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Allgemeine Zeitung. Nr. 63. Augsburg, 3. März 1840.

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Stüve jetzt eine solche Wahl annehme, zumal einer so überlegenen und compacten Majorität gegenüber, wie der jetzige Bestand der Kammer bildet. Bei Auflösung wäre es etwas Anderes gewesen.

Schweden.

Aus sicherer Quelle bin ich im Stande, Ihnen eine Berichtigung der verschiedenen Versionen in den Zeitungen über den Stand der hiesigen ministeriellen Krise mitzutheilen. Der König hat zwar bis jetzt nur die Dimission des Grafen Rosenblad angenommen, allein das Gerücht, welches schon seit einigen Tagen erzählt, daß auch die übrigen Räthe der Krone ihre Entlassung eingereicht haben, ist vollkommen gegründet. Die Freiherren Stjerneld, Akerhjelm und v. Schultzenheim sind mit dem Beispiele vorangegangen. Einige Tage nachher folgten auch die übrigen Staatsräthe, der Graf Hand und die Freiherren Gyllenhaal und Lagerbjelke nach. Der Hofkanzler Ihre ist nur aus dem Grunde nicht mit seinem Entlassungsgesuche beigetreten, weil er sein Amt bloß ad interim und ohne eine ordentliche Vollmacht bekleidet hat. Wenn auch die Annahme wenigstens der Mehrzahl dieser Entlassungen von Seite des Königs als unausbleiblich betrachtet werden muß, glaubt man dennoch, daß sie nicht eher erfolgen wird, als bis die Reichsstände die seit dem vorigen Reichstage im Jahre 1834 ruhende Frage von Einführung einer Ministerialverwaltung mit Departements nach dem Muster anderer constitutionellen Staaten erledigt haben. Die Ernennung neuer Staatsräthe in diesem Augenblick scheint, da wahrscheinlich eine gänzliche Reform des Staatsraths bevorsteht, nicht zweckmäßig. Nur so ist es zu erklären, warum die Staatssecretäre nicht dem Beispiele der übrigen Räthe der Krone nachgekommen sind, indem ihre Aemter nach der vorgeschlagenen neuen Organisation von sich selbst aufhören werden. Auch sind die jetzigen Staatssecretäre zum Theil nur ad interim eingesetzt gewesen - eine Art, die höheren Staatsämter zu besetzen, welche hier sehr beliebt ist. Weniger erklärlich ist es, warum der in so hohem Grade unpopuläre Justizkanzler Nerman nicht auch seine Entlassung mit eingereicht hat. Sein Amt wird auch nach der neu zu erwartenden Einrichtung fortbestehen, obwohl als eine dem Justizministerium mehr untergeordnete Stelle. - Die Hofpartei beschäftigt sich mit der eventuellen Austheilung der künftigen Ministerportefeuilles, und ist besonders beflissen, den Grafen Brahe zur Uebernahme des verantwortlichen Kriegsministeriums zu veranlassen, da seine jetzige Stelle unter den constitutionellen Rathgebern in der Eigenschaft eines Generaladjutanten für die Armee nach der neuen Organisation aufhören würde. Der Graf soll aber einen unüberwindlichen Widerwillen gegen die Uebernahme einer Verantwortlichkeit zeigen, von der er bisher, als gesetzlich nur Vortragender von Commandosachen, nicht genirt gewesen. Er hat sich bis jetzt nicht überreden lassen, dem Wunsche seiner Collegen entgegenzukommen, und wird demnach künftighin von seinen beiden einflußreichsten Aemtern wahrscheinlich nur dasjenige des Reichsmarschalls behalten. Der Graf Trolle-Wachtmeister, der zum Justizminister nach dem Grafen Rosenblad ernannt wurde, war nicht vorher gefragt worden, und soll jetzt auf die bestimmteste Weise sich weigern, den Ruf anzunehmen, indem er schon seit mehr als zwanzig Jahren von öffentlichen Geschäften entfernt, und nur seiner Oekonomie gelebt hat, auch jetzt unter Familiensorgen gebeugt ist. Man ist hierdurch in keine geringe Verlegenheit gerathen, indem die Hochadeligen vergebens um ein taugliches Subject für diesen Platz sich umsehen. Zwar fehlt es nicht ganz an solchen im Lande, obwohl daran auch nicht eben Ueberfluß ist, aber es fehlt denen, welche die nothwendigen Kenntnisse und Erfahrung besitzen, an einem hier noch notwendigeren Requisit - einem alten adeligen Wappen. Uebrigens will man bei der Zusammensetzung des neuen Cabinets wenigstens die Freiherren Stjerneld, Lagerbjelke und v. Schultzenheim behalten. Der erste wird um so wahrscheinlicher bei den auswärtigen Angelegenheiten bleiben, als er von dem ganzen Personale der einzige ist, gegen den auch die Opposition nichts einzuwenden hat, während sein Platz am schwierigsten zu ersetzen wäre, es müßte denn einer von den Gesandten in Paris oder Berlin zurückberufen werden, von denen aber keiner geneigt seyn soll, seinem jetzigen Posten zu entsagen. Der Frhr. Lagerbjelke würde das Ministerium des Seewesens übernehmen, und der Frhr. v. Schultzenheim als einer der künftigen drei Staatsräthe ohne Departement bleiben. Die übrigen Abtretenden will man als Collegienpräsidenten, Gouverneure in den Provinzen u. s. w. versorgen. Es ist hier üblich, diejenigen Rathgeber, welche der Opposition weichen müssen, durch noch einträglichere Aemter für ihren erlittenen Verdruß schadlos zu halten, und man hofft durch die eingereichten Resignationen der drohenden Gefahr einer Anklage von Seite der Reichsstände, welche vielleicht diese Rücktritte unmöglich machen würde, zuvorgekommen zu seyn. Es ist indessen zu bezweifeln, daß dieß jetzt gelingen wird, denn die Opposition hat in den drei weltlichen Ständen bestimmt die Oberhand, und selbst im Priesterstande ist die Gesinnung der Majorität wenigstens zweifelhaft, indem die Regierung kaum auf die Bischöfe mit Sicherheit rechnen kann. Zwar betrachtete die jetzige Regierungspartei die Niederlage des Grafen Anckarswärd im Plenum des Adels vom 5 als einen Triumph, der ihre Majorität in diesem Stande für die Zukunft sicher gestellt hätte, auch hat man in den letzten Wochen bemerkt, daß eine Menge von jungen Officieren und kleinen Gutsbesitzern aus den Umgebungen der Hauptstadt, welche sonst nicht die Absicht hatten, auf dem Reichstage zu erscheinen, plötzlich im Ritterhause aufgetreten sind, um an den Votirungen Theil zu nehmen; allein die Freude über den einmal davongetragenen Sieg war nur von kurzer Dauer, denn in der gleich nachher erfolgten Wahl der Bankmänner (Electoren), um die als gewählte Ausschußmitglieder ausgetretenen zu ersetzen, hat die Regierungspartei wiederum eine gänzliche Niederlage erlitten, und sie dürfte nöthig haben, noch viele Bestellungen aus den Provinzen zu machen, wenn sie sich einer Majorität unter dem Adel versichern will. Im Bürger- und Bauernstande hat sie in dieser Beziehung schon längst alle Hoffnung aufgeben müssen.

Türkei.

Das Commerce will ein Schreiben aus Konstantinopel vom 7 Februar erhalten haben, worin von einer angeblichen Landung russischer Truppen bei Trapezunt die Rede ist. Hr. v. Pontois soll deßhalb von der Pforte Erläuterungen verlangt haben, und ohne Antwort gelassen worden seyn, worauf er allen Verkehr mit der Pforte abgebrochen habe.

Viel wahrscheinlicher lautet folgende Stelle eines Schreibens des Journal des Debats aus Konstantinopel vom 7 Febr.: "In Folge einiger Erläuterungen, welche Hr. v. Pontois von der Pforte wegen der ungeheuern Rüstungen der Russen in Odessa und in allen Häfen des schwarzen Meeres verlangen zu können glaubte und auf welche keine befriedigende Antwort erfolgte, erklärte der französische Botschafter dem Divan, er kenne seine Absicht, Rußland zu Hülfe zu rufen, im Namen Frankreichs aber widersetze er sich einer Landung russischer Truppen auf dem ottomanischen Gebiet. Die Pforte wollte diese Note nicht annehmen. So weit ist diese Sache
bis jetzt gekommen. Alle Gerüchte, daß der französische Botschafter seinen Verkehr mit der Pforte abgebrochen und seine Pässe verlangt habe, sind übertrieben."

Stüve jetzt eine solche Wahl annehme, zumal einer so überlegenen und compacten Majorität gegenüber, wie der jetzige Bestand der Kammer bildet. Bei Auflösung wäre es etwas Anderes gewesen.

Schweden.

Aus sicherer Quelle bin ich im Stande, Ihnen eine Berichtigung der verschiedenen Versionen in den Zeitungen über den Stand der hiesigen ministeriellen Krise mitzutheilen. Der König hat zwar bis jetzt nur die Dimission des Grafen Rosenblad angenommen, allein das Gerücht, welches schon seit einigen Tagen erzählt, daß auch die übrigen Räthe der Krone ihre Entlassung eingereicht haben, ist vollkommen gegründet. Die Freiherren Stjerneld, Akerhjelm und v. Schultzenheim sind mit dem Beispiele vorangegangen. Einige Tage nachher folgten auch die übrigen Staatsräthe, der Graf Hånd und die Freiherren Gyllenhaal und Lagerbjelke nach. Der Hofkanzler Ihre ist nur aus dem Grunde nicht mit seinem Entlassungsgesuche beigetreten, weil er sein Amt bloß ad interim und ohne eine ordentliche Vollmacht bekleidet hat. Wenn auch die Annahme wenigstens der Mehrzahl dieser Entlassungen von Seite des Königs als unausbleiblich betrachtet werden muß, glaubt man dennoch, daß sie nicht eher erfolgen wird, als bis die Reichsstände die seit dem vorigen Reichstage im Jahre 1834 ruhende Frage von Einführung einer Ministerialverwaltung mit Departements nach dem Muster anderer constitutionellen Staaten erledigt haben. Die Ernennung neuer Staatsräthe in diesem Augenblick scheint, da wahrscheinlich eine gänzliche Reform des Staatsraths bevorsteht, nicht zweckmäßig. Nur so ist es zu erklären, warum die Staatssecretäre nicht dem Beispiele der übrigen Räthe der Krone nachgekommen sind, indem ihre Aemter nach der vorgeschlagenen neuen Organisation von sich selbst aufhören werden. Auch sind die jetzigen Staatssecretäre zum Theil nur ad interim eingesetzt gewesen – eine Art, die höheren Staatsämter zu besetzen, welche hier sehr beliebt ist. Weniger erklärlich ist es, warum der in so hohem Grade unpopuläre Justizkanzler Nerman nicht auch seine Entlassung mit eingereicht hat. Sein Amt wird auch nach der neu zu erwartenden Einrichtung fortbestehen, obwohl als eine dem Justizministerium mehr untergeordnete Stelle. – Die Hofpartei beschäftigt sich mit der eventuellen Austheilung der künftigen Ministerportefeuilles, und ist besonders beflissen, den Grafen Brahe zur Uebernahme des verantwortlichen Kriegsministeriums zu veranlassen, da seine jetzige Stelle unter den constitutionellen Rathgebern in der Eigenschaft eines Generaladjutanten für die Armee nach der neuen Organisation aufhören würde. Der Graf soll aber einen unüberwindlichen Widerwillen gegen die Uebernahme einer Verantwortlichkeit zeigen, von der er bisher, als gesetzlich nur Vortragender von Commandosachen, nicht genirt gewesen. Er hat sich bis jetzt nicht überreden lassen, dem Wunsche seiner Collegen entgegenzukommen, und wird demnach künftighin von seinen beiden einflußreichsten Aemtern wahrscheinlich nur dasjenige des Reichsmarschalls behalten. Der Graf Trolle-Wachtmeister, der zum Justizminister nach dem Grafen Rosenblad ernannt wurde, war nicht vorher gefragt worden, und soll jetzt auf die bestimmteste Weise sich weigern, den Ruf anzunehmen, indem er schon seit mehr als zwanzig Jahren von öffentlichen Geschäften entfernt, und nur seiner Oekonomie gelebt hat, auch jetzt unter Familiensorgen gebeugt ist. Man ist hierdurch in keine geringe Verlegenheit gerathen, indem die Hochadeligen vergebens um ein taugliches Subject für diesen Platz sich umsehen. Zwar fehlt es nicht ganz an solchen im Lande, obwohl daran auch nicht eben Ueberfluß ist, aber es fehlt denen, welche die nothwendigen Kenntnisse und Erfahrung besitzen, an einem hier noch notwendigeren Requisit – einem alten adeligen Wappen. Uebrigens will man bei der Zusammensetzung des neuen Cabinets wenigstens die Freiherren Stjerneld, Lagerbjelke und v. Schultzenheim behalten. Der erste wird um so wahrscheinlicher bei den auswärtigen Angelegenheiten bleiben, als er von dem ganzen Personale der einzige ist, gegen den auch die Opposition nichts einzuwenden hat, während sein Platz am schwierigsten zu ersetzen wäre, es müßte denn einer von den Gesandten in Paris oder Berlin zurückberufen werden, von denen aber keiner geneigt seyn soll, seinem jetzigen Posten zu entsagen. Der Frhr. Lagerbjelke würde das Ministerium des Seewesens übernehmen, und der Frhr. v. Schultzenheim als einer der künftigen drei Staatsräthe ohne Departement bleiben. Die übrigen Abtretenden will man als Collegienpräsidenten, Gouverneure in den Provinzen u. s. w. versorgen. Es ist hier üblich, diejenigen Rathgeber, welche der Opposition weichen müssen, durch noch einträglichere Aemter für ihren erlittenen Verdruß schadlos zu halten, und man hofft durch die eingereichten Resignationen der drohenden Gefahr einer Anklage von Seite der Reichsstände, welche vielleicht diese Rücktritte unmöglich machen würde, zuvorgekommen zu seyn. Es ist indessen zu bezweifeln, daß dieß jetzt gelingen wird, denn die Opposition hat in den drei weltlichen Ständen bestimmt die Oberhand, und selbst im Priesterstande ist die Gesinnung der Majorität wenigstens zweifelhaft, indem die Regierung kaum auf die Bischöfe mit Sicherheit rechnen kann. Zwar betrachtete die jetzige Regierungspartei die Niederlage des Grafen Anckarswärd im Plenum des Adels vom 5 als einen Triumph, der ihre Majorität in diesem Stande für die Zukunft sicher gestellt hätte, auch hat man in den letzten Wochen bemerkt, daß eine Menge von jungen Officieren und kleinen Gutsbesitzern aus den Umgebungen der Hauptstadt, welche sonst nicht die Absicht hatten, auf dem Reichstage zu erscheinen, plötzlich im Ritterhause aufgetreten sind, um an den Votirungen Theil zu nehmen; allein die Freude über den einmal davongetragenen Sieg war nur von kurzer Dauer, denn in der gleich nachher erfolgten Wahl der Bankmänner (Electoren), um die als gewählte Ausschußmitglieder ausgetretenen zu ersetzen, hat die Regierungspartei wiederum eine gänzliche Niederlage erlitten, und sie dürfte nöthig haben, noch viele Bestellungen aus den Provinzen zu machen, wenn sie sich einer Majorität unter dem Adel versichern will. Im Bürger- und Bauernstande hat sie in dieser Beziehung schon längst alle Hoffnung aufgeben müssen.

Türkei.

Das Commerce will ein Schreiben aus Konstantinopel vom 7 Februar erhalten haben, worin von einer angeblichen Landung russischer Truppen bei Trapezunt die Rede ist. Hr. v. Pontois soll deßhalb von der Pforte Erläuterungen verlangt haben, und ohne Antwort gelassen worden seyn, worauf er allen Verkehr mit der Pforte abgebrochen habe.

Viel wahrscheinlicher lautet folgende Stelle eines Schreibens des Journal des Débats aus Konstantinopel vom 7 Febr.: „In Folge einiger Erläuterungen, welche Hr. v. Pontois von der Pforte wegen der ungeheuern Rüstungen der Russen in Odessa und in allen Häfen des schwarzen Meeres verlangen zu können glaubte und auf welche keine befriedigende Antwort erfolgte, erklärte der französische Botschafter dem Divan, er kenne seine Absicht, Rußland zu Hülfe zu rufen, im Namen Frankreichs aber widersetze er sich einer Landung russischer Truppen auf dem ottomanischen Gebiet. Die Pforte wollte diese Note nicht annehmen. So weit ist diese Sache
bis jetzt gekommen. Alle Gerüchte, daß der französische Botschafter seinen Verkehr mit der Pforte abgebrochen und seine Pässe verlangt habe, sind übertrieben.“

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Wenn auch die Annahme wenigstens der Mehrzahl dieser Entlassungen von Seite des Königs als unausbleiblich betrachtet werden muß, glaubt man dennoch, daß sie nicht eher erfolgen wird, als bis die Reichsstände die seit dem vorigen Reichstage im Jahre 1834 ruhende Frage von Einführung einer Ministerialverwaltung mit Departements nach dem Muster anderer constitutionellen Staaten erledigt haben. Die Ernennung neuer Staatsräthe in diesem Augenblick scheint, da wahrscheinlich eine gänzliche Reform des Staatsraths bevorsteht, nicht zweckmäßig. Nur so ist es zu erklären, warum die Staatssecretäre nicht dem Beispiele der übrigen Räthe der Krone nachgekommen sind, indem ihre Aemter nach der vorgeschlagenen neuen Organisation von sich selbst aufhören werden. Auch sind die jetzigen Staatssecretäre zum Theil nur ad interim eingesetzt gewesen &#x2013; eine Art, die höheren Staatsämter zu besetzen, welche hier sehr beliebt ist. Weniger erklärlich ist es, warum der in so hohem Grade unpopuläre Justizkanzler Nerman nicht auch seine Entlassung mit eingereicht hat. Sein Amt wird auch nach der neu zu erwartenden Einrichtung fortbestehen, obwohl als eine dem Justizministerium mehr untergeordnete Stelle. &#x2013; Die Hofpartei beschäftigt sich mit der eventuellen Austheilung der künftigen Ministerportefeuilles, und ist besonders beflissen, den Grafen Brahe zur Uebernahme des verantwortlichen Kriegsministeriums zu veranlassen, da seine jetzige Stelle unter den constitutionellen Rathgebern in der Eigenschaft eines Generaladjutanten für die Armee nach der neuen Organisation aufhören würde. Der Graf soll aber einen unüberwindlichen Widerwillen gegen die Uebernahme einer Verantwortlichkeit zeigen, von der er bisher, als gesetzlich nur Vortragender von Commandosachen, nicht genirt gewesen. Er hat sich bis jetzt nicht überreden lassen, dem Wunsche seiner Collegen entgegenzukommen, und wird demnach künftighin von seinen beiden einflußreichsten Aemtern wahrscheinlich nur dasjenige des Reichsmarschalls behalten. Der Graf Trolle-Wachtmeister, der zum Justizminister nach dem Grafen Rosenblad ernannt wurde, war nicht vorher gefragt worden, und soll jetzt auf die bestimmteste Weise sich weigern, den Ruf anzunehmen, indem er schon seit mehr als zwanzig Jahren von öffentlichen Geschäften entfernt, und nur seiner Oekonomie gelebt hat, auch jetzt unter Familiensorgen gebeugt ist. Man ist hierdurch in keine geringe Verlegenheit gerathen, indem die Hochadeligen vergebens um ein taugliches Subject für diesen Platz sich umsehen. Zwar fehlt es nicht ganz an solchen im Lande, obwohl daran auch nicht eben Ueberfluß ist, aber es fehlt denen, welche die nothwendigen Kenntnisse und Erfahrung besitzen, an einem hier noch notwendigeren Requisit &#x2013; einem alten adeligen Wappen. Uebrigens will man bei der Zusammensetzung des neuen Cabinets wenigstens die Freiherren Stjerneld, Lagerbjelke und v. Schultzenheim behalten. Der erste wird um so wahrscheinlicher bei den auswärtigen Angelegenheiten bleiben, als er von dem ganzen Personale der einzige ist, gegen den auch die Opposition nichts einzuwenden hat, während sein Platz am schwierigsten zu ersetzen wäre, es müßte denn einer von den Gesandten in Paris oder Berlin zurückberufen werden, von denen aber keiner geneigt seyn soll, seinem jetzigen Posten zu entsagen. Der Frhr. Lagerbjelke würde das Ministerium des Seewesens übernehmen, und der Frhr. v. Schultzenheim als einer der künftigen drei Staatsräthe ohne Departement bleiben. Die übrigen Abtretenden will man als Collegienpräsidenten, Gouverneure in den Provinzen u. s. w. versorgen. Es ist hier üblich, diejenigen Rathgeber, welche der Opposition weichen müssen, durch noch einträglichere Aemter für ihren erlittenen Verdruß schadlos zu halten, und man hofft durch die eingereichten Resignationen der drohenden Gefahr einer Anklage von Seite der Reichsstände, welche vielleicht diese Rücktritte unmöglich machen würde, zuvorgekommen zu seyn. Es ist indessen zu bezweifeln, daß dieß jetzt gelingen wird, denn die Opposition hat in den drei weltlichen Ständen bestimmt die Oberhand, und selbst im Priesterstande ist die Gesinnung der Majorität wenigstens zweifelhaft, indem die Regierung kaum auf die Bischöfe mit Sicherheit rechnen kann. Zwar betrachtete die jetzige Regierungspartei die Niederlage des Grafen Anckarswärd im Plenum des Adels vom 5 als einen Triumph, der ihre Majorität in diesem Stande für die Zukunft sicher gestellt hätte, auch hat man in den letzten Wochen bemerkt, daß eine Menge von jungen Officieren und kleinen Gutsbesitzern aus den Umgebungen der Hauptstadt, welche sonst nicht die Absicht hatten, auf dem Reichstage zu erscheinen, plötzlich im Ritterhause aufgetreten sind, um an den Votirungen Theil zu nehmen; allein die Freude über den einmal davongetragenen Sieg war nur von kurzer Dauer, denn in der gleich nachher erfolgten Wahl der Bankmänner (Electoren), um die als gewählte Ausschußmitglieder ausgetretenen zu ersetzen, hat die Regierungspartei wiederum eine gänzliche Niederlage erlitten, und sie dürfte nöthig haben, noch viele Bestellungen aus den Provinzen zu machen, wenn sie sich einer Majorität unter dem Adel versichern will. 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[0503/0007] Stüve jetzt eine solche Wahl annehme, zumal einer so überlegenen und compacten Majorität gegenüber, wie der jetzige Bestand der Kammer bildet. Bei Auflösung wäre es etwas Anderes gewesen. Schweden. _ Stockholm, 11 Febr. Aus sicherer Quelle bin ich im Stande, Ihnen eine Berichtigung der verschiedenen Versionen in den Zeitungen über den Stand der hiesigen ministeriellen Krise mitzutheilen. Der König hat zwar bis jetzt nur die Dimission des Grafen Rosenblad angenommen, allein das Gerücht, welches schon seit einigen Tagen erzählt, daß auch die übrigen Räthe der Krone ihre Entlassung eingereicht haben, ist vollkommen gegründet. Die Freiherren Stjerneld, Akerhjelm und v. Schultzenheim sind mit dem Beispiele vorangegangen. Einige Tage nachher folgten auch die übrigen Staatsräthe, der Graf Hånd und die Freiherren Gyllenhaal und Lagerbjelke nach. Der Hofkanzler Ihre ist nur aus dem Grunde nicht mit seinem Entlassungsgesuche beigetreten, weil er sein Amt bloß ad interim und ohne eine ordentliche Vollmacht bekleidet hat. Wenn auch die Annahme wenigstens der Mehrzahl dieser Entlassungen von Seite des Königs als unausbleiblich betrachtet werden muß, glaubt man dennoch, daß sie nicht eher erfolgen wird, als bis die Reichsstände die seit dem vorigen Reichstage im Jahre 1834 ruhende Frage von Einführung einer Ministerialverwaltung mit Departements nach dem Muster anderer constitutionellen Staaten erledigt haben. Die Ernennung neuer Staatsräthe in diesem Augenblick scheint, da wahrscheinlich eine gänzliche Reform des Staatsraths bevorsteht, nicht zweckmäßig. Nur so ist es zu erklären, warum die Staatssecretäre nicht dem Beispiele der übrigen Räthe der Krone nachgekommen sind, indem ihre Aemter nach der vorgeschlagenen neuen Organisation von sich selbst aufhören werden. Auch sind die jetzigen Staatssecretäre zum Theil nur ad interim eingesetzt gewesen – eine Art, die höheren Staatsämter zu besetzen, welche hier sehr beliebt ist. Weniger erklärlich ist es, warum der in so hohem Grade unpopuläre Justizkanzler Nerman nicht auch seine Entlassung mit eingereicht hat. Sein Amt wird auch nach der neu zu erwartenden Einrichtung fortbestehen, obwohl als eine dem Justizministerium mehr untergeordnete Stelle. – Die Hofpartei beschäftigt sich mit der eventuellen Austheilung der künftigen Ministerportefeuilles, und ist besonders beflissen, den Grafen Brahe zur Uebernahme des verantwortlichen Kriegsministeriums zu veranlassen, da seine jetzige Stelle unter den constitutionellen Rathgebern in der Eigenschaft eines Generaladjutanten für die Armee nach der neuen Organisation aufhören würde. Der Graf soll aber einen unüberwindlichen Widerwillen gegen die Uebernahme einer Verantwortlichkeit zeigen, von der er bisher, als gesetzlich nur Vortragender von Commandosachen, nicht genirt gewesen. Er hat sich bis jetzt nicht überreden lassen, dem Wunsche seiner Collegen entgegenzukommen, und wird demnach künftighin von seinen beiden einflußreichsten Aemtern wahrscheinlich nur dasjenige des Reichsmarschalls behalten. Der Graf Trolle-Wachtmeister, der zum Justizminister nach dem Grafen Rosenblad ernannt wurde, war nicht vorher gefragt worden, und soll jetzt auf die bestimmteste Weise sich weigern, den Ruf anzunehmen, indem er schon seit mehr als zwanzig Jahren von öffentlichen Geschäften entfernt, und nur seiner Oekonomie gelebt hat, auch jetzt unter Familiensorgen gebeugt ist. Man ist hierdurch in keine geringe Verlegenheit gerathen, indem die Hochadeligen vergebens um ein taugliches Subject für diesen Platz sich umsehen. Zwar fehlt es nicht ganz an solchen im Lande, obwohl daran auch nicht eben Ueberfluß ist, aber es fehlt denen, welche die nothwendigen Kenntnisse und Erfahrung besitzen, an einem hier noch notwendigeren Requisit – einem alten adeligen Wappen. Uebrigens will man bei der Zusammensetzung des neuen Cabinets wenigstens die Freiherren Stjerneld, Lagerbjelke und v. Schultzenheim behalten. Der erste wird um so wahrscheinlicher bei den auswärtigen Angelegenheiten bleiben, als er von dem ganzen Personale der einzige ist, gegen den auch die Opposition nichts einzuwenden hat, während sein Platz am schwierigsten zu ersetzen wäre, es müßte denn einer von den Gesandten in Paris oder Berlin zurückberufen werden, von denen aber keiner geneigt seyn soll, seinem jetzigen Posten zu entsagen. Der Frhr. Lagerbjelke würde das Ministerium des Seewesens übernehmen, und der Frhr. v. Schultzenheim als einer der künftigen drei Staatsräthe ohne Departement bleiben. Die übrigen Abtretenden will man als Collegienpräsidenten, Gouverneure in den Provinzen u. s. w. versorgen. Es ist hier üblich, diejenigen Rathgeber, welche der Opposition weichen müssen, durch noch einträglichere Aemter für ihren erlittenen Verdruß schadlos zu halten, und man hofft durch die eingereichten Resignationen der drohenden Gefahr einer Anklage von Seite der Reichsstände, welche vielleicht diese Rücktritte unmöglich machen würde, zuvorgekommen zu seyn. Es ist indessen zu bezweifeln, daß dieß jetzt gelingen wird, denn die Opposition hat in den drei weltlichen Ständen bestimmt die Oberhand, und selbst im Priesterstande ist die Gesinnung der Majorität wenigstens zweifelhaft, indem die Regierung kaum auf die Bischöfe mit Sicherheit rechnen kann. Zwar betrachtete die jetzige Regierungspartei die Niederlage des Grafen Anckarswärd im Plenum des Adels vom 5 als einen Triumph, der ihre Majorität in diesem Stande für die Zukunft sicher gestellt hätte, auch hat man in den letzten Wochen bemerkt, daß eine Menge von jungen Officieren und kleinen Gutsbesitzern aus den Umgebungen der Hauptstadt, welche sonst nicht die Absicht hatten, auf dem Reichstage zu erscheinen, plötzlich im Ritterhause aufgetreten sind, um an den Votirungen Theil zu nehmen; allein die Freude über den einmal davongetragenen Sieg war nur von kurzer Dauer, denn in der gleich nachher erfolgten Wahl der Bankmänner (Electoren), um die als gewählte Ausschußmitglieder ausgetretenen zu ersetzen, hat die Regierungspartei wiederum eine gänzliche Niederlage erlitten, und sie dürfte nöthig haben, noch viele Bestellungen aus den Provinzen zu machen, wenn sie sich einer Majorität unter dem Adel versichern will. Im Bürger- und Bauernstande hat sie in dieser Beziehung schon längst alle Hoffnung aufgeben müssen. Türkei. Das Commerce will ein Schreiben aus Konstantinopel vom 7 Februar erhalten haben, worin von einer angeblichen Landung russischer Truppen bei Trapezunt die Rede ist. Hr. v. Pontois soll deßhalb von der Pforte Erläuterungen verlangt haben, und ohne Antwort gelassen worden seyn, worauf er allen Verkehr mit der Pforte abgebrochen habe. Viel wahrscheinlicher lautet folgende Stelle eines Schreibens des Journal des Débats aus Konstantinopel vom 7 Febr.: „In Folge einiger Erläuterungen, welche Hr. v. Pontois von der Pforte wegen der ungeheuern Rüstungen der Russen in Odessa und in allen Häfen des schwarzen Meeres verlangen zu können glaubte und auf welche keine befriedigende Antwort erfolgte, erklärte der französische Botschafter dem Divan, er kenne seine Absicht, Rußland zu Hülfe zu rufen, im Namen Frankreichs aber widersetze er sich einer Landung russischer Truppen auf dem ottomanischen Gebiet. Die Pforte wollte diese Note nicht annehmen. So weit ist diese Sache bis jetzt gekommen. Alle Gerüchte, daß der französische Botschafter seinen Verkehr mit der Pforte abgebrochen und seine Pässe verlangt habe, sind übertrieben.“

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 63. Augsburg, 3. März 1840, S. 0503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_063_18400303/7>, abgerufen am 29.03.2024.