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Allgemeine Zeitung. Nr. 55. Augsburg, 24. Februar 1840.

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der, als Statthalter der Provinz Pommern, oft nach Stettin reist, machte der alten Dame gewöhnlich die Freude, sie zu besuchen. Sie pflegte die Zeit solcher Besuche immer als Festtage in ihrer sonst sehr einförmigen, nur durch Kartenspiel und Spazierfahrten unterbrochenen Lebensweise zu betrachten, doch soll sie in den letzten Lebensjahren ziemlich abgestumpft für alle äußern Erscheinungen gewesen seyn. - Der Freiherr v. Bülow wird nächstens wieder auf seinen Gesandtschaftsposten in London zurückkehren, und damit werden abermals die Gerüchte widerlegt, die diesem geschätzten Diplomaten so oft schon einen Nachfolger in seiner Mission gaben.

Aegypten.

Ich habe Ihnen in meinem letzten Briefe den Eindruck geschildert, welchen hier die vielleicht voreilige Nachricht hervorgebracht hat, daß eine englische Seemacht, mit oder ohne Zustimmung der übrigen Mächte, es auf sich nehmen wolle, Mehemed Ali zur Annahme der Bedingungen zu zwingen, die man ihm auferlegt, um seinen Differenzen mit der Pforte ein Ende zu machen. Auch habe ich Ihnen geschrieben, daß der Vicekönig, dem das tapfere Blut bei diesen Nachrichten in den Adern kochte, erklärte, er werde in Person mit der vereinigten türkisch-ägyptischen Flotte auslaufen, um Gewalt mit Gewalt zurückzutreiben. Nach dem Abgang meines Schreibens erfuhren wir hier, daß Obrist Hodges von seiner Regierung beauftragt worden, gegen Mehemed Ali eine Art Drohung zu gebrauchen; aber als gewandter Diplomat hütete er sich, den rauhen Ton einiger seiner Collegen anzunehmen, welche durch dieses Mittel dem Vicekönig zu imponiren glaubten. Am Tage vor seiner Unterredung mit Mehemed Ali äußerte Obrist Hodges, er habe schon vor seiner Ankunft in Aegypten von dem Vicekönig eine hohe Meinung gehabt, und dieselbe gleich nach den ersten Unterredungen mit diesem außerordentlichen Mann noch übertroffen gefunden; er bedauere sehr, daß er sich in einer Stellung sehe, die ihn hindere, so oft er wünsche, Sr. Hoh. einen freundschaftlichen Besuch zu machen. "Meine Pflicht, sagte er, nöthigt mich zu einer Rolle, von der ich mich nicht entfernen darf, und die meinen persönlichen Gefühlen Schweigen auferlegt, da ich nur den Befehlen meiner Regierung zu gehorchen habe." Diese Worte wurden dem Vicekönig durch seine Anhänger hinterbracht, und als der brittische Consul sich Tags darauf anschickte, die Rede *) mit einer passenden Einleitung zu beginnen, ehe er zu der Drohung überging, mit der seine Regierung ihn beauftragt, da ermuthigte ihn Mehemed Ali durch folgende wohlwollende Worte: "Hr. Obrist, Sie können mir den Gegenstand Ihrer Mittheilung frei heraus, ohne Rückhalt sagen, wie schmerzlich es mir auch fällt, denselben anzuhören. Ich weiß den Mann von seinem Amt zu unterscheiden. Erfüllen Sie Ihre Pflicht, ich werde die meinige thun, und wir werden deßhalb nichtsdestoweniger Freunde bleiben; es wird mir stets großes Vergnügen machen, so oft Sie mich mit Ihren Besuchen beehren." Obrist Hodges theilte hierauf dem Vicekönig den Inhalt seiner Instructionen mit, worauf Mehemed durch eine förmliche Weigerung antwortete. "Ew. Hoh. mögen aber die Folgen bedenken!" bemerkte der Obrist. "Ich habe sie bereits bedacht - und bin auf Alles gefaßt. Nie werde ich mein Leben durch eine Feigheit beflecken." Nach dieser Unterredung sagte Mehemed Ali zu allen Personen seiner Umgebung: "Ich werde Niemanden angreifen; wenn man aber mich angreift, dann hat man beschlossen, das osmanische Reich zu zerstören. Die Muselmänner lassen sich hierüber nicht täuschen, denn sie kennen ihre Lage besser als die Fremden. Ich werde dann berufen seyn, die Vertheidigung meines Glaubens und meines Volks zu führen, und für eine solche Sache kann man nöthigenfalls auch erliegen, ohne zu bereuen, was man gethan. Ich werde mit meiner ganzen Familie dieser Sache mich weihen und die Moslim werden meinem Aufruf folgen." - Das Einschreiben von Individuen für die beiden Regimenter der Nationalmiliz geht seinen Gang fort; die übrigen Maaßregeln zur Formirung eines Truppencorps im Innern sind in der Ausführung begriffen. Eine sehr einflußreiche Person äußerte kürzlich: "Das Land hat zum Abwehren eines fremden Angriffs mehr Hülfsmittel, als man glaubt. Ich erstaune selbst hierüber, und ohne die Vorkehrungen, die der Vicekönig getroffen, hätte ich mich nie so genau davon überzeugt. Man sagt allgemein, daß die Engländer allein uns angreifen werden. Aegypten hat die Franzosen kennen gelernt, und würde sie mit Freude wieder begrüßen; die Deutschen und Russen hingegen sind dem Land unbekannt, daher ist man gleichgültig gegen sie. Was aber die Engländer anbelangt, so bin ich überzeugt, daß sie im Lande sehr verhaßt sind, und wenn sie in Aegypten eindringen wollen, so werden - (ich gebe seine eigenen Worte wieder) - die Kinder vor der Zeit aus dem Mutterleibe kommen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen." - Mehemed Ali spricht nicht mehr davon, seine Flotte auslaufen zu lassen. Wahrscheinlich hat er gedacht, daß wenn er einmal außen wäre, man Alles aufbieten würde, ihm im Lande zu schaden. Seine Absicht ist jetzt, die Truppen und Matrosen mit allem Geschütz auszuschiffen und den Engländern, wenn sie die entwaffneten Schiffe in Brand stecken wollen, die Verantwortung dieser That Europa und dem Sultan gegenüber zu überlassen. Mehemed Ali wird sich darauf beschränken, das Land gegen jeden Angriff zu vertheidigen. Wenn er auf diesem Entschluß beharrt, wie es allen Anschein hat, so kann sicherlich keine bewaffnete Landung Erfolg hoffen, und die Angreifer werden daher ihren bösen Willen nur auf zweierlei Weise auslassen können. Erstens durch eine Blokade, welche Länder wie Aegypten und Syrien, die mit allen Consumtionsartikeln wohl versehen sind, nicht zu fürchten haben; zweitens durch Bombardirung der Städte St. Jean d'Acre und Alexandria. Ein Bombardement von St. Jean d'Acre wird keine große Wirkung haben, denn das Zerstörte würde man später wieder aufbauen, und die Armee unter den Befehlen Ibrahim Pascha's wird jede Landung zu hindern wissen. Aber unter den fanatischen Muselmännern Syriens könnte eine solche Maaßregel eine furchtbare Aufregung erzeugen und die Ermordung aller dortigen Christen wäre die wahrscheinliche Folge. Was Alexandria betrifft, so wissen wir nicht, welches Schicksal, ungeachtet der guten Absichten des Vicekönigs, die 10,000 Seelen starke europäische Bevölkerung treffen wird. Jedenfalls würde ein Bombardement hier sehr bedeutende, Europa zugehörige Capitalien zerstören, und zwar ohne Vortheil für die Angreifer, denn Alexandria liegt auf einer von dem übrigen Land isolirten Erdzunge. In jedem Falle würden dergleichen Demonstrationen die Frage durchaus nicht lösen und den beabsichtigten Zweck nicht erreichen, wohl aber unfehlbar das Leben einiger tausend Christen in Gefahr bringen, und den Handel der Europäer, der durch einen solchen Zustand ohnehin schon arg genug leidet, vollends zu Grund richten. Wir müssen wiederholen: vergebens würde man auf Mehemed Ali's Schwäche,

*) Die Allg. Ztg. hat dieser Unterredung früher schon einigemal erwähnt, indessen wird vorstehender Bericht nicht überflüssig erscheinen, da er aus einer äußerst gutunterrichteten, dem Vicekönig allerdings entschieden günstigen, directen Quelle kommt. Aus derselben Quelle flossen neulich die Nachweisungen über die ägyptischen Finanzen.

der, als Statthalter der Provinz Pommern, oft nach Stettin reist, machte der alten Dame gewöhnlich die Freude, sie zu besuchen. Sie pflegte die Zeit solcher Besuche immer als Festtage in ihrer sonst sehr einförmigen, nur durch Kartenspiel und Spazierfahrten unterbrochenen Lebensweise zu betrachten, doch soll sie in den letzten Lebensjahren ziemlich abgestumpft für alle äußern Erscheinungen gewesen seyn. – Der Freiherr v. Bülow wird nächstens wieder auf seinen Gesandtschaftsposten in London zurückkehren, und damit werden abermals die Gerüchte widerlegt, die diesem geschätzten Diplomaten so oft schon einen Nachfolger in seiner Mission gaben.

Aegypten.

Ich habe Ihnen in meinem letzten Briefe den Eindruck geschildert, welchen hier die vielleicht voreilige Nachricht hervorgebracht hat, daß eine englische Seemacht, mit oder ohne Zustimmung der übrigen Mächte, es auf sich nehmen wolle, Mehemed Ali zur Annahme der Bedingungen zu zwingen, die man ihm auferlegt, um seinen Differenzen mit der Pforte ein Ende zu machen. Auch habe ich Ihnen geschrieben, daß der Vicekönig, dem das tapfere Blut bei diesen Nachrichten in den Adern kochte, erklärte, er werde in Person mit der vereinigten türkisch-ägyptischen Flotte auslaufen, um Gewalt mit Gewalt zurückzutreiben. Nach dem Abgang meines Schreibens erfuhren wir hier, daß Obrist Hodges von seiner Regierung beauftragt worden, gegen Mehemed Ali eine Art Drohung zu gebrauchen; aber als gewandter Diplomat hütete er sich, den rauhen Ton einiger seiner Collegen anzunehmen, welche durch dieses Mittel dem Vicekönig zu imponiren glaubten. Am Tage vor seiner Unterredung mit Mehemed Ali äußerte Obrist Hodges, er habe schon vor seiner Ankunft in Aegypten von dem Vicekönig eine hohe Meinung gehabt, und dieselbe gleich nach den ersten Unterredungen mit diesem außerordentlichen Mann noch übertroffen gefunden; er bedauere sehr, daß er sich in einer Stellung sehe, die ihn hindere, so oft er wünsche, Sr. Hoh. einen freundschaftlichen Besuch zu machen. „Meine Pflicht, sagte er, nöthigt mich zu einer Rolle, von der ich mich nicht entfernen darf, und die meinen persönlichen Gefühlen Schweigen auferlegt, da ich nur den Befehlen meiner Regierung zu gehorchen habe.“ Diese Worte wurden dem Vicekönig durch seine Anhänger hinterbracht, und als der brittische Consul sich Tags darauf anschickte, die Rede *) mit einer passenden Einleitung zu beginnen, ehe er zu der Drohung überging, mit der seine Regierung ihn beauftragt, da ermuthigte ihn Mehemed Ali durch folgende wohlwollende Worte: „Hr. Obrist, Sie können mir den Gegenstand Ihrer Mittheilung frei heraus, ohne Rückhalt sagen, wie schmerzlich es mir auch fällt, denselben anzuhören. Ich weiß den Mann von seinem Amt zu unterscheiden. Erfüllen Sie Ihre Pflicht, ich werde die meinige thun, und wir werden deßhalb nichtsdestoweniger Freunde bleiben; es wird mir stets großes Vergnügen machen, so oft Sie mich mit Ihren Besuchen beehren.“ Obrist Hodges theilte hierauf dem Vicekönig den Inhalt seiner Instructionen mit, worauf Mehemed durch eine förmliche Weigerung antwortete. „Ew. Hoh. mögen aber die Folgen bedenken!“ bemerkte der Obrist. „Ich habe sie bereits bedacht – und bin auf Alles gefaßt. Nie werde ich mein Leben durch eine Feigheit beflecken.“ Nach dieser Unterredung sagte Mehemed Ali zu allen Personen seiner Umgebung: „Ich werde Niemanden angreifen; wenn man aber mich angreift, dann hat man beschlossen, das osmanische Reich zu zerstören. Die Muselmänner lassen sich hierüber nicht täuschen, denn sie kennen ihre Lage besser als die Fremden. Ich werde dann berufen seyn, die Vertheidigung meines Glaubens und meines Volks zu führen, und für eine solche Sache kann man nöthigenfalls auch erliegen, ohne zu bereuen, was man gethan. Ich werde mit meiner ganzen Familie dieser Sache mich weihen und die Moslim werden meinem Aufruf folgen.“ – Das Einschreiben von Individuen für die beiden Regimenter der Nationalmiliz geht seinen Gang fort; die übrigen Maaßregeln zur Formirung eines Truppencorps im Innern sind in der Ausführung begriffen. Eine sehr einflußreiche Person äußerte kürzlich: „Das Land hat zum Abwehren eines fremden Angriffs mehr Hülfsmittel, als man glaubt. Ich erstaune selbst hierüber, und ohne die Vorkehrungen, die der Vicekönig getroffen, hätte ich mich nie so genau davon überzeugt. Man sagt allgemein, daß die Engländer allein uns angreifen werden. Aegypten hat die Franzosen kennen gelernt, und würde sie mit Freude wieder begrüßen; die Deutschen und Russen hingegen sind dem Land unbekannt, daher ist man gleichgültig gegen sie. Was aber die Engländer anbelangt, so bin ich überzeugt, daß sie im Lande sehr verhaßt sind, und wenn sie in Aegypten eindringen wollen, so werden – (ich gebe seine eigenen Worte wieder) – die Kinder vor der Zeit aus dem Mutterleibe kommen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen.“ – Mehemed Ali spricht nicht mehr davon, seine Flotte auslaufen zu lassen. Wahrscheinlich hat er gedacht, daß wenn er einmal außen wäre, man Alles aufbieten würde, ihm im Lande zu schaden. Seine Absicht ist jetzt, die Truppen und Matrosen mit allem Geschütz auszuschiffen und den Engländern, wenn sie die entwaffneten Schiffe in Brand stecken wollen, die Verantwortung dieser That Europa und dem Sultan gegenüber zu überlassen. Mehemed Ali wird sich darauf beschränken, das Land gegen jeden Angriff zu vertheidigen. Wenn er auf diesem Entschluß beharrt, wie es allen Anschein hat, so kann sicherlich keine bewaffnete Landung Erfolg hoffen, und die Angreifer werden daher ihren bösen Willen nur auf zweierlei Weise auslassen können. Erstens durch eine Blokade, welche Länder wie Aegypten und Syrien, die mit allen Consumtionsartikeln wohl versehen sind, nicht zu fürchten haben; zweitens durch Bombardirung der Städte St. Jean d'Acre und Alexandria. Ein Bombardement von St. Jean d'Acre wird keine große Wirkung haben, denn das Zerstörte würde man später wieder aufbauen, und die Armee unter den Befehlen Ibrahim Pascha's wird jede Landung zu hindern wissen. Aber unter den fanatischen Muselmännern Syriens könnte eine solche Maaßregel eine furchtbare Aufregung erzeugen und die Ermordung aller dortigen Christen wäre die wahrscheinliche Folge. Was Alexandria betrifft, so wissen wir nicht, welches Schicksal, ungeachtet der guten Absichten des Vicekönigs, die 10,000 Seelen starke europäische Bevölkerung treffen wird. Jedenfalls würde ein Bombardement hier sehr bedeutende, Europa zugehörige Capitalien zerstören, und zwar ohne Vortheil für die Angreifer, denn Alexandria liegt auf einer von dem übrigen Land isolirten Erdzunge. In jedem Falle würden dergleichen Demonstrationen die Frage durchaus nicht lösen und den beabsichtigten Zweck nicht erreichen, wohl aber unfehlbar das Leben einiger tausend Christen in Gefahr bringen, und den Handel der Europäer, der durch einen solchen Zustand ohnehin schon arg genug leidet, vollends zu Grund richten. Wir müssen wiederholen: vergebens würde man auf Mehemed Ali's Schwäche,

*) Die Allg. Ztg. hat dieser Unterredung früher schon einigemal erwähnt, indessen wird vorstehender Bericht nicht überflüssig erscheinen, da er aus einer äußerst gutunterrichteten, dem Vicekönig allerdings entschieden günstigen, directen Quelle kommt. Aus derselben Quelle flossen neulich die Nachweisungen über die ägyptischen Finanzen.
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Am Tage vor seiner Unterredung mit Mehemed Ali äußerte Obrist Hodges, er habe schon vor seiner Ankunft in Aegypten von dem Vicekönig eine hohe Meinung gehabt, und dieselbe gleich nach den ersten Unterredungen mit diesem außerordentlichen Mann noch übertroffen gefunden; er bedauere sehr, daß er sich in einer Stellung sehe, die ihn hindere, so oft er wünsche, Sr. Hoh. einen freundschaftlichen Besuch zu machen. &#x201E;Meine Pflicht, sagte er, nöthigt mich zu einer Rolle, von der ich mich nicht entfernen darf, und die meinen persönlichen Gefühlen Schweigen auferlegt, da ich nur den Befehlen meiner Regierung zu gehorchen habe.&#x201C; Diese Worte wurden dem Vicekönig durch seine Anhänger hinterbracht, und als der brittische Consul sich Tags darauf anschickte, die Rede <note place="foot" n="*)"> Die Allg. 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Erfüllen Sie Ihre Pflicht, ich werde die meinige thun, und wir werden deßhalb nichtsdestoweniger Freunde bleiben; es wird mir stets großes Vergnügen machen, so oft Sie mich mit Ihren Besuchen beehren.&#x201C; Obrist Hodges theilte hierauf dem Vicekönig den Inhalt seiner Instructionen mit, worauf Mehemed durch eine förmliche Weigerung antwortete. &#x201E;Ew. Hoh. mögen aber die Folgen bedenken!&#x201C; bemerkte der Obrist. &#x201E;Ich habe sie bereits bedacht &#x2013; und bin auf Alles gefaßt. Nie werde ich mein Leben durch eine Feigheit beflecken.&#x201C; Nach dieser Unterredung sagte Mehemed Ali zu allen Personen seiner Umgebung: &#x201E;Ich werde Niemanden angreifen; wenn man aber mich angreift, dann hat man beschlossen, das osmanische Reich zu zerstören. Die Muselmänner lassen sich hierüber nicht täuschen, denn sie kennen ihre Lage besser als die Fremden. Ich werde dann berufen seyn, die Vertheidigung meines Glaubens und meines Volks zu führen, und für eine solche Sache kann man nöthigenfalls auch erliegen, ohne zu bereuen, was man gethan. Ich werde mit meiner ganzen Familie dieser Sache mich weihen und die Moslim werden meinem Aufruf folgen.&#x201C; &#x2013; Das Einschreiben von Individuen für die beiden Regimenter der Nationalmiliz geht seinen Gang fort; die übrigen Maaßregeln zur Formirung eines Truppencorps im Innern sind in der Ausführung begriffen. Eine sehr einflußreiche Person äußerte kürzlich: &#x201E;Das Land hat zum Abwehren eines fremden Angriffs mehr Hülfsmittel, als man glaubt. Ich erstaune selbst hierüber, und ohne die Vorkehrungen, die der Vicekönig getroffen, hätte ich mich nie so genau davon überzeugt. Man sagt allgemein, daß die Engländer allein uns angreifen werden. Aegypten hat die Franzosen kennen gelernt, und würde sie mit Freude wieder begrüßen; die Deutschen und Russen hingegen sind dem Land unbekannt, daher ist man gleichgültig gegen sie. Was aber die Engländer anbelangt, so bin ich überzeugt, daß sie im Lande sehr verhaßt sind, und wenn sie in Aegypten eindringen wollen, so werden &#x2013; (ich gebe seine eigenen Worte wieder) &#x2013; die Kinder vor der Zeit aus dem Mutterleibe kommen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen.&#x201C; &#x2013; Mehemed Ali spricht nicht mehr davon, seine Flotte auslaufen zu lassen. Wahrscheinlich hat er gedacht, daß wenn er einmal außen wäre, man Alles aufbieten würde, ihm im Lande zu schaden. Seine Absicht ist jetzt, die Truppen und Matrosen mit allem Geschütz auszuschiffen und den Engländern, wenn sie die entwaffneten Schiffe in Brand stecken wollen, die Verantwortung dieser That Europa und dem Sultan gegenüber zu überlassen. Mehemed Ali wird sich darauf beschränken, das Land gegen jeden Angriff zu vertheidigen. Wenn er auf diesem Entschluß beharrt, wie es allen Anschein hat, so kann sicherlich keine bewaffnete Landung Erfolg hoffen, und die Angreifer werden daher ihren bösen Willen nur auf zweierlei Weise auslassen können. Erstens durch eine Blokade, welche Länder wie Aegypten und Syrien, die mit allen Consumtionsartikeln wohl versehen sind, nicht zu fürchten haben; zweitens durch Bombardirung der Städte St. Jean d'Acre und Alexandria. Ein Bombardement von St. Jean d'Acre wird keine große Wirkung haben, denn das Zerstörte würde man später wieder aufbauen, und die Armee unter den Befehlen Ibrahim Pascha's wird jede Landung zu hindern wissen. Aber unter den fanatischen Muselmännern Syriens könnte eine solche Maaßregel eine furchtbare Aufregung erzeugen und die Ermordung aller dortigen Christen wäre die wahrscheinliche Folge. Was Alexandria betrifft, so wissen wir nicht, welches Schicksal, ungeachtet der guten Absichten des Vicekönigs, die 10,000 Seelen starke europäische Bevölkerung treffen wird. Jedenfalls würde ein Bombardement hier sehr bedeutende, Europa zugehörige Capitalien zerstören, und zwar ohne Vortheil für die Angreifer, denn Alexandria liegt auf einer von dem übrigen Land isolirten Erdzunge. In jedem Falle würden dergleichen Demonstrationen die Frage durchaus nicht lösen und den beabsichtigten Zweck nicht erreichen, wohl aber unfehlbar das Leben einiger tausend Christen in Gefahr bringen, und den Handel der Europäer, der durch einen solchen Zustand ohnehin schon arg genug leidet, vollends zu Grund richten. Wir müssen wiederholen: vergebens würde man auf Mehemed Ali's Schwäche,<lb/></p>
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[0439/0007] der, als Statthalter der Provinz Pommern, oft nach Stettin reist, machte der alten Dame gewöhnlich die Freude, sie zu besuchen. Sie pflegte die Zeit solcher Besuche immer als Festtage in ihrer sonst sehr einförmigen, nur durch Kartenspiel und Spazierfahrten unterbrochenen Lebensweise zu betrachten, doch soll sie in den letzten Lebensjahren ziemlich abgestumpft für alle äußern Erscheinungen gewesen seyn. – Der Freiherr v. Bülow wird nächstens wieder auf seinen Gesandtschaftsposten in London zurückkehren, und damit werden abermals die Gerüchte widerlegt, die diesem geschätzten Diplomaten so oft schon einen Nachfolger in seiner Mission gaben. Aegypten. _ Alexandria, 24 Jan. Ich habe Ihnen in meinem letzten Briefe den Eindruck geschildert, welchen hier die vielleicht voreilige Nachricht hervorgebracht hat, daß eine englische Seemacht, mit oder ohne Zustimmung der übrigen Mächte, es auf sich nehmen wolle, Mehemed Ali zur Annahme der Bedingungen zu zwingen, die man ihm auferlegt, um seinen Differenzen mit der Pforte ein Ende zu machen. Auch habe ich Ihnen geschrieben, daß der Vicekönig, dem das tapfere Blut bei diesen Nachrichten in den Adern kochte, erklärte, er werde in Person mit der vereinigten türkisch-ägyptischen Flotte auslaufen, um Gewalt mit Gewalt zurückzutreiben. Nach dem Abgang meines Schreibens erfuhren wir hier, daß Obrist Hodges von seiner Regierung beauftragt worden, gegen Mehemed Ali eine Art Drohung zu gebrauchen; aber als gewandter Diplomat hütete er sich, den rauhen Ton einiger seiner Collegen anzunehmen, welche durch dieses Mittel dem Vicekönig zu imponiren glaubten. Am Tage vor seiner Unterredung mit Mehemed Ali äußerte Obrist Hodges, er habe schon vor seiner Ankunft in Aegypten von dem Vicekönig eine hohe Meinung gehabt, und dieselbe gleich nach den ersten Unterredungen mit diesem außerordentlichen Mann noch übertroffen gefunden; er bedauere sehr, daß er sich in einer Stellung sehe, die ihn hindere, so oft er wünsche, Sr. Hoh. einen freundschaftlichen Besuch zu machen. „Meine Pflicht, sagte er, nöthigt mich zu einer Rolle, von der ich mich nicht entfernen darf, und die meinen persönlichen Gefühlen Schweigen auferlegt, da ich nur den Befehlen meiner Regierung zu gehorchen habe.“ Diese Worte wurden dem Vicekönig durch seine Anhänger hinterbracht, und als der brittische Consul sich Tags darauf anschickte, die Rede *) mit einer passenden Einleitung zu beginnen, ehe er zu der Drohung überging, mit der seine Regierung ihn beauftragt, da ermuthigte ihn Mehemed Ali durch folgende wohlwollende Worte: „Hr. Obrist, Sie können mir den Gegenstand Ihrer Mittheilung frei heraus, ohne Rückhalt sagen, wie schmerzlich es mir auch fällt, denselben anzuhören. Ich weiß den Mann von seinem Amt zu unterscheiden. Erfüllen Sie Ihre Pflicht, ich werde die meinige thun, und wir werden deßhalb nichtsdestoweniger Freunde bleiben; es wird mir stets großes Vergnügen machen, so oft Sie mich mit Ihren Besuchen beehren.“ Obrist Hodges theilte hierauf dem Vicekönig den Inhalt seiner Instructionen mit, worauf Mehemed durch eine förmliche Weigerung antwortete. „Ew. Hoh. mögen aber die Folgen bedenken!“ bemerkte der Obrist. „Ich habe sie bereits bedacht – und bin auf Alles gefaßt. Nie werde ich mein Leben durch eine Feigheit beflecken.“ Nach dieser Unterredung sagte Mehemed Ali zu allen Personen seiner Umgebung: „Ich werde Niemanden angreifen; wenn man aber mich angreift, dann hat man beschlossen, das osmanische Reich zu zerstören. Die Muselmänner lassen sich hierüber nicht täuschen, denn sie kennen ihre Lage besser als die Fremden. Ich werde dann berufen seyn, die Vertheidigung meines Glaubens und meines Volks zu führen, und für eine solche Sache kann man nöthigenfalls auch erliegen, ohne zu bereuen, was man gethan. Ich werde mit meiner ganzen Familie dieser Sache mich weihen und die Moslim werden meinem Aufruf folgen.“ – Das Einschreiben von Individuen für die beiden Regimenter der Nationalmiliz geht seinen Gang fort; die übrigen Maaßregeln zur Formirung eines Truppencorps im Innern sind in der Ausführung begriffen. Eine sehr einflußreiche Person äußerte kürzlich: „Das Land hat zum Abwehren eines fremden Angriffs mehr Hülfsmittel, als man glaubt. Ich erstaune selbst hierüber, und ohne die Vorkehrungen, die der Vicekönig getroffen, hätte ich mich nie so genau davon überzeugt. Man sagt allgemein, daß die Engländer allein uns angreifen werden. Aegypten hat die Franzosen kennen gelernt, und würde sie mit Freude wieder begrüßen; die Deutschen und Russen hingegen sind dem Land unbekannt, daher ist man gleichgültig gegen sie. Was aber die Engländer anbelangt, so bin ich überzeugt, daß sie im Lande sehr verhaßt sind, und wenn sie in Aegypten eindringen wollen, so werden – (ich gebe seine eigenen Worte wieder) – die Kinder vor der Zeit aus dem Mutterleibe kommen, um an dem Kampfe Theil zu nehmen.“ – Mehemed Ali spricht nicht mehr davon, seine Flotte auslaufen zu lassen. Wahrscheinlich hat er gedacht, daß wenn er einmal außen wäre, man Alles aufbieten würde, ihm im Lande zu schaden. Seine Absicht ist jetzt, die Truppen und Matrosen mit allem Geschütz auszuschiffen und den Engländern, wenn sie die entwaffneten Schiffe in Brand stecken wollen, die Verantwortung dieser That Europa und dem Sultan gegenüber zu überlassen. Mehemed Ali wird sich darauf beschränken, das Land gegen jeden Angriff zu vertheidigen. Wenn er auf diesem Entschluß beharrt, wie es allen Anschein hat, so kann sicherlich keine bewaffnete Landung Erfolg hoffen, und die Angreifer werden daher ihren bösen Willen nur auf zweierlei Weise auslassen können. Erstens durch eine Blokade, welche Länder wie Aegypten und Syrien, die mit allen Consumtionsartikeln wohl versehen sind, nicht zu fürchten haben; zweitens durch Bombardirung der Städte St. Jean d'Acre und Alexandria. Ein Bombardement von St. Jean d'Acre wird keine große Wirkung haben, denn das Zerstörte würde man später wieder aufbauen, und die Armee unter den Befehlen Ibrahim Pascha's wird jede Landung zu hindern wissen. Aber unter den fanatischen Muselmännern Syriens könnte eine solche Maaßregel eine furchtbare Aufregung erzeugen und die Ermordung aller dortigen Christen wäre die wahrscheinliche Folge. Was Alexandria betrifft, so wissen wir nicht, welches Schicksal, ungeachtet der guten Absichten des Vicekönigs, die 10,000 Seelen starke europäische Bevölkerung treffen wird. Jedenfalls würde ein Bombardement hier sehr bedeutende, Europa zugehörige Capitalien zerstören, und zwar ohne Vortheil für die Angreifer, denn Alexandria liegt auf einer von dem übrigen Land isolirten Erdzunge. In jedem Falle würden dergleichen Demonstrationen die Frage durchaus nicht lösen und den beabsichtigten Zweck nicht erreichen, wohl aber unfehlbar das Leben einiger tausend Christen in Gefahr bringen, und den Handel der Europäer, der durch einen solchen Zustand ohnehin schon arg genug leidet, vollends zu Grund richten. Wir müssen wiederholen: vergebens würde man auf Mehemed Ali's Schwäche, *) Die Allg. Ztg. hat dieser Unterredung früher schon einigemal erwähnt, indessen wird vorstehender Bericht nicht überflüssig erscheinen, da er aus einer äußerst gutunterrichteten, dem Vicekönig allerdings entschieden günstigen, directen Quelle kommt. Aus derselben Quelle flossen neulich die Nachweisungen über die ägyptischen Finanzen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 55. Augsburg, 24. Februar 1840, S. 0439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_055_18400224/7>, abgerufen am 25.04.2024.