Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

von ihr ausgestreuten Keime zur Reife zu bringen, und überläßt sie die weitere Ausbildung derselben einer mit größerer Zeugungskraft begabten Race - etwa den Deutschen? - In der That sind die deutschen Ansiedlungen im Süden und Südwesten der Union - und es erstrecken sich dieselben wirklich schon bis an die Gränzen von Süd-Carolina - eine wahre Superfoetatio zu nennen, die sich von der vorausgegangenen amerikanischen in Allem unterscheidet, was man zur Charakteristik eines Volks zu zählen pflegt. Ihr Hauptcharakter besteht aber im selbständigen Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, durch freie Arbeit und Sparsamkeit, im Gegensatz zur Sklaverei und Ueppigkeit der Amerikaner. Dieß ist aber auch der Todesstoß für die südlichen Sklavenbesitzer, und darum ziehen sie nach Texas. So weit die germanischen Stämme der verpesteten Fieberluft und der Sonnenhitze des Südens Trotz zu bieten vermögen, drängen sie die Negerbevölkerung weiter zurück, und vermindern hiedurch den politischen Einfluß der nur durch die Neger bestehenden Pflanzer, welchen zuletzt nichts Anderes übrig bleibt, als sich den Texanern förmlich anzuschließen, um durch ihre völlige Lossagung von der Union dem weitern Einfluß der Bevölkerung des Nordens Gränzen zu setzen. Dieß ist bereits das allgemeine Thema des Südens, und Sie begreifen jetzt die Nothwendigkeit der vermehrten Centralgewalt mittelst der Vergrößerung des stehenden Heeres und der regelmäßigen Organisation der Milizen.

So bedingt die weitere Verbreitung der amerikanischen Race in einem gewissen Sinne die Umgestaltung ihrer politischen Organisation, und dieselbe Kraft, welche von ihr ausgeht, um fremde Staaten zu unterjochen, muß nach den Gesetzen der ewigen Gerechtigkeit zugleich auch der Zerstörer ihrer eigenen Blüthe seyn. - Alles dieß scheint die gegenwärtige französische Diplomatie und der von ihr so sehr begünstigte Handelsgeist der Nation mit vielem Tact begriffen zu haben; denn während Hr. Michel Chevalier im Journal des Debats mit wahrhaft St. Simonistischem Eifer gegen die von den Texanern zu verewigende Negersklaverei predigte, und bewies, daß es im Interesse Frankreichs, als Repräsentant der katholischen Mächte, läge, der weiteren Ausbreitung der anglo-amerikanischen (protestantischen) Menschheit Gränzen zu setzen und zu verhindern, daß das romanische Princip dem sächsischen nicht auch in der neuen Welt unterliege, sandte Hr. v. Pontois, damals bevollmächtigter Minister des Königs der Franzosen in Washington (jetzt außerordentlicher Gesandter desselben in Konstantinopel), seinen Gesandtschaftssecretär, Hr. v. Saligny, in aller Stille nach Texas, um zu sehen, was mit diesen Wildfängen zu Gunsten seiner Nation anzufangen sey. Da ergab sich nun, daß nicht sowohl New-Orleans und die südlichen Staaten überhaupt, als vielmehr die texanische Gränze die Achillesferse der Union ist, daß es kein besseres Mittel gibt, das anglo-sächsische Princip zu schwächen, als demselben in seiner eigenen Race einen Nebenbuhler zu setzen. Die Zerstücklung war von jeher der Fluch aller Völker aus germanischem Geblüt, und nur durch den mächtigen normännischen Adel konnte derselben in England engere Gränzen gesetzt werden; daher denn auch der Eroberungszug des großen Wilhelms den Grundstein zu Britanniens Größe legte. Weiter bemerkte Hr. v. Saligny, daß sich der texanische Hafen von Galveston im mexicanischen Meerbusen ganz vortrefflich zum Schleichhandel nicht nur nach den Vereinigten Staaten, sondern auch nach Mexico eigne, und daß hiedurch für den französischen Handel Vortheile entsprießen müssen, wie diese kein Handelstractat weder mit einem noch dem andern Lande, selbst nach einer Blokade oder nach einer Wachtparade, wie die von Veracruz und San Juan de Ulloa sichern könne. Es erfolgte bald darauf die völlige Anerkennung Texas' von Seite Frankreichs, und zum Lohn für seine talentvollen Relationen wurde Hr. v. Saligny selbst zum Charge d'Affaires in Houston ernannt. Ich habe das Glück, den jungen Diplomaten persönlich zu kennen, und speiste mit ihm kurz vor seiner Abreise nach Texas. Sonderbar, dachte ich, nach den interessanten Mittheilungen des habilen französischen Agenten, Frankreich spielt jetzt in Bezug auf Texas gerade dieselbe Rolle, die es vor der Revolution in den amerikanischen Colonien England gegenüber spielte. Wem dieselbe nicht bekannt ist, der lese hierüber Botta Storia della guerra dell' independenza, gleich im ersten Capitel.

Der dritte Hauptartikel im Bericht des Kriegsministers an den Präsidenten betrifft den unglücklichen Indianerkrieg und die fruchtlosen und von den gräuelvollsten Mordscenen begleiteten Versuche der Regierung, die Streitigkeiten mit den Eingebornen durch Vertrag zu schlichten. "Diese Menschen, sagt Hr. Poinsett, sind nicht, wie dieß bei der Verdrängung anderer Indianerstämme der Fall war, durch die vorschreitende Civilisation aus ihren Schlupfwinkeln herauszubringen; das Terrain, auf dem sie sich befinden, und das nicht weniger als 45,000 englische Quadratmeilen groß ist, ist so beschaffen, daß sie nicht entfliehen können, denn auf der einen Seite umgibt sie der Ocean und auf der anderen die Ansiedlungen amerikanischer Bürger. *) Sie wehren sich daher mit der Angst und der Tapferkeit der Verzweiflung, und das auf einem Boden, der ihrer Natur günstig, für die Weißen aber entnervend und tödtlich ist." Ist man hier nicht gezwungen, unwillkürlich die Frage aufzuwerfen: was für ein Recht hat denn die weiße Bevölkerung, die Indianerstämme von einem Boden zu vertreiben, der für dieselben geschaffen zu seyn scheint, und auf welchem sie selbst nur durch die Vermittlung einer andern Race - die der Neger - mühsam ihr Leben fristen kann? Nun aber erst der Schluß: "Es gibt daher kein anderes Mittel, als dieselben zu vertilgen, denn sie zu zähmen, haben wir uns bereits seit Jahren vergeblich bemüht; der Indianer taugt nicht zur Civilisation." Das sind freilich harte Worte, es hat sie aber die schrecklichste Nothwendigkeit dem Minister in die Feder dictirt, und die Nation hat zum voraus darüber abgestimmt. Drei verschiedene Mittel sind zum Behuf dieser Indianer-Vertilgung bereits in Vorschlag gebracht. Das erste besteht darin, sie mit Bluthunden zu hetzen (!); das zweite, sie mittelst anderer von Staate besoldeter Indianerstämme auf ihre eigene Art zu bekriegen; und endlich drittens hat sich auch ein Speculant gefunden, der die Vertilgung der Indianer contractmäßig auf sich nehmen, und der Regierung für die Erfüllung seines Vertrags Caution stellen will. "Die regulären Truppen und die Milizen, meint er, werden in alle Ewigkeit gegen die Indianer nichts ausrichten, die nun einmal nur nach den Gesetzen ihrer eigenen Taktik zu besiegen sind. Unsere herumwandernden Jäger und backwoodsmen, meint er, eignen sich ganz allein zu einem solchen Vertilgungskrieg; denn sie besitzen alle Eigenschaften, hauptsächlich aber die physische Gewandtheit der Indianer, mit allen Verstandesvorzügen der weißen Race. So z. B. können sie laufen, schwimmen, klettern und schießen, trotz der besten inländischen Jäger; ja sie verstehen sich sogar aufs Scalpiren. Man setze einen Preis auf jeden abgeschnittenen oder scalpirten Indianerschädel, und er will dafür stehen, daß in kurzer Zeit die gehörige Anzahl eingebracht und das Land von seiner bis jetzt bestandenen

*) Ihre Leser werden wohl einsehen, daß hier hauptsächlich von den Indianern in Florida die Rede ist.

von ihr ausgestreuten Keime zur Reife zu bringen, und überläßt sie die weitere Ausbildung derselben einer mit größerer Zeugungskraft begabten Race – etwa den Deutschen? – In der That sind die deutschen Ansiedlungen im Süden und Südwesten der Union – und es erstrecken sich dieselben wirklich schon bis an die Gränzen von Süd-Carolina – eine wahre Superfoetatio zu nennen, die sich von der vorausgegangenen amerikanischen in Allem unterscheidet, was man zur Charakteristik eines Volks zu zählen pflegt. Ihr Hauptcharakter besteht aber im selbständigen Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, durch freie Arbeit und Sparsamkeit, im Gegensatz zur Sklaverei und Ueppigkeit der Amerikaner. Dieß ist aber auch der Todesstoß für die südlichen Sklavenbesitzer, und darum ziehen sie nach Texas. So weit die germanischen Stämme der verpesteten Fieberluft und der Sonnenhitze des Südens Trotz zu bieten vermögen, drängen sie die Negerbevölkerung weiter zurück, und vermindern hiedurch den politischen Einfluß der nur durch die Neger bestehenden Pflanzer, welchen zuletzt nichts Anderes übrig bleibt, als sich den Texanern förmlich anzuschließen, um durch ihre völlige Lossagung von der Union dem weitern Einfluß der Bevölkerung des Nordens Gränzen zu setzen. Dieß ist bereits das allgemeine Thema des Südens, und Sie begreifen jetzt die Nothwendigkeit der vermehrten Centralgewalt mittelst der Vergrößerung des stehenden Heeres und der regelmäßigen Organisation der Milizen.

So bedingt die weitere Verbreitung der amerikanischen Race in einem gewissen Sinne die Umgestaltung ihrer politischen Organisation, und dieselbe Kraft, welche von ihr ausgeht, um fremde Staaten zu unterjochen, muß nach den Gesetzen der ewigen Gerechtigkeit zugleich auch der Zerstörer ihrer eigenen Blüthe seyn. – Alles dieß scheint die gegenwärtige französische Diplomatie und der von ihr so sehr begünstigte Handelsgeist der Nation mit vielem Tact begriffen zu haben; denn während Hr. Michel Chevalier im Journal des Débats mit wahrhaft St. Simonistischem Eifer gegen die von den Texanern zu verewigende Negersklaverei predigte, und bewies, daß es im Interesse Frankreichs, als Repräsentant der katholischen Mächte, läge, der weiteren Ausbreitung der anglo-amerikanischen (protestantischen) Menschheit Gränzen zu setzen und zu verhindern, daß das romanische Princip dem sächsischen nicht auch in der neuen Welt unterliege, sandte Hr. v. Pontois, damals bevollmächtigter Minister des Königs der Franzosen in Washington (jetzt außerordentlicher Gesandter desselben in Konstantinopel), seinen Gesandtschaftssecretär, Hr. v. Saligny, in aller Stille nach Texas, um zu sehen, was mit diesen Wildfängen zu Gunsten seiner Nation anzufangen sey. Da ergab sich nun, daß nicht sowohl New-Orleans und die südlichen Staaten überhaupt, als vielmehr die texanische Gränze die Achillesferse der Union ist, daß es kein besseres Mittel gibt, das anglo-sächsische Princip zu schwächen, als demselben in seiner eigenen Race einen Nebenbuhler zu setzen. Die Zerstücklung war von jeher der Fluch aller Völker aus germanischem Geblüt, und nur durch den mächtigen normännischen Adel konnte derselben in England engere Gränzen gesetzt werden; daher denn auch der Eroberungszug des großen Wilhelms den Grundstein zu Britanniens Größe legte. Weiter bemerkte Hr. v. Saligny, daß sich der texanische Hafen von Galveston im mexicanischen Meerbusen ganz vortrefflich zum Schleichhandel nicht nur nach den Vereinigten Staaten, sondern auch nach Mexico eigne, und daß hiedurch für den französischen Handel Vortheile entsprießen müssen, wie diese kein Handelstractat weder mit einem noch dem andern Lande, selbst nach einer Blokade oder nach einer Wachtparade, wie die von Veracruz und San Juan de Ulloa sichern könne. Es erfolgte bald darauf die völlige Anerkennung Texas' von Seite Frankreichs, und zum Lohn für seine talentvollen Relationen wurde Hr. v. Saligny selbst zum Chargé d'Affaires in Houston ernannt. Ich habe das Glück, den jungen Diplomaten persönlich zu kennen, und speiste mit ihm kurz vor seiner Abreise nach Texas. Sonderbar, dachte ich, nach den interessanten Mittheilungen des habilen französischen Agenten, Frankreich spielt jetzt in Bezug auf Texas gerade dieselbe Rolle, die es vor der Revolution in den amerikanischen Colonien England gegenüber spielte. Wem dieselbe nicht bekannt ist, der lese hierüber Botta Storia della guerra dell' independenza, gleich im ersten Capitel.

Der dritte Hauptartikel im Bericht des Kriegsministers an den Präsidenten betrifft den unglücklichen Indianerkrieg und die fruchtlosen und von den gräuelvollsten Mordscenen begleiteten Versuche der Regierung, die Streitigkeiten mit den Eingebornen durch Vertrag zu schlichten. „Diese Menschen, sagt Hr. Poinsett, sind nicht, wie dieß bei der Verdrängung anderer Indianerstämme der Fall war, durch die vorschreitende Civilisation aus ihren Schlupfwinkeln herauszubringen; das Terrain, auf dem sie sich befinden, und das nicht weniger als 45,000 englische Quadratmeilen groß ist, ist so beschaffen, daß sie nicht entfliehen können, denn auf der einen Seite umgibt sie der Ocean und auf der anderen die Ansiedlungen amerikanischer Bürger. *) Sie wehren sich daher mit der Angst und der Tapferkeit der Verzweiflung, und das auf einem Boden, der ihrer Natur günstig, für die Weißen aber entnervend und tödtlich ist.“ Ist man hier nicht gezwungen, unwillkürlich die Frage aufzuwerfen: was für ein Recht hat denn die weiße Bevölkerung, die Indianerstämme von einem Boden zu vertreiben, der für dieselben geschaffen zu seyn scheint, und auf welchem sie selbst nur durch die Vermittlung einer andern Race – die der Neger – mühsam ihr Leben fristen kann? Nun aber erst der Schluß: „Es gibt daher kein anderes Mittel, als dieselben zu vertilgen, denn sie zu zähmen, haben wir uns bereits seit Jahren vergeblich bemüht; der Indianer taugt nicht zur Civilisation.“ Das sind freilich harte Worte, es hat sie aber die schrecklichste Nothwendigkeit dem Minister in die Feder dictirt, und die Nation hat zum voraus darüber abgestimmt. Drei verschiedene Mittel sind zum Behuf dieser Indianer-Vertilgung bereits in Vorschlag gebracht. Das erste besteht darin, sie mit Bluthunden zu hetzen (!); das zweite, sie mittelst anderer von Staate besoldeter Indianerstämme auf ihre eigene Art zu bekriegen; und endlich drittens hat sich auch ein Speculant gefunden, der die Vertilgung der Indianer contractmäßig auf sich nehmen, und der Regierung für die Erfüllung seines Vertrags Caution stellen will. „Die regulären Truppen und die Milizen, meint er, werden in alle Ewigkeit gegen die Indianer nichts ausrichten, die nun einmal nur nach den Gesetzen ihrer eigenen Taktik zu besiegen sind. Unsere herumwandernden Jäger und backwoodsmen, meint er, eignen sich ganz allein zu einem solchen Vertilgungskrieg; denn sie besitzen alle Eigenschaften, hauptsächlich aber die physische Gewandtheit der Indianer, mit allen Verstandesvorzügen der weißen Race. So z. B. können sie laufen, schwimmen, klettern und schießen, trotz der besten inländischen Jäger; ja sie verstehen sich sogar aufs Scalpiren. Man setze einen Preis auf jeden abgeschnittenen oder scalpirten Indianerschädel, und er will dafür stehen, daß in kurzer Zeit die gehörige Anzahl eingebracht und das Land von seiner bis jetzt bestandenen

*) Ihre Leser werden wohl einsehen, daß hier hauptsächlich von den Indianern in Florida die Rede ist.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="0476"/>
von ihr ausgestreuten Keime zur Reife zu bringen, und überläßt sie die weitere Ausbildung derselben einer mit größerer Zeugungskraft begabten Race &#x2013; etwa den Deutschen? &#x2013; In der That sind die deutschen Ansiedlungen im Süden und Südwesten der Union &#x2013; und es erstrecken sich dieselben wirklich schon bis an die Gränzen von Süd-Carolina &#x2013; eine wahre Superfoetatio zu nennen, die sich von der vorausgegangenen amerikanischen in Allem unterscheidet, was man zur Charakteristik eines Volks zu zählen pflegt. Ihr Hauptcharakter besteht aber im <hi rendition="#g">selbständigen</hi> Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, <hi rendition="#g">durch freie Arbeit und Sparsamkeit</hi>, im Gegensatz zur Sklaverei und Ueppigkeit der Amerikaner. Dieß ist aber auch der Todesstoß für die südlichen Sklavenbesitzer, und darum ziehen sie nach Texas. So weit die germanischen Stämme der verpesteten Fieberluft und der Sonnenhitze des Südens Trotz zu bieten vermögen, drängen sie die Negerbevölkerung weiter zurück, und vermindern hiedurch den politischen Einfluß der nur durch die Neger bestehenden Pflanzer, welchen zuletzt nichts Anderes übrig bleibt, als sich den Texanern förmlich anzuschließen, um durch ihre völlige Lossagung von der Union dem weitern Einfluß der Bevölkerung des Nordens Gränzen zu setzen. Dieß ist bereits das allgemeine Thema des Südens, und Sie begreifen jetzt die Nothwendigkeit der vermehrten Centralgewalt mittelst der Vergrößerung des stehenden Heeres und der regelmäßigen Organisation der Milizen.</p><lb/>
          <p>So bedingt die weitere Verbreitung der amerikanischen Race in einem gewissen Sinne die Umgestaltung ihrer politischen Organisation, und dieselbe Kraft, welche von ihr ausgeht, um fremde Staaten zu unterjochen, muß nach den Gesetzen der ewigen Gerechtigkeit zugleich auch der Zerstörer ihrer eigenen Blüthe seyn. &#x2013; Alles dieß scheint die gegenwärtige französische Diplomatie und der von ihr so sehr begünstigte Handelsgeist der Nation mit vielem Tact begriffen zu haben; denn während Hr. Michel Chevalier im Journal des Débats mit wahrhaft St. Simonistischem Eifer gegen die von den Texanern zu verewigende Negersklaverei predigte, und bewies, daß es im Interesse Frankreichs, als Repräsentant der katholischen Mächte, läge, der weiteren Ausbreitung der anglo-amerikanischen (protestantischen) Menschheit Gränzen zu setzen und zu verhindern, daß das romanische Princip dem sächsischen nicht auch in der neuen Welt unterliege, sandte Hr. v. Pontois, damals bevollmächtigter Minister des Königs der Franzosen in Washington (jetzt außerordentlicher Gesandter desselben in Konstantinopel), seinen Gesandtschaftssecretär, Hr. v. Saligny, in aller Stille nach Texas, um zu sehen, was mit diesen Wildfängen zu Gunsten seiner Nation anzufangen sey. Da ergab sich nun, daß nicht sowohl New-Orleans und die südlichen Staaten überhaupt, als vielmehr die texanische Gränze die Achillesferse der Union ist, daß es kein besseres Mittel gibt, das anglo-sächsische Princip zu schwächen, als demselben in seiner eigenen Race einen Nebenbuhler zu setzen. Die Zerstücklung war von jeher der Fluch aller Völker aus germanischem Geblüt, und nur durch den mächtigen normännischen Adel konnte derselben in England engere Gränzen gesetzt werden; daher denn auch der Eroberungszug des großen Wilhelms den Grundstein zu Britanniens Größe legte. Weiter bemerkte Hr. v. Saligny, daß sich der texanische Hafen von Galveston im mexicanischen Meerbusen ganz vortrefflich zum Schleichhandel nicht nur nach den Vereinigten Staaten, sondern auch nach Mexico eigne, und daß hiedurch für den französischen Handel Vortheile entsprießen müssen, wie diese kein Handelstractat weder mit einem noch dem andern Lande, selbst nach einer Blokade oder nach einer Wachtparade, wie die von Veracruz und San Juan de Ulloa sichern könne. Es erfolgte bald darauf die völlige Anerkennung Texas' von Seite Frankreichs, und zum Lohn für seine talentvollen Relationen wurde Hr. v. Saligny selbst zum Chargé d'Affaires in Houston ernannt. Ich habe das Glück, den jungen Diplomaten persönlich zu kennen, und speiste mit ihm kurz vor seiner Abreise nach Texas. Sonderbar, dachte ich, nach den interessanten Mittheilungen des habilen französischen Agenten, Frankreich spielt jetzt in Bezug auf Texas gerade dieselbe Rolle, die es vor der Revolution in den amerikanischen Colonien England gegenüber spielte. Wem dieselbe nicht bekannt ist, der lese hierüber Botta Storia della guerra dell' independenza, gleich im ersten Capitel.</p><lb/>
          <p>Der dritte Hauptartikel im Bericht des Kriegsministers an den Präsidenten betrifft den unglücklichen Indianerkrieg und die fruchtlosen und von den gräuelvollsten Mordscenen begleiteten Versuche der Regierung, die Streitigkeiten mit den Eingebornen durch <hi rendition="#g">Vertrag</hi> zu schlichten. &#x201E;Diese Menschen, sagt Hr. Poinsett, sind nicht, wie dieß bei der Verdrängung anderer Indianerstämme der Fall war, durch die vorschreitende Civilisation aus ihren Schlupfwinkeln herauszubringen; das Terrain, auf dem sie sich befinden, und das nicht weniger als 45,000 englische Quadratmeilen groß ist, ist so beschaffen, daß sie nicht entfliehen können, denn auf der einen Seite umgibt sie der Ocean und auf der anderen die Ansiedlungen amerikanischer Bürger. <note place="foot" n="*)">Ihre Leser werden wohl einsehen, daß hier hauptsächlich von den Indianern in Florida die Rede ist.</note> Sie wehren sich daher mit der Angst und der Tapferkeit der Verzweiflung, und das auf einem Boden, der ihrer Natur günstig, für die Weißen aber entnervend und tödtlich ist.&#x201C; Ist man hier nicht gezwungen, unwillkürlich die Frage aufzuwerfen: was für ein Recht hat denn die weiße Bevölkerung, die Indianerstämme von einem Boden zu vertreiben, der für dieselben geschaffen zu seyn scheint, und auf welchem sie selbst nur durch die Vermittlung einer andern Race &#x2013; die der Neger &#x2013; mühsam ihr Leben fristen kann? Nun aber erst der Schluß: &#x201E;Es gibt daher kein anderes Mittel, als dieselben zu <hi rendition="#g">vertilgen</hi>, denn sie zu zähmen, haben wir uns bereits seit Jahren vergeblich bemüht; der Indianer taugt nicht zur Civilisation.&#x201C; Das sind freilich harte Worte, es hat sie aber die schrecklichste Nothwendigkeit dem Minister in die Feder dictirt, und die Nation hat zum voraus darüber abgestimmt. Drei verschiedene Mittel sind zum Behuf dieser Indianer-Vertilgung bereits in Vorschlag gebracht. Das erste besteht darin, sie mit Bluthunden zu hetzen (!); das zweite, sie mittelst anderer von Staate besoldeter Indianerstämme auf ihre eigene Art zu bekriegen; und endlich drittens hat sich auch ein Speculant gefunden, der die Vertilgung der Indianer contractmäßig auf sich nehmen, und <hi rendition="#g">der Regierung für die Erfüllung seines Vertrags Caution stellen will</hi>. &#x201E;Die regulären Truppen und die Milizen, meint er, werden in alle Ewigkeit gegen die Indianer nichts ausrichten, die nun einmal nur nach den Gesetzen ihrer eigenen Taktik zu besiegen sind. Unsere herumwandernden Jäger und backwoodsmen, meint er, eignen sich ganz allein zu einem solchen Vertilgungskrieg; denn sie besitzen alle Eigenschaften, hauptsächlich aber die physische Gewandtheit der Indianer, mit allen Verstandesvorzügen der weißen Race. So z. B. können sie laufen, schwimmen, klettern und schießen, trotz der besten inländischen Jäger; ja sie verstehen sich sogar aufs Scalpiren. Man setze einen Preis auf jeden abgeschnittenen oder scalpirten Indianerschädel, und er will dafür stehen, daß in kurzer Zeit die gehörige Anzahl eingebracht und das Land von seiner bis jetzt bestandenen<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476/0012] von ihr ausgestreuten Keime zur Reife zu bringen, und überläßt sie die weitere Ausbildung derselben einer mit größerer Zeugungskraft begabten Race – etwa den Deutschen? – In der That sind die deutschen Ansiedlungen im Süden und Südwesten der Union – und es erstrecken sich dieselben wirklich schon bis an die Gränzen von Süd-Carolina – eine wahre Superfoetatio zu nennen, die sich von der vorausgegangenen amerikanischen in Allem unterscheidet, was man zur Charakteristik eines Volks zu zählen pflegt. Ihr Hauptcharakter besteht aber im selbständigen Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit, durch freie Arbeit und Sparsamkeit, im Gegensatz zur Sklaverei und Ueppigkeit der Amerikaner. Dieß ist aber auch der Todesstoß für die südlichen Sklavenbesitzer, und darum ziehen sie nach Texas. So weit die germanischen Stämme der verpesteten Fieberluft und der Sonnenhitze des Südens Trotz zu bieten vermögen, drängen sie die Negerbevölkerung weiter zurück, und vermindern hiedurch den politischen Einfluß der nur durch die Neger bestehenden Pflanzer, welchen zuletzt nichts Anderes übrig bleibt, als sich den Texanern förmlich anzuschließen, um durch ihre völlige Lossagung von der Union dem weitern Einfluß der Bevölkerung des Nordens Gränzen zu setzen. Dieß ist bereits das allgemeine Thema des Südens, und Sie begreifen jetzt die Nothwendigkeit der vermehrten Centralgewalt mittelst der Vergrößerung des stehenden Heeres und der regelmäßigen Organisation der Milizen. So bedingt die weitere Verbreitung der amerikanischen Race in einem gewissen Sinne die Umgestaltung ihrer politischen Organisation, und dieselbe Kraft, welche von ihr ausgeht, um fremde Staaten zu unterjochen, muß nach den Gesetzen der ewigen Gerechtigkeit zugleich auch der Zerstörer ihrer eigenen Blüthe seyn. – Alles dieß scheint die gegenwärtige französische Diplomatie und der von ihr so sehr begünstigte Handelsgeist der Nation mit vielem Tact begriffen zu haben; denn während Hr. Michel Chevalier im Journal des Débats mit wahrhaft St. Simonistischem Eifer gegen die von den Texanern zu verewigende Negersklaverei predigte, und bewies, daß es im Interesse Frankreichs, als Repräsentant der katholischen Mächte, läge, der weiteren Ausbreitung der anglo-amerikanischen (protestantischen) Menschheit Gränzen zu setzen und zu verhindern, daß das romanische Princip dem sächsischen nicht auch in der neuen Welt unterliege, sandte Hr. v. Pontois, damals bevollmächtigter Minister des Königs der Franzosen in Washington (jetzt außerordentlicher Gesandter desselben in Konstantinopel), seinen Gesandtschaftssecretär, Hr. v. Saligny, in aller Stille nach Texas, um zu sehen, was mit diesen Wildfängen zu Gunsten seiner Nation anzufangen sey. Da ergab sich nun, daß nicht sowohl New-Orleans und die südlichen Staaten überhaupt, als vielmehr die texanische Gränze die Achillesferse der Union ist, daß es kein besseres Mittel gibt, das anglo-sächsische Princip zu schwächen, als demselben in seiner eigenen Race einen Nebenbuhler zu setzen. Die Zerstücklung war von jeher der Fluch aller Völker aus germanischem Geblüt, und nur durch den mächtigen normännischen Adel konnte derselben in England engere Gränzen gesetzt werden; daher denn auch der Eroberungszug des großen Wilhelms den Grundstein zu Britanniens Größe legte. Weiter bemerkte Hr. v. Saligny, daß sich der texanische Hafen von Galveston im mexicanischen Meerbusen ganz vortrefflich zum Schleichhandel nicht nur nach den Vereinigten Staaten, sondern auch nach Mexico eigne, und daß hiedurch für den französischen Handel Vortheile entsprießen müssen, wie diese kein Handelstractat weder mit einem noch dem andern Lande, selbst nach einer Blokade oder nach einer Wachtparade, wie die von Veracruz und San Juan de Ulloa sichern könne. Es erfolgte bald darauf die völlige Anerkennung Texas' von Seite Frankreichs, und zum Lohn für seine talentvollen Relationen wurde Hr. v. Saligny selbst zum Chargé d'Affaires in Houston ernannt. Ich habe das Glück, den jungen Diplomaten persönlich zu kennen, und speiste mit ihm kurz vor seiner Abreise nach Texas. Sonderbar, dachte ich, nach den interessanten Mittheilungen des habilen französischen Agenten, Frankreich spielt jetzt in Bezug auf Texas gerade dieselbe Rolle, die es vor der Revolution in den amerikanischen Colonien England gegenüber spielte. Wem dieselbe nicht bekannt ist, der lese hierüber Botta Storia della guerra dell' independenza, gleich im ersten Capitel. Der dritte Hauptartikel im Bericht des Kriegsministers an den Präsidenten betrifft den unglücklichen Indianerkrieg und die fruchtlosen und von den gräuelvollsten Mordscenen begleiteten Versuche der Regierung, die Streitigkeiten mit den Eingebornen durch Vertrag zu schlichten. „Diese Menschen, sagt Hr. Poinsett, sind nicht, wie dieß bei der Verdrängung anderer Indianerstämme der Fall war, durch die vorschreitende Civilisation aus ihren Schlupfwinkeln herauszubringen; das Terrain, auf dem sie sich befinden, und das nicht weniger als 45,000 englische Quadratmeilen groß ist, ist so beschaffen, daß sie nicht entfliehen können, denn auf der einen Seite umgibt sie der Ocean und auf der anderen die Ansiedlungen amerikanischer Bürger. *) Sie wehren sich daher mit der Angst und der Tapferkeit der Verzweiflung, und das auf einem Boden, der ihrer Natur günstig, für die Weißen aber entnervend und tödtlich ist.“ Ist man hier nicht gezwungen, unwillkürlich die Frage aufzuwerfen: was für ein Recht hat denn die weiße Bevölkerung, die Indianerstämme von einem Boden zu vertreiben, der für dieselben geschaffen zu seyn scheint, und auf welchem sie selbst nur durch die Vermittlung einer andern Race – die der Neger – mühsam ihr Leben fristen kann? Nun aber erst der Schluß: „Es gibt daher kein anderes Mittel, als dieselben zu vertilgen, denn sie zu zähmen, haben wir uns bereits seit Jahren vergeblich bemüht; der Indianer taugt nicht zur Civilisation.“ Das sind freilich harte Worte, es hat sie aber die schrecklichste Nothwendigkeit dem Minister in die Feder dictirt, und die Nation hat zum voraus darüber abgestimmt. Drei verschiedene Mittel sind zum Behuf dieser Indianer-Vertilgung bereits in Vorschlag gebracht. Das erste besteht darin, sie mit Bluthunden zu hetzen (!); das zweite, sie mittelst anderer von Staate besoldeter Indianerstämme auf ihre eigene Art zu bekriegen; und endlich drittens hat sich auch ein Speculant gefunden, der die Vertilgung der Indianer contractmäßig auf sich nehmen, und der Regierung für die Erfüllung seines Vertrags Caution stellen will. „Die regulären Truppen und die Milizen, meint er, werden in alle Ewigkeit gegen die Indianer nichts ausrichten, die nun einmal nur nach den Gesetzen ihrer eigenen Taktik zu besiegen sind. Unsere herumwandernden Jäger und backwoodsmen, meint er, eignen sich ganz allein zu einem solchen Vertilgungskrieg; denn sie besitzen alle Eigenschaften, hauptsächlich aber die physische Gewandtheit der Indianer, mit allen Verstandesvorzügen der weißen Race. So z. B. können sie laufen, schwimmen, klettern und schießen, trotz der besten inländischen Jäger; ja sie verstehen sich sogar aufs Scalpiren. Man setze einen Preis auf jeden abgeschnittenen oder scalpirten Indianerschädel, und er will dafür stehen, daß in kurzer Zeit die gehörige Anzahl eingebracht und das Land von seiner bis jetzt bestandenen *) Ihre Leser werden wohl einsehen, daß hier hauptsächlich von den Indianern in Florida die Rede ist.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 60. Augsburg, 29. Februar 1840, S. 0476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_060_18400229/12>, abgerufen am 16.04.2024.