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Allgemeine Zeitung. Nr. 25. Augsburg, 25. Januar 1840.

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daß diese beiden Tendenzen lange neben einander bestehen, denn je schnellerem Wechsel die Ministerien ausgesetzt sind, um so weniger sind die Minister fähig, die Last der Centralisation zu tragen, und die unendliche Masse von Geschäften, welche sie ihnen in die Hand wirft, nützlich zu leiten. Ein Minister bleibt selten so lange an der Spitze eines Departements, daß er eine Reform vorbereiten, und durch die Kammer bringen kann, und fast nie lange genug sie auszuführen, und in dem Sinne zu leiten, in dem die Idee gefaßt worden ist. Dazu kommt, daß das System der Majoritäten durch das Spiel der Parteien eine Menge unfähiger Leute hervorhebt, welche von der Natur nicht zur Direction wichtiger Angelegenheiten bestimmt sind. Männer wie Salvandy, Pelet, Cunin-Gridaine, Martin, Rosamel, Barthe, Schneider, und eine Menge anderer, die Minister waren und seyn werden, sind nicht dazu gemacht, große und schwierige Administrationen zu leiten, und die Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, welche auf einem Minister bei einem Centralisationssystem wie das hiesige lastet. Je größer daher die Unstätigkeit der Minister und je schneller ihr Wechsel ist, um so mehr sollte decentralisirt werden, damit die Städte und Provinzen für ihre Bedürfnisse direct sorgen, und einerseits der heftigen Thätigkeit eines unruhigen und ehrgeizigen Ministers, andrerseits dem Schlendrian der Bureaukratie unter einem unwissenden und unthätigen Chef eines Departements entzogen werden. Aber gerade das Gegentheil findet statt, und nie ist mehr centralisirt worden, als gegenwärtig. Die Ausführung der Eisenbahnen, welche vor zwei Jahren Privatcompagnien überlassen werden sollte, fällt nun dem Staat anheim, weil man den Compagnien solche Bedingungen vorgeschrieben hat, daß sie nicht bestehen können. Die Dampfschifffahrt nach Amerika soll ebenfalls auf Staatskosten eingerichtet werden, während vor zwei Jahren eine Compagnie in Havre nichts verlangt hatte als das Leihen der Werfte und des Schiffbauholzes in Cherbourg, wofür sie den Staat völlig entschädigt und die ganze Unternehmung auf eigene Kosten ausgeführt hätte. Allein die Bureaux im Ministerium der Marine fanden, daß dieß gegen die Reglements sey und ein unfähiger Minister schlug daher ab seine Werfte zu leihen. Daher wird jetzt der Staat etwa zwanzig Millionen für Dampfboote ausgeben, welche sie nicht bezahlen können, weil sie keine Fracht nehmen werden, wie es bei den Dampfbooten nach Aegypten und Konstantinopel geht; und nichts ist wahrscheinlicher, als daß nachher wie zuvor die Lyoner Seidenwaaren über Liverpool geschickt werden müssen. Allein so weit ist es noch gar nicht: es ist erst eine Commission niedergesetzt, und dann muß ein Gesetz gegeben werden, zu dem die Deputirten vielleicht keine Zeit finden, und dann erst kann mit dem Bau der Schiffe begonnen werden. Wenn man von der Unvereinbarkeit dieser Tendenzen redet, so ist die ganze Welt hier damit einverstanden, aber dann beginnen die Klagen über die Unmöglichkeit einer Decentralisation, über den Mangel an Interesse von Seite der Nation für Municipalfreiheiten, über die Schwierigkeit gute Maires zu erhalten, über die oft absichtlichen schlechten Wahlen derselben von Seite der Wähler, welche ungebildete Maires vorziehen, weil diese kein Geld für Schulen und Straßen ausgeben, kurz endlose Klagen, welche mit der Erfahrung des Staatsrathes und der Ministerien belegt werden, und an denen nur zu viel Wahres ist. Aber eben so wahr ist, daß eine Centralisation wie die hiesige eine stätigere und mächtigere Hand verlangt als die ewig wechselnden Minister, und doch ist der Zustand der Kammer der Art, daß der Wechsel eher schneller zu werden droht als bisher.

Das Dampfboot Crocodil bringt folgende Nachrichten aus Oran vom 5 Januar: "Die Araber haben noch keinen unserer Häfen angegriffen; sie haben bis jetzt bloß maraudirt und gestohlen. Inzwischen haben sich einige bedauernswerthe Fälle ereignet. Am 30 Dec. versuchte eine Partie Araber bei Arzew die Heerde des Verwaltungsparks zu entführen. Eine Abtheilung Soldaten verhinderte sie daran, und verfolgte die Räuber. Man tödtete fünf Araber; wir verloren einen Serganten und einige Soldaten wurden verwundet. - Unsere arabischen Verbündeten hatten ein Schiff gemiethet, um ihre in Silos verwahrte Gerste in Medha abzuholen. Fünfzehn Fußgänger und einige Reiter hatten sich zu Land an Ort und Stelle begeben. Am 29 legte sich das Fahrzeug an der Küste vor Anker; am 30 begann man mit der Einschiffung des Getreides; in diesem Augenblick stürzte sich ein Haufe der Beni-Ammer plötzlich über unsere Araber her, die, durch diesen Ueberfall überrascht, sich nur schwach vertheidigten und die Flucht ergriffen. Die Fußgänger wurden an Bord des Schiffs aufgenommen; der Anführer der Cavallerieabtheilung ward getödtet; die andern konnten sich retten, mußten aber sechs Pferde den Arabern zurücklassen. - Einige Leute von der Besatzung der Insel Raschgun wurden die Opfer eines Hinterhalts, welchen ihnen das Oberhaupt der Stämme an der Tafna gelegt hatte. Dieser Häuptling, Namens Amani, ließ drei Feuer an der Küste anzünden, das gewöhnliche Signal für die Franzosen, daß sie sich dem Ufer nähern können. Man schickte von der Insel auf einem Boote vier Bewaffnete ab. Der arabische Häuptling sagte dem Dolmetscher, daß er Geflügel, Butter, Eier u. s. w. zu verkaufen habe, und daß man ohne Furcht näher kommen könnte. Er setzte hinzu, er würde mit Vergnügen sehen, wenn die Officiere einkaufen und freundschaftlichen Verkehr anknüpfen wollten. Das Fahrzeug fuhr ein zweitesmal mit dem Marketender der Insel an die Tafna. Amani fragte den Dolmetscher, was denn die Officiere abhalte, zu kommen, er hätte sehr gewünscht, mit ihnen zu sprechen. Die Unterredung mit dem Dolmetscher mußte nicht ganz anständig gewesen seyn, denn der Marketender, welcher arabisch verstand, machte einige lebhafte Aeußerungen gegen den Dolmetscher. Amani zog in der Wuth plötzlich seine zwei Pistolen aus seinem Gürtel und schoß sie auf den Marketender ab. Die nicht weit von ihm entfernt stehenden Araber feuerten in demselben Augenblick auf die Soldaten, die sich ins Meer warfen. Einer von ihnen ward von einer Kugel getroffen, zwei andere ertranken; nur einem gelang es, sich durch Schwimmen zu retten. Der Dolmetscher blieb in den Händen der Beduinen, die das Fahrzeug in die Tafna lenkten. Am folgenden Tage sah man vor der Insel Raschgun die Leichname der zwei Getödteten. - Der Ukil des Abd-El-Kader ward zur Abreise ermächtigt, und machte sich unverzüglich auf den Weg nach Maskara. - Unsere arabischen Verbündeten werden von den Emissarien des Emirs bearbeitet; man besorgt, daß einige desertiren werden. - Zu Mostaganem ist seit dem letzten Gefechte nichts Neues vorgefallen. Man versichert, es solle eine beträchtliche Streitmacht in den Umgebungen der Stadt concentrirt werden."


Schweden.

Man sagt, der Landeshauptmann von Ostgothland, Frhr. Palmstjerna, werde Landmarschall, d. h. Sprecher des Adelsstandes, bei dem am nächsten Dienstag beginnenden Reichstage. Sprecher des Priesterstandes wird, wie immer, der Erzbischof. Ein Großhändler aus Gothenburg, Namens Wyk, ein seit den vorigen Reichstagen bewährter Freund


daß diese beiden Tendenzen lange neben einander bestehen, denn je schnellerem Wechsel die Ministerien ausgesetzt sind, um so weniger sind die Minister fähig, die Last der Centralisation zu tragen, und die unendliche Masse von Geschäften, welche sie ihnen in die Hand wirft, nützlich zu leiten. Ein Minister bleibt selten so lange an der Spitze eines Departements, daß er eine Reform vorbereiten, und durch die Kammer bringen kann, und fast nie lange genug sie auszuführen, und in dem Sinne zu leiten, in dem die Idee gefaßt worden ist. Dazu kommt, daß das System der Majoritäten durch das Spiel der Parteien eine Menge unfähiger Leute hervorhebt, welche von der Natur nicht zur Direction wichtiger Angelegenheiten bestimmt sind. Männer wie Salvandy, Pelet, Cunin-Gridaine, Martin, Rosamel, Barthe, Schneider, und eine Menge anderer, die Minister waren und seyn werden, sind nicht dazu gemacht, große und schwierige Administrationen zu leiten, und die Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, welche auf einem Minister bei einem Centralisationssystem wie das hiesige lastet. Je größer daher die Unstätigkeit der Minister und je schneller ihr Wechsel ist, um so mehr sollte decentralisirt werden, damit die Städte und Provinzen für ihre Bedürfnisse direct sorgen, und einerseits der heftigen Thätigkeit eines unruhigen und ehrgeizigen Ministers, andrerseits dem Schlendrian der Bureaukratie unter einem unwissenden und unthätigen Chef eines Departements entzogen werden. Aber gerade das Gegentheil findet statt, und nie ist mehr centralisirt worden, als gegenwärtig. Die Ausführung der Eisenbahnen, welche vor zwei Jahren Privatcompagnien überlassen werden sollte, fällt nun dem Staat anheim, weil man den Compagnien solche Bedingungen vorgeschrieben hat, daß sie nicht bestehen können. Die Dampfschifffahrt nach Amerika soll ebenfalls auf Staatskosten eingerichtet werden, während vor zwei Jahren eine Compagnie in Havre nichts verlangt hatte als das Leihen der Werfte und des Schiffbauholzes in Cherbourg, wofür sie den Staat völlig entschädigt und die ganze Unternehmung auf eigene Kosten ausgeführt hätte. Allein die Bureaux im Ministerium der Marine fanden, daß dieß gegen die Reglements sey und ein unfähiger Minister schlug daher ab seine Werfte zu leihen. Daher wird jetzt der Staat etwa zwanzig Millionen für Dampfboote ausgeben, welche sie nicht bezahlen können, weil sie keine Fracht nehmen werden, wie es bei den Dampfbooten nach Aegypten und Konstantinopel geht; und nichts ist wahrscheinlicher, als daß nachher wie zuvor die Lyoner Seidenwaaren über Liverpool geschickt werden müssen. Allein so weit ist es noch gar nicht: es ist erst eine Commission niedergesetzt, und dann muß ein Gesetz gegeben werden, zu dem die Deputirten vielleicht keine Zeit finden, und dann erst kann mit dem Bau der Schiffe begonnen werden. Wenn man von der Unvereinbarkeit dieser Tendenzen redet, so ist die ganze Welt hier damit einverstanden, aber dann beginnen die Klagen über die Unmöglichkeit einer Decentralisation, über den Mangel an Interesse von Seite der Nation für Municipalfreiheiten, über die Schwierigkeit gute Maires zu erhalten, über die oft absichtlichen schlechten Wahlen derselben von Seite der Wähler, welche ungebildete Maires vorziehen, weil diese kein Geld für Schulen und Straßen ausgeben, kurz endlose Klagen, welche mit der Erfahrung des Staatsrathes und der Ministerien belegt werden, und an denen nur zu viel Wahres ist. Aber eben so wahr ist, daß eine Centralisation wie die hiesige eine stätigere und mächtigere Hand verlangt als die ewig wechselnden Minister, und doch ist der Zustand der Kammer der Art, daß der Wechsel eher schneller zu werden droht als bisher.

Das Dampfboot Crocodil bringt folgende Nachrichten aus Oran vom 5 Januar: „Die Araber haben noch keinen unserer Häfen angegriffen; sie haben bis jetzt bloß maraudirt und gestohlen. Inzwischen haben sich einige bedauernswerthe Fälle ereignet. Am 30 Dec. versuchte eine Partie Araber bei Arzew die Heerde des Verwaltungsparks zu entführen. Eine Abtheilung Soldaten verhinderte sie daran, und verfolgte die Räuber. Man tödtete fünf Araber; wir verloren einen Serganten und einige Soldaten wurden verwundet. – Unsere arabischen Verbündeten hatten ein Schiff gemiethet, um ihre in Silos verwahrte Gerste in Medha abzuholen. Fünfzehn Fußgänger und einige Reiter hatten sich zu Land an Ort und Stelle begeben. Am 29 legte sich das Fahrzeug an der Küste vor Anker; am 30 begann man mit der Einschiffung des Getreides; in diesem Augenblick stürzte sich ein Haufe der Beni-Ammer plötzlich über unsere Araber her, die, durch diesen Ueberfall überrascht, sich nur schwach vertheidigten und die Flucht ergriffen. Die Fußgänger wurden an Bord des Schiffs aufgenommen; der Anführer der Cavallerieabtheilung ward getödtet; die andern konnten sich retten, mußten aber sechs Pferde den Arabern zurücklassen. – Einige Leute von der Besatzung der Insel Raschgun wurden die Opfer eines Hinterhalts, welchen ihnen das Oberhaupt der Stämme an der Tafna gelegt hatte. Dieser Häuptling, Namens Amani, ließ drei Feuer an der Küste anzünden, das gewöhnliche Signal für die Franzosen, daß sie sich dem Ufer nähern können. Man schickte von der Insel auf einem Boote vier Bewaffnete ab. Der arabische Häuptling sagte dem Dolmetscher, daß er Geflügel, Butter, Eier u. s. w. zu verkaufen habe, und daß man ohne Furcht näher kommen könnte. Er setzte hinzu, er würde mit Vergnügen sehen, wenn die Officiere einkaufen und freundschaftlichen Verkehr anknüpfen wollten. Das Fahrzeug fuhr ein zweitesmal mit dem Marketender der Insel an die Tafna. Amani fragte den Dolmetscher, was denn die Officiere abhalte, zu kommen, er hätte sehr gewünscht, mit ihnen zu sprechen. Die Unterredung mit dem Dolmetscher mußte nicht ganz anständig gewesen seyn, denn der Marketender, welcher arabisch verstand, machte einige lebhafte Aeußerungen gegen den Dolmetscher. Amani zog in der Wuth plötzlich seine zwei Pistolen aus seinem Gürtel und schoß sie auf den Marketender ab. Die nicht weit von ihm entfernt stehenden Araber feuerten in demselben Augenblick auf die Soldaten, die sich ins Meer warfen. Einer von ihnen ward von einer Kugel getroffen, zwei andere ertranken; nur einem gelang es, sich durch Schwimmen zu retten. Der Dolmetscher blieb in den Händen der Beduinen, die das Fahrzeug in die Tafna lenkten. Am folgenden Tage sah man vor der Insel Raschgun die Leichname der zwei Getödteten. – Der Ukil des Abd-El-Kader ward zur Abreise ermächtigt, und machte sich unverzüglich auf den Weg nach Maskara. – Unsere arabischen Verbündeten werden von den Emissarien des Emirs bearbeitet; man besorgt, daß einige desertiren werden. – Zu Mostaganem ist seit dem letzten Gefechte nichts Neues vorgefallen. Man versichert, es solle eine beträchtliche Streitmacht in den Umgebungen der Stadt concentrirt werden.“


Schweden.

Man sagt, der Landeshauptmann von Ostgothland, Frhr. Palmstjerna, werde Landmarschall, d. h. Sprecher des Adelsstandes, bei dem am nächsten Dienstag beginnenden Reichstage. Sprecher des Priesterstandes wird, wie immer, der Erzbischof. Ein Großhändler aus Gothenburg, Namens Wyk, ein seit den vorigen Reichstagen bewährter Freund

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[0197/0013] daß diese beiden Tendenzen lange neben einander bestehen, denn je schnellerem Wechsel die Ministerien ausgesetzt sind, um so weniger sind die Minister fähig, die Last der Centralisation zu tragen, und die unendliche Masse von Geschäften, welche sie ihnen in die Hand wirft, nützlich zu leiten. Ein Minister bleibt selten so lange an der Spitze eines Departements, daß er eine Reform vorbereiten, und durch die Kammer bringen kann, und fast nie lange genug sie auszuführen, und in dem Sinne zu leiten, in dem die Idee gefaßt worden ist. Dazu kommt, daß das System der Majoritäten durch das Spiel der Parteien eine Menge unfähiger Leute hervorhebt, welche von der Natur nicht zur Direction wichtiger Angelegenheiten bestimmt sind. Männer wie Salvandy, Pelet, Cunin-Gridaine, Martin, Rosamel, Barthe, Schneider, und eine Menge anderer, die Minister waren und seyn werden, sind nicht dazu gemacht, große und schwierige Administrationen zu leiten, und die Verantwortlichkeit auf sich zu nehmen, welche auf einem Minister bei einem Centralisationssystem wie das hiesige lastet. Je größer daher die Unstätigkeit der Minister und je schneller ihr Wechsel ist, um so mehr sollte decentralisirt werden, damit die Städte und Provinzen für ihre Bedürfnisse direct sorgen, und einerseits der heftigen Thätigkeit eines unruhigen und ehrgeizigen Ministers, andrerseits dem Schlendrian der Bureaukratie unter einem unwissenden und unthätigen Chef eines Departements entzogen werden. Aber gerade das Gegentheil findet statt, und nie ist mehr centralisirt worden, als gegenwärtig. Die Ausführung der Eisenbahnen, welche vor zwei Jahren Privatcompagnien überlassen werden sollte, fällt nun dem Staat anheim, weil man den Compagnien solche Bedingungen vorgeschrieben hat, daß sie nicht bestehen können. Die Dampfschifffahrt nach Amerika soll ebenfalls auf Staatskosten eingerichtet werden, während vor zwei Jahren eine Compagnie in Havre nichts verlangt hatte als das Leihen der Werfte und des Schiffbauholzes in Cherbourg, wofür sie den Staat völlig entschädigt und die ganze Unternehmung auf eigene Kosten ausgeführt hätte. Allein die Bureaux im Ministerium der Marine fanden, daß dieß gegen die Reglements sey und ein unfähiger Minister schlug daher ab seine Werfte zu leihen. Daher wird jetzt der Staat etwa zwanzig Millionen für Dampfboote ausgeben, welche sie nicht bezahlen können, weil sie keine Fracht nehmen werden, wie es bei den Dampfbooten nach Aegypten und Konstantinopel geht; und nichts ist wahrscheinlicher, als daß nachher wie zuvor die Lyoner Seidenwaaren über Liverpool geschickt werden müssen. Allein so weit ist es noch gar nicht: es ist erst eine Commission niedergesetzt, und dann muß ein Gesetz gegeben werden, zu dem die Deputirten vielleicht keine Zeit finden, und dann erst kann mit dem Bau der Schiffe begonnen werden. Wenn man von der Unvereinbarkeit dieser Tendenzen redet, so ist die ganze Welt hier damit einverstanden, aber dann beginnen die Klagen über die Unmöglichkeit einer Decentralisation, über den Mangel an Interesse von Seite der Nation für Municipalfreiheiten, über die Schwierigkeit gute Maires zu erhalten, über die oft absichtlichen schlechten Wahlen derselben von Seite der Wähler, welche ungebildete Maires vorziehen, weil diese kein Geld für Schulen und Straßen ausgeben, kurz endlose Klagen, welche mit der Erfahrung des Staatsrathes und der Ministerien belegt werden, und an denen nur zu viel Wahres ist. Aber eben so wahr ist, daß eine Centralisation wie die hiesige eine stätigere und mächtigere Hand verlangt als die ewig wechselnden Minister, und doch ist der Zustand der Kammer der Art, daß der Wechsel eher schneller zu werden droht als bisher. *Toulon, 15 Jan. Das Dampfboot Crocodil bringt folgende Nachrichten aus Oran vom 5 Januar: „Die Araber haben noch keinen unserer Häfen angegriffen; sie haben bis jetzt bloß maraudirt und gestohlen. Inzwischen haben sich einige bedauernswerthe Fälle ereignet. Am 30 Dec. versuchte eine Partie Araber bei Arzew die Heerde des Verwaltungsparks zu entführen. Eine Abtheilung Soldaten verhinderte sie daran, und verfolgte die Räuber. Man tödtete fünf Araber; wir verloren einen Serganten und einige Soldaten wurden verwundet. – Unsere arabischen Verbündeten hatten ein Schiff gemiethet, um ihre in Silos verwahrte Gerste in Medha abzuholen. Fünfzehn Fußgänger und einige Reiter hatten sich zu Land an Ort und Stelle begeben. Am 29 legte sich das Fahrzeug an der Küste vor Anker; am 30 begann man mit der Einschiffung des Getreides; in diesem Augenblick stürzte sich ein Haufe der Beni-Ammer plötzlich über unsere Araber her, die, durch diesen Ueberfall überrascht, sich nur schwach vertheidigten und die Flucht ergriffen. Die Fußgänger wurden an Bord des Schiffs aufgenommen; der Anführer der Cavallerieabtheilung ward getödtet; die andern konnten sich retten, mußten aber sechs Pferde den Arabern zurücklassen. – Einige Leute von der Besatzung der Insel Raschgun wurden die Opfer eines Hinterhalts, welchen ihnen das Oberhaupt der Stämme an der Tafna gelegt hatte. Dieser Häuptling, Namens Amani, ließ drei Feuer an der Küste anzünden, das gewöhnliche Signal für die Franzosen, daß sie sich dem Ufer nähern können. Man schickte von der Insel auf einem Boote vier Bewaffnete ab. Der arabische Häuptling sagte dem Dolmetscher, daß er Geflügel, Butter, Eier u. s. w. zu verkaufen habe, und daß man ohne Furcht näher kommen könnte. Er setzte hinzu, er würde mit Vergnügen sehen, wenn die Officiere einkaufen und freundschaftlichen Verkehr anknüpfen wollten. Das Fahrzeug fuhr ein zweitesmal mit dem Marketender der Insel an die Tafna. Amani fragte den Dolmetscher, was denn die Officiere abhalte, zu kommen, er hätte sehr gewünscht, mit ihnen zu sprechen. Die Unterredung mit dem Dolmetscher mußte nicht ganz anständig gewesen seyn, denn der Marketender, welcher arabisch verstand, machte einige lebhafte Aeußerungen gegen den Dolmetscher. Amani zog in der Wuth plötzlich seine zwei Pistolen aus seinem Gürtel und schoß sie auf den Marketender ab. Die nicht weit von ihm entfernt stehenden Araber feuerten in demselben Augenblick auf die Soldaten, die sich ins Meer warfen. Einer von ihnen ward von einer Kugel getroffen, zwei andere ertranken; nur einem gelang es, sich durch Schwimmen zu retten. Der Dolmetscher blieb in den Händen der Beduinen, die das Fahrzeug in die Tafna lenkten. Am folgenden Tage sah man vor der Insel Raschgun die Leichname der zwei Getödteten. – Der Ukil des Abd-El-Kader ward zur Abreise ermächtigt, und machte sich unverzüglich auf den Weg nach Maskara. – Unsere arabischen Verbündeten werden von den Emissarien des Emirs bearbeitet; man besorgt, daß einige desertiren werden. – Zu Mostaganem ist seit dem letzten Gefechte nichts Neues vorgefallen. Man versichert, es solle eine beträchtliche Streitmacht in den Umgebungen der Stadt concentrirt werden.“ Schweden. *Stockholm, 10 Jan. Man sagt, der Landeshauptmann von Ostgothland, Frhr. Palmstjerna, werde Landmarschall, d. h. Sprecher des Adelsstandes, bei dem am nächsten Dienstag beginnenden Reichstage. Sprecher des Priesterstandes wird, wie immer, der Erzbischof. Ein Großhändler aus Gothenburg, Namens Wyk, ein seit den vorigen Reichstagen bewährter Freund

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 25. Augsburg, 25. Januar 1840, S. 0197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_025_18400125/13>, abgerufen am 16.04.2024.