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Allgemeine Zeitung. Nr. 33. Augsburg, 2. Februar 1840.

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sind, so hat die Gesellschaft dennoch sich zur Eröffnung der Bahn im Hinblick darauf entschlossen, daß großh. hessisches Gebiet nur auf einer ganz kleinen Strecke berührt wird, und die Unternehmung der kräftigen Vertretung der Regierungen des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt im Fall eintretender Differenzen gewiß seyn kann. - Gewöhnlich gut unterrichtete Personen behaupten, daß das hiesige großherzogliche Palais, das vormalige deutsche Haus, in Bälde eine solche Einrichtung erhalten werde, daß die großherzogliche Familie einen Theil des Jahres hier zubringen kann. Man sagt, daß von den Ständen die erforderliche Summen gefordert werden sollen. Für Mainz läge in der Erfüllung dieser Aussicht etwas sehr Erfreuliches. Seine jetzige Physiognomie, die einer bloßen Soldatenstadt, würde sich auf die vortheilhafteste Weise ändern.

Seit dem Neujahr erscheint hier die "Allgemeine Preßzeitung, Blätter für Preß-Gesetzgebung und Rechtspflege, litterarischen Verkehr und Bücherkunde, redigirt unter der Leitung von Dr. Julius Eduard Hitzig, der Zeit Vorsitzendem in dem königlich litterarischen Sachverständigen-Verein für die preußischen Staaten in Berlin." - Die erste Nummer des Blatts beginnt mit folgendem Vorwort: "Wenn wir der merkwürdigen Erscheinung nachdenken, daß die Presse, das Organ aller öffentlichen Mittheilung, bis jetzt selber noch eines Organs für ihre eigenen Interessen hat entbehren müssen, so werden wir uns bald auf den Standpunkt versetzt finden, von dem uns die Gründung dieser Blätter als ein unabweisliches Bedürfniß der Zeit erscheint. Die Wohlthat der Presse ist so groß, daß man, wie so häufig, den Wohlthäter darüber vergessen hat. Der Glanz des Ruhms, in dem der Schriftsteller, der Dichter, in der Blüthezeit unserer Litteratur dastand, die scheue Ehrfurcht vor der Arbeit des Genius verwirrte das Urtheil des Volkes über die Ansprüche, die er, wie der Geringsten einer, an das Leben zu machen berechtigt ist; die Welt war vertheilt und nur in Jovis Himmel ward dem Poeten eine Stätte vergönnt. An Klagen hat es niemals gefehlt, und man kann auch nicht behaupten, daß sie wirkungslos verhallt seyen; aber bei der Zersplitterung des deutschen Vaterlandes, obgleich dessen ideale Einheit nirgends lebendiger waltet, als in der Litteratur, konnte die Abhülfe immer nur von halber Wirkung seyn. So kam es, daß sich Deutschland in zwei feindselige Lager spaltete, daß der Süden auf jedes geistige Product, nach dem er Verlangen trug, ohne Bedenken seine Caperbriefe ausstellte, der Norden dagegen sich hinter Wall und Graben der starrsten Gesetzlichkeit zurückzog. Dieß unselige Gleichgewicht extremer Grundsätze hatte einen Kriegszustand zur Folge, der nicht minder zerstörend auf den litterarischen, wie der dreißigjährige Krieg auf den politischen Rechtszustand Deutschlands wirkte. Den Ruhm, das Osnabrück der Presse zu werden, war dem Bundestag vorbehalten*), und nach mehr als zwanzigjährigen Unterhandlungen sind die Präliminarien des künftigen Friedens**) nunmehr wirklich zu Stande gekommen. Denn gerade in der Schroffheit der Gegensätze lag die Bürgschaft für ihre innere Bewegung. Jenen rechtlosen Zustand der süddeutschen Presse hätte der Gerechtigkeitssinn des Volkes gewiß längst schon verurtheilt, wenn er nicht einen Keim von Vernunft, zur künftigen Entfaltung reif, in ihm erkannt hätte. Durch die Praxis des Nachdrucks war nämlich die in der Natur des geistigen Eigenthums begründete Forderung zum Bewußtseyn gekommen, daß ein Product des Geistes, sowie es aus dem allgemeinen Bewußtseyn hervorgegangen, dem Gemeinbesitz der Nation wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die dagegen in die Gesetzgebung Sachsens und Preußens übergegangen war, hielt sich so sehr nur im Abstracten, daß sie für die Dauer der concreten Wirklichkeit nicht gewachsen war, und nur das eine große Verdienst sich erwarb, das Bewußtseyn des Rechts festgehalten und gerettet zu haben. Die Annäherung beider Gegensätze ist aber auch durch die Lebensbewegung der Litteratur selbst mächtig befördert worden; zunächst sey in dieser Beziehung auf zwei Momente aufmerksam gemacht. Jemehr wir uns von der Blüthezeit unserer Litteratur entfernten, jemehr sich das "nachwachsende Geschlecht" daran gewöhnt hat, die Werke seiner Classiker als das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit zu betrachten, desto mehr erscheinen ihm diese Werke als ein wünschenswerther Besitz, dessen es sich bald und ohne allzugroße Opfer erfreuen möchte. Diese Stimmung hat die Frage über die Beschränkung des geistigen Eigenthums zur Entscheidung gebracht, eine Frage, die durch die Gesetzgebung Englands und Frankreichs längst erledigt war, eben weil beide Länder, im Besitz einer alten Nationallitteratur, das Bedürfniß zur Lösung derselben weit früher als wir empfunden haben. Die concretere Ausbildung der Preßgesetzgebung, die heutzutage von allen Seiten gefordert wird, ist ferner durch die größere, mit jedem Jahre wachsende Dichtigkeit der litterarischen Bevölkerung bedingt, während die frühere Zeit nur einzeln zerstreute Niederlassungen des Genius bewundert hat. Es bedarf aber keines weiteren Beweises, daß das engere Zusammenwohnen die Möglichkeit von Collisionen steigert, daß die zum Gewerbe gewordene Litteratur den Beistand des Gesetzgebers und Richters mehr und öfter in Anspruch nimmt, als der keusche Dienst der Musen. So lange nun der litterarische Rechtszustand noch in den ersten Gründen seiner Existenz bedroht, so lange zwischen Recht und Willkür noch nicht entschieden war, konnte von einem Organ der Presse noch nicht die Rede seyn: jetzt aber, wo durch den Bundesbeschluß vom 2 April 1835 und vom November 1837 eine positive Basis für ganz Deutschland gewonnen ist, muß der nunmehr gesicherte Grund und Boden urbar gemacht und der Bau einer Preßgesetzgebung im weitesten Sinne des Worts begonnen werden. Wie groß die Verwirrung der Ansichten sey, der wir hier begegnen, geht aus dem Umstande hervor, daß die Präliminarien des Bundestags mehr noch den gegenseitigen Zugeständnissen kriegführender Parteien als der Grundlegung zu einem dauernden Rechtszustande gleich sehen, während Preußen in seinem Gesetz vom Junius 1837 eine vernünftige Mitte erstrebt hat und Sachsen an den alten Principien beharrlich festhält. Wie sehr die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag in ganz Deutschland vernachlässigt sind, ja, daß in den weiten Gebieten des Preßrechts ganze Strecken unbekannten Landes liegen, wird keinem Sachverständigen entgehen; desto reicher der Stoff und die Ausbeute der Arbeit!"

Für die durch den in diesen Tagen erfolgten Tod des Senators Mertens erledigte Senatorstelle sind die Bürger Runde, Brakebusch und Brauns als Candidaten erwählt und Sr. Maj. dem Könige vorgeschlagen, welcher die Wahl eines der drei zu bestätigen hat. Die Gewählten sind sämmtlich als eifrige Anhänger des Staatsgrundgesetzes bekannt, wie denn namentlich der erste der drei Genannten bei Gelegenheit der Suspension Rumanns mit zu denen gehörte, welche am eifrigsten darauf drangen, die Gleichmäßigkeit der Gesinnungen der Bürgerschaft mit denen des Magistrats auszusprechen,

*) Bundesacte Art. 18. d.
**) Bundesbeschluß vom November 1837.


sind, so hat die Gesellschaft dennoch sich zur Eröffnung der Bahn im Hinblick darauf entschlossen, daß großh. hessisches Gebiet nur auf einer ganz kleinen Strecke berührt wird, und die Unternehmung der kräftigen Vertretung der Regierungen des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt im Fall eintretender Differenzen gewiß seyn kann. – Gewöhnlich gut unterrichtete Personen behaupten, daß das hiesige großherzogliche Palais, das vormalige deutsche Haus, in Bälde eine solche Einrichtung erhalten werde, daß die großherzogliche Familie einen Theil des Jahres hier zubringen kann. Man sagt, daß von den Ständen die erforderliche Summen gefordert werden sollen. Für Mainz läge in der Erfüllung dieser Aussicht etwas sehr Erfreuliches. Seine jetzige Physiognomie, die einer bloßen Soldatenstadt, würde sich auf die vortheilhafteste Weise ändern.

Seit dem Neujahr erscheint hier die „Allgemeine Preßzeitung, Blätter für Preß-Gesetzgebung und Rechtspflege, litterarischen Verkehr und Bücherkunde, redigirt unter der Leitung von Dr. Julius Eduard Hitzig, der Zeit Vorsitzendem in dem königlich litterarischen Sachverständigen-Verein für die preußischen Staaten in Berlin.“ – Die erste Nummer des Blatts beginnt mit folgendem Vorwort: „Wenn wir der merkwürdigen Erscheinung nachdenken, daß die Presse, das Organ aller öffentlichen Mittheilung, bis jetzt selber noch eines Organs für ihre eigenen Interessen hat entbehren müssen, so werden wir uns bald auf den Standpunkt versetzt finden, von dem uns die Gründung dieser Blätter als ein unabweisliches Bedürfniß der Zeit erscheint. Die Wohlthat der Presse ist so groß, daß man, wie so häufig, den Wohlthäter darüber vergessen hat. Der Glanz des Ruhms, in dem der Schriftsteller, der Dichter, in der Blüthezeit unserer Litteratur dastand, die scheue Ehrfurcht vor der Arbeit des Genius verwirrte das Urtheil des Volkes über die Ansprüche, die er, wie der Geringsten einer, an das Leben zu machen berechtigt ist; die Welt war vertheilt und nur in Jovis Himmel ward dem Poeten eine Stätte vergönnt. An Klagen hat es niemals gefehlt, und man kann auch nicht behaupten, daß sie wirkungslos verhallt seyen; aber bei der Zersplitterung des deutschen Vaterlandes, obgleich dessen ideale Einheit nirgends lebendiger waltet, als in der Litteratur, konnte die Abhülfe immer nur von halber Wirkung seyn. So kam es, daß sich Deutschland in zwei feindselige Lager spaltete, daß der Süden auf jedes geistige Product, nach dem er Verlangen trug, ohne Bedenken seine Caperbriefe ausstellte, der Norden dagegen sich hinter Wall und Graben der starrsten Gesetzlichkeit zurückzog. Dieß unselige Gleichgewicht extremer Grundsätze hatte einen Kriegszustand zur Folge, der nicht minder zerstörend auf den litterarischen, wie der dreißigjährige Krieg auf den politischen Rechtszustand Deutschlands wirkte. Den Ruhm, das Osnabrück der Presse zu werden, war dem Bundestag vorbehalten*), und nach mehr als zwanzigjährigen Unterhandlungen sind die Präliminarien des künftigen Friedens**) nunmehr wirklich zu Stande gekommen. Denn gerade in der Schroffheit der Gegensätze lag die Bürgschaft für ihre innere Bewegung. Jenen rechtlosen Zustand der süddeutschen Presse hätte der Gerechtigkeitssinn des Volkes gewiß längst schon verurtheilt, wenn er nicht einen Keim von Vernunft, zur künftigen Entfaltung reif, in ihm erkannt hätte. Durch die Praxis des Nachdrucks war nämlich die in der Natur des geistigen Eigenthums begründete Forderung zum Bewußtseyn gekommen, daß ein Product des Geistes, sowie es aus dem allgemeinen Bewußtseyn hervorgegangen, dem Gemeinbesitz der Nation wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die dagegen in die Gesetzgebung Sachsens und Preußens übergegangen war, hielt sich so sehr nur im Abstracten, daß sie für die Dauer der concreten Wirklichkeit nicht gewachsen war, und nur das eine große Verdienst sich erwarb, das Bewußtseyn des Rechts festgehalten und gerettet zu haben. Die Annäherung beider Gegensätze ist aber auch durch die Lebensbewegung der Litteratur selbst mächtig befördert worden; zunächst sey in dieser Beziehung auf zwei Momente aufmerksam gemacht. Jemehr wir uns von der Blüthezeit unserer Litteratur entfernten, jemehr sich das „nachwachsende Geschlecht“ daran gewöhnt hat, die Werke seiner Classiker als das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit zu betrachten, desto mehr erscheinen ihm diese Werke als ein wünschenswerther Besitz, dessen es sich bald und ohne allzugroße Opfer erfreuen möchte. Diese Stimmung hat die Frage über die Beschränkung des geistigen Eigenthums zur Entscheidung gebracht, eine Frage, die durch die Gesetzgebung Englands und Frankreichs längst erledigt war, eben weil beide Länder, im Besitz einer alten Nationallitteratur, das Bedürfniß zur Lösung derselben weit früher als wir empfunden haben. Die concretere Ausbildung der Preßgesetzgebung, die heutzutage von allen Seiten gefordert wird, ist ferner durch die größere, mit jedem Jahre wachsende Dichtigkeit der litterarischen Bevölkerung bedingt, während die frühere Zeit nur einzeln zerstreute Niederlassungen des Genius bewundert hat. Es bedarf aber keines weiteren Beweises, daß das engere Zusammenwohnen die Möglichkeit von Collisionen steigert, daß die zum Gewerbe gewordene Litteratur den Beistand des Gesetzgebers und Richters mehr und öfter in Anspruch nimmt, als der keusche Dienst der Musen. So lange nun der litterarische Rechtszustand noch in den ersten Gründen seiner Existenz bedroht, so lange zwischen Recht und Willkür noch nicht entschieden war, konnte von einem Organ der Presse noch nicht die Rede seyn: jetzt aber, wo durch den Bundesbeschluß vom 2 April 1835 und vom November 1837 eine positive Basis für ganz Deutschland gewonnen ist, muß der nunmehr gesicherte Grund und Boden urbar gemacht und der Bau einer Preßgesetzgebung im weitesten Sinne des Worts begonnen werden. Wie groß die Verwirrung der Ansichten sey, der wir hier begegnen, geht aus dem Umstande hervor, daß die Präliminarien des Bundestags mehr noch den gegenseitigen Zugeständnissen kriegführender Parteien als der Grundlegung zu einem dauernden Rechtszustande gleich sehen, während Preußen in seinem Gesetz vom Junius 1837 eine vernünftige Mitte erstrebt hat und Sachsen an den alten Principien beharrlich festhält. Wie sehr die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag in ganz Deutschland vernachlässigt sind, ja, daß in den weiten Gebieten des Preßrechts ganze Strecken unbekannten Landes liegen, wird keinem Sachverständigen entgehen; desto reicher der Stoff und die Ausbeute der Arbeit!“

Für die durch den in diesen Tagen erfolgten Tod des Senators Mertens erledigte Senatorstelle sind die Bürger Runde, Brakebusch und Brauns als Candidaten erwählt und Sr. Maj. dem Könige vorgeschlagen, welcher die Wahl eines der drei zu bestätigen hat. Die Gewählten sind sämmtlich als eifrige Anhänger des Staatsgrundgesetzes bekannt, wie denn namentlich der erste der drei Genannten bei Gelegenheit der Suspension Rumanns mit zu denen gehörte, welche am eifrigsten darauf drangen, die Gleichmäßigkeit der Gesinnungen der Bürgerschaft mit denen des Magistrats auszusprechen,

*) Bundesacte Art. 18. d.
**) Bundesbeschluß vom November 1837.
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Der Glanz des Ruhms, in dem der Schriftsteller, der Dichter, in der Blüthezeit unserer Litteratur dastand, die scheue Ehrfurcht vor der Arbeit des Genius verwirrte das Urtheil des Volkes über die Ansprüche, die er, wie der Geringsten einer, an das Leben zu machen berechtigt ist; die Welt war vertheilt und nur in Jovis Himmel ward dem Poeten eine Stätte vergönnt. An Klagen hat es niemals gefehlt, und man kann auch nicht behaupten, daß sie wirkungslos verhallt seyen; aber bei der Zersplitterung des deutschen Vaterlandes, obgleich dessen ideale Einheit nirgends lebendiger waltet, als in der Litteratur, konnte die Abhülfe immer nur von halber Wirkung seyn. So kam es, daß sich Deutschland in zwei feindselige Lager spaltete, daß der Süden auf jedes geistige Product, nach dem er Verlangen trug, ohne Bedenken seine Caperbriefe ausstellte, der Norden dagegen sich hinter Wall und Graben der starrsten Gesetzlichkeit zurückzog. 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Durch die Praxis des Nachdrucks war nämlich die in der Natur des geistigen Eigenthums begründete Forderung zum Bewußtseyn gekommen, daß ein Product des Geistes, sowie es aus dem allgemeinen Bewußtseyn hervorgegangen, dem Gemeinbesitz der Nation wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die dagegen in die Gesetzgebung Sachsens und Preußens übergegangen war, hielt sich so sehr nur im Abstracten, daß sie für die Dauer der concreten Wirklichkeit nicht gewachsen war, und nur das eine große Verdienst sich erwarb, das Bewußtseyn des Rechts festgehalten und gerettet zu haben. Die Annäherung beider Gegensätze ist aber auch durch die Lebensbewegung der Litteratur selbst mächtig befördert worden; zunächst sey in dieser Beziehung auf zwei Momente aufmerksam gemacht. Jemehr wir uns von der Blüthezeit unserer Litteratur entfernten, jemehr sich das &#x201E;nachwachsende Geschlecht&#x201C; daran gewöhnt hat, die Werke seiner Classiker als das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit zu betrachten, desto mehr erscheinen ihm diese Werke als ein wünschenswerther Besitz, dessen es sich bald und ohne allzugroße Opfer erfreuen möchte. Diese Stimmung hat die Frage über die Beschränkung des geistigen Eigenthums zur Entscheidung gebracht, eine Frage, die durch die Gesetzgebung Englands und Frankreichs längst erledigt war, eben weil beide Länder, im Besitz einer alten Nationallitteratur, das Bedürfniß zur Lösung derselben weit früher als wir empfunden haben. Die concretere Ausbildung der Preßgesetzgebung, die heutzutage von allen Seiten gefordert wird, ist ferner durch die größere, mit jedem Jahre wachsende Dichtigkeit der litterarischen Bevölkerung bedingt, während die frühere Zeit nur einzeln zerstreute Niederlassungen des Genius bewundert hat. Es bedarf aber keines weiteren Beweises, daß das engere Zusammenwohnen die Möglichkeit von Collisionen steigert, daß die zum Gewerbe gewordene Litteratur den Beistand des Gesetzgebers und Richters mehr und öfter in Anspruch nimmt, als der keusche Dienst der Musen. So lange nun der litterarische Rechtszustand noch in den ersten Gründen seiner Existenz bedroht, so lange zwischen Recht und Willkür noch nicht entschieden war, konnte von einem Organ der Presse noch nicht die Rede seyn: jetzt aber, wo durch den Bundesbeschluß vom 2 April 1835 und vom November 1837 eine positive Basis für ganz Deutschland gewonnen ist, muß der nunmehr gesicherte Grund und Boden urbar gemacht und der Bau einer Preßgesetzgebung im weitesten Sinne des Worts begonnen werden. Wie groß die Verwirrung der Ansichten sey, der wir hier begegnen, geht aus dem Umstande hervor, daß die Präliminarien des Bundestags mehr noch den gegenseitigen Zugeständnissen kriegführender Parteien als der Grundlegung zu einem dauernden Rechtszustande gleich sehen, während Preußen in seinem Gesetz vom Junius 1837 eine vernünftige Mitte erstrebt hat und Sachsen an den alten Principien beharrlich festhält. Wie sehr die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag in ganz Deutschland vernachlässigt sind, ja, daß in den weiten Gebieten des Preßrechts ganze Strecken unbekannten Landes liegen, wird keinem Sachverständigen entgehen; desto reicher der Stoff und die Ausbeute der Arbeit!&#x201C;</p>
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[0262/0006] sind, so hat die Gesellschaft dennoch sich zur Eröffnung der Bahn im Hinblick darauf entschlossen, daß großh. hessisches Gebiet nur auf einer ganz kleinen Strecke berührt wird, und die Unternehmung der kräftigen Vertretung der Regierungen des Herzogthums Nassau und der freien Stadt Frankfurt im Fall eintretender Differenzen gewiß seyn kann. – Gewöhnlich gut unterrichtete Personen behaupten, daß das hiesige großherzogliche Palais, das vormalige deutsche Haus, in Bälde eine solche Einrichtung erhalten werde, daß die großherzogliche Familie einen Theil des Jahres hier zubringen kann. Man sagt, daß von den Ständen die erforderliche Summen gefordert werden sollen. Für Mainz läge in der Erfüllung dieser Aussicht etwas sehr Erfreuliches. Seine jetzige Physiognomie, die einer bloßen Soldatenstadt, würde sich auf die vortheilhafteste Weise ändern. Leipzig. Seit dem Neujahr erscheint hier die „Allgemeine Preßzeitung, Blätter für Preß-Gesetzgebung und Rechtspflege, litterarischen Verkehr und Bücherkunde, redigirt unter der Leitung von Dr. Julius Eduard Hitzig, der Zeit Vorsitzendem in dem königlich litterarischen Sachverständigen-Verein für die preußischen Staaten in Berlin.“ – Die erste Nummer des Blatts beginnt mit folgendem Vorwort: „Wenn wir der merkwürdigen Erscheinung nachdenken, daß die Presse, das Organ aller öffentlichen Mittheilung, bis jetzt selber noch eines Organs für ihre eigenen Interessen hat entbehren müssen, so werden wir uns bald auf den Standpunkt versetzt finden, von dem uns die Gründung dieser Blätter als ein unabweisliches Bedürfniß der Zeit erscheint. Die Wohlthat der Presse ist so groß, daß man, wie so häufig, den Wohlthäter darüber vergessen hat. Der Glanz des Ruhms, in dem der Schriftsteller, der Dichter, in der Blüthezeit unserer Litteratur dastand, die scheue Ehrfurcht vor der Arbeit des Genius verwirrte das Urtheil des Volkes über die Ansprüche, die er, wie der Geringsten einer, an das Leben zu machen berechtigt ist; die Welt war vertheilt und nur in Jovis Himmel ward dem Poeten eine Stätte vergönnt. An Klagen hat es niemals gefehlt, und man kann auch nicht behaupten, daß sie wirkungslos verhallt seyen; aber bei der Zersplitterung des deutschen Vaterlandes, obgleich dessen ideale Einheit nirgends lebendiger waltet, als in der Litteratur, konnte die Abhülfe immer nur von halber Wirkung seyn. So kam es, daß sich Deutschland in zwei feindselige Lager spaltete, daß der Süden auf jedes geistige Product, nach dem er Verlangen trug, ohne Bedenken seine Caperbriefe ausstellte, der Norden dagegen sich hinter Wall und Graben der starrsten Gesetzlichkeit zurückzog. Dieß unselige Gleichgewicht extremer Grundsätze hatte einen Kriegszustand zur Folge, der nicht minder zerstörend auf den litterarischen, wie der dreißigjährige Krieg auf den politischen Rechtszustand Deutschlands wirkte. Den Ruhm, das Osnabrück der Presse zu werden, war dem Bundestag vorbehalten *), und nach mehr als zwanzigjährigen Unterhandlungen sind die Präliminarien des künftigen Friedens **) nunmehr wirklich zu Stande gekommen. Denn gerade in der Schroffheit der Gegensätze lag die Bürgschaft für ihre innere Bewegung. Jenen rechtlosen Zustand der süddeutschen Presse hätte der Gerechtigkeitssinn des Volkes gewiß längst schon verurtheilt, wenn er nicht einen Keim von Vernunft, zur künftigen Entfaltung reif, in ihm erkannt hätte. Durch die Praxis des Nachdrucks war nämlich die in der Natur des geistigen Eigenthums begründete Forderung zum Bewußtseyn gekommen, daß ein Product des Geistes, sowie es aus dem allgemeinen Bewußtseyn hervorgegangen, dem Gemeinbesitz der Nation wieder anheimfalle, daß der Autor seine besten Werke von dem Genius der Zeit zu Lehen trage. Die Theorie des ewigen Verlagsrechts, die dagegen in die Gesetzgebung Sachsens und Preußens übergegangen war, hielt sich so sehr nur im Abstracten, daß sie für die Dauer der concreten Wirklichkeit nicht gewachsen war, und nur das eine große Verdienst sich erwarb, das Bewußtseyn des Rechts festgehalten und gerettet zu haben. Die Annäherung beider Gegensätze ist aber auch durch die Lebensbewegung der Litteratur selbst mächtig befördert worden; zunächst sey in dieser Beziehung auf zwei Momente aufmerksam gemacht. Jemehr wir uns von der Blüthezeit unserer Litteratur entfernten, jemehr sich das „nachwachsende Geschlecht“ daran gewöhnt hat, die Werke seiner Classiker als das theuerste Erbtheil seiner Vergangenheit zu betrachten, desto mehr erscheinen ihm diese Werke als ein wünschenswerther Besitz, dessen es sich bald und ohne allzugroße Opfer erfreuen möchte. Diese Stimmung hat die Frage über die Beschränkung des geistigen Eigenthums zur Entscheidung gebracht, eine Frage, die durch die Gesetzgebung Englands und Frankreichs längst erledigt war, eben weil beide Länder, im Besitz einer alten Nationallitteratur, das Bedürfniß zur Lösung derselben weit früher als wir empfunden haben. Die concretere Ausbildung der Preßgesetzgebung, die heutzutage von allen Seiten gefordert wird, ist ferner durch die größere, mit jedem Jahre wachsende Dichtigkeit der litterarischen Bevölkerung bedingt, während die frühere Zeit nur einzeln zerstreute Niederlassungen des Genius bewundert hat. Es bedarf aber keines weiteren Beweises, daß das engere Zusammenwohnen die Möglichkeit von Collisionen steigert, daß die zum Gewerbe gewordene Litteratur den Beistand des Gesetzgebers und Richters mehr und öfter in Anspruch nimmt, als der keusche Dienst der Musen. So lange nun der litterarische Rechtszustand noch in den ersten Gründen seiner Existenz bedroht, so lange zwischen Recht und Willkür noch nicht entschieden war, konnte von einem Organ der Presse noch nicht die Rede seyn: jetzt aber, wo durch den Bundesbeschluß vom 2 April 1835 und vom November 1837 eine positive Basis für ganz Deutschland gewonnen ist, muß der nunmehr gesicherte Grund und Boden urbar gemacht und der Bau einer Preßgesetzgebung im weitesten Sinne des Worts begonnen werden. Wie groß die Verwirrung der Ansichten sey, der wir hier begegnen, geht aus dem Umstande hervor, daß die Präliminarien des Bundestags mehr noch den gegenseitigen Zugeständnissen kriegführender Parteien als der Grundlegung zu einem dauernden Rechtszustande gleich sehen, während Preußen in seinem Gesetz vom Junius 1837 eine vernünftige Mitte erstrebt hat und Sachsen an den alten Principien beharrlich festhält. Wie sehr die gesetzlichen Bestimmungen über den Verlagsvertrag in ganz Deutschland vernachlässigt sind, ja, daß in den weiten Gebieten des Preßrechts ganze Strecken unbekannten Landes liegen, wird keinem Sachverständigen entgehen; desto reicher der Stoff und die Ausbeute der Arbeit!“ Hannover, 23 Jan. Für die durch den in diesen Tagen erfolgten Tod des Senators Mertens erledigte Senatorstelle sind die Bürger Runde, Brakebusch und Brauns als Candidaten erwählt und Sr. Maj. dem Könige vorgeschlagen, welcher die Wahl eines der drei zu bestätigen hat. Die Gewählten sind sämmtlich als eifrige Anhänger des Staatsgrundgesetzes bekannt, wie denn namentlich der erste der drei Genannten bei Gelegenheit der Suspension Rumanns mit zu denen gehörte, welche am eifrigsten darauf drangen, die Gleichmäßigkeit der Gesinnungen der Bürgerschaft mit denen des Magistrats auszusprechen, *) Bundesacte Art. 18. d. **) Bundesbeschluß vom November 1837.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 33. Augsburg, 2. Februar 1840, S. 0262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_033_18400202/6>, abgerufen am 24.04.2024.