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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840.

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Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Montag
Nr. 69.
9 März 1840.

Spanien.

(Vormittags.) Ich beginne damit, Ihnen einiges über die Vorfälle von vorgestern nachzuholen. - Die Meuterer, welche sich auf die vor dem Congresse befindliche Wache der Nationalmiliz warfen, beabsichtigten, diese zu entwaffnen, um in den Sitzungssaal selbst einzudringen, und die Deputirten zu vertreiben. Dieß scheiterte an dem Widerstande, den die Meuterer bei der Wache fanden. Der Generalcapitän ließ auf dem Platze selbst die Erklärung in Belagerungszustand verlesen, und erst, nachdem das Volk Steine auf ihn geworfen hatte, chargiren, wobei ein Miliciano, Namens Palacios, das Leben verlor. In der Nacht versammelte sich das Ayuntamiento, und leistete den Befehlen des Generalcapitäns, auseinanderzugehen, keine Folge. Vielmehr entwarf Olozaga, als Vorsitzender, eine Adresse an die Königin-Regentin, in welcher der Belagerungszustand für gesetzwidrig erklärt, und die Aufhebung desselben verlangt wurde. Hr. Cantero und Hr. Ferrer - letzterer der wahre Repräsentant dieser Revolution, der auf dem Rücken den Kammerherrnschlüssel, auf dem Haupte die Jakobinermütze, auf der Brust den Ordensstern, in der Tasche den Plan einer Verschwörung trägt - wurden abgeschickt, um die Adresse zu überreichen, und - wer wird es glauben? - I. Maj. die Königin-Regentin nahm dieselbe huldreichst entgegen, und verhieß baldige Aufhebung des Belagerungszustandes. Die versammelten Chefs der Nationalmiliz, zu denen sich der Kriegsminister begeben hatte, überhäuften diesen mit Vorwürfen, und bezeichneten den Unglücksfall des Palacios als einen Mord. Die Minister blieben die ganze Nacht hindurch versammelt, und fertigten einen Courier nach Cuadalarara an den General Balboa, einen höchst zuverlässigen Mann, ab, mit dem Befehle, mit einem Theile seiner Truppen eiligst hierher zu kommen. Um 2 Uhr gestern Nachmittags traf bereits der General hier ein, und schon um 4 Uhr kamen seine Truppen, 2 Schwadronen Cavallerie und 2 Bataillone Infanterie, welche zehn deutsche Meilen in zwölf Stunden zurückgelegt hatten und äußerst erschöpft waren, an. Die Cavallerie blieb hier in der Stadt, die Infanterie wurde in eine halbe Stunde von hier entferntes Dorf verlegt. Da die Regierung fand, daß die Militär- und Civilbehörden vorgestern ein schwankendes Betragen beobachtet hatten, so wurde der Militärgouverneur Isidro durch den Artillerieobristen Barco, und der Gefe politico Puig durch D. Diego Entrena ersetzt. Den ganzen Tag hindurch konnte man bemerken, daß die Meuterer von vorgestern auf offener Straße mit dem Theil der Nationalmiliz, welche den Dienst hatte, Plane zu neuen und ernsthafteren Unruhen verabredeten, ohne daß Truppen erschienen, um diese Haufen auseinander zu treiben. Nachmittags hielt das Ayuntamiento unter großem Zulauf eine öffentliche Sitzung, in welcher dem Volke mitgetheilt wurde, die Königin-Regentin hätte die Protestation gegen den Belagerungszustand "mit Wohlgefallen" entgegengenommen. Hr. Olozaga erklärte darauf, er hätte dem Generalcapitän angezeigt, daß er seinem Befehle, das Ayuntamiento nicht zu versammeln, nicht gehorchen würde, selbst wenn sein Leben dadurch gefährdet werden sollte. Einstimmig wurde dieser Entschluß gebilligt. Darauf blieb das Ayuntamiento in geheimer Sitzung versammelt. Um 10 Uhr Nachts erfolgte in der Nähe meiner Wohnung eine sehr starke Detonation, die ich für einen aus dem gegenüberliegenden Artilleriepark abgefeuerten Kanonenschuß hielt. Augenblicklich wurden die Balcone in allen Straßen erleuchtet, und Cavallerieabtheilungen sprengten durch die Straßen. Diesen Morgen höre ich, jene Detonation habe vor dem Palaste des Congresses stattgefunden. - So lange die Regierung den Entschluß durchzusetzen vermag, die Nationalmiliz nicht zu den Waffen zu rufen, bleibt uns einige, wiewohl schwache Aussicht, daß der beabsichtigte neue Aufruhr unterdrückt werde. Wird aber die Nationalmiliz aufgerufen, so geht die Regierung auf sie über; ein großer Theil derselben steht mit den Meuterern in Verbindung; der andere wird sich, wie immer, passiv verhalten. - Das "Eco" von heute enthält einen wüthenden Artikel über die Lage der Dinge. "Die Constitution, heißt es darin, hat aufgehört, in Madrid zu regieren; und wenn die Constitution verschwindet, so wissen wir nicht, von welcher Art die Herrschaft des Thrones ist, welcher durch sie existirt, und durch sie sich befestigt... Die Unterjochung einer Stadt reicht nicht hin, um eine Nation zu unterdrücken, und eine Nation, welche eine so volksthümliche Armee hat wie wir, und so für die Vertheidigung ihrer Freiheit glüht, verliert diese nicht, ohne daß Ströme von Blut fließen, und alles Blut, das vergossen ist und noch vergossen werden wird, so wie alle übrigen bevorstehenden Unglücksfälle, werden über die Unklugen kommen, welche durch bloße Vollziehung der Gesetze solche Ereignisse hätten

Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Montag
Nr. 69.
9 März 1840.

Spanien.

(Vormittags.) Ich beginne damit, Ihnen einiges über die Vorfälle von vorgestern nachzuholen. – Die Meuterer, welche sich auf die vor dem Congresse befindliche Wache der Nationalmiliz warfen, beabsichtigten, diese zu entwaffnen, um in den Sitzungssaal selbst einzudringen, und die Deputirten zu vertreiben. Dieß scheiterte an dem Widerstande, den die Meuterer bei der Wache fanden. Der Generalcapitän ließ auf dem Platze selbst die Erklärung in Belagerungszustand verlesen, und erst, nachdem das Volk Steine auf ihn geworfen hatte, chargiren, wobei ein Miliciano, Namens Palacios, das Leben verlor. In der Nacht versammelte sich das Ayuntamiento, und leistete den Befehlen des Generalcapitäns, auseinanderzugehen, keine Folge. Vielmehr entwarf Olozaga, als Vorsitzender, eine Adresse an die Königin-Regentin, in welcher der Belagerungszustand für gesetzwidrig erklärt, und die Aufhebung desselben verlangt wurde. Hr. Cantero und Hr. Ferrer – letzterer der wahre Repräsentant dieser Revolution, der auf dem Rücken den Kammerherrnschlüssel, auf dem Haupte die Jakobinermütze, auf der Brust den Ordensstern, in der Tasche den Plan einer Verschwörung trägt – wurden abgeschickt, um die Adresse zu überreichen, und – wer wird es glauben? – I. Maj. die Königin-Regentin nahm dieselbe huldreichst entgegen, und verhieß baldige Aufhebung des Belagerungszustandes. Die versammelten Chefs der Nationalmiliz, zu denen sich der Kriegsminister begeben hatte, überhäuften diesen mit Vorwürfen, und bezeichneten den Unglücksfall des Palacios als einen Mord. Die Minister blieben die ganze Nacht hindurch versammelt, und fertigten einen Courier nach Cuadalarara an den General Balboa, einen höchst zuverlässigen Mann, ab, mit dem Befehle, mit einem Theile seiner Truppen eiligst hierher zu kommen. Um 2 Uhr gestern Nachmittags traf bereits der General hier ein, und schon um 4 Uhr kamen seine Truppen, 2 Schwadronen Cavallerie und 2 Bataillone Infanterie, welche zehn deutsche Meilen in zwölf Stunden zurückgelegt hatten und äußerst erschöpft waren, an. Die Cavallerie blieb hier in der Stadt, die Infanterie wurde in eine halbe Stunde von hier entferntes Dorf verlegt. Da die Regierung fand, daß die Militär- und Civilbehörden vorgestern ein schwankendes Betragen beobachtet hatten, so wurde der Militärgouverneur Isidro durch den Artillerieobristen Barco, und der Gefe politico Puig durch D. Diego Entrena ersetzt. Den ganzen Tag hindurch konnte man bemerken, daß die Meuterer von vorgestern auf offener Straße mit dem Theil der Nationalmiliz, welche den Dienst hatte, Plane zu neuen und ernsthafteren Unruhen verabredeten, ohne daß Truppen erschienen, um diese Haufen auseinander zu treiben. Nachmittags hielt das Ayuntamiento unter großem Zulauf eine öffentliche Sitzung, in welcher dem Volke mitgetheilt wurde, die Königin-Regentin hätte die Protestation gegen den Belagerungszustand „mit Wohlgefallen“ entgegengenommen. Hr. Olozaga erklärte darauf, er hätte dem Generalcapitän angezeigt, daß er seinem Befehle, das Ayuntamiento nicht zu versammeln, nicht gehorchen würde, selbst wenn sein Leben dadurch gefährdet werden sollte. Einstimmig wurde dieser Entschluß gebilligt. Darauf blieb das Ayuntamiento in geheimer Sitzung versammelt. Um 10 Uhr Nachts erfolgte in der Nähe meiner Wohnung eine sehr starke Detonation, die ich für einen aus dem gegenüberliegenden Artilleriepark abgefeuerten Kanonenschuß hielt. Augenblicklich wurden die Balcone in allen Straßen erleuchtet, und Cavallerieabtheilungen sprengten durch die Straßen. Diesen Morgen höre ich, jene Detonation habe vor dem Palaste des Congresses stattgefunden. – So lange die Regierung den Entschluß durchzusetzen vermag, die Nationalmiliz nicht zu den Waffen zu rufen, bleibt uns einige, wiewohl schwache Aussicht, daß der beabsichtigte neue Aufruhr unterdrückt werde. Wird aber die Nationalmiliz aufgerufen, so geht die Regierung auf sie über; ein großer Theil derselben steht mit den Meuterern in Verbindung; der andere wird sich, wie immer, passiv verhalten. – Das „Eco“ von heute enthält einen wüthenden Artikel über die Lage der Dinge. „Die Constitution, heißt es darin, hat aufgehört, in Madrid zu regieren; und wenn die Constitution verschwindet, so wissen wir nicht, von welcher Art die Herrschaft des Thrones ist, welcher durch sie existirt, und durch sie sich befestigt... Die Unterjochung einer Stadt reicht nicht hin, um eine Nation zu unterdrücken, und eine Nation, welche eine so volksthümliche Armee hat wie wir, und so für die Vertheidigung ihrer Freiheit glüht, verliert diese nicht, ohne daß Ströme von Blut fließen, und alles Blut, das vergossen ist und noch vergossen werden wird, so wie alle übrigen bevorstehenden Unglücksfälle, werden über die Unklugen kommen, welche durch bloße Vollziehung der Gesetze solche Ereignisse hätten

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[0545/0001] Augsburger Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Montag Nr. 69. 9 März 1840. Spanien. _ Madrid, 26 Febr. (Vormittags.) Ich beginne damit, Ihnen einiges über die Vorfälle von vorgestern nachzuholen. – Die Meuterer, welche sich auf die vor dem Congresse befindliche Wache der Nationalmiliz warfen, beabsichtigten, diese zu entwaffnen, um in den Sitzungssaal selbst einzudringen, und die Deputirten zu vertreiben. Dieß scheiterte an dem Widerstande, den die Meuterer bei der Wache fanden. Der Generalcapitän ließ auf dem Platze selbst die Erklärung in Belagerungszustand verlesen, und erst, nachdem das Volk Steine auf ihn geworfen hatte, chargiren, wobei ein Miliciano, Namens Palacios, das Leben verlor. In der Nacht versammelte sich das Ayuntamiento, und leistete den Befehlen des Generalcapitäns, auseinanderzugehen, keine Folge. Vielmehr entwarf Olozaga, als Vorsitzender, eine Adresse an die Königin-Regentin, in welcher der Belagerungszustand für gesetzwidrig erklärt, und die Aufhebung desselben verlangt wurde. Hr. Cantero und Hr. Ferrer – letzterer der wahre Repräsentant dieser Revolution, der auf dem Rücken den Kammerherrnschlüssel, auf dem Haupte die Jakobinermütze, auf der Brust den Ordensstern, in der Tasche den Plan einer Verschwörung trägt – wurden abgeschickt, um die Adresse zu überreichen, und – wer wird es glauben? – I. Maj. die Königin-Regentin nahm dieselbe huldreichst entgegen, und verhieß baldige Aufhebung des Belagerungszustandes. Die versammelten Chefs der Nationalmiliz, zu denen sich der Kriegsminister begeben hatte, überhäuften diesen mit Vorwürfen, und bezeichneten den Unglücksfall des Palacios als einen Mord. Die Minister blieben die ganze Nacht hindurch versammelt, und fertigten einen Courier nach Cuadalarara an den General Balboa, einen höchst zuverlässigen Mann, ab, mit dem Befehle, mit einem Theile seiner Truppen eiligst hierher zu kommen. Um 2 Uhr gestern Nachmittags traf bereits der General hier ein, und schon um 4 Uhr kamen seine Truppen, 2 Schwadronen Cavallerie und 2 Bataillone Infanterie, welche zehn deutsche Meilen in zwölf Stunden zurückgelegt hatten und äußerst erschöpft waren, an. Die Cavallerie blieb hier in der Stadt, die Infanterie wurde in eine halbe Stunde von hier entferntes Dorf verlegt. Da die Regierung fand, daß die Militär- und Civilbehörden vorgestern ein schwankendes Betragen beobachtet hatten, so wurde der Militärgouverneur Isidro durch den Artillerieobristen Barco, und der Gefe politico Puig durch D. Diego Entrena ersetzt. Den ganzen Tag hindurch konnte man bemerken, daß die Meuterer von vorgestern auf offener Straße mit dem Theil der Nationalmiliz, welche den Dienst hatte, Plane zu neuen und ernsthafteren Unruhen verabredeten, ohne daß Truppen erschienen, um diese Haufen auseinander zu treiben. Nachmittags hielt das Ayuntamiento unter großem Zulauf eine öffentliche Sitzung, in welcher dem Volke mitgetheilt wurde, die Königin-Regentin hätte die Protestation gegen den Belagerungszustand „mit Wohlgefallen“ entgegengenommen. Hr. Olozaga erklärte darauf, er hätte dem Generalcapitän angezeigt, daß er seinem Befehle, das Ayuntamiento nicht zu versammeln, nicht gehorchen würde, selbst wenn sein Leben dadurch gefährdet werden sollte. Einstimmig wurde dieser Entschluß gebilligt. Darauf blieb das Ayuntamiento in geheimer Sitzung versammelt. Um 10 Uhr Nachts erfolgte in der Nähe meiner Wohnung eine sehr starke Detonation, die ich für einen aus dem gegenüberliegenden Artilleriepark abgefeuerten Kanonenschuß hielt. Augenblicklich wurden die Balcone in allen Straßen erleuchtet, und Cavallerieabtheilungen sprengten durch die Straßen. Diesen Morgen höre ich, jene Detonation habe vor dem Palaste des Congresses stattgefunden. – So lange die Regierung den Entschluß durchzusetzen vermag, die Nationalmiliz nicht zu den Waffen zu rufen, bleibt uns einige, wiewohl schwache Aussicht, daß der beabsichtigte neue Aufruhr unterdrückt werde. Wird aber die Nationalmiliz aufgerufen, so geht die Regierung auf sie über; ein großer Theil derselben steht mit den Meuterern in Verbindung; der andere wird sich, wie immer, passiv verhalten. – Das „Eco“ von heute enthält einen wüthenden Artikel über die Lage der Dinge. „Die Constitution, heißt es darin, hat aufgehört, in Madrid zu regieren; und wenn die Constitution verschwindet, so wissen wir nicht, von welcher Art die Herrschaft des Thrones ist, welcher durch sie existirt, und durch sie sich befestigt... Die Unterjochung einer Stadt reicht nicht hin, um eine Nation zu unterdrücken, und eine Nation, welche eine so volksthümliche Armee hat wie wir, und so für die Vertheidigung ihrer Freiheit glüht, verliert diese nicht, ohne daß Ströme von Blut fließen, und alles Blut, das vergossen ist und noch vergossen werden wird, so wie alle übrigen bevorstehenden Unglücksfälle, werden über die Unklugen kommen, welche durch bloße Vollziehung der Gesetze solche Ereignisse hätten

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg, 9. März 1840, S. 0545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_069_18400309/1>, abgerufen am 29.03.2024.