Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

würden. - Der Anfang der Unterhaussitzung war unbedeutend.

Am 29 Febr. standen die Chartisten Bronterre O'Brien, Ayres, Mahon und Thomason, wegen Aufruhrs (sedition) angeklagt, vor den Assisen in Monmouth. O'Brien vertheidigte sich selbst, und führte unter Anderm an, zur Zeit der Reformagitation hätten die jetzigen Municipalbehörden der Stadt Newcastle eine viel stärkere Sprache geredet, als er. Thomason wurde durch einen Sohn Cobbetts vertheidigt. Gegen die vier Angeklagten gab die Jury das Verdict "Nicht schuldig." Die Verkündigung desselben wurde vom Publicum mit lautem Hurrah aufgenommen. Hingegen wurde John Bell, der Drucker des Chartistenblattes Northern Liberator, zu halbjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein gewisser John Wilkington hatte seinen Proceß durch die Auswanderung nach Amerika abgeschnitten. - Die fünf Genossen Frosts in Monmouthshire, deren Straferkenntniß auf lebenslängliche Deportation in temporäres Gefängniß im Inland gemildert worden, sitzen jetzt in dem Buße-Strafhaus (Penitentiary) in London.

Der Standard sucht zu beweisen, daß die Berufung der Franzosen bei ihrer Verwerfung der Dotation für den Herzog von Nemours auf den Vorgang Englands hinsichtlich der Apanage für Prinz Albert eine unpassende gewesen, indem zwischen den beiden Fällen keine Analogie obwalte, und es sich überdieß bei dem Coburger Prinzen nicht um Verwerfung, sondern nur um Ermäßigung der beantragten Summe gehandelt habe. "Die Unterthanen eines Monarchen," sagt der Standard, "sind verbunden, billige Vorsorge für dessen Kinder zu treffen, ohne Rücksicht auf das Privatvermögen, das dessen Voraussicht und Frugalität zum Besten derselben gesammelt haben mag. Die für den Herzog von Nemours begehrte Summe war zudem nicht größer, als der Sohn Ludwig Philipps in Anbetracht der Wohlthaten, die sein Vater Frankreich erzeigt hat, sie ansprechen durfte. Man darf weiter nicht vergessen, daß der König der Franzosen für Wiederherstellung des Schlosses von Versailles mehr als das Vierfache des Capitals verausgabt hat, dessen Zinsen für seinen Sohn als Einkommen verlangt wurden (also mehr als 40 Millionen Francs?). Auch seiner Munificenz für die Verschönerung seiner Hauptstadt muß man sich erinnern. Durch seine Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen hat er dazu beigetragen, die schönen Künste in Paris auf eine früher dort nie gekannte Stufe zu erheben. Der Vorwurf allzu großer Sparsamkeit geht also nicht mit dem besten Anstand von einer Stadt aus, in der sich des Königs Geschmack und Freigebigkeit eben so sehr zum Vortheil seiner Unterthanen, wie zu seiner eigenen Ehre durch sprechende Beweise kundgegeben haben. Unsere englischen Zeitungen, die da von der Knauserei Ludwig Philipps schwatzen, übersehen die edlen und ächt fürstlichen Zwecke, auf die er seine Einkünfte verwendet hat. Die enormen Kosten für die Ausstattung der neuen Galerien in Versailles fielen zum großen Theil ihm zur Last, und kaum gibt es in Paris ein öffentliches Institut, welches nicht ein und das andere eben so kostbare als geschmackvolle Kunstwerk enthält, das der König bezahlt hat. Unter diesen Umständen gereicht die Verweigerung der fraglichen Dotation den Ersparungsmännern, denen man den jetzigen Ministerwechsel in Frankreich zu danken hat, nicht zu sonderlichem Ruhm. So populär daher auch das Ministerium Thiers für den Augenblick seyn mag, für seinen Festbestand sind nur geringe Chancen vorhanden. Die Opposition gegen dasselbe ist zu zahlreich und respectabel, und hat auf die Dankbarkeit Frankreichs zu viele Ansprüche, als daß es die jetzige Session zu überdauern vermöchte - wenn es anders so lange über eine Majorität wird gebieten können, was zweifelhaft scheint." - In einem andern Artikel sagt dasselbe Toryblatt über Thiers: "Hr. Thiers scheint ein Gentleman von so glücklichem Temperament zu seyn, daß er sich für den größten Mann seines Jahrhunderts hält. Seine Aeußerung, als von den Fähigkeiten einiger seiner jetzigen Collegen die Rede war: "Ich brauche bloß Schreiber," ist ein Pröbchen von der Arroganz, womit er das Cabinet zu meistern gesonnen scheint. Das ist die natürliche Folge davon, wenn ein Mann auf eine Rangstufe gehoben wird, für die ihn die Natur niemals bestimmt haben kann." (Ein anderes Blatt räth dem Standard, doch nicht alle Anekdoten französischer Parteiblätter für baare Münze zu nehmen.) - Das ministerielle M. Chronicle seinerseits ist mit der neuen französischen Administration sehr zufrieden. Es findet sie um mehrere Schattirungen liberaler als ihre Vorgängerin, und sieht zugleich eine Bürgschaft ihrer Dauerbarkeit darin, daß die Opposition die Fahne der Mäßigung aufgesteckt habe, und vielmehr Liberalismus in dem Geiste, als in den Einzelmaaßregeln der Regierung verlange. Ueber die orientalische Frage, meint das Blatt ferner, könne das neue Cabinet bestens unterrichtet seyn, denn es besitze Admiral Roussins in der Levante gesammelte Erfahrungen, Hrn. Jaubert, der eben erst von dort zurückgekehrt sey, und Hrn. Thiers selbst, der diese Dinge zu seinem absonderlichen Studium gemacht habe. Auch auf das französische Seewesen werde der besonnene Roussin den besten Einfluß üben, denn Admiral Duperre's Politik habe nichts gewußt, als: Schiffe und Krieg.

Das M. Chronicle enthält ferner einen beachtungswerthen größeren Artikel über die orientalische Verwicklung, worin es erklärt, England werde von dem Entschlusse nicht abgehen, im Verein mit Rußland, Oesterreich und Preußen die Integrität der Türkei zu erhalten, d. h. Syrien wieder unter die Herrschaft des Sultans zu stellen. Gäbe England diesen Entschluß heute auf, so würde man morgen ein russisches Heer in Syrien oder Kleinasien sehen, und der Friede Europa's verwandelte sich in Krieg. Das jetzige französische Cabinet habe nun die Wahl, jenen vier Mächten beizutreten oder zu sehen, wie die liberale Allianz des westlichen Europa's durch einen neuen Quadrupelvertrag verdrängt werde. (Wir werden morgen den Artikel ausführlich mittheilen.)

Abweichend vom M. Chronicle, das die Wendung der Dinge in Spanien in keinem so günstigen Lichte betrachtet, sagt der Globe: "Es kann nicht geläugnet werden, daß die Angelegenheiten Spaniens sich günstiger stellen, als es in den letzten 18 Jahren der Fall war. Wenn die Gewalthaber in Madrid nur einige Ehrlichkeit und Patriotismus zeigen wollten, so könnte der Credit Spaniens wieder hergestellt werden."

Die Minister fahren, trotz der erhaltenen dritten Schlappe fort, als wenn nichts geschehen wäre, ihre Stellen zu behaupten; und nichts ist komischer als das Benehmen der Politiker der alten Schule, welche nie etwas lernt oder vergißt. Sie können gar nicht begreifen, wie ein Ministerium mit solchen entschiedenen Mehrheiten gegen sich am Leben bleiben könne. Auch betrachten sie es in allem Ernste als den schlagendsten Beweis von Ehrlosigkeit und Gemeinheit; und die Toryjournale thun ihr Bestes die guten Leute bei dieser Meinung zu erhalten. Die Einsichtsvolleren, welche erkennen, daß es nicht ein ehrloses Kleben an Würden und Besoldungen von Seite der Whigs ist, was sie am Ruder erhält, sondern die Gewalt der Umstände, die es ihren Gegnern, dasselbe zu erfassen, geschweige denn zu behaupten, unmöglich macht, seufzen nach der Rückkehr einer starken Regierung, einer Regierung, welche über die Mehrheit des Parlaments gebieten

würden. – Der Anfang der Unterhaussitzung war unbedeutend.

Am 29 Febr. standen die Chartisten Bronterre O'Brien, Ayres, Mahon und Thomason, wegen Aufruhrs (sedition) angeklagt, vor den Assisen in Monmouth. O'Brien vertheidigte sich selbst, und führte unter Anderm an, zur Zeit der Reformagitation hätten die jetzigen Municipalbehörden der Stadt Newcastle eine viel stärkere Sprache geredet, als er. Thomason wurde durch einen Sohn Cobbetts vertheidigt. Gegen die vier Angeklagten gab die Jury das Verdict „Nicht schuldig.“ Die Verkündigung desselben wurde vom Publicum mit lautem Hurrah aufgenommen. Hingegen wurde John Bell, der Drucker des Chartistenblattes Northern Liberator, zu halbjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein gewisser John Wilkington hatte seinen Proceß durch die Auswanderung nach Amerika abgeschnitten. – Die fünf Genossen Frosts in Monmouthshire, deren Straferkenntniß auf lebenslängliche Deportation in temporäres Gefängniß im Inland gemildert worden, sitzen jetzt in dem Buße-Strafhaus (Penitentiary) in London.

Der Standard sucht zu beweisen, daß die Berufung der Franzosen bei ihrer Verwerfung der Dotation für den Herzog von Nemours auf den Vorgang Englands hinsichtlich der Apanage für Prinz Albert eine unpassende gewesen, indem zwischen den beiden Fällen keine Analogie obwalte, und es sich überdieß bei dem Coburger Prinzen nicht um Verwerfung, sondern nur um Ermäßigung der beantragten Summe gehandelt habe. „Die Unterthanen eines Monarchen,“ sagt der Standard, „sind verbunden, billige Vorsorge für dessen Kinder zu treffen, ohne Rücksicht auf das Privatvermögen, das dessen Voraussicht und Frugalität zum Besten derselben gesammelt haben mag. Die für den Herzog von Nemours begehrte Summe war zudem nicht größer, als der Sohn Ludwig Philipps in Anbetracht der Wohlthaten, die sein Vater Frankreich erzeigt hat, sie ansprechen durfte. Man darf weiter nicht vergessen, daß der König der Franzosen für Wiederherstellung des Schlosses von Versailles mehr als das Vierfache des Capitals verausgabt hat, dessen Zinsen für seinen Sohn als Einkommen verlangt wurden (also mehr als 40 Millionen Francs?). Auch seiner Munificenz für die Verschönerung seiner Hauptstadt muß man sich erinnern. Durch seine Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen hat er dazu beigetragen, die schönen Künste in Paris auf eine früher dort nie gekannte Stufe zu erheben. Der Vorwurf allzu großer Sparsamkeit geht also nicht mit dem besten Anstand von einer Stadt aus, in der sich des Königs Geschmack und Freigebigkeit eben so sehr zum Vortheil seiner Unterthanen, wie zu seiner eigenen Ehre durch sprechende Beweise kundgegeben haben. Unsere englischen Zeitungen, die da von der Knauserei Ludwig Philipps schwatzen, übersehen die edlen und ächt fürstlichen Zwecke, auf die er seine Einkünfte verwendet hat. Die enormen Kosten für die Ausstattung der neuen Galerien in Versailles fielen zum großen Theil ihm zur Last, und kaum gibt es in Paris ein öffentliches Institut, welches nicht ein und das andere eben so kostbare als geschmackvolle Kunstwerk enthält, das der König bezahlt hat. Unter diesen Umständen gereicht die Verweigerung der fraglichen Dotation den Ersparungsmännern, denen man den jetzigen Ministerwechsel in Frankreich zu danken hat, nicht zu sonderlichem Ruhm. So populär daher auch das Ministerium Thiers für den Augenblick seyn mag, für seinen Festbestand sind nur geringe Chancen vorhanden. Die Opposition gegen dasselbe ist zu zahlreich und respectabel, und hat auf die Dankbarkeit Frankreichs zu viele Ansprüche, als daß es die jetzige Session zu überdauern vermöchte – wenn es anders so lange über eine Majorität wird gebieten können, was zweifelhaft scheint.“ – In einem andern Artikel sagt dasselbe Toryblatt über Thiers: „Hr. Thiers scheint ein Gentleman von so glücklichem Temperament zu seyn, daß er sich für den größten Mann seines Jahrhunderts hält. Seine Aeußerung, als von den Fähigkeiten einiger seiner jetzigen Collegen die Rede war: „Ich brauche bloß Schreiber,“ ist ein Pröbchen von der Arroganz, womit er das Cabinet zu meistern gesonnen scheint. Das ist die natürliche Folge davon, wenn ein Mann auf eine Rangstufe gehoben wird, für die ihn die Natur niemals bestimmt haben kann.“ (Ein anderes Blatt räth dem Standard, doch nicht alle Anekdoten französischer Parteiblätter für baare Münze zu nehmen.) – Das ministerielle M. Chronicle seinerseits ist mit der neuen französischen Administration sehr zufrieden. Es findet sie um mehrere Schattirungen liberaler als ihre Vorgängerin, und sieht zugleich eine Bürgschaft ihrer Dauerbarkeit darin, daß die Opposition die Fahne der Mäßigung aufgesteckt habe, und vielmehr Liberalismus in dem Geiste, als in den Einzelmaaßregeln der Regierung verlange. Ueber die orientalische Frage, meint das Blatt ferner, könne das neue Cabinet bestens unterrichtet seyn, denn es besitze Admiral Roussins in der Levante gesammelte Erfahrungen, Hrn. Jaubert, der eben erst von dort zurückgekehrt sey, und Hrn. Thiers selbst, der diese Dinge zu seinem absonderlichen Studium gemacht habe. Auch auf das französische Seewesen werde der besonnene Roussin den besten Einfluß üben, denn Admiral Duperre's Politik habe nichts gewußt, als: Schiffe und Krieg.

Das M. Chronicle enthält ferner einen beachtungswerthen größeren Artikel über die orientalische Verwicklung, worin es erklärt, England werde von dem Entschlusse nicht abgehen, im Verein mit Rußland, Oesterreich und Preußen die Integrität der Türkei zu erhalten, d. h. Syrien wieder unter die Herrschaft des Sultans zu stellen. Gäbe England diesen Entschluß heute auf, so würde man morgen ein russisches Heer in Syrien oder Kleinasien sehen, und der Friede Europa's verwandelte sich in Krieg. Das jetzige französische Cabinet habe nun die Wahl, jenen vier Mächten beizutreten oder zu sehen, wie die liberale Allianz des westlichen Europa's durch einen neuen Quadrupelvertrag verdrängt werde. (Wir werden morgen den Artikel ausführlich mittheilen.)

Abweichend vom M. Chronicle, das die Wendung der Dinge in Spanien in keinem so günstigen Lichte betrachtet, sagt der Globe: „Es kann nicht geläugnet werden, daß die Angelegenheiten Spaniens sich günstiger stellen, als es in den letzten 18 Jahren der Fall war. Wenn die Gewalthaber in Madrid nur einige Ehrlichkeit und Patriotismus zeigen wollten, so könnte der Credit Spaniens wieder hergestellt werden.“

Die Minister fahren, trotz der erhaltenen dritten Schlappe fort, als wenn nichts geschehen wäre, ihre Stellen zu behaupten; und nichts ist komischer als das Benehmen der Politiker der alten Schule, welche nie etwas lernt oder vergißt. Sie können gar nicht begreifen, wie ein Ministerium mit solchen entschiedenen Mehrheiten gegen sich am Leben bleiben könne. Auch betrachten sie es in allem Ernste als den schlagendsten Beweis von Ehrlosigkeit und Gemeinheit; und die Toryjournale thun ihr Bestes die guten Leute bei dieser Meinung zu erhalten. Die Einsichtsvolleren, welche erkennen, daß es nicht ein ehrloses Kleben an Würden und Besoldungen von Seite der Whigs ist, was sie am Ruder erhält, sondern die Gewalt der Umstände, die es ihren Gegnern, dasselbe zu erfassen, geschweige denn zu behaupten, unmöglich macht, seufzen nach der Rückkehr einer starken Regierung, einer Regierung, welche über die Mehrheit des Parlaments gebieten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0570"/>
würden. &#x2013; Der Anfang der <hi rendition="#g">Unterhaussitzung</hi> war unbedeutend.</p><lb/>
          <p>Am 29 Febr. standen die Chartisten Bronterre O'Brien, Ayres, Mahon und Thomason, wegen Aufruhrs (sedition) angeklagt, vor den Assisen in Monmouth. O'Brien vertheidigte sich selbst, und führte unter Anderm an, zur Zeit der Reformagitation hätten die jetzigen Municipalbehörden der Stadt Newcastle eine viel stärkere Sprache geredet, als er. Thomason wurde durch einen Sohn Cobbetts vertheidigt. Gegen die vier Angeklagten gab die Jury das Verdict &#x201E;Nicht schuldig.&#x201C; Die Verkündigung desselben wurde vom Publicum mit lautem Hurrah aufgenommen. Hingegen wurde John Bell, der Drucker des Chartistenblattes Northern Liberator, zu halbjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein gewisser John Wilkington hatte seinen Proceß durch die Auswanderung nach Amerika abgeschnitten. &#x2013; Die fünf Genossen Frosts in Monmouthshire, deren Straferkenntniß auf lebenslängliche Deportation in temporäres Gefängniß im Inland gemildert worden, sitzen jetzt in dem Buße-Strafhaus (Penitentiary) in London.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Standard</hi> sucht zu beweisen, daß die Berufung der Franzosen bei ihrer Verwerfung der Dotation für den Herzog von Nemours auf den Vorgang Englands hinsichtlich der Apanage für Prinz Albert eine unpassende gewesen, indem zwischen den beiden Fällen keine Analogie obwalte, und es sich überdieß bei dem Coburger Prinzen nicht um Verwerfung, sondern nur um Ermäßigung der beantragten Summe gehandelt habe. &#x201E;Die Unterthanen eines Monarchen,&#x201C; sagt der <hi rendition="#g">Standard</hi>, &#x201E;sind verbunden, billige Vorsorge für dessen Kinder zu treffen, ohne Rücksicht auf das Privatvermögen, das dessen Voraussicht und Frugalität zum Besten derselben gesammelt haben mag. Die für den Herzog von Nemours begehrte Summe war zudem nicht größer, als der Sohn Ludwig Philipps in Anbetracht der Wohlthaten, die sein Vater Frankreich erzeigt hat, sie ansprechen durfte. Man darf weiter nicht vergessen, daß der König der Franzosen für Wiederherstellung des Schlosses von Versailles mehr als das Vierfache des Capitals verausgabt hat, dessen Zinsen für seinen Sohn als Einkommen verlangt wurden (also mehr als 40 Millionen Francs?). Auch seiner Munificenz für die Verschönerung seiner Hauptstadt muß man sich erinnern. Durch seine Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen hat er dazu beigetragen, die schönen Künste in Paris auf eine früher dort nie gekannte Stufe zu erheben. Der Vorwurf allzu großer Sparsamkeit geht also nicht mit dem besten Anstand von einer Stadt aus, in der sich des Königs Geschmack und Freigebigkeit eben so sehr zum Vortheil seiner Unterthanen, wie zu seiner eigenen Ehre durch sprechende Beweise kundgegeben haben. Unsere englischen Zeitungen, die da von der Knauserei Ludwig Philipps schwatzen, übersehen die edlen und ächt fürstlichen Zwecke, auf die er seine Einkünfte verwendet hat. Die enormen Kosten für die Ausstattung der neuen Galerien in Versailles fielen zum großen Theil ihm zur Last, und kaum gibt es in Paris ein öffentliches Institut, welches nicht ein und das andere eben so kostbare als geschmackvolle Kunstwerk enthält, das der König bezahlt hat. Unter diesen Umständen gereicht die Verweigerung der fraglichen Dotation den Ersparungsmännern, denen man den jetzigen Ministerwechsel in Frankreich zu danken hat, nicht zu sonderlichem Ruhm. So populär daher auch das Ministerium Thiers für den Augenblick seyn mag, für seinen Festbestand sind nur geringe Chancen vorhanden. Die Opposition gegen dasselbe ist zu zahlreich und respectabel, und hat auf die Dankbarkeit Frankreichs zu viele Ansprüche, als daß es die jetzige Session zu überdauern vermöchte &#x2013; wenn es anders so lange über eine Majorität wird gebieten können, was zweifelhaft scheint.&#x201C; &#x2013; In einem andern Artikel sagt dasselbe Toryblatt über Thiers: &#x201E;Hr. Thiers scheint ein Gentleman von so glücklichem Temperament zu seyn, daß er sich für den größten Mann seines Jahrhunderts hält. Seine Aeußerung, als von den Fähigkeiten einiger seiner jetzigen Collegen die Rede war: &#x201E;Ich brauche bloß Schreiber,&#x201C; ist ein Pröbchen von der Arroganz, womit er das Cabinet zu meistern gesonnen scheint. Das ist die natürliche Folge davon, wenn ein Mann auf eine Rangstufe gehoben wird, für die ihn die Natur niemals bestimmt haben kann.&#x201C; (Ein anderes Blatt räth dem <hi rendition="#g">Standard</hi>, doch nicht alle Anekdoten französischer Parteiblätter für baare Münze zu nehmen.) &#x2013; Das ministerielle M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> seinerseits ist mit der neuen französischen Administration sehr zufrieden. Es findet sie um mehrere Schattirungen liberaler als ihre Vorgängerin, und sieht zugleich eine Bürgschaft ihrer Dauerbarkeit darin, daß die Opposition die Fahne der Mäßigung aufgesteckt habe, und vielmehr Liberalismus in dem Geiste, als in den Einzelmaaßregeln der Regierung verlange. Ueber die orientalische Frage, meint das Blatt ferner, könne das neue Cabinet bestens unterrichtet seyn, denn es besitze Admiral Roussins in der Levante gesammelte Erfahrungen, Hrn. Jaubert, der eben erst von dort zurückgekehrt sey, und Hrn. Thiers selbst, der diese Dinge zu seinem absonderlichen Studium gemacht habe. Auch auf das französische Seewesen werde der besonnene Roussin den besten Einfluß üben, denn Admiral Duperre's Politik habe nichts gewußt, als: Schiffe und Krieg.</p><lb/>
          <p>Das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> enthält ferner einen beachtungswerthen größeren Artikel über die orientalische Verwicklung, worin es erklärt, England werde von dem Entschlusse nicht abgehen, im Verein mit Rußland, Oesterreich und Preußen die Integrität der Türkei zu erhalten, d. h. Syrien wieder unter die Herrschaft des Sultans zu stellen. Gäbe England diesen Entschluß heute auf, so würde man morgen ein russisches Heer in Syrien oder Kleinasien sehen, und der Friede Europa's verwandelte sich in Krieg. Das jetzige französische Cabinet habe nun die Wahl, jenen vier Mächten beizutreten oder zu sehen, wie die liberale Allianz des westlichen Europa's durch einen neuen Quadrupelvertrag verdrängt werde. (Wir werden morgen den Artikel ausführlich mittheilen.)</p><lb/>
          <p>Abweichend vom M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi>, das die Wendung der Dinge in Spanien in keinem so günstigen Lichte betrachtet, sagt der <hi rendition="#g">Globe</hi>: &#x201E;Es kann nicht geläugnet werden, daß die Angelegenheiten Spaniens sich günstiger stellen, als es in den letzten 18 Jahren der Fall war. Wenn die Gewalthaber in Madrid nur einige Ehrlichkeit und Patriotismus zeigen wollten, so könnte der Credit Spaniens wieder hergestellt werden.&#x201C;</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 4 März.</dateline>
          <p> Die Minister fahren, trotz der erhaltenen dritten Schlappe fort, als wenn nichts geschehen wäre, ihre Stellen zu behaupten; und nichts ist komischer als das Benehmen der Politiker der alten Schule, welche nie etwas lernt oder vergißt. Sie können gar nicht begreifen, wie ein Ministerium mit solchen entschiedenen Mehrheiten gegen sich am Leben bleiben könne. Auch betrachten sie es in allem Ernste als den schlagendsten Beweis von Ehrlosigkeit und Gemeinheit; und die Toryjournale thun ihr Bestes die guten Leute bei dieser Meinung zu erhalten. Die Einsichtsvolleren, welche erkennen, daß es nicht ein ehrloses Kleben an Würden und Besoldungen von Seite der Whigs ist, was sie am Ruder erhält, sondern die Gewalt der Umstände, die es ihren Gegnern, dasselbe zu erfassen, geschweige denn zu behaupten, unmöglich macht, seufzen nach der Rückkehr einer starken Regierung, einer Regierung, welche über die Mehrheit des Parlaments gebieten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0570/0002] würden. – Der Anfang der Unterhaussitzung war unbedeutend. Am 29 Febr. standen die Chartisten Bronterre O'Brien, Ayres, Mahon und Thomason, wegen Aufruhrs (sedition) angeklagt, vor den Assisen in Monmouth. O'Brien vertheidigte sich selbst, und führte unter Anderm an, zur Zeit der Reformagitation hätten die jetzigen Municipalbehörden der Stadt Newcastle eine viel stärkere Sprache geredet, als er. Thomason wurde durch einen Sohn Cobbetts vertheidigt. Gegen die vier Angeklagten gab die Jury das Verdict „Nicht schuldig.“ Die Verkündigung desselben wurde vom Publicum mit lautem Hurrah aufgenommen. Hingegen wurde John Bell, der Drucker des Chartistenblattes Northern Liberator, zu halbjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein gewisser John Wilkington hatte seinen Proceß durch die Auswanderung nach Amerika abgeschnitten. – Die fünf Genossen Frosts in Monmouthshire, deren Straferkenntniß auf lebenslängliche Deportation in temporäres Gefängniß im Inland gemildert worden, sitzen jetzt in dem Buße-Strafhaus (Penitentiary) in London. Der Standard sucht zu beweisen, daß die Berufung der Franzosen bei ihrer Verwerfung der Dotation für den Herzog von Nemours auf den Vorgang Englands hinsichtlich der Apanage für Prinz Albert eine unpassende gewesen, indem zwischen den beiden Fällen keine Analogie obwalte, und es sich überdieß bei dem Coburger Prinzen nicht um Verwerfung, sondern nur um Ermäßigung der beantragten Summe gehandelt habe. „Die Unterthanen eines Monarchen,“ sagt der Standard, „sind verbunden, billige Vorsorge für dessen Kinder zu treffen, ohne Rücksicht auf das Privatvermögen, das dessen Voraussicht und Frugalität zum Besten derselben gesammelt haben mag. Die für den Herzog von Nemours begehrte Summe war zudem nicht größer, als der Sohn Ludwig Philipps in Anbetracht der Wohlthaten, die sein Vater Frankreich erzeigt hat, sie ansprechen durfte. Man darf weiter nicht vergessen, daß der König der Franzosen für Wiederherstellung des Schlosses von Versailles mehr als das Vierfache des Capitals verausgabt hat, dessen Zinsen für seinen Sohn als Einkommen verlangt wurden (also mehr als 40 Millionen Francs?). Auch seiner Munificenz für die Verschönerung seiner Hauptstadt muß man sich erinnern. Durch seine Freigebigkeit aus seinem Privatvermögen hat er dazu beigetragen, die schönen Künste in Paris auf eine früher dort nie gekannte Stufe zu erheben. Der Vorwurf allzu großer Sparsamkeit geht also nicht mit dem besten Anstand von einer Stadt aus, in der sich des Königs Geschmack und Freigebigkeit eben so sehr zum Vortheil seiner Unterthanen, wie zu seiner eigenen Ehre durch sprechende Beweise kundgegeben haben. Unsere englischen Zeitungen, die da von der Knauserei Ludwig Philipps schwatzen, übersehen die edlen und ächt fürstlichen Zwecke, auf die er seine Einkünfte verwendet hat. Die enormen Kosten für die Ausstattung der neuen Galerien in Versailles fielen zum großen Theil ihm zur Last, und kaum gibt es in Paris ein öffentliches Institut, welches nicht ein und das andere eben so kostbare als geschmackvolle Kunstwerk enthält, das der König bezahlt hat. Unter diesen Umständen gereicht die Verweigerung der fraglichen Dotation den Ersparungsmännern, denen man den jetzigen Ministerwechsel in Frankreich zu danken hat, nicht zu sonderlichem Ruhm. So populär daher auch das Ministerium Thiers für den Augenblick seyn mag, für seinen Festbestand sind nur geringe Chancen vorhanden. Die Opposition gegen dasselbe ist zu zahlreich und respectabel, und hat auf die Dankbarkeit Frankreichs zu viele Ansprüche, als daß es die jetzige Session zu überdauern vermöchte – wenn es anders so lange über eine Majorität wird gebieten können, was zweifelhaft scheint.“ – In einem andern Artikel sagt dasselbe Toryblatt über Thiers: „Hr. Thiers scheint ein Gentleman von so glücklichem Temperament zu seyn, daß er sich für den größten Mann seines Jahrhunderts hält. Seine Aeußerung, als von den Fähigkeiten einiger seiner jetzigen Collegen die Rede war: „Ich brauche bloß Schreiber,“ ist ein Pröbchen von der Arroganz, womit er das Cabinet zu meistern gesonnen scheint. Das ist die natürliche Folge davon, wenn ein Mann auf eine Rangstufe gehoben wird, für die ihn die Natur niemals bestimmt haben kann.“ (Ein anderes Blatt räth dem Standard, doch nicht alle Anekdoten französischer Parteiblätter für baare Münze zu nehmen.) – Das ministerielle M. Chronicle seinerseits ist mit der neuen französischen Administration sehr zufrieden. Es findet sie um mehrere Schattirungen liberaler als ihre Vorgängerin, und sieht zugleich eine Bürgschaft ihrer Dauerbarkeit darin, daß die Opposition die Fahne der Mäßigung aufgesteckt habe, und vielmehr Liberalismus in dem Geiste, als in den Einzelmaaßregeln der Regierung verlange. Ueber die orientalische Frage, meint das Blatt ferner, könne das neue Cabinet bestens unterrichtet seyn, denn es besitze Admiral Roussins in der Levante gesammelte Erfahrungen, Hrn. Jaubert, der eben erst von dort zurückgekehrt sey, und Hrn. Thiers selbst, der diese Dinge zu seinem absonderlichen Studium gemacht habe. Auch auf das französische Seewesen werde der besonnene Roussin den besten Einfluß üben, denn Admiral Duperre's Politik habe nichts gewußt, als: Schiffe und Krieg. Das M. Chronicle enthält ferner einen beachtungswerthen größeren Artikel über die orientalische Verwicklung, worin es erklärt, England werde von dem Entschlusse nicht abgehen, im Verein mit Rußland, Oesterreich und Preußen die Integrität der Türkei zu erhalten, d. h. Syrien wieder unter die Herrschaft des Sultans zu stellen. Gäbe England diesen Entschluß heute auf, so würde man morgen ein russisches Heer in Syrien oder Kleinasien sehen, und der Friede Europa's verwandelte sich in Krieg. Das jetzige französische Cabinet habe nun die Wahl, jenen vier Mächten beizutreten oder zu sehen, wie die liberale Allianz des westlichen Europa's durch einen neuen Quadrupelvertrag verdrängt werde. (Wir werden morgen den Artikel ausführlich mittheilen.) Abweichend vom M. Chronicle, das die Wendung der Dinge in Spanien in keinem so günstigen Lichte betrachtet, sagt der Globe: „Es kann nicht geläugnet werden, daß die Angelegenheiten Spaniens sich günstiger stellen, als es in den letzten 18 Jahren der Fall war. Wenn die Gewalthaber in Madrid nur einige Ehrlichkeit und Patriotismus zeigen wollten, so könnte der Credit Spaniens wieder hergestellt werden.“ _ London, 4 März. Die Minister fahren, trotz der erhaltenen dritten Schlappe fort, als wenn nichts geschehen wäre, ihre Stellen zu behaupten; und nichts ist komischer als das Benehmen der Politiker der alten Schule, welche nie etwas lernt oder vergißt. Sie können gar nicht begreifen, wie ein Ministerium mit solchen entschiedenen Mehrheiten gegen sich am Leben bleiben könne. Auch betrachten sie es in allem Ernste als den schlagendsten Beweis von Ehrlosigkeit und Gemeinheit; und die Toryjournale thun ihr Bestes die guten Leute bei dieser Meinung zu erhalten. Die Einsichtsvolleren, welche erkennen, daß es nicht ein ehrloses Kleben an Würden und Besoldungen von Seite der Whigs ist, was sie am Ruder erhält, sondern die Gewalt der Umstände, die es ihren Gegnern, dasselbe zu erfassen, geschweige denn zu behaupten, unmöglich macht, seufzen nach der Rückkehr einer starken Regierung, einer Regierung, welche über die Mehrheit des Parlaments gebieten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_072_18400312
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_072_18400312/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 72. Augsburg, 12. März 1840, S. 0570. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_072_18400312/2>, abgerufen am 20.04.2024.