammtheit der Consumenten, in vorzugsweisen Schutz zu nehmen; vergeblich hatte der Handelsminister selbst (Hr. Gouin) anerkannt, daß das Gesetz von 1822 nachtheilige Folgen für den Wohlstand des Landes gehabt habe, und sich der Ansicht der Commission beigesellt, keine entscheidende Bestimmung vor dem Abschluß der mit Deutschland angeknüpften Handelsnegotiationen eintreten zu lassen. General Bugeaud trat gegen die der Petition günstigen Redner auf. "Man hat gesagt, bemerkte er, daß der Tarif Repressalien von Seite Deutschlands hervorgerufen habe. Ich weiß nichts davon, sage aber, daß man um keinen Preis nachgeben soll. Ich erkläre es, wenn man zu einem Krieg zur Zurückschlagung der Invasion kommen müßte ...." Links: "Mit wem?" Hr. Bugeaud: "Der Invasion fremden Schlachtviehs. (Allgemeines Gelächter.) Ich würde den Krieg vorziehen. (Oh! oh!) Ja, ich würde den Einfall russischer und preußischer Heere weniger als den Einfall des Schlachtsviehs fürchten. (Neues Gelächter.) Der fremde Einfall würde nur vorübergehend seyn, wir würden ihn mit Muth und Einigkeit besiegen; der permanente Einfall fremden Schlachtviehs aber (man lacht) würde die Fruchtbarkeit des Bodens vermindern, und seinen Werth, jenes große Landescapital, um drei Viertheile herabsetzen." Der Redner meint, wenn etwas zu reformiren sey, so seyen es die Octrois, die viel zu hoch seyen, nicht der Schlachtviehzoll. Nach dieser Rede ward bei der Abstimmung über den Commissionsantrag die Tagesordnung mit großer Majorität beschlossen.

Die meisten Journale erklären sich gegen dieses Votum der Kammer. Das Commerce, der Courrier francais, die Presse, das Siecle, der National tadeln hauptsächlich die absolute Verwerfung. Das Journal des Debats ist der Ansicht, man hätte Unrecht gehabt, Consumenten und Producenten einander gegenüberzustellen, denn es handle sich nicht bloß von einer Zoll-, sondern von einer politischen und socialen Frage. Es spricht sich für Reform der Perceptionsart aus, die nach dem Gewicht und nicht nach den Köpfen des Viehs geschehen sollte.

Das Journal des Debats sucht wiederholt nachzuweisen, daß bei den Wahlen der Commissäre zur Untersuchung des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der geheimen Fonds die Majorität sich gegen das Ministerium erklärt habe. Nur 180 Stimmen hätten sich für die ministeriellen Candidaten entschieden, während 227 Stimmen gegen das Ministerium gewesen. Die äußerste Linke habe, mit Ausnahme von 18 Stimmen, das Cabinet unterstützt.

(Moniteur.) Am 6 März erschienen 300 arabische Reiter zwischen Belida und Buffarik. Die zweite Brigade der ersten Division marschirte gegen sie, worauf die Feinde sogleich die Flucht ergriffen, und sich über die Chiffa zurückzogen. Berichte aus dem Innern meldeten die Ankunft Abd-El-Kaders in Medeah und seine Rüstungen zu einem neuen Angriff. Unterm 8 März zeigte der Marschall Valee der Regierung an, daß, nachdem das Wetter wieder günstig geworden, die Truppen eine Bewegung nach der Chiffa machen sollten, um unter seinem Commando einige vorläufige, für den bevorstehenden Feldzug unumgänglich nothwendige Operationen auszuführen. (Wir verweisen auf den unten folgenden Brief aus Toulon.)

Das Commerce sagt, in der Kammer habe das Gerücht circulirt, General Bugeaud würde Gouverneur von Algier werden, und den Feldzug gegen Abd-El-Kader commandiren. Diese Maaßregel würde aber unhaltbar seyn. Hr. Bugeaud, der Repräsentant des Tafnatractats, sey in Afrika nicht mehr möglich.

Der National bemerkt aus Anlaß desselben Gerüchts, eine solche unglaubliche Maaßregel würde beweisen, daß das Ministerium des 1sten März allen moralischen Sinn und alle politische Intelligenz entbehrte.

Mit dem neuesten Paketboot aus Algier sind uns Nachrichten vom 10 März zugekommen. Marschall Valee ist endlich aus seiner unbegreiflichen Unthätigkeit erwacht. Eine Expeditionscolonne ist aufgebrochen, um sich der Stadt Scherschel *)*) zu bemächtigen. Die Vereinigungspunkte der Truppen sind Duera und Coleah. Jedes Corps hat, wie es scheint, zu diesem Unternehmen sein Contingent geliefert. Die ganze Colonne ist gegen 12,000 Mann stark. Am 8 und 9 war die Straße von Algier nach Coleah mit Truppen und Bagagewägen des Convoi angefüllt. Am 10 um 7 Uhr Morgens verließ der Marschall Valee Algier im Wagen unter einer Bedeckung von 50 Gendarmen; am Abend desselben Tags wollte er in Coleah eintreffen. Die Entfernung zwischen Coleah und Scherschel beträgt nur zehn Lieues, und wahrscheinlich wird man letztere Stadt in einem Tagmarsch erreichen. Es existiren noch zwischen beiden Orten die Reste einer Via Romana, welche der Hügelkette des Sahel bis zum Uad-Gurmat folgte; an der Mündung des letztern lag die alte Tipasa. Von jenem Flüßchen an bis Scherschel folgt die römische Straße der Seeküste. Eine andere Via Romana führt von Scherschel nach Belida durch die Ebene der Hadschuten.

*) Scherschel ist ein kleiner Seehafen, 18 Stunden westlich von Algier gelegen. Es war die Julia Cäsarea der Alten, vormals eine der blühendsten Städte Mauritaniens. Sie wurde durch ein Erdbeben zerstört, und der Grund des kleinen Hafens ist mit den Trümmern des Leuchtthurms und anderer römischen Gebäude ausgefüllt, wodurch das Einlaufen größerer Schiffe unmöglich geworden. Die Umgegend ist mit den Resten römischer Bauwerke übersäet. Scherschel hat eine Bevölkerung von 4 bis 5000 Seelen, größtentheils Mauren und einigen Juden. In seiner gebirgigen, aber sehr schön angebauten Umgebung wohnt der mächtige Kabylenstamm der Beni-Menasser. Scherschel hat seit 1835 der Herrschaft Abd-El-Kaders sich unterworfen. Mohammed-el-Barkani ist der Kaid dieses Städtchens.

Qualitäten: das geringere Fleisch kostet einen halben Franken, das ausgewählte Fleisch 70 Centimen (20 kr.). Zu diesem Preise ist es durchaus unmöglich, daß das Fleisch die Grundlage der Nahrung bilde. Der hohe Preis des Ochsenfleisches hat auch schon darauf geführt, daß man Kühe schlachtet, und schlechtes, ja für die Gesundheit gefährliches Fleisch verzehrt. Ein großer Theil der armen Bevölkerung nährt sich, wie die Garnison einer belagerten Stadt, von dem Fleisch der Pferde, die man abschlägt. Die Gefahr, auf welche die Petition aufmerksam macht, steigt mit jedem Jahre. Der Luxus nimmt zu, die nützlichen Künste verbreiten sich, das Volk ist besser gekleidet, aber schlechter genährt, und wenn man nicht bald Sorge trägt, so wird die arbeitende Classe in Frankreich, wie in Irland, auf Brod und Kartoffeln beschränkt seyn. Die Menschenrace verkümmert zugleich mit den Thieren.“

Die schon gestern erwähnte Erörterung über den Eingangszoll auf fremdes Schlachtvieh in der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 März ward eben durch die oben berührte Petition der Metzger von Paris, denen sich die von Lyon und Straßburg anschlossen, veranlaßt, welche alle eine Zollherabsetzung nachsuchten. Vergeblich hatten mehrere Redner, unter andern, wie schon bemerkt, Hr. Fulchiron angeführt, daß das Gesetz von 1822, das plötzlich den Zoll auf fremdes Schlachtvieh von 3 Fr. auf 55 Fr. erhöhte, mehr noch einen politischen, als einen agricolen Charakter habe; vergeblich hatten sie vorgestellt, daß es absurd sey, einen Zweig der Production, selbst den Ackerbau, zum Schaden der Gesammtheit der Consumenten, in vorzugsweisen Schutz zu nehmen; vergeblich hatte der Handelsminister selbst (Hr. Gouin) anerkannt, daß das Gesetz von 1822 nachtheilige Folgen für den Wohlstand des Landes gehabt habe, und sich der Ansicht der Commission beigesellt, keine entscheidende Bestimmung vor dem Abschluß der mit Deutschland angeknüpften Handelsnegotiationen eintreten zu lassen. General Bugeaud trat gegen die der Petition günstigen Redner auf. „Man hat gesagt, bemerkte er, daß der Tarif Repressalien von Seite Deutschlands hervorgerufen habe. Ich weiß nichts davon, sage aber, daß man um keinen Preis nachgeben soll. Ich erkläre es, wenn man zu einem Krieg zur Zurückschlagung der Invasion kommen müßte ....“ Links: „Mit wem?“ Hr. Bugeaud: „Der Invasion fremden Schlachtviehs. (Allgemeines Gelächter.) Ich würde den Krieg vorziehen. (Oh! oh!) Ja, ich würde den Einfall russischer und preußischer Heere weniger als den Einfall des Schlachtsviehs fürchten. (Neues Gelächter.) Der fremde Einfall würde nur vorübergehend seyn, wir würden ihn mit Muth und Einigkeit besiegen; der permanente Einfall fremden Schlachtviehs aber (man lacht) würde die Fruchtbarkeit des Bodens vermindern, und seinen Werth, jenes große Landescapital, um drei Viertheile herabsetzen.“ Der Redner meint, wenn etwas zu reformiren sey, so seyen es die Octrois, die viel zu hoch seyen, nicht der Schlachtviehzoll. Nach dieser Rede ward bei der Abstimmung über den Commissionsantrag die Tagesordnung mit großer Majorität beschlossen.

Die meisten Journale erklären sich gegen dieses Votum der Kammer. Das Commerce, der Courrier français, die Presse, das Siècle, der National tadeln hauptsächlich die absolute Verwerfung. Das Journal des Débats ist der Ansicht, man hätte Unrecht gehabt, Consumenten und Producenten einander gegenüberzustellen, denn es handle sich nicht bloß von einer Zoll-, sondern von einer politischen und socialen Frage. Es spricht sich für Reform der Perceptionsart aus, die nach dem Gewicht und nicht nach den Köpfen des Viehs geschehen sollte.

Das Journal des Débats sucht wiederholt nachzuweisen, daß bei den Wahlen der Commissäre zur Untersuchung des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der geheimen Fonds die Majorität sich gegen das Ministerium erklärt habe. Nur 180 Stimmen hätten sich für die ministeriellen Candidaten entschieden, während 227 Stimmen gegen das Ministerium gewesen. Die äußerste Linke habe, mit Ausnahme von 18 Stimmen, das Cabinet unterstützt.

(Moniteur.) Am 6 März erschienen 300 arabische Reiter zwischen Belida und Buffarik. Die zweite Brigade der ersten Division marschirte gegen sie, worauf die Feinde sogleich die Flucht ergriffen, und sich über die Chiffa zurückzogen. Berichte aus dem Innern meldeten die Ankunft Abd-El-Kaders in Medeah und seine Rüstungen zu einem neuen Angriff. Unterm 8 März zeigte der Marschall Valée der Regierung an, daß, nachdem das Wetter wieder günstig geworden, die Truppen eine Bewegung nach der Chiffa machen sollten, um unter seinem Commando einige vorläufige, für den bevorstehenden Feldzug unumgänglich nothwendige Operationen auszuführen. (Wir verweisen auf den unten folgenden Brief aus Toulon.)

Das Commerce sagt, in der Kammer habe das Gerücht circulirt, General Bugeaud würde Gouverneur von Algier werden, und den Feldzug gegen Abd-El-Kader commandiren. Diese Maaßregel würde aber unhaltbar seyn. Hr. Bugeaud, der Repräsentant des Táfnatractats, sey in Afrika nicht mehr möglich.

Der National bemerkt aus Anlaß desselben Gerüchts, eine solche unglaubliche Maaßregel würde beweisen, daß das Ministerium des 1sten März allen moralischen Sinn und alle politische Intelligenz entbehrte.

Mit dem neuesten Paketboot aus Algier sind uns Nachrichten vom 10 März zugekommen. Marschall Valée ist endlich aus seiner unbegreiflichen Unthätigkeit erwacht. Eine Expeditionscolonne ist aufgebrochen, um sich der Stadt Scherschel *)*) zu bemächtigen. Die Vereinigungspunkte der Truppen sind Duera und Coleah. Jedes Corps hat, wie es scheint, zu diesem Unternehmen sein Contingent geliefert. Die ganze Colonne ist gegen 12,000 Mann stark. Am 8 und 9 war die Straße von Algier nach Coleah mit Truppen und Bagagewägen des Convoi angefüllt. Am 10 um 7 Uhr Morgens verließ der Marschall Valée Algier im Wagen unter einer Bedeckung von 50 Gendarmen; am Abend desselben Tags wollte er in Coleah eintreffen. Die Entfernung zwischen Coleah und Scherschel beträgt nur zehn Lieues, und wahrscheinlich wird man letztere Stadt in einem Tagmarsch erreichen. Es existiren noch zwischen beiden Orten die Reste einer Via Romana, welche der Hügelkette des Sahel bis zum Uad-Gurmat folgte; an der Mündung des letztern lag die alte Tipasa. Von jenem Flüßchen an bis Scherschel folgt die römische Straße der Seeküste. Eine andere Via Romana führt von Scherschel nach Belida durch die Ebene der Hadschuten.

*) Scherschel ist ein kleiner Seehafen, 18 Stunden westlich von Algier gelegen. Es war die Julia Cäsarea der Alten, vormals eine der blühendsten Städte Mauritaniens. Sie wurde durch ein Erdbeben zerstört, und der Grund des kleinen Hafens ist mit den Trümmern des Leuchtthurms und anderer römischen Gebäude ausgefüllt, wodurch das Einlaufen größerer Schiffe unmöglich geworden. Die Umgegend ist mit den Resten römischer Bauwerke übersäet. Scherschel hat eine Bevölkerung von 4 bis 5000 Seelen, größtentheils Mauren und einigen Juden. In seiner gebirgigen, aber sehr schön angebauten Umgebung wohnt der mächtige Kabylenstamm der Beni-Menasser. Scherschel hat seit 1835 der Herrschaft Abd-El-Kaders sich unterworfen. Mohammed-el-Barkani ist der Kaid dieses Städtchens.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0651"/>
Qualitäten: das geringere Fleisch kostet einen halben Franken, das ausgewählte Fleisch 70 Centimen (20 kr.). Zu diesem Preise ist es durchaus unmöglich, daß das Fleisch die Grundlage der Nahrung bilde. Der hohe Preis des Ochsenfleisches hat auch schon darauf geführt, daß man Kühe schlachtet, und schlechtes, ja für die Gesundheit gefährliches Fleisch verzehrt. Ein großer Theil der armen Bevölkerung nährt sich, wie die Garnison einer belagerten Stadt, von dem Fleisch der Pferde, die man abschlägt. Die Gefahr, auf welche die Petition aufmerksam macht, steigt mit jedem Jahre. Der Luxus nimmt zu, die nützlichen Künste verbreiten sich, das Volk ist besser gekleidet, aber schlechter genährt, und wenn man nicht bald Sorge trägt, so wird die arbeitende Classe in Frankreich, wie in Irland, auf Brod und Kartoffeln beschränkt seyn. Die Menschenrace verkümmert zugleich mit den Thieren.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Die schon gestern erwähnte Erörterung über den Eingangszoll auf fremdes Schlachtvieh in der Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 16 März ward eben durch die oben berührte Petition der Metzger von Paris, denen sich die von Lyon und Straßburg anschlossen, veranlaßt, welche alle eine Zollherabsetzung nachsuchten. Vergeblich hatten mehrere Redner, unter andern, wie schon bemerkt, Hr. <hi rendition="#g">Fulchiron</hi> angeführt, daß das Gesetz von 1822, das plötzlich den Zoll auf fremdes Schlachtvieh von 3 Fr. auf 55 Fr. erhöhte, mehr noch einen politischen, als einen agricolen Charakter habe; vergeblich hatten sie vorgestellt, daß es absurd sey, einen Zweig der Production, selbst den Ackerbau, zum Schaden der Gesammtheit der Consumenten, in vorzugsweisen Schutz zu nehmen; vergeblich hatte der Handelsminister selbst (Hr. <hi rendition="#g">Gouin</hi>) anerkannt, daß das Gesetz von 1822 nachtheilige Folgen für den Wohlstand des Landes gehabt habe, und sich der Ansicht der Commission beigesellt, keine entscheidende Bestimmung vor dem Abschluß der mit Deutschland angeknüpften Handelsnegotiationen eintreten zu lassen. General <hi rendition="#g">Bugeaud</hi> trat gegen die der Petition günstigen Redner auf. &#x201E;Man hat gesagt, bemerkte er, daß der Tarif Repressalien von Seite Deutschlands hervorgerufen habe. Ich weiß nichts davon, sage aber, daß man um keinen Preis nachgeben soll. Ich erkläre es, wenn man zu einem Krieg zur Zurückschlagung der Invasion kommen müßte ....&#x201C; <hi rendition="#g">Links</hi>: &#x201E;Mit wem?&#x201C; Hr. <hi rendition="#g">Bugeaud</hi>: &#x201E;Der Invasion fremden Schlachtviehs. (Allgemeines Gelächter.) Ich würde den Krieg vorziehen. (Oh! oh!) Ja, ich würde den Einfall russischer und preußischer Heere weniger als den Einfall des Schlachtsviehs fürchten. (Neues Gelächter.) Der fremde Einfall würde nur vorübergehend seyn, wir würden ihn mit Muth und Einigkeit besiegen; der permanente Einfall fremden Schlachtviehs aber (man lacht) würde die Fruchtbarkeit des Bodens vermindern, und seinen Werth, jenes große Landescapital, um drei Viertheile herabsetzen.&#x201C; Der Redner meint, wenn etwas zu reformiren sey, so seyen es die Octrois, die viel zu hoch seyen, nicht der Schlachtviehzoll. Nach dieser Rede ward bei der Abstimmung über den Commissionsantrag die Tagesordnung mit großer Majorität beschlossen.</p><lb/>
          <p>Die meisten Journale erklären sich gegen dieses Votum der Kammer. Das Commerce, der Courrier français, die Presse, das Siècle, der National tadeln hauptsächlich die absolute Verwerfung. Das Journal des Débats ist der Ansicht, man hätte Unrecht gehabt, Consumenten und Producenten einander gegenüberzustellen, denn es handle sich nicht bloß von einer Zoll-, sondern von einer politischen und socialen Frage. Es spricht sich für Reform der Perceptionsart aus, die nach dem Gewicht und nicht nach den Köpfen des Viehs geschehen sollte.</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> sucht wiederholt nachzuweisen, daß bei den Wahlen der Commissäre zur Untersuchung des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der geheimen Fonds die Majorität sich gegen das Ministerium erklärt habe. Nur 180 Stimmen hätten sich für die ministeriellen Candidaten entschieden, während 227 Stimmen gegen das Ministerium gewesen. Die äußerste Linke habe, mit Ausnahme von 18 Stimmen, das Cabinet unterstützt.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Am 6 März erschienen 300 arabische Reiter zwischen Belida und Buffarik. Die zweite Brigade der ersten Division marschirte gegen sie, worauf die Feinde sogleich die Flucht ergriffen, und sich über die Chiffa zurückzogen. Berichte aus dem Innern meldeten die Ankunft Abd-El-Kaders in Medeah und seine Rüstungen zu einem neuen Angriff. Unterm 8 März zeigte der Marschall Valée der Regierung an, daß, nachdem das Wetter wieder günstig geworden, die Truppen eine Bewegung nach der Chiffa machen sollten, um unter seinem Commando einige vorläufige, für den bevorstehenden Feldzug unumgänglich nothwendige Operationen auszuführen. (Wir verweisen auf den unten folgenden Brief aus Toulon.)</p><lb/>
          <p>Das <hi rendition="#g">Commerce</hi> sagt, in der Kammer habe das Gerücht circulirt, General Bugeaud würde Gouverneur von Algier werden, und den Feldzug gegen Abd-El-Kader commandiren. Diese Maaßregel würde aber unhaltbar seyn. Hr. Bugeaud, der Repräsentant des Táfnatractats, sey in Afrika nicht mehr möglich.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">National</hi> bemerkt aus Anlaß desselben Gerüchts, eine solche unglaubliche Maaßregel würde beweisen, daß das Ministerium des 1sten März allen moralischen Sinn und alle politische Intelligenz entbehrte.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Toulon,</hi> 15 März.</dateline>
          <p> Mit dem neuesten Paketboot aus <hi rendition="#g">Algier</hi> sind uns Nachrichten vom 10 März zugekommen. Marschall Valée ist endlich aus seiner unbegreiflichen Unthätigkeit erwacht. Eine Expeditionscolonne ist aufgebrochen, um sich der Stadt Scherschel <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Scherschel ist ein kleiner Seehafen, 18 Stunden westlich von Algier gelegen. Es war die Julia Cäsarea der Alten, vormals eine der blühendsten Städte Mauritaniens. Sie wurde durch ein Erdbeben zerstört, und der Grund des kleinen Hafens ist mit den Trümmern des Leuchtthurms und anderer römischen Gebäude ausgefüllt, wodurch das Einlaufen größerer Schiffe unmöglich geworden. Die Umgegend ist mit den Resten römischer Bauwerke übersäet. Scherschel hat eine Bevölkerung von 4 bis 5000 Seelen, größtentheils Mauren und einigen Juden. In seiner gebirgigen, aber sehr schön angebauten Umgebung wohnt der mächtige Kabylenstamm der Beni-Menasser. Scherschel hat seit 1835 der Herrschaft Abd-El-Kaders sich unterworfen. Mohammed-el-Barkani ist der Kaid dieses Städtchens.</note> zu bemächtigen. Die Vereinigungspunkte der Truppen sind Duera und Coleah. Jedes Corps hat, wie es scheint, zu diesem Unternehmen sein Contingent geliefert. Die ganze Colonne ist gegen 12,000 Mann stark. Am 8 und 9 war die Straße von Algier nach Coleah mit Truppen und Bagagewägen des Convoi angefüllt. Am 10 um 7 Uhr Morgens verließ der Marschall Valée Algier im Wagen unter einer Bedeckung von 50 Gendarmen; am Abend desselben Tags wollte er in Coleah eintreffen. Die Entfernung zwischen Coleah und Scherschel beträgt nur zehn Lieues, und wahrscheinlich wird man letztere Stadt in einem Tagmarsch erreichen. Es existiren noch zwischen beiden Orten die Reste einer Via Romana, welche der Hügelkette des Sahel bis zum Uad-Gurmat folgte; an der Mündung des letztern lag die alte <hi rendition="#g">Tipasa</hi>. Von jenem Flüßchen an bis Scherschel folgt die römische Straße der Seeküste. Eine andere Via Romana führt von Scherschel nach Belida durch die Ebene der Hadschuten.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0651/0003] Qualitäten: das geringere Fleisch kostet einen halben Franken, das ausgewählte Fleisch 70 Centimen (20 kr.). Zu diesem Preise ist es durchaus unmöglich, daß das Fleisch die Grundlage der Nahrung bilde. Der hohe Preis des Ochsenfleisches hat auch schon darauf geführt, daß man Kühe schlachtet, und schlechtes, ja für die Gesundheit gefährliches Fleisch verzehrt. Ein großer Theil der armen Bevölkerung nährt sich, wie die Garnison einer belagerten Stadt, von dem Fleisch der Pferde, die man abschlägt. Die Gefahr, auf welche die Petition aufmerksam macht, steigt mit jedem Jahre. Der Luxus nimmt zu, die nützlichen Künste verbreiten sich, das Volk ist besser gekleidet, aber schlechter genährt, und wenn man nicht bald Sorge trägt, so wird die arbeitende Classe in Frankreich, wie in Irland, auf Brod und Kartoffeln beschränkt seyn. Die Menschenrace verkümmert zugleich mit den Thieren.“ Die schon gestern erwähnte Erörterung über den Eingangszoll auf fremdes Schlachtvieh in der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 März ward eben durch die oben berührte Petition der Metzger von Paris, denen sich die von Lyon und Straßburg anschlossen, veranlaßt, welche alle eine Zollherabsetzung nachsuchten. Vergeblich hatten mehrere Redner, unter andern, wie schon bemerkt, Hr. Fulchiron angeführt, daß das Gesetz von 1822, das plötzlich den Zoll auf fremdes Schlachtvieh von 3 Fr. auf 55 Fr. erhöhte, mehr noch einen politischen, als einen agricolen Charakter habe; vergeblich hatten sie vorgestellt, daß es absurd sey, einen Zweig der Production, selbst den Ackerbau, zum Schaden der Gesammtheit der Consumenten, in vorzugsweisen Schutz zu nehmen; vergeblich hatte der Handelsminister selbst (Hr. Gouin) anerkannt, daß das Gesetz von 1822 nachtheilige Folgen für den Wohlstand des Landes gehabt habe, und sich der Ansicht der Commission beigesellt, keine entscheidende Bestimmung vor dem Abschluß der mit Deutschland angeknüpften Handelsnegotiationen eintreten zu lassen. General Bugeaud trat gegen die der Petition günstigen Redner auf. „Man hat gesagt, bemerkte er, daß der Tarif Repressalien von Seite Deutschlands hervorgerufen habe. Ich weiß nichts davon, sage aber, daß man um keinen Preis nachgeben soll. Ich erkläre es, wenn man zu einem Krieg zur Zurückschlagung der Invasion kommen müßte ....“ Links: „Mit wem?“ Hr. Bugeaud: „Der Invasion fremden Schlachtviehs. (Allgemeines Gelächter.) Ich würde den Krieg vorziehen. (Oh! oh!) Ja, ich würde den Einfall russischer und preußischer Heere weniger als den Einfall des Schlachtsviehs fürchten. (Neues Gelächter.) Der fremde Einfall würde nur vorübergehend seyn, wir würden ihn mit Muth und Einigkeit besiegen; der permanente Einfall fremden Schlachtviehs aber (man lacht) würde die Fruchtbarkeit des Bodens vermindern, und seinen Werth, jenes große Landescapital, um drei Viertheile herabsetzen.“ Der Redner meint, wenn etwas zu reformiren sey, so seyen es die Octrois, die viel zu hoch seyen, nicht der Schlachtviehzoll. Nach dieser Rede ward bei der Abstimmung über den Commissionsantrag die Tagesordnung mit großer Majorität beschlossen. Die meisten Journale erklären sich gegen dieses Votum der Kammer. Das Commerce, der Courrier français, die Presse, das Siècle, der National tadeln hauptsächlich die absolute Verwerfung. Das Journal des Débats ist der Ansicht, man hätte Unrecht gehabt, Consumenten und Producenten einander gegenüberzustellen, denn es handle sich nicht bloß von einer Zoll-, sondern von einer politischen und socialen Frage. Es spricht sich für Reform der Perceptionsart aus, die nach dem Gewicht und nicht nach den Köpfen des Viehs geschehen sollte. Das Journal des Débats sucht wiederholt nachzuweisen, daß bei den Wahlen der Commissäre zur Untersuchung des Gesetzesentwurfs hinsichtlich der geheimen Fonds die Majorität sich gegen das Ministerium erklärt habe. Nur 180 Stimmen hätten sich für die ministeriellen Candidaten entschieden, während 227 Stimmen gegen das Ministerium gewesen. Die äußerste Linke habe, mit Ausnahme von 18 Stimmen, das Cabinet unterstützt. (Moniteur.) Am 6 März erschienen 300 arabische Reiter zwischen Belida und Buffarik. Die zweite Brigade der ersten Division marschirte gegen sie, worauf die Feinde sogleich die Flucht ergriffen, und sich über die Chiffa zurückzogen. Berichte aus dem Innern meldeten die Ankunft Abd-El-Kaders in Medeah und seine Rüstungen zu einem neuen Angriff. Unterm 8 März zeigte der Marschall Valée der Regierung an, daß, nachdem das Wetter wieder günstig geworden, die Truppen eine Bewegung nach der Chiffa machen sollten, um unter seinem Commando einige vorläufige, für den bevorstehenden Feldzug unumgänglich nothwendige Operationen auszuführen. (Wir verweisen auf den unten folgenden Brief aus Toulon.) Das Commerce sagt, in der Kammer habe das Gerücht circulirt, General Bugeaud würde Gouverneur von Algier werden, und den Feldzug gegen Abd-El-Kader commandiren. Diese Maaßregel würde aber unhaltbar seyn. Hr. Bugeaud, der Repräsentant des Táfnatractats, sey in Afrika nicht mehr möglich. Der National bemerkt aus Anlaß desselben Gerüchts, eine solche unglaubliche Maaßregel würde beweisen, daß das Ministerium des 1sten März allen moralischen Sinn und alle politische Intelligenz entbehrte. _ Toulon, 15 März. Mit dem neuesten Paketboot aus Algier sind uns Nachrichten vom 10 März zugekommen. Marschall Valée ist endlich aus seiner unbegreiflichen Unthätigkeit erwacht. Eine Expeditionscolonne ist aufgebrochen, um sich der Stadt Scherschel *) *) zu bemächtigen. Die Vereinigungspunkte der Truppen sind Duera und Coleah. Jedes Corps hat, wie es scheint, zu diesem Unternehmen sein Contingent geliefert. Die ganze Colonne ist gegen 12,000 Mann stark. Am 8 und 9 war die Straße von Algier nach Coleah mit Truppen und Bagagewägen des Convoi angefüllt. Am 10 um 7 Uhr Morgens verließ der Marschall Valée Algier im Wagen unter einer Bedeckung von 50 Gendarmen; am Abend desselben Tags wollte er in Coleah eintreffen. Die Entfernung zwischen Coleah und Scherschel beträgt nur zehn Lieues, und wahrscheinlich wird man letztere Stadt in einem Tagmarsch erreichen. Es existiren noch zwischen beiden Orten die Reste einer Via Romana, welche der Hügelkette des Sahel bis zum Uad-Gurmat folgte; an der Mündung des letztern lag die alte Tipasa. Von jenem Flüßchen an bis Scherschel folgt die römische Straße der Seeküste. Eine andere Via Romana führt von Scherschel nach Belida durch die Ebene der Hadschuten. *) Scherschel ist ein kleiner Seehafen, 18 Stunden westlich von Algier gelegen. Es war die Julia Cäsarea der Alten, vormals eine der blühendsten Städte Mauritaniens. Sie wurde durch ein Erdbeben zerstört, und der Grund des kleinen Hafens ist mit den Trümmern des Leuchtthurms und anderer römischen Gebäude ausgefüllt, wodurch das Einlaufen größerer Schiffe unmöglich geworden. Die Umgegend ist mit den Resten römischer Bauwerke übersäet. Scherschel hat eine Bevölkerung von 4 bis 5000 Seelen, größtentheils Mauren und einigen Juden. In seiner gebirgigen, aber sehr schön angebauten Umgebung wohnt der mächtige Kabylenstamm der Beni-Menasser. Scherschel hat seit 1835 der Herrschaft Abd-El-Kaders sich unterworfen. Mohammed-el-Barkani ist der Kaid dieses Städtchens.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_082_18400322
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_082_18400322/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840, S. 0651. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_082_18400322/3>, abgerufen am 19.04.2024.