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Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840.

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in dem von mir gehaltenen Vortrage ausgesprochen, die dermal bestehende ständische Verfassung sey keine andere, als diejenige, deren sich Bayern schon in frühern Zeiten zu erfreuen gehabt habe; die Normen für die ständischen Rechte seyen daher aus den früher in dieser Beziehung bestandenen Normen zu schöpfen. Allein diese Aeußerung beruht auf einem Irrthum. Ich habe von diesem Platze aus nichts Anderes gesagt, als: die Verfassung, welche Bayern dem höchstseligen Könige zu verdanken habe, sey eine ständische und nicht eine repräsentative. Welches die Rechte seyen, die den Ständen des Reichs von des höchstseligen Königs Majestät eingeräumt worden, dafür kann nur die Verfassungsurkunde Norm und Maaß geben, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, in dieser Beziehung auf ältere Normen recurriren zu wollen. Unmöglich hätte ich auch darauf recurriren können, denn einmal würde ich den klaren Buchstaben der Verfassungsurkunde wider mich haben, fürs zweite aber ist mir wohl bekannt, daß das Königreich aus mehrern verschiedenen Gebietstheilen zusammengesetzt ist, in welchen früherhin verschiedene ständische Verfassungen mit verschiedenen Rechten bestanden haben. Welche dieser frühern Verfassungen sollte nun den Urtypus hergeben, wenn es sich um die Bestimmung der heutigen ständischen Rechte handelte? Ich habe nur den Grundunterschied, der im Allgemeinen zwischen jeder ständischen Verfassung gegen über den repräsentativen Verfassungsformen besteht, hervorgehoben, um darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Verfassung im Allgemeinen eine ständische mit den durch die Verfassungsurkunde bestimmten Attributionen, aber nicht eine repräsentative sey. Es geben zur Entscheidung der Frage abermals die Protokolle der Ministerialconferenz, welche die Verfassungsurkunde aus königlichem Auftrage entworfen und bearbeitet hat, das klarste und unzweideutigste Maaß. In der Sitzung der Ministerialconferenz vom 19 April 1818 (die Ministerialconferenz bestand, wie ich nur im Vorübergehen anführen will, aus dem k. Feldmarschall Fürsten v. Wrede, den damaligen fünf Staatsministern, den fünf Generaldirectoren der Ministerien, und aus dem Präsidenten des Staatsraths) - es war die zwölfte Sitzung - ward die Frage eigens zur Berathung aufgestellt, ob die zu gebende Verfassung eine ständische oder eine repräsentative seyn sollte. Die Aufforderung hiezu war gegeben theils durch die Constitution vom 1 Mai 1808, welche Bayern eine repräsentative Verfassung zugedacht hatte, theils durch den revidirten Entwurf vom J. 1814, welcher zwar nie zur Veröffentlichung gelangt ist, der aber die Grundlage der Verfassung vom Jahre 1818 und der deßfallsigen Berathung gebildet hat, und welcher in diesem Hauptpunkte der Constitution vom Jahre 1808 übereinstimmte, indem auch er das repräsentative System angenommen hatte. In der Sitzung vom 9 April 1818 nahm nun der damalige Staatsminister Graf v. Rechberg das Wort und bemerkte: "Der geschichtliche Gang der bereits von dem Hrn. Feldmarschall Fürsten v. Wrede erörtert worden, entwickle die Schritte, wie dieser Wunsch nach einer ständischen Verfassung herbeigeführt worden, und bedürfe keiner nähern Auseinandersetzung. Nur müsse bemerkt werden, daß hiebei die Völker von zweierlei Gesichtspunkten ausgegangen, einige von dem Wunsche ihre bestandene alte Verfassung wieder zu erhalten, andere von dem Repräsentationssystem, einem Kinde der Revolution, wie es in Frankreich bestünde. - Sie glaubten, daß man das System der Repräsentation, welches immer und unter allen Gestalten auf die Grundsätze des droits de l'homme hinführen, und welches sich noch in keinem Staate nach den gemachten Erfahrungen bewährt habe, verlassen, und sich jenem der Versammlung der Stände annähern, und hiebei, so weit es mit Berücksichtigung der Verhältnisse und des Zeitgeistes ausführbar, die Formen und Befugnisse der bestandenen frühern Verfassungen im Auge behalten solle." Dieser Meinung schloß sich sofort auch der damalige Minister des Innern, Graf v. Thürheim an, indem er sagte: "Unter dieser Voraussetzung (daß Stände gebildet werden sollen) glaubten sie auch auf die wichtigen zwei Punkte aufmerksam machen zu müssen, daß man das System der Repräsentation ganz verlasse, und jenes der Ständeversammlung aufgreife, wovon große Vortheile in so mancher Beziehung sich bewähren würden, und daß durch feste Normen jeder Verlegenheit der Staatsgewalt, wodurch der Gang der Staatshaushaltung gelähmt werden könnte, vorgebeugt werde." Auch der damalige Generaldirector v. Krenner sprach sich sofort aufs entschiedenste im gleichen Sinne aus: "Nicht in dem Sinne einer Volksrepräsentation (so bemerkt er), sondern einer ständischen Versammlung der betrautesten Staatsbürger und Eigenthümer wünschten sie diese Versammlung wieder entstehen zu sehen. Dieselbe mit Recht zu begaben, die dem Monarchen schon nach der Etymologie des Wortes "Monarch" untheilbar zustünden, und wodurch, wenn er sie den Ständen einräumte, er einen bedeutenden Theil des Rechts seiner Krone an das Volk hingäbe - hiegegen müßten sie sich erklären." Zuletzt bemerkte der noch lebende damalige Staatsminister der Justiz, Graf v. Reigersberg, wie er sich für dieses System, und namentlich für die Beschränkung der ständischen Rechte deßhalb aussprechen müsse, weil sonst die Stände sich leicht als Mitregenten ansehen, zu Vergrößerung ihrer Rechte und weiterm Einmischen in die Regierungsverwaltung Alles aufbieten und dem Monarchen in allen Regierungshandlungen die Hände binden würden. Ihr Gewissen, ihre von treuer Anhänglichkeit an des Königs Majestät, von reinem Patriotismus für ihr Vaterland geleitete Privatüberzeugung spreche gegen diese Stellung der Stände, und sie könnten dieselben nie anders betrachten, als mit dem allgemeinen Vertrauen bezeichnete Räthe des Königs, mit welchen der Monarch die zum Wohle des Staats und der Unterthanen zu ergreifenden Maaßregeln berathet, denen aber nie Rechte des Monarchen, Mitregierungsrechte und Befugnisse zugestanden werden dürften, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die Regierungsrechte des Monarchen beschränkt und Schritt für Schritt bestritten zu sehen, welches besonders in einem Staate mittlerer Größe, umgeben von großen Mächten, zu vermeiden höchst nothwendig sey." Darauf wurde das Conclusum einstimmig darauf hin ausgesprochen: "daß Berathungen über die Bildung der Stände auf den Grund des Constitutionsentwurfs vom Jahre 1814 fortzusetzen, jedoch das System der Repräsentation gänzlich zu verlassen, und jenes der Ständeversammlung durchzuführen." Und dieses Protokoll hat die Genehmigung des allerhöchsten Gebers der Verfassungsurkunde sofort erhalten, und ist die Basis unserer Verfassungsurkunde geworden." - Darauf entgegnete Frhr. v. Thon-Dittmer, es würde sich am Ende doch darum handeln, einen Begriff von Repräsentativverfassung aufzustellen; indeß sey hier die Arena nicht, stattsrechtliche Theorien zu verfechten, sondern man habe nur die Aufgabe, mit lebenswarmer und lebensfrischer Thätigkeit die Verfassung praktisch zu handhaben. Die Verfassungsurkunde sey unser gegebenes heiliges Gesetz. Die derselben zum Grunde liegenden Motive, welche heute zum zweitenmale vorgetragen worden, seyen zum größten Theile noch nicht bekannt, es wäre aber wünschenswerth, daß sie alle bekannt würden, weil sie, wie es scheine, nach und nach einen integrirenden Theil unsers öffentlichen Rechts ausmachen sollten. Er halte die Verfassung

in dem von mir gehaltenen Vortrage ausgesprochen, die dermal bestehende ständische Verfassung sey keine andere, als diejenige, deren sich Bayern schon in frühern Zeiten zu erfreuen gehabt habe; die Normen für die ständischen Rechte seyen daher aus den früher in dieser Beziehung bestandenen Normen zu schöpfen. Allein diese Aeußerung beruht auf einem Irrthum. Ich habe von diesem Platze aus nichts Anderes gesagt, als: die Verfassung, welche Bayern dem höchstseligen Könige zu verdanken habe, sey eine ständische und nicht eine repräsentative. Welches die Rechte seyen, die den Ständen des Reichs von des höchstseligen Königs Majestät eingeräumt worden, dafür kann nur die Verfassungsurkunde Norm und Maaß geben, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, in dieser Beziehung auf ältere Normen recurriren zu wollen. Unmöglich hätte ich auch darauf recurriren können, denn einmal würde ich den klaren Buchstaben der Verfassungsurkunde wider mich haben, fürs zweite aber ist mir wohl bekannt, daß das Königreich aus mehrern verschiedenen Gebietstheilen zusammengesetzt ist, in welchen früherhin verschiedene ständische Verfassungen mit verschiedenen Rechten bestanden haben. Welche dieser frühern Verfassungen sollte nun den Urtypus hergeben, wenn es sich um die Bestimmung der heutigen ständischen Rechte handelte? Ich habe nur den Grundunterschied, der im Allgemeinen zwischen jeder ständischen Verfassung gegen über den repräsentativen Verfassungsformen besteht, hervorgehoben, um darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Verfassung im Allgemeinen eine ständische mit den durch die Verfassungsurkunde bestimmten Attributionen, aber nicht eine repräsentative sey. Es geben zur Entscheidung der Frage abermals die Protokolle der Ministerialconferenz, welche die Verfassungsurkunde aus königlichem Auftrage entworfen und bearbeitet hat, das klarste und unzweideutigste Maaß. In der Sitzung der Ministerialconferenz vom 19 April 1818 (die Ministerialconferenz bestand, wie ich nur im Vorübergehen anführen will, aus dem k. Feldmarschall Fürsten v. Wrede, den damaligen fünf Staatsministern, den fünf Generaldirectoren der Ministerien, und aus dem Präsidenten des Staatsraths) – es war die zwölfte Sitzung – ward die Frage eigens zur Berathung aufgestellt, ob die zu gebende Verfassung eine ständische oder eine repräsentative seyn sollte. Die Aufforderung hiezu war gegeben theils durch die Constitution vom 1 Mai 1808, welche Bayern eine repräsentative Verfassung zugedacht hatte, theils durch den revidirten Entwurf vom J. 1814, welcher zwar nie zur Veröffentlichung gelangt ist, der aber die Grundlage der Verfassung vom Jahre 1818 und der deßfallsigen Berathung gebildet hat, und welcher in diesem Hauptpunkte der Constitution vom Jahre 1808 übereinstimmte, indem auch er das repräsentative System angenommen hatte. In der Sitzung vom 9 April 1818 nahm nun der damalige Staatsminister Graf v. Rechberg das Wort und bemerkte: „Der geschichtliche Gang der bereits von dem Hrn. Feldmarschall Fürsten v. Wrede erörtert worden, entwickle die Schritte, wie dieser Wunsch nach einer ständischen Verfassung herbeigeführt worden, und bedürfe keiner nähern Auseinandersetzung. Nur müsse bemerkt werden, daß hiebei die Völker von zweierlei Gesichtspunkten ausgegangen, einige von dem Wunsche ihre bestandene alte Verfassung wieder zu erhalten, andere von dem Repräsentationssystem, einem Kinde der Revolution, wie es in Frankreich bestünde. – Sie glaubten, daß man das System der Repräsentation, welches immer und unter allen Gestalten auf die Grundsätze des droits de l'homme hinführen, und welches sich noch in keinem Staate nach den gemachten Erfahrungen bewährt habe, verlassen, und sich jenem der Versammlung der Stände annähern, und hiebei, so weit es mit Berücksichtigung der Verhältnisse und des Zeitgeistes ausführbar, die Formen und Befugnisse der bestandenen frühern Verfassungen im Auge behalten solle.“ Dieser Meinung schloß sich sofort auch der damalige Minister des Innern, Graf v. Thürheim an, indem er sagte: „Unter dieser Voraussetzung (daß Stände gebildet werden sollen) glaubten sie auch auf die wichtigen zwei Punkte aufmerksam machen zu müssen, daß man das System der Repräsentation ganz verlasse, und jenes der Ständeversammlung aufgreife, wovon große Vortheile in so mancher Beziehung sich bewähren würden, und daß durch feste Normen jeder Verlegenheit der Staatsgewalt, wodurch der Gang der Staatshaushaltung gelähmt werden könnte, vorgebeugt werde.“ Auch der damalige Generaldirector v. Krenner sprach sich sofort aufs entschiedenste im gleichen Sinne aus: „Nicht in dem Sinne einer Volksrepräsentation (so bemerkt er), sondern einer ständischen Versammlung der betrautesten Staatsbürger und Eigenthümer wünschten sie diese Versammlung wieder entstehen zu sehen. Dieselbe mit Recht zu begaben, die dem Monarchen schon nach der Etymologie des Wortes „Monarch“ untheilbar zustünden, und wodurch, wenn er sie den Ständen einräumte, er einen bedeutenden Theil des Rechts seiner Krone an das Volk hingäbe – hiegegen müßten sie sich erklären.“ Zuletzt bemerkte der noch lebende damalige Staatsminister der Justiz, Graf v. Reigersberg, wie er sich für dieses System, und namentlich für die Beschränkung der ständischen Rechte deßhalb aussprechen müsse, weil sonst die Stände sich leicht als Mitregenten ansehen, zu Vergrößerung ihrer Rechte und weiterm Einmischen in die Regierungsverwaltung Alles aufbieten und dem Monarchen in allen Regierungshandlungen die Hände binden würden. Ihr Gewissen, ihre von treuer Anhänglichkeit an des Königs Majestät, von reinem Patriotismus für ihr Vaterland geleitete Privatüberzeugung spreche gegen diese Stellung der Stände, und sie könnten dieselben nie anders betrachten, als mit dem allgemeinen Vertrauen bezeichnete Räthe des Königs, mit welchen der Monarch die zum Wohle des Staats und der Unterthanen zu ergreifenden Maaßregeln berathet, denen aber nie Rechte des Monarchen, Mitregierungsrechte und Befugnisse zugestanden werden dürften, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die Regierungsrechte des Monarchen beschränkt und Schritt für Schritt bestritten zu sehen, welches besonders in einem Staate mittlerer Größe, umgeben von großen Mächten, zu vermeiden höchst nothwendig sey.“ Darauf wurde das Conclusum einstimmig darauf hin ausgesprochen: „daß Berathungen über die Bildung der Stände auf den Grund des Constitutionsentwurfs vom Jahre 1814 fortzusetzen, jedoch das System der Repräsentation gänzlich zu verlassen, und jenes der Ständeversammlung durchzuführen.“ Und dieses Protokoll hat die Genehmigung des allerhöchsten Gebers der Verfassungsurkunde sofort erhalten, und ist die Basis unserer Verfassungsurkunde geworden.“ – Darauf entgegnete Frhr. v. Thon-Dittmer, es würde sich am Ende doch darum handeln, einen Begriff von Repräsentativverfassung aufzustellen; indeß sey hier die Arena nicht, stattsrechtliche Theorien zu verfechten, sondern man habe nur die Aufgabe, mit lebenswarmer und lebensfrischer Thätigkeit die Verfassung praktisch zu handhaben. Die Verfassungsurkunde sey unser gegebenes heiliges Gesetz. Die derselben zum Grunde liegenden Motive, welche heute zum zweitenmale vorgetragen worden, seyen zum größten Theile noch nicht bekannt, es wäre aber wünschenswerth, daß sie alle bekannt würden, weil sie, wie es scheine, nach und nach einen integrirenden Theil unsers öffentlichen Rechts ausmachen sollten. Er halte die Verfassung

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in dem von mir gehaltenen Vortrage ausgesprochen, die dermal bestehende ständische Verfassung sey keine andere, als diejenige, deren sich Bayern schon in frühern Zeiten zu erfreuen gehabt habe; die Normen für die ständischen Rechte seyen daher aus den früher in dieser Beziehung bestandenen Normen zu schöpfen. Allein diese Aeußerung beruht auf einem Irrthum. Ich habe von diesem Platze aus nichts Anderes gesagt, als: die Verfassung, welche Bayern dem höchstseligen Könige zu verdanken habe, sey eine ständische und nicht eine repräsentative. Welches die Rechte seyen, die den Ständen des Reichs von des höchstseligen Königs Majestät eingeräumt worden, dafür kann nur die Verfassungsurkunde Norm und Maaß geben, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, in dieser Beziehung auf ältere Normen recurriren zu wollen. Unmöglich hätte ich auch darauf recurriren können, denn einmal würde ich den klaren Buchstaben der Verfassungsurkunde wider mich haben, fürs zweite aber ist mir wohl bekannt, daß das Königreich aus mehrern verschiedenen Gebietstheilen zusammengesetzt ist, in welchen früherhin verschiedene ständische Verfassungen mit verschiedenen Rechten bestanden haben. Welche dieser frühern Verfassungen sollte nun den Urtypus hergeben, wenn es sich um die Bestimmung der heutigen ständischen Rechte handelte? Ich habe nur den Grundunterschied, der im Allgemeinen zwischen jeder ständischen Verfassung gegen über den repräsentativen Verfassungsformen besteht, hervorgehoben, um darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Verfassung im Allgemeinen eine ständische mit den durch die Verfassungsurkunde bestimmten Attributionen, aber nicht eine repräsentative sey. Es geben zur Entscheidung der Frage abermals die Protokolle der Ministerialconferenz, welche die Verfassungsurkunde aus königlichem Auftrage entworfen und bearbeitet hat, das klarste und unzweideutigste Maaß. In der Sitzung der Ministerialconferenz vom 19 April 1818 (die Ministerialconferenz bestand, wie ich nur im Vorübergehen anführen will, aus dem k. Feldmarschall Fürsten v. Wrede, den damaligen fünf Staatsministern, den fünf Generaldirectoren der Ministerien, und aus dem Präsidenten des Staatsraths) &#x2013; es war die zwölfte Sitzung &#x2013; ward die Frage eigens zur Berathung aufgestellt, ob die zu gebende Verfassung eine ständische oder eine repräsentative seyn sollte. Die Aufforderung hiezu war gegeben theils durch die Constitution vom 1 Mai 1808, welche Bayern eine repräsentative Verfassung zugedacht hatte, theils durch den revidirten Entwurf vom J. 1814, welcher zwar nie zur Veröffentlichung gelangt ist, der aber die Grundlage der Verfassung vom Jahre 1818 und der deßfallsigen Berathung gebildet hat, und welcher in diesem Hauptpunkte der Constitution vom Jahre 1808 übereinstimmte, indem auch er das repräsentative System angenommen hatte. In der Sitzung vom 9 April 1818 nahm nun der damalige Staatsminister Graf v. Rechberg das Wort und bemerkte: &#x201E;Der geschichtliche Gang der bereits von dem Hrn. Feldmarschall Fürsten v. Wrede erörtert worden, entwickle die Schritte, wie dieser Wunsch nach einer ständischen Verfassung herbeigeführt worden, und bedürfe keiner nähern Auseinandersetzung. Nur müsse bemerkt werden, daß hiebei die Völker von zweierlei Gesichtspunkten ausgegangen, einige von dem Wunsche ihre bestandene alte Verfassung wieder zu erhalten, andere von dem Repräsentationssystem, einem Kinde der Revolution, wie es in Frankreich bestünde. &#x2013; Sie glaubten, daß man das System der Repräsentation, welches immer und unter allen Gestalten auf die Grundsätze des droits de l'homme hinführen, und welches sich noch in keinem Staate nach den gemachten Erfahrungen bewährt habe, verlassen, und sich jenem der Versammlung der Stände annähern, und hiebei, so weit es mit Berücksichtigung der Verhältnisse und des Zeitgeistes ausführbar, die Formen und Befugnisse der bestandenen frühern Verfassungen im Auge behalten solle.&#x201C; Dieser Meinung schloß sich sofort auch der damalige Minister des Innern, Graf v. Thürheim an, indem er sagte: &#x201E;Unter dieser Voraussetzung (daß Stände gebildet werden sollen) glaubten sie auch auf die wichtigen zwei Punkte aufmerksam machen zu müssen, daß man das System der Repräsentation ganz verlasse, und jenes der Ständeversammlung aufgreife, wovon große Vortheile in so mancher Beziehung sich bewähren würden, und daß durch feste Normen jeder Verlegenheit der Staatsgewalt, wodurch der Gang der Staatshaushaltung gelähmt werden könnte, vorgebeugt werde.&#x201C; Auch der damalige Generaldirector v. Krenner sprach sich sofort aufs entschiedenste im gleichen Sinne aus: &#x201E;Nicht in dem Sinne einer Volksrepräsentation (so bemerkt er), sondern einer ständischen Versammlung der betrautesten Staatsbürger und Eigenthümer wünschten sie diese Versammlung wieder entstehen zu sehen. Dieselbe mit Recht zu begaben, die dem Monarchen schon nach der Etymologie des Wortes &#x201E;Monarch&#x201C; untheilbar zustünden, und wodurch, wenn er sie den Ständen einräumte, er einen bedeutenden Theil des Rechts seiner Krone an das Volk hingäbe &#x2013; hiegegen müßten sie sich erklären.&#x201C; Zuletzt bemerkte der noch lebende damalige Staatsminister der Justiz, Graf v. Reigersberg, wie er sich für dieses System, und namentlich für die Beschränkung der ständischen Rechte deßhalb aussprechen müsse, weil sonst die Stände sich leicht als Mitregenten ansehen, zu Vergrößerung ihrer Rechte und weiterm Einmischen in die Regierungsverwaltung Alles aufbieten und dem Monarchen in allen Regierungshandlungen die Hände binden würden. Ihr Gewissen, ihre von treuer Anhänglichkeit an des Königs Majestät, von reinem Patriotismus für ihr Vaterland geleitete Privatüberzeugung spreche gegen diese Stellung der Stände, und sie könnten dieselben nie anders betrachten, als mit dem allgemeinen Vertrauen bezeichnete Räthe des Königs, mit welchen der Monarch die zum Wohle des Staats und der Unterthanen zu ergreifenden Maaßregeln berathet, denen aber nie Rechte des Monarchen, Mitregierungsrechte und Befugnisse zugestanden werden dürften, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die Regierungsrechte des Monarchen beschränkt und Schritt für Schritt bestritten zu sehen, welches besonders in einem Staate mittlerer Größe, umgeben von großen Mächten, zu vermeiden höchst nothwendig sey.&#x201C; Darauf wurde das Conclusum einstimmig darauf hin ausgesprochen: &#x201E;daß Berathungen über die Bildung der Stände auf den Grund des Constitutionsentwurfs vom Jahre 1814 fortzusetzen, jedoch das System der Repräsentation gänzlich zu verlassen, und jenes der Ständeversammlung durchzuführen.&#x201C; Und dieses Protokoll hat die Genehmigung des allerhöchsten Gebers der Verfassungsurkunde sofort erhalten, und ist die Basis unserer Verfassungsurkunde geworden.&#x201C; &#x2013; Darauf entgegnete Frhr. v. <hi rendition="#g">Thon</hi>-<hi rendition="#g">Dittmer</hi>, es würde sich am Ende doch darum handeln, einen Begriff von Repräsentativverfassung aufzustellen; indeß sey hier die Arena nicht, stattsrechtliche Theorien zu verfechten, sondern man habe nur die Aufgabe, mit lebenswarmer und lebensfrischer Thätigkeit die Verfassung praktisch zu handhaben. 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[0479/0007] in dem von mir gehaltenen Vortrage ausgesprochen, die dermal bestehende ständische Verfassung sey keine andere, als diejenige, deren sich Bayern schon in frühern Zeiten zu erfreuen gehabt habe; die Normen für die ständischen Rechte seyen daher aus den früher in dieser Beziehung bestandenen Normen zu schöpfen. Allein diese Aeußerung beruht auf einem Irrthum. Ich habe von diesem Platze aus nichts Anderes gesagt, als: die Verfassung, welche Bayern dem höchstseligen Könige zu verdanken habe, sey eine ständische und nicht eine repräsentative. Welches die Rechte seyen, die den Ständen des Reichs von des höchstseligen Königs Majestät eingeräumt worden, dafür kann nur die Verfassungsurkunde Norm und Maaß geben, und es ist mir nie in den Sinn gekommen, in dieser Beziehung auf ältere Normen recurriren zu wollen. Unmöglich hätte ich auch darauf recurriren können, denn einmal würde ich den klaren Buchstaben der Verfassungsurkunde wider mich haben, fürs zweite aber ist mir wohl bekannt, daß das Königreich aus mehrern verschiedenen Gebietstheilen zusammengesetzt ist, in welchen früherhin verschiedene ständische Verfassungen mit verschiedenen Rechten bestanden haben. Welche dieser frühern Verfassungen sollte nun den Urtypus hergeben, wenn es sich um die Bestimmung der heutigen ständischen Rechte handelte? Ich habe nur den Grundunterschied, der im Allgemeinen zwischen jeder ständischen Verfassung gegen über den repräsentativen Verfassungsformen besteht, hervorgehoben, um darauf aufmerksam zu machen, daß unsere Verfassung im Allgemeinen eine ständische mit den durch die Verfassungsurkunde bestimmten Attributionen, aber nicht eine repräsentative sey. Es geben zur Entscheidung der Frage abermals die Protokolle der Ministerialconferenz, welche die Verfassungsurkunde aus königlichem Auftrage entworfen und bearbeitet hat, das klarste und unzweideutigste Maaß. In der Sitzung der Ministerialconferenz vom 19 April 1818 (die Ministerialconferenz bestand, wie ich nur im Vorübergehen anführen will, aus dem k. Feldmarschall Fürsten v. Wrede, den damaligen fünf Staatsministern, den fünf Generaldirectoren der Ministerien, und aus dem Präsidenten des Staatsraths) – es war die zwölfte Sitzung – ward die Frage eigens zur Berathung aufgestellt, ob die zu gebende Verfassung eine ständische oder eine repräsentative seyn sollte. Die Aufforderung hiezu war gegeben theils durch die Constitution vom 1 Mai 1808, welche Bayern eine repräsentative Verfassung zugedacht hatte, theils durch den revidirten Entwurf vom J. 1814, welcher zwar nie zur Veröffentlichung gelangt ist, der aber die Grundlage der Verfassung vom Jahre 1818 und der deßfallsigen Berathung gebildet hat, und welcher in diesem Hauptpunkte der Constitution vom Jahre 1808 übereinstimmte, indem auch er das repräsentative System angenommen hatte. In der Sitzung vom 9 April 1818 nahm nun der damalige Staatsminister Graf v. Rechberg das Wort und bemerkte: „Der geschichtliche Gang der bereits von dem Hrn. Feldmarschall Fürsten v. Wrede erörtert worden, entwickle die Schritte, wie dieser Wunsch nach einer ständischen Verfassung herbeigeführt worden, und bedürfe keiner nähern Auseinandersetzung. Nur müsse bemerkt werden, daß hiebei die Völker von zweierlei Gesichtspunkten ausgegangen, einige von dem Wunsche ihre bestandene alte Verfassung wieder zu erhalten, andere von dem Repräsentationssystem, einem Kinde der Revolution, wie es in Frankreich bestünde. – Sie glaubten, daß man das System der Repräsentation, welches immer und unter allen Gestalten auf die Grundsätze des droits de l'homme hinführen, und welches sich noch in keinem Staate nach den gemachten Erfahrungen bewährt habe, verlassen, und sich jenem der Versammlung der Stände annähern, und hiebei, so weit es mit Berücksichtigung der Verhältnisse und des Zeitgeistes ausführbar, die Formen und Befugnisse der bestandenen frühern Verfassungen im Auge behalten solle.“ Dieser Meinung schloß sich sofort auch der damalige Minister des Innern, Graf v. Thürheim an, indem er sagte: „Unter dieser Voraussetzung (daß Stände gebildet werden sollen) glaubten sie auch auf die wichtigen zwei Punkte aufmerksam machen zu müssen, daß man das System der Repräsentation ganz verlasse, und jenes der Ständeversammlung aufgreife, wovon große Vortheile in so mancher Beziehung sich bewähren würden, und daß durch feste Normen jeder Verlegenheit der Staatsgewalt, wodurch der Gang der Staatshaushaltung gelähmt werden könnte, vorgebeugt werde.“ Auch der damalige Generaldirector v. Krenner sprach sich sofort aufs entschiedenste im gleichen Sinne aus: „Nicht in dem Sinne einer Volksrepräsentation (so bemerkt er), sondern einer ständischen Versammlung der betrautesten Staatsbürger und Eigenthümer wünschten sie diese Versammlung wieder entstehen zu sehen. Dieselbe mit Recht zu begaben, die dem Monarchen schon nach der Etymologie des Wortes „Monarch“ untheilbar zustünden, und wodurch, wenn er sie den Ständen einräumte, er einen bedeutenden Theil des Rechts seiner Krone an das Volk hingäbe – hiegegen müßten sie sich erklären.“ Zuletzt bemerkte der noch lebende damalige Staatsminister der Justiz, Graf v. Reigersberg, wie er sich für dieses System, und namentlich für die Beschränkung der ständischen Rechte deßhalb aussprechen müsse, weil sonst die Stände sich leicht als Mitregenten ansehen, zu Vergrößerung ihrer Rechte und weiterm Einmischen in die Regierungsverwaltung Alles aufbieten und dem Monarchen in allen Regierungshandlungen die Hände binden würden. Ihr Gewissen, ihre von treuer Anhänglichkeit an des Königs Majestät, von reinem Patriotismus für ihr Vaterland geleitete Privatüberzeugung spreche gegen diese Stellung der Stände, und sie könnten dieselben nie anders betrachten, als mit dem allgemeinen Vertrauen bezeichnete Räthe des Königs, mit welchen der Monarch die zum Wohle des Staats und der Unterthanen zu ergreifenden Maaßregeln berathet, denen aber nie Rechte des Monarchen, Mitregierungsrechte und Befugnisse zugestanden werden dürften, ohne sich der Gefahr auszusetzen, die Regierungsrechte des Monarchen beschränkt und Schritt für Schritt bestritten zu sehen, welches besonders in einem Staate mittlerer Größe, umgeben von großen Mächten, zu vermeiden höchst nothwendig sey.“ Darauf wurde das Conclusum einstimmig darauf hin ausgesprochen: „daß Berathungen über die Bildung der Stände auf den Grund des Constitutionsentwurfs vom Jahre 1814 fortzusetzen, jedoch das System der Repräsentation gänzlich zu verlassen, und jenes der Ständeversammlung durchzuführen.“ Und dieses Protokoll hat die Genehmigung des allerhöchsten Gebers der Verfassungsurkunde sofort erhalten, und ist die Basis unserer Verfassungsurkunde geworden.“ – Darauf entgegnete Frhr. v. Thon-Dittmer, es würde sich am Ende doch darum handeln, einen Begriff von Repräsentativverfassung aufzustellen; indeß sey hier die Arena nicht, stattsrechtliche Theorien zu verfechten, sondern man habe nur die Aufgabe, mit lebenswarmer und lebensfrischer Thätigkeit die Verfassung praktisch zu handhaben. Die Verfassungsurkunde sey unser gegebenes heiliges Gesetz. Die derselben zum Grunde liegenden Motive, welche heute zum zweitenmale vorgetragen worden, seyen zum größten Theile noch nicht bekannt, es wäre aber wünschenswerth, daß sie alle bekannt würden, weil sie, wie es scheine, nach und nach einen integrirenden Theil unsers öffentlichen Rechts ausmachen sollten. Er halte die Verfassung

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840, S. 0479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/7>, abgerufen am 19.04.2024.