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Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840.

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nicht mehr, dessen Tod er bereits in Neapel erfahren und mit einem schönen Gedicht gefeiert hatte. *)*) Diesen Riß in sein Leben empfand er schmerzlich, und es wollte ihm nicht wieder recht wohl werden in der sonst gewohnten Umgebung. Er gab jetzt mehr als wohl in früherer Zeit dem Gedanken Raum, den Stand des Litteraten mit einem bürgerlichen Beruf zu vertauschen, machte dazwischen Plane zu neuen Reisen, zuletzt noch zu einer Fahrt nach Algier, als ihn, ihm selbst und allen seinen Freunden unerwartet, sein letztes Geschick ereilte. Am 3 Febr. früh hatte er noch an einem Gedicht gearbeitet, welches das Leben und das Ende eines mexicanischen Wucherers behandelte, und wovon nur Fragmente in seinem Nachlaß vorgefunden worden. Die Schlußverse hatte er aber an jenem Tage, bereits vor der Vollendung des Ganzen, auf das Papier geworfen. Sie lauten:

Da trat mit fäll'gem Wechsel in der Hand
Ein harter Gläub'ger plötzlich an sein Bett,
Der Spediteur der Welt, Hans Mors genannt.
Mittags speiste er, wie gewöhnlich, an einer table d'hote mit Freunden, die nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkten, und gegen Abend ging er um den Dr. med. Hammer zu einer der dramatischen Vorlesungen abzuholen, die zu jener Zeit Hr. v. Holtei in Berlin hielt. Auf dem Zimmer dieses ihm befreundeten Arztes traf ihn ein Schlagfluß, dessen tödliche Einwirkung durch einen augenblicklichen Aderlaß beseitigt zu seyn schien, indem er in einen Wagen geschafft und in seine Wohnung gebracht werden konnte. Aber in der Nacht vom 3 zum 4 wiederholten sich die Schlaganfälle, und am 5 erlosch das Leben, nachdem Gaudy nicht wieder zur Besinnung gekommen war. Am 9 fand seine Beerdigung statt, unter Theilnahme eines zahlreichen, aus Schriftstellern, namentlich jüngern Dichtern, bestehenden Leichengefolges. - Gaudy ruht auf dem alten Halle'schen Kirchhofe dicht vor dem Halle'schen Thor, unfern einem Oheim, dem preußischen Staatsminister v. Gaudy, und einer Tochter desselben. Die Herausgabe seines Nachlasses wird von seinen Freunden Ferrand (Schulz) und Arthur Müller besorgt werden. In Gaudy hat Deutschland ein schönes frisches Talent und einen Ehrenmann im Leben verloren, dessen Gedächtniß im Kreise der ihm Befreundeten nicht erlöschen wird. Ein Porträt von ihm, welches den von Ruge und Echtermeyer herausgegebenen deutschen Musenalmanach für 1841 zieren wird, nach einer Zeichnung von Franz Kugler gestochen von Eichens, stellt den Dahingeschiedenen sprechend ähnlich dar. Auch eine Lithographie nach einem von Kretzschmer 1839 in Rom gemalten Bilde erscheint so eben.

Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs.

(Beschluß.)

Während dieser innern Jahre langen Parteikämpfe hatten die militärischen und politischen Angelegenheiten eine ungünstige Wendung genommen. Man hatte an Alles gedacht, nur nicht an den Krieg und dessen Führung. Die militärischen Verluste in den verschiedenen Expeditionen waren groß gewesen; unter Guergue allein hatten wir 16,000 Mann und die ganze Feldartillerie verloren. Die Recrutirung in den Provinzen war, als man die Bataillone nach den Ereignissen von Estella wieder einigermaßen completirt hatte, beinahe unmöglich; es blieben nur noch Weiber und Greise zur Bebauung der Felder und Betreibung der Gewerbe. Die Hülfsquellen des Landes waren versiegt, die Erhaltung des Heeres war äußerst schwierig und ohne Zufuhren aus Frankreich unmöglich. Die schlechte Verwaltung der letzten Jahre hatte die Gelder, die man von dem unglücklichen Lande erpreßt hatte, vergeudet und veruntreut; das Ausland seinerseits schien nicht ferner mit Geldzuschüssen die Sache unterstützen zu wollen; im Innern selbst konnte, wenn man nicht alle Familien zerstören wollte, für das Heer nichts mehr erhoben werden; die Auslagen für den Hof allein waren beinahe unerschwinglich. Es fing an, an dem Nöthigsten in der Armee zu fehlen, so daß die Operationen darunter litten; trotz dem war der Geist der Truppen wie ihre Disciplin ausgezeichnet.

In politischer Beziehung hatte man die betrübendsten Rückschritte gemacht; das Ausland mußte unzufrieden seyn: die schreckliche Herrschaft der Apostolischen und Teixeiro's hatte in Verbindung mit den angedeuteten Ereignissen den Credit des Königs gänzlich untergraben; die Anhänger der Sache, welche die vom Feinde dominirten Provinzen bewohnten, hatten das Zutrauen in unsere Waffen verloren und verhielten sich ruhig, in der letzten Zeit sogar feindlich gegen uns; in den nordischen Provinzen selbst war man an dem König irre geworden und verzweifelte an einem günstigen Ende des Kriegs.

Das Ministerium und die Regierung hatten weder Politik noch Regierungssystem; ihre Wirkungssphäre beschränkte sich lediglich auf das Personalwesen; man war außer aller Verbindung mit dem Innern von Spanien, und mit dem Auslande hatte es gleiche Bewandtniß, so daß man alle politische Fühlung verlor und stets in völliger Unkenntniß von dem war, was außerhalb der Provinzen sich ereignete. Was kümmerte dieß aber auch Männer, die, ohne Bildung, von der niedersten Volksclasse durch Intriguen sich zu den höchsten Staatsposten emporgeschwungen hatten! Woher sollten sie wohl Ideen von Regieren und Politik haben! Ihr System war: die höchsten Stellen zu erhalten, sich auf jede mögliche Weise zu bereichern, sich nach Madrid führen, und dann die, welche es gethan hatten, erschießen zu lassen, um ungestört Spanien in ewige Nacht zu versenken und unter den Ruinen seiner ehemaligen Größe nach Schätzen zu wühlen. Für sie war die politische Zukunft Spaniens eine gleichgültige Sache, nur die Gegenwart existirte für sie; ihr politisches Leben zählte nur von einer Hofintrigue zu der andern, und wenn trotz dem in den Provinzen sich ein Schein von innerer Ordnung erhielt und das bürgerliche Leben seinen ruhigen Gang fortlief, so darf man dieß allein dem Umstande zuschreiben, daß das Ministerium über sie eigentlich keine Autorität ausübte.

Die Feinde boten ein hievon sehr verschiedenes Schauspiel dar: sie hatten große Fortschritte gemacht. Ihre Politik und ihr Regierungssystem erhielten wenigstens den Contact mit dem Ausland und mußten zuletzt Anklang im Innern finden, da jede positive Regierung einem provisorischen Zustand von der Masse am Ende vorgezogen wird. Die Armee hatte durch die glücklichen Gefechte gegen den General Guergue einen großen Theil ihres verlorenen moralischen Muths wieder bekommen, der durch eine strenge Disciplin und durch die Ueberzahl unterstützt sie fähig machte, gegen die Carlisten mit Vortheil das Feld zu halten. Das Material der feindlichen Armee war vortrefflich, ihre Artillerie zahlreich, die Cavallerie uns um das Zehnfache überlegen. Zu all diesem kam, daß sie mehr wagen

*) Zuerst im Morgenblatt abgedruckt. Demnächst in dem Werke: Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso, von Julius Eduard Hitzig. Bd. 2. S. 260. Unter dem Titel: "Chamisso ist todt."

nicht mehr, dessen Tod er bereits in Neapel erfahren und mit einem schönen Gedicht gefeiert hatte. *)*) Diesen Riß in sein Leben empfand er schmerzlich, und es wollte ihm nicht wieder recht wohl werden in der sonst gewohnten Umgebung. Er gab jetzt mehr als wohl in früherer Zeit dem Gedanken Raum, den Stand des Litteraten mit einem bürgerlichen Beruf zu vertauschen, machte dazwischen Plane zu neuen Reisen, zuletzt noch zu einer Fahrt nach Algier, als ihn, ihm selbst und allen seinen Freunden unerwartet, sein letztes Geschick ereilte. Am 3 Febr. früh hatte er noch an einem Gedicht gearbeitet, welches das Leben und das Ende eines mexicanischen Wucherers behandelte, und wovon nur Fragmente in seinem Nachlaß vorgefunden worden. Die Schlußverse hatte er aber an jenem Tage, bereits vor der Vollendung des Ganzen, auf das Papier geworfen. Sie lauten:

Da trat mit fäll'gem Wechsel in der Hand
Ein harter Gläub'ger plötzlich an sein Bett,
Der Spediteur der Welt, Hans Mors genannt.
Mittags speiste er, wie gewöhnlich, an einer table d'hôte mit Freunden, die nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkten, und gegen Abend ging er um den Dr. med. Hammer zu einer der dramatischen Vorlesungen abzuholen, die zu jener Zeit Hr. v. Holtei in Berlin hielt. Auf dem Zimmer dieses ihm befreundeten Arztes traf ihn ein Schlagfluß, dessen tödliche Einwirkung durch einen augenblicklichen Aderlaß beseitigt zu seyn schien, indem er in einen Wagen geschafft und in seine Wohnung gebracht werden konnte. Aber in der Nacht vom 3 zum 4 wiederholten sich die Schlaganfälle, und am 5 erlosch das Leben, nachdem Gaudy nicht wieder zur Besinnung gekommen war. Am 9 fand seine Beerdigung statt, unter Theilnahme eines zahlreichen, aus Schriftstellern, namentlich jüngern Dichtern, bestehenden Leichengefolges. – Gaudy ruht auf dem alten Halle'schen Kirchhofe dicht vor dem Halle'schen Thor, unfern einem Oheim, dem preußischen Staatsminister v. Gaudy, und einer Tochter desselben. Die Herausgabe seines Nachlasses wird von seinen Freunden Ferrand (Schulz) und Arthur Müller besorgt werden. In Gaudy hat Deutschland ein schönes frisches Talent und einen Ehrenmann im Leben verloren, dessen Gedächtniß im Kreise der ihm Befreundeten nicht erlöschen wird. Ein Porträt von ihm, welches den von Ruge und Echtermeyer herausgegebenen deutschen Musenalmanach für 1841 zieren wird, nach einer Zeichnung von Franz Kugler gestochen von Eichens, stellt den Dahingeschiedenen sprechend ähnlich dar. Auch eine Lithographie nach einem von Kretzschmer 1839 in Rom gemalten Bilde erscheint so eben.

Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs.

(Beschluß.)

Während dieser innern Jahre langen Parteikämpfe hatten die militärischen und politischen Angelegenheiten eine ungünstige Wendung genommen. Man hatte an Alles gedacht, nur nicht an den Krieg und dessen Führung. Die militärischen Verluste in den verschiedenen Expeditionen waren groß gewesen; unter Guergué allein hatten wir 16,000 Mann und die ganze Feldartillerie verloren. Die Recrutirung in den Provinzen war, als man die Bataillone nach den Ereignissen von Estella wieder einigermaßen completirt hatte, beinahe unmöglich; es blieben nur noch Weiber und Greise zur Bebauung der Felder und Betreibung der Gewerbe. Die Hülfsquellen des Landes waren versiegt, die Erhaltung des Heeres war äußerst schwierig und ohne Zufuhren aus Frankreich unmöglich. Die schlechte Verwaltung der letzten Jahre hatte die Gelder, die man von dem unglücklichen Lande erpreßt hatte, vergeudet und veruntreut; das Ausland seinerseits schien nicht ferner mit Geldzuschüssen die Sache unterstützen zu wollen; im Innern selbst konnte, wenn man nicht alle Familien zerstören wollte, für das Heer nichts mehr erhoben werden; die Auslagen für den Hof allein waren beinahe unerschwinglich. Es fing an, an dem Nöthigsten in der Armee zu fehlen, so daß die Operationen darunter litten; trotz dem war der Geist der Truppen wie ihre Disciplin ausgezeichnet.

In politischer Beziehung hatte man die betrübendsten Rückschritte gemacht; das Ausland mußte unzufrieden seyn: die schreckliche Herrschaft der Apostolischen und Teixeiro's hatte in Verbindung mit den angedeuteten Ereignissen den Credit des Königs gänzlich untergraben; die Anhänger der Sache, welche die vom Feinde dominirten Provinzen bewohnten, hatten das Zutrauen in unsere Waffen verloren und verhielten sich ruhig, in der letzten Zeit sogar feindlich gegen uns; in den nordischen Provinzen selbst war man an dem König irre geworden und verzweifelte an einem günstigen Ende des Kriegs.

Das Ministerium und die Regierung hatten weder Politik noch Regierungssystem; ihre Wirkungssphäre beschränkte sich lediglich auf das Personalwesen; man war außer aller Verbindung mit dem Innern von Spanien, und mit dem Auslande hatte es gleiche Bewandtniß, so daß man alle politische Fühlung verlor und stets in völliger Unkenntniß von dem war, was außerhalb der Provinzen sich ereignete. Was kümmerte dieß aber auch Männer, die, ohne Bildung, von der niedersten Volksclasse durch Intriguen sich zu den höchsten Staatsposten emporgeschwungen hatten! Woher sollten sie wohl Ideen von Regieren und Politik haben! Ihr System war: die höchsten Stellen zu erhalten, sich auf jede mögliche Weise zu bereichern, sich nach Madrid führen, und dann die, welche es gethan hatten, erschießen zu lassen, um ungestört Spanien in ewige Nacht zu versenken und unter den Ruinen seiner ehemaligen Größe nach Schätzen zu wühlen. Für sie war die politische Zukunft Spaniens eine gleichgültige Sache, nur die Gegenwart existirte für sie; ihr politisches Leben zählte nur von einer Hofintrigue zu der andern, und wenn trotz dem in den Provinzen sich ein Schein von innerer Ordnung erhielt und das bürgerliche Leben seinen ruhigen Gang fortlief, so darf man dieß allein dem Umstande zuschreiben, daß das Ministerium über sie eigentlich keine Autorität ausübte.

Die Feinde boten ein hievon sehr verschiedenes Schauspiel dar: sie hatten große Fortschritte gemacht. Ihre Politik und ihr Regierungssystem erhielten wenigstens den Contact mit dem Ausland und mußten zuletzt Anklang im Innern finden, da jede positive Regierung einem provisorischen Zustand von der Masse am Ende vorgezogen wird. Die Armee hatte durch die glücklichen Gefechte gegen den General Guergué einen großen Theil ihres verlorenen moralischen Muths wieder bekommen, der durch eine strenge Disciplin und durch die Ueberzahl unterstützt sie fähig machte, gegen die Carlisten mit Vortheil das Feld zu halten. Das Material der feindlichen Armee war vortrefflich, ihre Artillerie zahlreich, die Cavallerie uns um das Zehnfache überlegen. Zu all diesem kam, daß sie mehr wagen

*) Zuerst im Morgenblatt abgedruckt. Demnächst in dem Werke: Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso, von Julius Eduard Hitzig. Bd. 2. S. 260. Unter dem Titel: „Chamisso ist todt.“
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[0650/0010] nicht mehr, dessen Tod er bereits in Neapel erfahren und mit einem schönen Gedicht gefeiert hatte. *) *) Diesen Riß in sein Leben empfand er schmerzlich, und es wollte ihm nicht wieder recht wohl werden in der sonst gewohnten Umgebung. Er gab jetzt mehr als wohl in früherer Zeit dem Gedanken Raum, den Stand des Litteraten mit einem bürgerlichen Beruf zu vertauschen, machte dazwischen Plane zu neuen Reisen, zuletzt noch zu einer Fahrt nach Algier, als ihn, ihm selbst und allen seinen Freunden unerwartet, sein letztes Geschick ereilte. Am 3 Febr. früh hatte er noch an einem Gedicht gearbeitet, welches das Leben und das Ende eines mexicanischen Wucherers behandelte, und wovon nur Fragmente in seinem Nachlaß vorgefunden worden. Die Schlußverse hatte er aber an jenem Tage, bereits vor der Vollendung des Ganzen, auf das Papier geworfen. Sie lauten: Da trat mit fäll'gem Wechsel in der Hand Ein harter Gläub'ger plötzlich an sein Bett, Der Spediteur der Welt, Hans Mors genannt. Mittags speiste er, wie gewöhnlich, an einer table d'hôte mit Freunden, die nichts Ungewöhnliches an ihm bemerkten, und gegen Abend ging er um den Dr. med. Hammer zu einer der dramatischen Vorlesungen abzuholen, die zu jener Zeit Hr. v. Holtei in Berlin hielt. Auf dem Zimmer dieses ihm befreundeten Arztes traf ihn ein Schlagfluß, dessen tödliche Einwirkung durch einen augenblicklichen Aderlaß beseitigt zu seyn schien, indem er in einen Wagen geschafft und in seine Wohnung gebracht werden konnte. Aber in der Nacht vom 3 zum 4 wiederholten sich die Schlaganfälle, und am 5 erlosch das Leben, nachdem Gaudy nicht wieder zur Besinnung gekommen war. Am 9 fand seine Beerdigung statt, unter Theilnahme eines zahlreichen, aus Schriftstellern, namentlich jüngern Dichtern, bestehenden Leichengefolges. – Gaudy ruht auf dem alten Halle'schen Kirchhofe dicht vor dem Halle'schen Thor, unfern einem Oheim, dem preußischen Staatsminister v. Gaudy, und einer Tochter desselben. Die Herausgabe seines Nachlasses wird von seinen Freunden Ferrand (Schulz) und Arthur Müller besorgt werden. In Gaudy hat Deutschland ein schönes frisches Talent und einen Ehrenmann im Leben verloren, dessen Gedächtniß im Kreise der ihm Befreundeten nicht erlöschen wird. Ein Porträt von ihm, welches den von Ruge und Echtermeyer herausgegebenen deutschen Musenalmanach für 1841 zieren wird, nach einer Zeichnung von Franz Kugler gestochen von Eichens, stellt den Dahingeschiedenen sprechend ähnlich dar. Auch eine Lithographie nach einem von Kretzschmer 1839 in Rom gemalten Bilde erscheint so eben. Zur Aufhellung der letzten Katastrophe des spanischen Bürgerkriegs. (Beschluß.) Während dieser innern Jahre langen Parteikämpfe hatten die militärischen und politischen Angelegenheiten eine ungünstige Wendung genommen. Man hatte an Alles gedacht, nur nicht an den Krieg und dessen Führung. Die militärischen Verluste in den verschiedenen Expeditionen waren groß gewesen; unter Guergué allein hatten wir 16,000 Mann und die ganze Feldartillerie verloren. Die Recrutirung in den Provinzen war, als man die Bataillone nach den Ereignissen von Estella wieder einigermaßen completirt hatte, beinahe unmöglich; es blieben nur noch Weiber und Greise zur Bebauung der Felder und Betreibung der Gewerbe. Die Hülfsquellen des Landes waren versiegt, die Erhaltung des Heeres war äußerst schwierig und ohne Zufuhren aus Frankreich unmöglich. Die schlechte Verwaltung der letzten Jahre hatte die Gelder, die man von dem unglücklichen Lande erpreßt hatte, vergeudet und veruntreut; das Ausland seinerseits schien nicht ferner mit Geldzuschüssen die Sache unterstützen zu wollen; im Innern selbst konnte, wenn man nicht alle Familien zerstören wollte, für das Heer nichts mehr erhoben werden; die Auslagen für den Hof allein waren beinahe unerschwinglich. Es fing an, an dem Nöthigsten in der Armee zu fehlen, so daß die Operationen darunter litten; trotz dem war der Geist der Truppen wie ihre Disciplin ausgezeichnet. In politischer Beziehung hatte man die betrübendsten Rückschritte gemacht; das Ausland mußte unzufrieden seyn: die schreckliche Herrschaft der Apostolischen und Teixeiro's hatte in Verbindung mit den angedeuteten Ereignissen den Credit des Königs gänzlich untergraben; die Anhänger der Sache, welche die vom Feinde dominirten Provinzen bewohnten, hatten das Zutrauen in unsere Waffen verloren und verhielten sich ruhig, in der letzten Zeit sogar feindlich gegen uns; in den nordischen Provinzen selbst war man an dem König irre geworden und verzweifelte an einem günstigen Ende des Kriegs. Das Ministerium und die Regierung hatten weder Politik noch Regierungssystem; ihre Wirkungssphäre beschränkte sich lediglich auf das Personalwesen; man war außer aller Verbindung mit dem Innern von Spanien, und mit dem Auslande hatte es gleiche Bewandtniß, so daß man alle politische Fühlung verlor und stets in völliger Unkenntniß von dem war, was außerhalb der Provinzen sich ereignete. Was kümmerte dieß aber auch Männer, die, ohne Bildung, von der niedersten Volksclasse durch Intriguen sich zu den höchsten Staatsposten emporgeschwungen hatten! Woher sollten sie wohl Ideen von Regieren und Politik haben! Ihr System war: die höchsten Stellen zu erhalten, sich auf jede mögliche Weise zu bereichern, sich nach Madrid führen, und dann die, welche es gethan hatten, erschießen zu lassen, um ungestört Spanien in ewige Nacht zu versenken und unter den Ruinen seiner ehemaligen Größe nach Schätzen zu wühlen. Für sie war die politische Zukunft Spaniens eine gleichgültige Sache, nur die Gegenwart existirte für sie; ihr politisches Leben zählte nur von einer Hofintrigue zu der andern, und wenn trotz dem in den Provinzen sich ein Schein von innerer Ordnung erhielt und das bürgerliche Leben seinen ruhigen Gang fortlief, so darf man dieß allein dem Umstande zuschreiben, daß das Ministerium über sie eigentlich keine Autorität ausübte. Die Feinde boten ein hievon sehr verschiedenes Schauspiel dar: sie hatten große Fortschritte gemacht. Ihre Politik und ihr Regierungssystem erhielten wenigstens den Contact mit dem Ausland und mußten zuletzt Anklang im Innern finden, da jede positive Regierung einem provisorischen Zustand von der Masse am Ende vorgezogen wird. Die Armee hatte durch die glücklichen Gefechte gegen den General Guergué einen großen Theil ihres verlorenen moralischen Muths wieder bekommen, der durch eine strenge Disciplin und durch die Ueberzahl unterstützt sie fähig machte, gegen die Carlisten mit Vortheil das Feld zu halten. Das Material der feindlichen Armee war vortrefflich, ihre Artillerie zahlreich, die Cavallerie uns um das Zehnfache überlegen. Zu all diesem kam, daß sie mehr wagen *) Zuerst im Morgenblatt abgedruckt. Demnächst in dem Werke: Leben und Briefe von Adelbert von Chamisso, von Julius Eduard Hitzig. Bd. 2. S. 260. Unter dem Titel: „Chamisso ist todt.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 82. Augsburg, 22. März 1840, S. 0650. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_082_18400322/10>, abgerufen am 24.04.2024.