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Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840.

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Mann bestehen. Ein europäisches und drei indische Regimenter in Bengalen und drei indische und ein europäisches in Madras haben Befehl sich zum Einschiffen bereit zu halten, und die Artillerie in Dumdum ist beschäftigt, Mörser, Feldbatterien und Raketenbatterien zu organisiren. Der militärische Theil der Operationen wird auch hier, wie in Afghanistan, nicht das Schwierigste dabei seyn, außer wenn der Hof von Peking Mittel und Energie genug besäße, den Krieg hinauszuziehen, die Seeküsten aufzuopfern und Ava und Nepal zum Kriege gegen Indien zu bewegen. Man sagt deßwegen, die Truppen von Madras seyen bestimmt nicht nach China sondern nach Maulmein transportirt zu werden, um den König von Ava im Zaum zu halten, der übrigens seit einiger Zeit keine feindlichen Bewegungen gemacht hat. Ueberhaupt ist auf dieser Seite von Indien Alles ruhig, die Nepalesen sind durch den Feldzug am Indus geschreckt, und der Hof macht Brian Hodgson, dem englischen Residenten in Kathmandu, Protestationen seiner friedlichen Absichten; auch ist die Spaltung der Parteien dort so groß, daß der König genug zu thun hat den Frieden im Innern zu erhalten, seitdem er die Familie der Tappa ihres Einflusses beraubt hat.

Der Fortschritt der politischen Bewegung in den höhern Classen der Bevölkerung von Bengalen ist nicht unbedeutend, und aller Beachtung werth. Die Gesellschaft der bengalischen Grundbesitzer (Landholders association) umfaßt fast alle großen Landbesitzer, und ihre Sitzungen werden mehr und mehr besucht. Sie wurde ursprünglich gestiftet, um die Operationen der Commission für Besteuerung der früher steuerfreien Ländereien, welche keine legalen Titel für dieses Privilegium aufzuweisen hätten (Commissioners for resumption of lakheraj tenures), zu controliren, und den Grundbesitzern, deren Rechte die Commission nicht anerkennen will, beizustehen. Die Interessen aller großen Familien waren dabei aufs höchste im Spiel, denn die Steuerprivilegien in Bengalen betragen über 1,000,000 Pf. St. jährlich. Sie sind im Princip ein großer Mißbrauch, in ihrem Ursprung oft das Resultat von Bestechungen in den Zeiten des Zerfalls der mohammedanischen Herrschaft, und die Documente, auf denen sie beruhen, oft verfälscht. Auf der andern Seite sind alle Privilegien dieser Art, welche auf authentischen Titeln beruhen, von Lord Cornwallis garantirt worden, viele Ländereien dieser Classe sind in dem Glauben an die Unantastbarkeit des Privilegiums um hohe Preise in neue Hände gekommen, und gerade die ältesten Familien, deren Rechte sich von vielen Generationen herschreiben, und die das beste Recht besitzen, sind am wenigsten im Stande es zu beweisen. Die Sache hat zu endlosen Streitigkeiten und zur Bildung dieser Gesellschaft geführt. Aber nach und hat die Gesellschaft ihren Gesichtskreis ausgedehnt, und anstatt sich auf die Vertheidigung der Rechte oder Ansprüche einer besondern Classe zu beschränken, hat sie sich zum Organ der allgemeinen Bedürfnisse von Indien gemacht, und ihr Zweck ist, mehr und mehr das Publicum in England auf die Lage von Indien aufmerksam zu machen. Die Eingebornen begnügten sich früher an den Generalgouverneur zu appelliren, und nur Fürsten, welche europäische Rathgeber hatten, dachten je daran sich nach England zu wenden. Aber die gebildeteren Classen der Hindus und Mohammedaner haben nach und nach eingesehen, daß die Maaßregeln der Compagnie und der Regierung in England durch die dortige öffentliche Meinung bedingt werden. Die Gesellschaft der Grundbesitzer von Bengalen hat daher die erste Gelegenheit ergriffen, sich mit der in London gebildeten ostindischen Association in Verbindung zu setzen. Sie hat kürzlich eine Commission ernannt, um der Londoner Association zu empfehlen vor Allem auf vier Punkte zu dringen: 1) die Erhaltung der legalen Privilegien der steuerfreien Güter; 2) die Ausdehnung der fixen Landsteuer über ganz Indien; 3) die Reform der Polizei und der Finanzverwaltung; 4) die Ertheilung wüster Ländereien unter billigen Bedingungen an die, welche sie urbar machen wollen. Die größten Landbesitzer von Bengalen, wie Radscha Kischennath, Radscha Kalikrischna u. a., so wie die reichsten Capitalisten von Calcutta wie Dwarkanath, Tagore und Beycuntnath Roy sind eifrige Mitglieder der Gesellschaft und ihre Reden zeichnen sich durch aufgeklärte Ansichten und eine große Mäßigung aus. Wenn man sich erinnert, wie Leute ihrer Classe noch vor 20 Jahren ihre Reichthümer zu Festen für braminische Bettler, zu Heirathsprocessionen und zu Erhaltung von Tänzerinnen verwendeten, so muß man sich überzeugen, daß die Civilisation in den höheren Classen der Eingebornen wirkliche Fortschritte gemacht hat, und daß die Zeit nicht mehr entfernt seyn kann, wo man ihnen einen directen Antheil an der Verwaltung des Landes einräumen muß. Im Innern der Provinzen ist freilich der Geist der letzten Zeiten der Moguls noch sehr herrschend, und man kann in Patna, Murschedabad, Dehli u. s. w. noch die Nachkommen der alten Familien ihren Reichthum in kindischem Zeitvertreib, in Fliegenlassen von Papierdrachen und Wetten darüber, im Unterhalten einer Menge müßiger Diener, in Trägheit und weichlicher Ueppigkeit verschwenden sehen, aber der neue Geist dringt nach und nach durch, und die Zeit ist gekommen, wo die Compagnie darauf denken muß, sich die neue Generation zu verbinden - die alte war durch ihre Unwissenheit gebunden, aber die neue muß durch ihre Interessen gebunden werden.

Mann bestehen. Ein europäisches und drei indische Regimenter in Bengalen und drei indische und ein europäisches in Madras haben Befehl sich zum Einschiffen bereit zu halten, und die Artillerie in Dumdum ist beschäftigt, Mörser, Feldbatterien und Raketenbatterien zu organisiren. Der militärische Theil der Operationen wird auch hier, wie in Afghanistan, nicht das Schwierigste dabei seyn, außer wenn der Hof von Peking Mittel und Energie genug besäße, den Krieg hinauszuziehen, die Seeküsten aufzuopfern und Ava und Nepal zum Kriege gegen Indien zu bewegen. Man sagt deßwegen, die Truppen von Madras seyen bestimmt nicht nach China sondern nach Maulmein transportirt zu werden, um den König von Ava im Zaum zu halten, der übrigens seit einiger Zeit keine feindlichen Bewegungen gemacht hat. Ueberhaupt ist auf dieser Seite von Indien Alles ruhig, die Nepalesen sind durch den Feldzug am Indus geschreckt, und der Hof macht Brian Hodgson, dem englischen Residenten in Kathmandu, Protestationen seiner friedlichen Absichten; auch ist die Spaltung der Parteien dort so groß, daß der König genug zu thun hat den Frieden im Innern zu erhalten, seitdem er die Familie der Tappa ihres Einflusses beraubt hat.

Der Fortschritt der politischen Bewegung in den höhern Classen der Bevölkerung von Bengalen ist nicht unbedeutend, und aller Beachtung werth. Die Gesellschaft der bengalischen Grundbesitzer (Landholders association) umfaßt fast alle großen Landbesitzer, und ihre Sitzungen werden mehr und mehr besucht. Sie wurde ursprünglich gestiftet, um die Operationen der Commission für Besteuerung der früher steuerfreien Ländereien, welche keine legalen Titel für dieses Privilegium aufzuweisen hätten (Commissioners for resumption of lakheraj tenures), zu controliren, und den Grundbesitzern, deren Rechte die Commission nicht anerkennen will, beizustehen. Die Interessen aller großen Familien waren dabei aufs höchste im Spiel, denn die Steuerprivilegien in Bengalen betragen über 1,000,000 Pf. St. jährlich. Sie sind im Princip ein großer Mißbrauch, in ihrem Ursprung oft das Resultat von Bestechungen in den Zeiten des Zerfalls der mohammedanischen Herrschaft, und die Documente, auf denen sie beruhen, oft verfälscht. Auf der andern Seite sind alle Privilegien dieser Art, welche auf authentischen Titeln beruhen, von Lord Cornwallis garantirt worden, viele Ländereien dieser Classe sind in dem Glauben an die Unantastbarkeit des Privilegiums um hohe Preise in neue Hände gekommen, und gerade die ältesten Familien, deren Rechte sich von vielen Generationen herschreiben, und die das beste Recht besitzen, sind am wenigsten im Stande es zu beweisen. Die Sache hat zu endlosen Streitigkeiten und zur Bildung dieser Gesellschaft geführt. Aber nach und hat die Gesellschaft ihren Gesichtskreis ausgedehnt, und anstatt sich auf die Vertheidigung der Rechte oder Ansprüche einer besondern Classe zu beschränken, hat sie sich zum Organ der allgemeinen Bedürfnisse von Indien gemacht, und ihr Zweck ist, mehr und mehr das Publicum in England auf die Lage von Indien aufmerksam zu machen. Die Eingebornen begnügten sich früher an den Generalgouverneur zu appelliren, und nur Fürsten, welche europäische Rathgeber hatten, dachten je daran sich nach England zu wenden. Aber die gebildeteren Classen der Hindus und Mohammedaner haben nach und nach eingesehen, daß die Maaßregeln der Compagnie und der Regierung in England durch die dortige öffentliche Meinung bedingt werden. Die Gesellschaft der Grundbesitzer von Bengalen hat daher die erste Gelegenheit ergriffen, sich mit der in London gebildeten ostindischen Association in Verbindung zu setzen. Sie hat kürzlich eine Commission ernannt, um der Londoner Association zu empfehlen vor Allem auf vier Punkte zu dringen: 1) die Erhaltung der legalen Privilegien der steuerfreien Güter; 2) die Ausdehnung der fixen Landsteuer über ganz Indien; 3) die Reform der Polizei und der Finanzverwaltung; 4) die Ertheilung wüster Ländereien unter billigen Bedingungen an die, welche sie urbar machen wollen. Die größten Landbesitzer von Bengalen, wie Radscha Kischennath, Radscha Kalikrischna u. a., so wie die reichsten Capitalisten von Calcutta wie Dwarkanath, Tagore und Beycuntnath Roy sind eifrige Mitglieder der Gesellschaft und ihre Reden zeichnen sich durch aufgeklärte Ansichten und eine große Mäßigung aus. Wenn man sich erinnert, wie Leute ihrer Classe noch vor 20 Jahren ihre Reichthümer zu Festen für braminische Bettler, zu Heirathsprocessionen und zu Erhaltung von Tänzerinnen verwendeten, so muß man sich überzeugen, daß die Civilisation in den höheren Classen der Eingebornen wirkliche Fortschritte gemacht hat, und daß die Zeit nicht mehr entfernt seyn kann, wo man ihnen einen directen Antheil an der Verwaltung des Landes einräumen muß. Im Innern der Provinzen ist freilich der Geist der letzten Zeiten der Moguls noch sehr herrschend, und man kann in Patna, Murschedabad, Dehli u. s. w. noch die Nachkommen der alten Familien ihren Reichthum in kindischem Zeitvertreib, in Fliegenlassen von Papierdrachen und Wetten darüber, im Unterhalten einer Menge müßiger Diener, in Trägheit und weichlicher Ueppigkeit verschwenden sehen, aber der neue Geist dringt nach und nach durch, und die Zeit ist gekommen, wo die Compagnie darauf denken muß, sich die neue Generation zu verbinden – die alte war durch ihre Unwissenheit gebunden, aber die neue muß durch ihre Interessen gebunden werden.

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Mann bestehen. Ein europäisches und drei indische Regimenter in Bengalen und drei indische und ein europäisches in Madras haben Befehl sich zum Einschiffen bereit zu halten, und die Artillerie in Dumdum ist beschäftigt, Mörser, Feldbatterien und Raketenbatterien zu organisiren. Der militärische Theil der Operationen wird auch hier, wie in Afghanistan, nicht das Schwierigste dabei seyn, außer wenn der Hof von Peking Mittel und Energie genug besäße, den Krieg hinauszuziehen, die Seeküsten aufzuopfern und Ava und Nepal zum Kriege gegen Indien zu bewegen. Man sagt deßwegen, die Truppen von Madras seyen bestimmt nicht nach China sondern nach Maulmein transportirt zu werden, um den König von Ava im Zaum zu halten, der übrigens seit einiger Zeit keine feindlichen Bewegungen gemacht hat. Ueberhaupt ist auf dieser Seite von Indien Alles ruhig, die Nepalesen sind durch den Feldzug am Indus geschreckt, und der Hof macht Brian Hodgson, dem englischen Residenten in Kathmandu, Protestationen seiner friedlichen Absichten; auch ist die Spaltung der Parteien dort so groß, daß der König genug zu thun hat den Frieden im Innern zu erhalten, seitdem er die Familie der Tappa ihres Einflusses beraubt hat.</p><lb/>
          <p>Der Fortschritt der politischen Bewegung in den höhern Classen der Bevölkerung von Bengalen ist nicht unbedeutend, und aller Beachtung werth. Die Gesellschaft der bengalischen Grundbesitzer (Landholders association) umfaßt fast alle großen Landbesitzer, und ihre Sitzungen werden mehr und mehr besucht. Sie wurde ursprünglich gestiftet, um die Operationen der Commission für Besteuerung der früher steuerfreien Ländereien, welche keine legalen Titel für dieses Privilegium aufzuweisen hätten (Commissioners for resumption of lakheraj tenures), zu controliren, und den Grundbesitzern, deren Rechte die Commission nicht anerkennen will, beizustehen. Die Interessen aller großen Familien waren dabei aufs höchste im Spiel, denn die Steuerprivilegien in Bengalen betragen über 1,000,000 Pf. St. jährlich. Sie sind im Princip ein großer Mißbrauch, in ihrem Ursprung oft das Resultat von Bestechungen in den Zeiten des Zerfalls der mohammedanischen Herrschaft, und die Documente, auf denen sie beruhen, oft verfälscht. Auf der andern Seite sind alle Privilegien dieser Art, welche auf authentischen Titeln beruhen, von Lord Cornwallis garantirt worden, viele Ländereien dieser Classe sind in dem Glauben an die Unantastbarkeit des Privilegiums um hohe Preise in neue Hände gekommen, und gerade die ältesten Familien, deren Rechte sich von vielen Generationen herschreiben, und die das beste Recht besitzen, sind am wenigsten im Stande es zu beweisen. Die Sache hat zu endlosen Streitigkeiten und zur Bildung dieser Gesellschaft geführt. Aber nach und hat die Gesellschaft ihren Gesichtskreis ausgedehnt, und anstatt sich auf die Vertheidigung der Rechte oder Ansprüche einer besondern Classe zu beschränken, hat sie sich zum Organ der allgemeinen Bedürfnisse von Indien gemacht, und ihr Zweck ist, mehr und mehr das Publicum in England auf die Lage von Indien aufmerksam zu machen. Die Eingebornen begnügten sich früher an den Generalgouverneur zu appelliren, und nur Fürsten, welche europäische Rathgeber hatten, dachten je daran sich nach England zu wenden. Aber die gebildeteren Classen der Hindus und Mohammedaner haben nach und nach eingesehen, daß die Maaßregeln der Compagnie und der Regierung in England durch die dortige öffentliche Meinung bedingt werden. Die Gesellschaft der Grundbesitzer von Bengalen hat daher die erste Gelegenheit ergriffen, sich mit der in London gebildeten ostindischen Association in Verbindung zu setzen. Sie hat kürzlich eine Commission ernannt, um der Londoner Association zu empfehlen vor Allem auf vier Punkte zu dringen: 1) die Erhaltung der legalen Privilegien der steuerfreien Güter; 2) die Ausdehnung der fixen Landsteuer über ganz Indien; 3) die Reform der Polizei und der Finanzverwaltung; 4) die Ertheilung wüster Ländereien unter billigen Bedingungen an die, welche sie urbar machen wollen. Die größten Landbesitzer von Bengalen, wie Radscha Kischennath, Radscha Kalikrischna u. a., so wie die reichsten Capitalisten von Calcutta wie Dwarkanath, Tagore und Beycuntnath Roy sind eifrige Mitglieder der Gesellschaft und ihre Reden zeichnen sich durch aufgeklärte Ansichten und eine große Mäßigung aus. Wenn man sich erinnert, wie Leute ihrer Classe noch vor 20 Jahren ihre Reichthümer zu Festen für braminische Bettler, zu Heirathsprocessionen und zu Erhaltung von Tänzerinnen verwendeten, so muß man sich überzeugen, daß die Civilisation in den höheren Classen der Eingebornen wirkliche Fortschritte gemacht hat, und daß die Zeit nicht mehr entfernt seyn kann, wo man ihnen einen directen Antheil an der Verwaltung des Landes einräumen muß. Im Innern der Provinzen ist freilich der Geist der letzten Zeiten der Moguls noch sehr herrschend, und man kann in Patna, Murschedabad, Dehli u. s. w. noch die Nachkommen der alten Familien ihren Reichthum in kindischem Zeitvertreib, in Fliegenlassen von Papierdrachen und Wetten darüber, im Unterhalten einer Menge müßiger Diener, in Trägheit und weichlicher Ueppigkeit verschwenden sehen, aber der neue Geist dringt nach und nach durch, und die Zeit ist gekommen, wo die Compagnie darauf denken muß, sich die neue Generation zu verbinden &#x2013; die alte war durch ihre Unwissenheit gebunden, aber die neue muß durch ihre Interessen gebunden werden.</p>
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[0654/0014] Mann bestehen. Ein europäisches und drei indische Regimenter in Bengalen und drei indische und ein europäisches in Madras haben Befehl sich zum Einschiffen bereit zu halten, und die Artillerie in Dumdum ist beschäftigt, Mörser, Feldbatterien und Raketenbatterien zu organisiren. Der militärische Theil der Operationen wird auch hier, wie in Afghanistan, nicht das Schwierigste dabei seyn, außer wenn der Hof von Peking Mittel und Energie genug besäße, den Krieg hinauszuziehen, die Seeküsten aufzuopfern und Ava und Nepal zum Kriege gegen Indien zu bewegen. Man sagt deßwegen, die Truppen von Madras seyen bestimmt nicht nach China sondern nach Maulmein transportirt zu werden, um den König von Ava im Zaum zu halten, der übrigens seit einiger Zeit keine feindlichen Bewegungen gemacht hat. Ueberhaupt ist auf dieser Seite von Indien Alles ruhig, die Nepalesen sind durch den Feldzug am Indus geschreckt, und der Hof macht Brian Hodgson, dem englischen Residenten in Kathmandu, Protestationen seiner friedlichen Absichten; auch ist die Spaltung der Parteien dort so groß, daß der König genug zu thun hat den Frieden im Innern zu erhalten, seitdem er die Familie der Tappa ihres Einflusses beraubt hat. Der Fortschritt der politischen Bewegung in den höhern Classen der Bevölkerung von Bengalen ist nicht unbedeutend, und aller Beachtung werth. Die Gesellschaft der bengalischen Grundbesitzer (Landholders association) umfaßt fast alle großen Landbesitzer, und ihre Sitzungen werden mehr und mehr besucht. Sie wurde ursprünglich gestiftet, um die Operationen der Commission für Besteuerung der früher steuerfreien Ländereien, welche keine legalen Titel für dieses Privilegium aufzuweisen hätten (Commissioners for resumption of lakheraj tenures), zu controliren, und den Grundbesitzern, deren Rechte die Commission nicht anerkennen will, beizustehen. Die Interessen aller großen Familien waren dabei aufs höchste im Spiel, denn die Steuerprivilegien in Bengalen betragen über 1,000,000 Pf. St. jährlich. Sie sind im Princip ein großer Mißbrauch, in ihrem Ursprung oft das Resultat von Bestechungen in den Zeiten des Zerfalls der mohammedanischen Herrschaft, und die Documente, auf denen sie beruhen, oft verfälscht. Auf der andern Seite sind alle Privilegien dieser Art, welche auf authentischen Titeln beruhen, von Lord Cornwallis garantirt worden, viele Ländereien dieser Classe sind in dem Glauben an die Unantastbarkeit des Privilegiums um hohe Preise in neue Hände gekommen, und gerade die ältesten Familien, deren Rechte sich von vielen Generationen herschreiben, und die das beste Recht besitzen, sind am wenigsten im Stande es zu beweisen. Die Sache hat zu endlosen Streitigkeiten und zur Bildung dieser Gesellschaft geführt. Aber nach und hat die Gesellschaft ihren Gesichtskreis ausgedehnt, und anstatt sich auf die Vertheidigung der Rechte oder Ansprüche einer besondern Classe zu beschränken, hat sie sich zum Organ der allgemeinen Bedürfnisse von Indien gemacht, und ihr Zweck ist, mehr und mehr das Publicum in England auf die Lage von Indien aufmerksam zu machen. Die Eingebornen begnügten sich früher an den Generalgouverneur zu appelliren, und nur Fürsten, welche europäische Rathgeber hatten, dachten je daran sich nach England zu wenden. Aber die gebildeteren Classen der Hindus und Mohammedaner haben nach und nach eingesehen, daß die Maaßregeln der Compagnie und der Regierung in England durch die dortige öffentliche Meinung bedingt werden. Die Gesellschaft der Grundbesitzer von Bengalen hat daher die erste Gelegenheit ergriffen, sich mit der in London gebildeten ostindischen Association in Verbindung zu setzen. Sie hat kürzlich eine Commission ernannt, um der Londoner Association zu empfehlen vor Allem auf vier Punkte zu dringen: 1) die Erhaltung der legalen Privilegien der steuerfreien Güter; 2) die Ausdehnung der fixen Landsteuer über ganz Indien; 3) die Reform der Polizei und der Finanzverwaltung; 4) die Ertheilung wüster Ländereien unter billigen Bedingungen an die, welche sie urbar machen wollen. Die größten Landbesitzer von Bengalen, wie Radscha Kischennath, Radscha Kalikrischna u. a., so wie die reichsten Capitalisten von Calcutta wie Dwarkanath, Tagore und Beycuntnath Roy sind eifrige Mitglieder der Gesellschaft und ihre Reden zeichnen sich durch aufgeklärte Ansichten und eine große Mäßigung aus. Wenn man sich erinnert, wie Leute ihrer Classe noch vor 20 Jahren ihre Reichthümer zu Festen für braminische Bettler, zu Heirathsprocessionen und zu Erhaltung von Tänzerinnen verwendeten, so muß man sich überzeugen, daß die Civilisation in den höheren Classen der Eingebornen wirkliche Fortschritte gemacht hat, und daß die Zeit nicht mehr entfernt seyn kann, wo man ihnen einen directen Antheil an der Verwaltung des Landes einräumen muß. Im Innern der Provinzen ist freilich der Geist der letzten Zeiten der Moguls noch sehr herrschend, und man kann in Patna, Murschedabad, Dehli u. s. w. noch die Nachkommen der alten Familien ihren Reichthum in kindischem Zeitvertreib, in Fliegenlassen von Papierdrachen und Wetten darüber, im Unterhalten einer Menge müßiger Diener, in Trägheit und weichlicher Ueppigkeit verschwenden sehen, aber der neue Geist dringt nach und nach durch, und die Zeit ist gekommen, wo die Compagnie darauf denken muß, sich die neue Generation zu verbinden – die alte war durch ihre Unwissenheit gebunden, aber die neue muß durch ihre Interessen gebunden werden.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840, S. 0654. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_082_18400322/14>, abgerufen am 16.04.2024.