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Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840.

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beabsichtigte. Er sieht, daß der Vorschlag, Konstantinopel dem Protectorat der russischen Soldaten zu entreißen, dem Czar nicht gefallen würde, und daß der andere Vorschlag, Mehemed Ali's Interessen aufzuopfern, die Zustimmung Frankreichs nicht erhalten könnte. Uns scheinen die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow todtgeboren, die des Lords Palmerston noch ungeboren."

(Siecle.) Wenn man, um einen Beweis von Patriotismus zu geben, nichts Anderes nöthig hätte, als auf England nach Herzenslust zu schimpfen, ohne die Lage Frankreichs zu berücksichtigen und seine Interessen zu erwägen, so muß man gestehen, daß dieß ein sehr leichtes Recept wäre. Was uns betrifft, die wir wissen, welche Folgen ein Bruch haben kann, und die wir ihn, ohne ihn zu fürchten, doch nicht wünschen, so wollen wir bei dieser, wie bei jeder andern Gelegenheit die volle Freiheit unsers Urtheils zu bewahren suchen. Denjenigen, welche den Namen Napoleon in dieser Streitfrage vorbringen, sind ohne Zweifel die Anstrengungen, welche Napoleon selbst gemacht hatte, um zwischen den beiden Nationen den Frieden zu erhalten, ebensowohl bekannt, als sein Bedauern, das er öfters aussprach, ehe er sich in einen Krieg stürzte, den er später mit der ganzen Kraft und Macht seines Willens durchführen mußte. Wir glauben, wenn einmal seine Correspondenz bekannt wird, so wird sie noch mehr, als die von der Geschichte schon bestätigten Thatsachen, für den Umfang und die Aufrichtigkeit jenes Bedauerns sprechen, mit dem er einen Kampf unternahm, der zum Unglück der Welt, nach so viel Opfern und Blutvergießen, zwei Völker, deren Eintracht unfehlbar ganz Europa eine andere Gestalt und Bestimmung gegeben hätte, zehn Jahre lang entzweite. Wenn solche Gesinnungen den Kaiser vor dreißig Jahren, im Augenblick, als der Friede von Amiens gebrochen wurde, beseelten, wenn er später, als er die begangenen unheilbaren Fehler einsah, mit seinem weitumfassenden Blick die Vortheile betrachtete, welche die Verbindung Frankreichs mit England sowohl in ihrem eignen Schooße, als in ihrer Umgebung hätte verbreiten können, statt des unermeßlichen Unglücks, das durch ihre Zwietracht und ihre verhängnißvolle Nebenbuhlerschaft angestiftet wurde, so wird es vernünftigen Männern unserer Zeit vielleicht erlaubt seyn, sich zweimal zu besinnen, ehe sie das alte Geschrei der Rache und des Hasses wiederholen. Vergessen wir nicht, daß es nicht mehr die englische Aristokratie ist, welche jetzt regiert, diese blinde, hartnäckige und unversöhnliche Aristokratie, welche in der französischen Revolution und in dem berühmten Krieger, der gegenüber von Eurpa als deren Repräsentant aufgetreten war, selbst wenn er sie zu unterjochen suchte, ihre Todfeinde verfolgte, die ihre Vorrechte und ihr Feudalsystem angegriffen hatten."

Die Pariser Journale melden heute nach Berichten aus Marseille die Vorfälle in Griechenland, die sie nach ihrer Weise commentiren und übertreiben. Einige "kleine Irrthümer" sehr erbaulicher Art haben sich in die Berichte und Zusätze mit eingeschlichen. So sagt ein Journal, die Verschwörung sey von der Partei der Russen oder Papisten (Napisten) ausgegangen. Der National glaubt, der bayerische Hof residire in Stuttgart.

(Presse.) Es scheint gewiß, daß die Königin Regentin von Spanien officiell von England die Räumung des Forts von Passages verlangt, und daß diese sich geweigert hat, abzuziehen. Und doch hatten der Conseilspräsident, Hr. Teste und fast alle Minister förmlich bei den Adressediscussionen erklärt, daß England auf die erste Aufforderung von Seite der spanischen Regierung seine Besatzung aus diesem Fort zurückziehen würde. Wir können nicht wohl annehmen, daß das Ministerium in Masse die Absicht habe, die Kammer durch eine falsche Erklärung zu täuschen; dann wäre es aber die Dupe desselben geworden, was nicht viel besser ist.

Sie werden meine beiden letzten auf einander folgenden Berichte in Widerspruch finden: in dem einen sagte ich, Mehemed Ali drohe, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen; in dem andern, daß er sich bereit erklärt habe, Arabien und die heiligen Städte abzutreten. Beide Angaben sind richtig. Er hatte sich wirklich nachgiebig gegen den französischen Consul gezeigt und versichert, daß er Alles thun werde, was Frankreich angenehm seyn könne. Er glaubte dabei, daß man nicht mehr von ihm verlangen werde, weil dieß wohl das Aeußerste sey, was er zugestehen könne. Anders äußerte er sich aber gegen den englischen General-Consul Hodges, der bei seiner ersten Unterredung mit Mehemed Ali die Ungeschicklichkeit beging, mit Corerctivmaaßregeln zu drohen, wenn er nicht die türkische Flotte herausgebe und Syrien der Pforte restituire. Dieses, auf etwas plumpe Weise vorgebrachte Verlangen brachte Mehemed Ali so in Harnisch, daß er das Gespräch mit Hrn. Hodges abbrach, gleich den Befehl gab, alle türkischen Officiere auf ägyptische Schiffe zu vertheilen, die türkischen Marinesoldaten der ägyptischen Seemacht gänzlich einzuverleiben, 10,000 Mann frische Truppen zu der Armee unter Ibrahim Pascha stoßen zu lassen, kurz Alles anzuordnen, damit auf den ersten Wink der Krieg wieder begonnen werden könne. Auch ließ er nach allen Richtungen hin geheime Agenten ausschicken, die darauf zu wachen hätten, daß nicht Umtriebe von außen statt finden. Er scheint hierüber Winke erhalten zu haben. Diesen Agenten hat er eingeschärft, auf die leiseste Kunde, daß irgend Jemand versuche, die unter seiner Botmäßigkeit stehenden Völker aufzuwiegeln, eines solchen Menschen sich zu bemächtigen und ihn augenblicklich erschießen zu lassen. Er will in einem solchen Falle keine Rücksicht auf Stand oder Nationalität genommen wissen, indem Mehemed Ali als Selbstvertheidigung ansieht, sich der Leute zu entledigen, die gegen ihn offen intriguiren. Auf diese Nachricht hin war man in den Tuilerien etwas bestürzt, denn man besorgte, daß die Feindseligkeiten unvermeidlich wieder beginnen müßten, wenn Mehemed in einer so gereizten Stimmung bleibe. Man besorgte dieß um so mehr, als Graf Sebastiani anher meldete, daß Lord Ponsonby nach London geschrieben habe, man möchte unverzüglich gegen Mehemed Ali vorgehen, weil Lord Ponsonby die Gewißheit erhalten habe, daß der Vicekönig es auf einen großen Schlag abgesehen habe, den er nächstens führen werde, wenn man sich nicht beeile ihm zuvorzukommen. Um ernsten Conflicten zuvorzukommen, hatte der König den Marschall Soult beauftragt, einen sehr vertrauten und gewandten Mann nach Alexandrien zu schicken, um Mehemed zu beruhigen, und ihn von einem Schritt abzuhalten, der die größten Gefahren und Folgen für die Erhaltung des allgemeinen Friedens nach sich ziehen könnte. Die Wahl fiel auf einen jungen Diplomaten, der früher schon in Aegypten war. Er ist indessen noch nicht abgereist, und wird wohl so lange hier bleiben, bis man genau weiß, welche Wendung die Unterhandlungen in London genommen haben, über deren Gang man noch nicht klar zu sehen scheint; bald heißt es, Hr. v. Brunnow habe manquirt, bald, er habe reussirt.

Die Opposition gegen die Dotation des Herzogs von Nemours steigt mit jedem Tage. Es scheint als ob namentlich das Charivari, das täglich eine reiche Dosis von Satyre, Witz und Laune über den Gesetzesvorschlag ergießt, einen ähnlichen Triumph davon tragen werde, als es früher in Bezug auf das Apanagengesetz davon trug, das von

beabsichtigte. Er sieht, daß der Vorschlag, Konstantinopel dem Protectorat der russischen Soldaten zu entreißen, dem Czar nicht gefallen würde, und daß der andere Vorschlag, Mehemed Ali's Interessen aufzuopfern, die Zustimmung Frankreichs nicht erhalten könnte. Uns scheinen die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow todtgeboren, die des Lords Palmerston noch ungeboren.“

(Siècle.) Wenn man, um einen Beweis von Patriotismus zu geben, nichts Anderes nöthig hätte, als auf England nach Herzenslust zu schimpfen, ohne die Lage Frankreichs zu berücksichtigen und seine Interessen zu erwägen, so muß man gestehen, daß dieß ein sehr leichtes Recept wäre. Was uns betrifft, die wir wissen, welche Folgen ein Bruch haben kann, und die wir ihn, ohne ihn zu fürchten, doch nicht wünschen, so wollen wir bei dieser, wie bei jeder andern Gelegenheit die volle Freiheit unsers Urtheils zu bewahren suchen. Denjenigen, welche den Namen Napoleon in dieser Streitfrage vorbringen, sind ohne Zweifel die Anstrengungen, welche Napoleon selbst gemacht hatte, um zwischen den beiden Nationen den Frieden zu erhalten, ebensowohl bekannt, als sein Bedauern, das er öfters aussprach, ehe er sich in einen Krieg stürzte, den er später mit der ganzen Kraft und Macht seines Willens durchführen mußte. Wir glauben, wenn einmal seine Correspondenz bekannt wird, so wird sie noch mehr, als die von der Geschichte schon bestätigten Thatsachen, für den Umfang und die Aufrichtigkeit jenes Bedauerns sprechen, mit dem er einen Kampf unternahm, der zum Unglück der Welt, nach so viel Opfern und Blutvergießen, zwei Völker, deren Eintracht unfehlbar ganz Europa eine andere Gestalt und Bestimmung gegeben hätte, zehn Jahre lang entzweite. Wenn solche Gesinnungen den Kaiser vor dreißig Jahren, im Augenblick, als der Friede von Amiens gebrochen wurde, beseelten, wenn er später, als er die begangenen unheilbaren Fehler einsah, mit seinem weitumfassenden Blick die Vortheile betrachtete, welche die Verbindung Frankreichs mit England sowohl in ihrem eignen Schooße, als in ihrer Umgebung hätte verbreiten können, statt des unermeßlichen Unglücks, das durch ihre Zwietracht und ihre verhängnißvolle Nebenbuhlerschaft angestiftet wurde, so wird es vernünftigen Männern unserer Zeit vielleicht erlaubt seyn, sich zweimal zu besinnen, ehe sie das alte Geschrei der Rache und des Hasses wiederholen. Vergessen wir nicht, daß es nicht mehr die englische Aristokratie ist, welche jetzt regiert, diese blinde, hartnäckige und unversöhnliche Aristokratie, welche in der französischen Revolution und in dem berühmten Krieger, der gegenüber von Eurpa als deren Repräsentant aufgetreten war, selbst wenn er sie zu unterjochen suchte, ihre Todfeinde verfolgte, die ihre Vorrechte und ihr Feudalsystem angegriffen hatten.“

Die Pariser Journale melden heute nach Berichten aus Marseille die Vorfälle in Griechenland, die sie nach ihrer Weise commentiren und übertreiben. Einige „kleine Irrthümer“ sehr erbaulicher Art haben sich in die Berichte und Zusätze mit eingeschlichen. So sagt ein Journal, die Verschwörung sey von der Partei der Russen oder Papisten (Napisten) ausgegangen. Der National glaubt, der bayerische Hof residire in Stuttgart.

(Presse.) Es scheint gewiß, daß die Königin Regentin von Spanien officiell von England die Räumung des Forts von Passages verlangt, und daß diese sich geweigert hat, abzuziehen. Und doch hatten der Conseilspräsident, Hr. Teste und fast alle Minister förmlich bei den Adressediscussionen erklärt, daß England auf die erste Aufforderung von Seite der spanischen Regierung seine Besatzung aus diesem Fort zurückziehen würde. Wir können nicht wohl annehmen, daß das Ministerium in Masse die Absicht habe, die Kammer durch eine falsche Erklärung zu täuschen; dann wäre es aber die Dupe desselben geworden, was nicht viel besser ist.

Sie werden meine beiden letzten auf einander folgenden Berichte in Widerspruch finden: in dem einen sagte ich, Mehemed Ali drohe, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen; in dem andern, daß er sich bereit erklärt habe, Arabien und die heiligen Städte abzutreten. Beide Angaben sind richtig. Er hatte sich wirklich nachgiebig gegen den französischen Consul gezeigt und versichert, daß er Alles thun werde, was Frankreich angenehm seyn könne. Er glaubte dabei, daß man nicht mehr von ihm verlangen werde, weil dieß wohl das Aeußerste sey, was er zugestehen könne. Anders äußerte er sich aber gegen den englischen General-Consul Hodges, der bei seiner ersten Unterredung mit Mehemed Ali die Ungeschicklichkeit beging, mit Corërctivmaaßregeln zu drohen, wenn er nicht die türkische Flotte herausgebe und Syrien der Pforte restituire. Dieses, auf etwas plumpe Weise vorgebrachte Verlangen brachte Mehemed Ali so in Harnisch, daß er das Gespräch mit Hrn. Hodges abbrach, gleich den Befehl gab, alle türkischen Officiere auf ägyptische Schiffe zu vertheilen, die türkischen Marinesoldaten der ägyptischen Seemacht gänzlich einzuverleiben, 10,000 Mann frische Truppen zu der Armee unter Ibrahim Pascha stoßen zu lassen, kurz Alles anzuordnen, damit auf den ersten Wink der Krieg wieder begonnen werden könne. Auch ließ er nach allen Richtungen hin geheime Agenten ausschicken, die darauf zu wachen hätten, daß nicht Umtriebe von außen statt finden. Er scheint hierüber Winke erhalten zu haben. Diesen Agenten hat er eingeschärft, auf die leiseste Kunde, daß irgend Jemand versuche, die unter seiner Botmäßigkeit stehenden Völker aufzuwiegeln, eines solchen Menschen sich zu bemächtigen und ihn augenblicklich erschießen zu lassen. Er will in einem solchen Falle keine Rücksicht auf Stand oder Nationalität genommen wissen, indem Mehemed Ali als Selbstvertheidigung ansieht, sich der Leute zu entledigen, die gegen ihn offen intriguiren. Auf diese Nachricht hin war man in den Tuilerien etwas bestürzt, denn man besorgte, daß die Feindseligkeiten unvermeidlich wieder beginnen müßten, wenn Mehemed in einer so gereizten Stimmung bleibe. Man besorgte dieß um so mehr, als Graf Sebastiani anher meldete, daß Lord Ponsonby nach London geschrieben habe, man möchte unverzüglich gegen Mehemed Ali vorgehen, weil Lord Ponsonby die Gewißheit erhalten habe, daß der Vicekönig es auf einen großen Schlag abgesehen habe, den er nächstens führen werde, wenn man sich nicht beeile ihm zuvorzukommen. Um ernsten Conflicten zuvorzukommen, hatte der König den Marschall Soult beauftragt, einen sehr vertrauten und gewandten Mann nach Alexandrien zu schicken, um Mehemed zu beruhigen, und ihn von einem Schritt abzuhalten, der die größten Gefahren und Folgen für die Erhaltung des allgemeinen Friedens nach sich ziehen könnte. Die Wahl fiel auf einen jungen Diplomaten, der früher schon in Aegypten war. Er ist indessen noch nicht abgereist, und wird wohl so lange hier bleiben, bis man genau weiß, welche Wendung die Unterhandlungen in London genommen haben, über deren Gang man noch nicht klar zu sehen scheint; bald heißt es, Hr. v. Brunnow habe manquirt, bald, er habe reussirt.

Die Opposition gegen die Dotation des Herzogs von Nemours steigt mit jedem Tage. Es scheint als ob namentlich das Charivari, das täglich eine reiche Dosis von Satyre, Witz und Laune über den Gesetzesvorschlag ergießt, einen ähnlichen Triumph davon tragen werde, als es früher in Bezug auf das Apanagengesetz davon trug, das von

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[0267/0003] beabsichtigte. Er sieht, daß der Vorschlag, Konstantinopel dem Protectorat der russischen Soldaten zu entreißen, dem Czar nicht gefallen würde, und daß der andere Vorschlag, Mehemed Ali's Interessen aufzuopfern, die Zustimmung Frankreichs nicht erhalten könnte. Uns scheinen die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow todtgeboren, die des Lords Palmerston noch ungeboren.“ (Siècle.) Wenn man, um einen Beweis von Patriotismus zu geben, nichts Anderes nöthig hätte, als auf England nach Herzenslust zu schimpfen, ohne die Lage Frankreichs zu berücksichtigen und seine Interessen zu erwägen, so muß man gestehen, daß dieß ein sehr leichtes Recept wäre. Was uns betrifft, die wir wissen, welche Folgen ein Bruch haben kann, und die wir ihn, ohne ihn zu fürchten, doch nicht wünschen, so wollen wir bei dieser, wie bei jeder andern Gelegenheit die volle Freiheit unsers Urtheils zu bewahren suchen. Denjenigen, welche den Namen Napoleon in dieser Streitfrage vorbringen, sind ohne Zweifel die Anstrengungen, welche Napoleon selbst gemacht hatte, um zwischen den beiden Nationen den Frieden zu erhalten, ebensowohl bekannt, als sein Bedauern, das er öfters aussprach, ehe er sich in einen Krieg stürzte, den er später mit der ganzen Kraft und Macht seines Willens durchführen mußte. Wir glauben, wenn einmal seine Correspondenz bekannt wird, so wird sie noch mehr, als die von der Geschichte schon bestätigten Thatsachen, für den Umfang und die Aufrichtigkeit jenes Bedauerns sprechen, mit dem er einen Kampf unternahm, der zum Unglück der Welt, nach so viel Opfern und Blutvergießen, zwei Völker, deren Eintracht unfehlbar ganz Europa eine andere Gestalt und Bestimmung gegeben hätte, zehn Jahre lang entzweite. Wenn solche Gesinnungen den Kaiser vor dreißig Jahren, im Augenblick, als der Friede von Amiens gebrochen wurde, beseelten, wenn er später, als er die begangenen unheilbaren Fehler einsah, mit seinem weitumfassenden Blick die Vortheile betrachtete, welche die Verbindung Frankreichs mit England sowohl in ihrem eignen Schooße, als in ihrer Umgebung hätte verbreiten können, statt des unermeßlichen Unglücks, das durch ihre Zwietracht und ihre verhängnißvolle Nebenbuhlerschaft angestiftet wurde, so wird es vernünftigen Männern unserer Zeit vielleicht erlaubt seyn, sich zweimal zu besinnen, ehe sie das alte Geschrei der Rache und des Hasses wiederholen. Vergessen wir nicht, daß es nicht mehr die englische Aristokratie ist, welche jetzt regiert, diese blinde, hartnäckige und unversöhnliche Aristokratie, welche in der französischen Revolution und in dem berühmten Krieger, der gegenüber von Eurpa als deren Repräsentant aufgetreten war, selbst wenn er sie zu unterjochen suchte, ihre Todfeinde verfolgte, die ihre Vorrechte und ihr Feudalsystem angegriffen hatten.“ Die Pariser Journale melden heute nach Berichten aus Marseille die Vorfälle in Griechenland, die sie nach ihrer Weise commentiren und übertreiben. Einige „kleine Irrthümer“ sehr erbaulicher Art haben sich in die Berichte und Zusätze mit eingeschlichen. So sagt ein Journal, die Verschwörung sey von der Partei der Russen oder Papisten (Napisten) ausgegangen. Der National glaubt, der bayerische Hof residire in Stuttgart. (Presse.) Es scheint gewiß, daß die Königin Regentin von Spanien officiell von England die Räumung des Forts von Passages verlangt, und daß diese sich geweigert hat, abzuziehen. Und doch hatten der Conseilspräsident, Hr. Teste und fast alle Minister förmlich bei den Adressediscussionen erklärt, daß England auf die erste Aufforderung von Seite der spanischen Regierung seine Besatzung aus diesem Fort zurückziehen würde. Wir können nicht wohl annehmen, daß das Ministerium in Masse die Absicht habe, die Kammer durch eine falsche Erklärung zu täuschen; dann wäre es aber die Dupe desselben geworden, was nicht viel besser ist. _ Paris, 20 Jan. Sie werden meine beiden letzten auf einander folgenden Berichte in Widerspruch finden: in dem einen sagte ich, Mehemed Ali drohe, die Feindseligkeiten wieder zu beginnen; in dem andern, daß er sich bereit erklärt habe, Arabien und die heiligen Städte abzutreten. Beide Angaben sind richtig. Er hatte sich wirklich nachgiebig gegen den französischen Consul gezeigt und versichert, daß er Alles thun werde, was Frankreich angenehm seyn könne. Er glaubte dabei, daß man nicht mehr von ihm verlangen werde, weil dieß wohl das Aeußerste sey, was er zugestehen könne. Anders äußerte er sich aber gegen den englischen General-Consul Hodges, der bei seiner ersten Unterredung mit Mehemed Ali die Ungeschicklichkeit beging, mit Corërctivmaaßregeln zu drohen, wenn er nicht die türkische Flotte herausgebe und Syrien der Pforte restituire. Dieses, auf etwas plumpe Weise vorgebrachte Verlangen brachte Mehemed Ali so in Harnisch, daß er das Gespräch mit Hrn. Hodges abbrach, gleich den Befehl gab, alle türkischen Officiere auf ägyptische Schiffe zu vertheilen, die türkischen Marinesoldaten der ägyptischen Seemacht gänzlich einzuverleiben, 10,000 Mann frische Truppen zu der Armee unter Ibrahim Pascha stoßen zu lassen, kurz Alles anzuordnen, damit auf den ersten Wink der Krieg wieder begonnen werden könne. Auch ließ er nach allen Richtungen hin geheime Agenten ausschicken, die darauf zu wachen hätten, daß nicht Umtriebe von außen statt finden. Er scheint hierüber Winke erhalten zu haben. Diesen Agenten hat er eingeschärft, auf die leiseste Kunde, daß irgend Jemand versuche, die unter seiner Botmäßigkeit stehenden Völker aufzuwiegeln, eines solchen Menschen sich zu bemächtigen und ihn augenblicklich erschießen zu lassen. Er will in einem solchen Falle keine Rücksicht auf Stand oder Nationalität genommen wissen, indem Mehemed Ali als Selbstvertheidigung ansieht, sich der Leute zu entledigen, die gegen ihn offen intriguiren. Auf diese Nachricht hin war man in den Tuilerien etwas bestürzt, denn man besorgte, daß die Feindseligkeiten unvermeidlich wieder beginnen müßten, wenn Mehemed in einer so gereizten Stimmung bleibe. Man besorgte dieß um so mehr, als Graf Sebastiani anher meldete, daß Lord Ponsonby nach London geschrieben habe, man möchte unverzüglich gegen Mehemed Ali vorgehen, weil Lord Ponsonby die Gewißheit erhalten habe, daß der Vicekönig es auf einen großen Schlag abgesehen habe, den er nächstens führen werde, wenn man sich nicht beeile ihm zuvorzukommen. Um ernsten Conflicten zuvorzukommen, hatte der König den Marschall Soult beauftragt, einen sehr vertrauten und gewandten Mann nach Alexandrien zu schicken, um Mehemed zu beruhigen, und ihn von einem Schritt abzuhalten, der die größten Gefahren und Folgen für die Erhaltung des allgemeinen Friedens nach sich ziehen könnte. Die Wahl fiel auf einen jungen Diplomaten, der früher schon in Aegypten war. Er ist indessen noch nicht abgereist, und wird wohl so lange hier bleiben, bis man genau weiß, welche Wendung die Unterhandlungen in London genommen haben, über deren Gang man noch nicht klar zu sehen scheint; bald heißt es, Hr. v. Brunnow habe manquirt, bald, er habe reussirt. _ Paris, 28 Jan. Die Opposition gegen die Dotation des Herzogs von Nemours steigt mit jedem Tage. Es scheint als ob namentlich das Charivari, das täglich eine reiche Dosis von Satyre, Witz und Laune über den Gesetzesvorschlag ergießt, einen ähnlichen Triumph davon tragen werde, als es früher in Bezug auf das Apanagengesetz davon trug, das von

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 34. Augsburg, 3. Februar 1840, S. 0267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_034_18400203/3>, abgerufen am 29.03.2024.