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Allgemeine Zeitung. Nr. 21. Augsburg, 21. Januar 1840.

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abgeschafft werden müßten. Indessen sind doch auch mehrere höchst bedeutende Versammlungen gegen diese Gesetze triumphirend durchgesetzt worden, besonders in Liverpool, wo ein Arbeiter eine höchst lehrreiche Rede gehalten hat. Auch wird das große Festmahl, welches zu Manchester vorbereitet wird (denn bei uns läßt sich ohne Essen nun einmal nichts Bedeutendes veranstalten), besonders durch die Theilnahme der Abgeordneten aus vielen Städten, seine Wirkung nicht verfehlen. Die Einführung der Pennypost wird von der Anti-corn league gewiß auch trefflich benutzt werden; wie dieses neue Mittel überhaupt für die schnelle Verbreitung neuer Ideen, zum Guten wie zum Bösen, höchst wichtig werden wird.

Frankreich.

Der Moniteur zeigt an, daß das vor mehreren Tagen über den Tod des Hrn. Bouilly, des ehrenwerthen Verfassers des Abbe de l'Epee, verbreitete Gerücht falsch sey. Er sey bedenklich krank gewesen, seine Gesundheit habe sich aber schon wieder sehr gebessert.

(Temps.) Der König hat gestern (14) den Bericht in Betreff des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion, der ihm von dem Finanzminister vorgelegt ward, unterzeichnet. Auch hat er die Vorlegung von drei andern, von demselben Minister verfaßten Gesetzesentwürfen genehmigt. Der erste betrifft die Salzauflage, der zweite das Tabakmonopol. Man sagt, Hr. Passy trage darauf an, daß dieses Monopol noch weitere zehn Jahre in den Händen der Regierung bleibe. Der dritte betrifft die Erneuerung des mit 1840 erloschenen Bankprivilegiums.

Fortsetzung der Rede des Hrn. Thiers über den Orient.

Wie wird die Frage sich gestalten, wenn der Pascha stirbt? Entweder wird der Pascha so weise seyn, sein Reich dem zu überlassen, der es durch sein Schwert, wenn nicht durch seine Politik, gegründet hat, seinem Sohn Ibrahim, oder er wird es unter seine verschiedenen Söhne theilen. Begeht er letztern Fehler, so kann die Pforte immerhin, in Folge ihres Suzeränetätsrechts, mag nun die Erblichkeit zugestanden seyn oder nicht, ihre Provinzen wiedernehmen. Hinterläßt der Pascha aber Ibrahim allein sein ganzes Reich, und bewahrt letzterer alle seine jetzigen Eigenschaften, dann gewinnt die Pforte, mag die Erblichkeit auch nicht bewilligt seyn, ihre Provinzen doch nicht wieder. Die Frage der Erblichkeit ist also keine Frage des Rechts, sondern der That, und ihre Entscheidung hängt allein davon ab, wie die Macht der Pforte und die Macht Aegyptens sich am Todestage Mehemed Ali's gegen einander verhalten. So wäre demnach mit der Erblichkeit eigentlich ein bloßes Wort bewilligt worden, und hätte Europa in seiner Weisheit dem Sultan dazu gerathen, so würde die orientalische Verwickelung vielleicht nicht die jetzige ernste Bedeutung gewonnen haben. Indessen gestehe ich, es war sehr schwer, einen alten Souverän zu überreden, daß er auf Provinzen verzichte, die er früher besessen, ihn zu überzeugen, daß er sie nicht mehr erobern könne. Die Hartnäckigkeit des Sultans, vielleicht auch die Rathschläge irgend eines Diplomaten, hinderten ihn, den vernünftigen Vorstellungen des französischen Gesandten nachzugeben. Da nun von beiden Seiten, vom Sultan wie vom Pascha, unbeugsame Prätensionen erhoben wurden, so war der einzig mögliche Vermittler zwischen beiden der Sieg. Statt der langsamen, schwierigen, zänkischen Unterhandlung der Diplomatie hätte man den Sieg nach der Schlacht bei Nisib als raschen und entscheidenden Schiedsrichter gewähren lassen sollen. Die türkische Armee war geschlagen, die Flotte abgefallen, endlich starb der Sultan noch, und mit ihm sein tiefer Haß, welcher die Ursache der Aufregung des Orients war. Die Frage, scheint mir, war damals in Konstantinopel sehr vereinfacht: Heer, Flotte und Haß des Sultans waren verschwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten war nur noch Ein Hinderniß zu fürchten, wenn nämlich der siegberauschte Pascha seine Prätensionen gesteigert hätte und gegen Konstantinopel gerückt wäre. Aber der Pascha wollte dieß nicht, er ließ seine Armee am Fuße des Taurus Halt machen, und verlangte am Tage nach dem Siege nur, was er am Tage zuvor verlangt hatte: die erbliche Herrschaft über seine Provinzen. Hr. Villemain: "Er verlangte mehr: die Schlüssel des Taurus mit Adana, Orfa, Diarbekir." Hr. Thiers: "Man sagt, der Pascha verlangte Adana, Orfa, Diarbekir und die Provinzen, welche am Fuß des Taurus liegen. Ich bemerke aber, daß eine Gebirgsgränze nie eine so genan gezeichnete wie ein Fluß ist. Es sind dort Provinzen, welche die Schlüssel des Taurus enthalten. So wäre der District Adana dem Pascha nicht unumgänglich nothwendig, aber er enthält die Schlüssel des Taurus, ebenso Diarbekir und Orfa. Mochte man nun dem Pascha einen dieser Districte mehr oder minder zugestehen, so ist doch im Grund wahr, daß er nichts diesseits des Taurus verlangte, nichts, was das türkische Reich ernstlich bedrohen und ein Grund seyn konnte, seine Ansprüche völlig zurückzuweisen. Nur eine der Forderungen des Pascha's schmeckte etwas nach dem Uebermuth des Siegers: er verlangte die Absetzung Chosrew Pascha's, bestand aber, wie Sie alle wissen, auf dieser Forderung nicht lange. Hätte der Pascha den Taurus überschritten und Konstantinopel bedroht, dann wäre mir die Einmischung der europäischen Diplomatie begreiflich gewesen; aber diese erfolgte zu einer Zeit, wo in Konstantinopel Ruhe herrschte, wo die Aufregung aller Köpfe sich gelegt hatte. Man sagt zwar, es sey schwer gewesen, zwischen dem Pascha und dem Sultan eine Ausgleichung zu Stande zu bringen. Ich frage aber: waren diese Schwierigkeiten zwischen dem Pascha und dem Sultan denen zu vergleichen, die jetzt alle Mächte spalten, und wäre es nicht ein großer Gewinn gewesen, die orientalische Frage noch einige Zeit ihren eigenen Weg gehen zu lassen, statt sie zu einer europäischen Frage umzuwandeln, von der ich nicht weiß, wie man sie wird lösen können? (Bewegung.) Man entgegnet zwar, daß Frankreich von den Conferenzen sich nicht ausschließen konnte, und daß die Intervention nothwendig die Folge dieser Conferenzen seyn mußte. Aber die Art, wie diese Intervention erfolgte, vergrößerte nur den Fehler, den man begangen. Man hatte eine Conferenz in Wien vorgeschlagen, und ich stimme der Meinung des Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts bei, daß die Macht, die sich geweigert hätte, einer Conferenz über diese große Frage beizutreten, den Verdacht selbstsüchtiger Entwürfe auf sich geladen haben würde. Ich bin also gleichfalls der Ansicht, daß man dieser Conferenz beitreten mußte. Welchen Zweck aber hatte sie? Ihr Zweck war, wie man öffentlich sagte: 1) Rußland zu bewegen, daß es auf sein ausschließliches Protectorat verzichte; 2) einen Vergleich zwischen dem Pascha und dem Sultan herbeizuführen. Um Conferenzen dieser Art beizutreten, mußte man vor Allem des Beitritts Rußlands sicher seyn. In den aus fünf Mächten bestehenden Conferenzen hätten wenigstens zwei Mächte gleicher Meinung seyn, hätten wenigstens Frankreich und England sich zuvor verständigen müssen, dann hätten Preußen und Oesterreich sich ihnen wohl angeschlossen und mit vier Stimmen gegen Eine hätte man Hoffnung gehabt, Rußland sein ausschließliches Protectorat zu entwinden und zwischen dem Sultan und dem Pascha einen Vergleich zu Stand zu bringen. Daß man in Conferenzen einwilligte, ohne sicher zu seyn, daß Rußland


abgeschafft werden müßten. Indessen sind doch auch mehrere höchst bedeutende Versammlungen gegen diese Gesetze triumphirend durchgesetzt worden, besonders in Liverpool, wo ein Arbeiter eine höchst lehrreiche Rede gehalten hat. Auch wird das große Festmahl, welches zu Manchester vorbereitet wird (denn bei uns läßt sich ohne Essen nun einmal nichts Bedeutendes veranstalten), besonders durch die Theilnahme der Abgeordneten aus vielen Städten, seine Wirkung nicht verfehlen. Die Einführung der Pennypost wird von der Anti-corn league gewiß auch trefflich benutzt werden; wie dieses neue Mittel überhaupt für die schnelle Verbreitung neuer Ideen, zum Guten wie zum Bösen, höchst wichtig werden wird.

Frankreich.

Der Moniteur zeigt an, daß das vor mehreren Tagen über den Tod des Hrn. Bouilly, des ehrenwerthen Verfassers des Abbé de l'Epée, verbreitete Gerücht falsch sey. Er sey bedenklich krank gewesen, seine Gesundheit habe sich aber schon wieder sehr gebessert.

(Temps.) Der König hat gestern (14) den Bericht in Betreff des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion, der ihm von dem Finanzminister vorgelegt ward, unterzeichnet. Auch hat er die Vorlegung von drei andern, von demselben Minister verfaßten Gesetzesentwürfen genehmigt. Der erste betrifft die Salzauflage, der zweite das Tabakmonopol. Man sagt, Hr. Passy trage darauf an, daß dieses Monopol noch weitere zehn Jahre in den Händen der Regierung bleibe. Der dritte betrifft die Erneuerung des mit 1840 erloschenen Bankprivilegiums.

Fortsetzung der Rede des Hrn. Thiers über den Orient.

Wie wird die Frage sich gestalten, wenn der Pascha stirbt? Entweder wird der Pascha so weise seyn, sein Reich dem zu überlassen, der es durch sein Schwert, wenn nicht durch seine Politik, gegründet hat, seinem Sohn Ibrahim, oder er wird es unter seine verschiedenen Söhne theilen. Begeht er letztern Fehler, so kann die Pforte immerhin, in Folge ihres Suzeränetätsrechts, mag nun die Erblichkeit zugestanden seyn oder nicht, ihre Provinzen wiedernehmen. Hinterläßt der Pascha aber Ibrahim allein sein ganzes Reich, und bewahrt letzterer alle seine jetzigen Eigenschaften, dann gewinnt die Pforte, mag die Erblichkeit auch nicht bewilligt seyn, ihre Provinzen doch nicht wieder. Die Frage der Erblichkeit ist also keine Frage des Rechts, sondern der That, und ihre Entscheidung hängt allein davon ab, wie die Macht der Pforte und die Macht Aegyptens sich am Todestage Mehemed Ali's gegen einander verhalten. So wäre demnach mit der Erblichkeit eigentlich ein bloßes Wort bewilligt worden, und hätte Europa in seiner Weisheit dem Sultan dazu gerathen, so würde die orientalische Verwickelung vielleicht nicht die jetzige ernste Bedeutung gewonnen haben. Indessen gestehe ich, es war sehr schwer, einen alten Souverän zu überreden, daß er auf Provinzen verzichte, die er früher besessen, ihn zu überzeugen, daß er sie nicht mehr erobern könne. Die Hartnäckigkeit des Sultans, vielleicht auch die Rathschläge irgend eines Diplomaten, hinderten ihn, den vernünftigen Vorstellungen des französischen Gesandten nachzugeben. Da nun von beiden Seiten, vom Sultan wie vom Pascha, unbeugsame Prätensionen erhoben wurden, so war der einzig mögliche Vermittler zwischen beiden der Sieg. Statt der langsamen, schwierigen, zänkischen Unterhandlung der Diplomatie hätte man den Sieg nach der Schlacht bei Nisib als raschen und entscheidenden Schiedsrichter gewähren lassen sollen. Die türkische Armee war geschlagen, die Flotte abgefallen, endlich starb der Sultan noch, und mit ihm sein tiefer Haß, welcher die Ursache der Aufregung des Orients war. Die Frage, scheint mir, war damals in Konstantinopel sehr vereinfacht: Heer, Flotte und Haß des Sultans waren verschwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten war nur noch Ein Hinderniß zu fürchten, wenn nämlich der siegberauschte Pascha seine Prätensionen gesteigert hätte und gegen Konstantinopel gerückt wäre. Aber der Pascha wollte dieß nicht, er ließ seine Armee am Fuße des Taurus Halt machen, und verlangte am Tage nach dem Siege nur, was er am Tage zuvor verlangt hatte: die erbliche Herrschaft über seine Provinzen. Hr. Villemain: „Er verlangte mehr: die Schlüssel des Taurus mit Adana, Orfa, Diarbekir.“ Hr. Thiers: „Man sagt, der Pascha verlangte Adana, Orfa, Diarbekir und die Provinzen, welche am Fuß des Taurus liegen. Ich bemerke aber, daß eine Gebirgsgränze nie eine so genan gezeichnete wie ein Fluß ist. Es sind dort Provinzen, welche die Schlüssel des Taurus enthalten. So wäre der District Adana dem Pascha nicht unumgänglich nothwendig, aber er enthält die Schlüssel des Taurus, ebenso Diarbekir und Orfa. Mochte man nun dem Pascha einen dieser Districte mehr oder minder zugestehen, so ist doch im Grund wahr, daß er nichts diesseits des Taurus verlangte, nichts, was das türkische Reich ernstlich bedrohen und ein Grund seyn konnte, seine Ansprüche völlig zurückzuweisen. Nur eine der Forderungen des Pascha's schmeckte etwas nach dem Uebermuth des Siegers: er verlangte die Absetzung Chosrew Pascha's, bestand aber, wie Sie alle wissen, auf dieser Forderung nicht lange. Hätte der Pascha den Taurus überschritten und Konstantinopel bedroht, dann wäre mir die Einmischung der europäischen Diplomatie begreiflich gewesen; aber diese erfolgte zu einer Zeit, wo in Konstantinopel Ruhe herrschte, wo die Aufregung aller Köpfe sich gelegt hatte. Man sagt zwar, es sey schwer gewesen, zwischen dem Pascha und dem Sultan eine Ausgleichung zu Stande zu bringen. Ich frage aber: waren diese Schwierigkeiten zwischen dem Pascha und dem Sultan denen zu vergleichen, die jetzt alle Mächte spalten, und wäre es nicht ein großer Gewinn gewesen, die orientalische Frage noch einige Zeit ihren eigenen Weg gehen zu lassen, statt sie zu einer europäischen Frage umzuwandeln, von der ich nicht weiß, wie man sie wird lösen können? (Bewegung.) Man entgegnet zwar, daß Frankreich von den Conferenzen sich nicht ausschließen konnte, und daß die Intervention nothwendig die Folge dieser Conferenzen seyn mußte. Aber die Art, wie diese Intervention erfolgte, vergrößerte nur den Fehler, den man begangen. Man hatte eine Conferenz in Wien vorgeschlagen, und ich stimme der Meinung des Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts bei, daß die Macht, die sich geweigert hätte, einer Conferenz über diese große Frage beizutreten, den Verdacht selbstsüchtiger Entwürfe auf sich geladen haben würde. Ich bin also gleichfalls der Ansicht, daß man dieser Conferenz beitreten mußte. Welchen Zweck aber hatte sie? Ihr Zweck war, wie man öffentlich sagte: 1) Rußland zu bewegen, daß es auf sein ausschließliches Protectorat verzichte; 2) einen Vergleich zwischen dem Pascha und dem Sultan herbeizuführen. Um Conferenzen dieser Art beizutreten, mußte man vor Allem des Beitritts Rußlands sicher seyn. In den aus fünf Mächten bestehenden Conferenzen hätten wenigstens zwei Mächte gleicher Meinung seyn, hätten wenigstens Frankreich und England sich zuvor verständigen müssen, dann hätten Preußen und Oesterreich sich ihnen wohl angeschlossen und mit vier Stimmen gegen Eine hätte man Hoffnung gehabt, Rußland sein ausschließliches Protectorat zu entwinden und zwischen dem Sultan und dem Pascha einen Vergleich zu Stand zu bringen. Daß man in Conferenzen einwilligte, ohne sicher zu seyn, daß Rußland

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So wäre demnach mit der Erblichkeit eigentlich ein bloßes Wort bewilligt worden, und hätte Europa in seiner Weisheit dem Sultan dazu gerathen, so würde die orientalische Verwickelung vielleicht nicht die jetzige ernste Bedeutung gewonnen haben. Indessen gestehe ich, es war sehr schwer, einen alten Souverän zu überreden, daß er auf Provinzen verzichte, die er früher besessen, ihn zu überzeugen, daß er sie nicht mehr erobern könne. Die Hartnäckigkeit des Sultans, vielleicht auch die Rathschläge irgend eines Diplomaten, hinderten ihn, den vernünftigen Vorstellungen des französischen Gesandten nachzugeben. Da nun von beiden Seiten, vom Sultan wie vom Pascha, unbeugsame Prätensionen erhoben wurden, so war der einzig mögliche Vermittler zwischen beiden der Sieg. Statt der langsamen, schwierigen, zänkischen Unterhandlung der Diplomatie hätte man den Sieg nach der Schlacht bei Nisib als raschen und entscheidenden Schiedsrichter gewähren lassen sollen. Die türkische Armee war geschlagen, die Flotte abgefallen, endlich starb der Sultan noch, und mit ihm sein tiefer Haß, welcher die Ursache der Aufregung des Orients war. Die Frage, scheint mir, war damals in Konstantinopel sehr vereinfacht: Heer, Flotte und Haß des Sultans waren verschwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten war nur noch Ein Hinderniß zu fürchten, wenn nämlich der siegberauschte Pascha seine Prätensionen gesteigert hätte und gegen Konstantinopel gerückt wäre. Aber der Pascha wollte dieß nicht, er ließ seine Armee am Fuße des Taurus Halt machen, und verlangte am Tage nach dem Siege nur, was er am Tage zuvor verlangt hatte: die erbliche Herrschaft über seine Provinzen. Hr. <hi rendition="#g">Villemain</hi>: &#x201E;Er verlangte mehr: die Schlüssel des Taurus mit Adana, Orfa, Diarbekir.&#x201C; Hr. <hi rendition="#g">Thiers</hi>: &#x201E;Man sagt, der Pascha verlangte Adana, Orfa, Diarbekir und die Provinzen, welche am Fuß des Taurus liegen. 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Hätte der Pascha den Taurus überschritten und Konstantinopel bedroht, dann wäre mir die Einmischung der europäischen Diplomatie begreiflich gewesen; aber diese erfolgte zu einer Zeit, wo in Konstantinopel Ruhe herrschte, wo die Aufregung aller Köpfe sich gelegt hatte. Man sagt zwar, es sey schwer gewesen, zwischen dem Pascha und dem Sultan eine Ausgleichung zu Stande zu bringen. Ich frage aber: waren diese Schwierigkeiten zwischen dem Pascha und dem Sultan denen zu vergleichen, die jetzt alle Mächte spalten, und wäre es nicht ein großer Gewinn gewesen, die orientalische Frage noch einige Zeit ihren eigenen Weg gehen zu lassen, statt sie zu einer europäischen Frage umzuwandeln, von der ich nicht weiß, wie man sie wird lösen können? (Bewegung.) Man entgegnet zwar, daß Frankreich von den Conferenzen sich nicht ausschließen konnte, und daß die Intervention nothwendig die Folge dieser Conferenzen seyn mußte. Aber die Art, wie diese Intervention erfolgte, vergrößerte nur den Fehler, den man begangen. Man hatte eine Conferenz in Wien vorgeschlagen, und ich stimme der Meinung des Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts bei, daß die Macht, die sich geweigert hätte, einer Conferenz über diese große Frage beizutreten, den Verdacht selbstsüchtiger Entwürfe auf sich geladen haben würde. Ich bin also gleichfalls der Ansicht, daß man dieser Conferenz beitreten mußte. Welchen Zweck aber hatte sie? Ihr Zweck war, wie man öffentlich sagte: 1) Rußland zu bewegen, daß es auf sein ausschließliches Protectorat verzichte; 2) einen Vergleich zwischen dem Pascha und dem Sultan herbeizuführen. Um Conferenzen dieser Art beizutreten, mußte man vor Allem des Beitritts Rußlands sicher seyn. In den aus fünf Mächten bestehenden Conferenzen hätten wenigstens zwei Mächte gleicher Meinung seyn, hätten wenigstens Frankreich und England sich zuvor verständigen müssen, dann hätten Preußen und Oesterreich sich ihnen wohl angeschlossen und mit vier Stimmen gegen Eine hätte man Hoffnung gehabt, Rußland sein ausschließliches Protectorat zu entwinden und zwischen dem Sultan und dem Pascha einen Vergleich zu Stand zu bringen. Daß man in Conferenzen einwilligte, ohne sicher zu seyn, daß Rußland<lb/></p>
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[0164/0004] abgeschafft werden müßten. Indessen sind doch auch mehrere höchst bedeutende Versammlungen gegen diese Gesetze triumphirend durchgesetzt worden, besonders in Liverpool, wo ein Arbeiter eine höchst lehrreiche Rede gehalten hat. Auch wird das große Festmahl, welches zu Manchester vorbereitet wird (denn bei uns läßt sich ohne Essen nun einmal nichts Bedeutendes veranstalten), besonders durch die Theilnahme der Abgeordneten aus vielen Städten, seine Wirkung nicht verfehlen. Die Einführung der Pennypost wird von der Anti-corn league gewiß auch trefflich benutzt werden; wie dieses neue Mittel überhaupt für die schnelle Verbreitung neuer Ideen, zum Guten wie zum Bösen, höchst wichtig werden wird. Frankreich. Paris, 16 Jan. Der Moniteur zeigt an, daß das vor mehreren Tagen über den Tod des Hrn. Bouilly, des ehrenwerthen Verfassers des Abbé de l'Epée, verbreitete Gerücht falsch sey. Er sey bedenklich krank gewesen, seine Gesundheit habe sich aber schon wieder sehr gebessert. (Temps.) Der König hat gestern (14) den Bericht in Betreff des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion, der ihm von dem Finanzminister vorgelegt ward, unterzeichnet. Auch hat er die Vorlegung von drei andern, von demselben Minister verfaßten Gesetzesentwürfen genehmigt. Der erste betrifft die Salzauflage, der zweite das Tabakmonopol. Man sagt, Hr. Passy trage darauf an, daß dieses Monopol noch weitere zehn Jahre in den Händen der Regierung bleibe. Der dritte betrifft die Erneuerung des mit 1840 erloschenen Bankprivilegiums. Fortsetzung der Rede des Hrn. Thiers über den Orient. Wie wird die Frage sich gestalten, wenn der Pascha stirbt? Entweder wird der Pascha so weise seyn, sein Reich dem zu überlassen, der es durch sein Schwert, wenn nicht durch seine Politik, gegründet hat, seinem Sohn Ibrahim, oder er wird es unter seine verschiedenen Söhne theilen. Begeht er letztern Fehler, so kann die Pforte immerhin, in Folge ihres Suzeränetätsrechts, mag nun die Erblichkeit zugestanden seyn oder nicht, ihre Provinzen wiedernehmen. Hinterläßt der Pascha aber Ibrahim allein sein ganzes Reich, und bewahrt letzterer alle seine jetzigen Eigenschaften, dann gewinnt die Pforte, mag die Erblichkeit auch nicht bewilligt seyn, ihre Provinzen doch nicht wieder. Die Frage der Erblichkeit ist also keine Frage des Rechts, sondern der That, und ihre Entscheidung hängt allein davon ab, wie die Macht der Pforte und die Macht Aegyptens sich am Todestage Mehemed Ali's gegen einander verhalten. So wäre demnach mit der Erblichkeit eigentlich ein bloßes Wort bewilligt worden, und hätte Europa in seiner Weisheit dem Sultan dazu gerathen, so würde die orientalische Verwickelung vielleicht nicht die jetzige ernste Bedeutung gewonnen haben. Indessen gestehe ich, es war sehr schwer, einen alten Souverän zu überreden, daß er auf Provinzen verzichte, die er früher besessen, ihn zu überzeugen, daß er sie nicht mehr erobern könne. Die Hartnäckigkeit des Sultans, vielleicht auch die Rathschläge irgend eines Diplomaten, hinderten ihn, den vernünftigen Vorstellungen des französischen Gesandten nachzugeben. Da nun von beiden Seiten, vom Sultan wie vom Pascha, unbeugsame Prätensionen erhoben wurden, so war der einzig mögliche Vermittler zwischen beiden der Sieg. Statt der langsamen, schwierigen, zänkischen Unterhandlung der Diplomatie hätte man den Sieg nach der Schlacht bei Nisib als raschen und entscheidenden Schiedsrichter gewähren lassen sollen. Die türkische Armee war geschlagen, die Flotte abgefallen, endlich starb der Sultan noch, und mit ihm sein tiefer Haß, welcher die Ursache der Aufregung des Orients war. Die Frage, scheint mir, war damals in Konstantinopel sehr vereinfacht: Heer, Flotte und Haß des Sultans waren verschwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten war nur noch Ein Hinderniß zu fürchten, wenn nämlich der siegberauschte Pascha seine Prätensionen gesteigert hätte und gegen Konstantinopel gerückt wäre. Aber der Pascha wollte dieß nicht, er ließ seine Armee am Fuße des Taurus Halt machen, und verlangte am Tage nach dem Siege nur, was er am Tage zuvor verlangt hatte: die erbliche Herrschaft über seine Provinzen. Hr. Villemain: „Er verlangte mehr: die Schlüssel des Taurus mit Adana, Orfa, Diarbekir.“ Hr. Thiers: „Man sagt, der Pascha verlangte Adana, Orfa, Diarbekir und die Provinzen, welche am Fuß des Taurus liegen. Ich bemerke aber, daß eine Gebirgsgränze nie eine so genan gezeichnete wie ein Fluß ist. Es sind dort Provinzen, welche die Schlüssel des Taurus enthalten. So wäre der District Adana dem Pascha nicht unumgänglich nothwendig, aber er enthält die Schlüssel des Taurus, ebenso Diarbekir und Orfa. Mochte man nun dem Pascha einen dieser Districte mehr oder minder zugestehen, so ist doch im Grund wahr, daß er nichts diesseits des Taurus verlangte, nichts, was das türkische Reich ernstlich bedrohen und ein Grund seyn konnte, seine Ansprüche völlig zurückzuweisen. Nur eine der Forderungen des Pascha's schmeckte etwas nach dem Uebermuth des Siegers: er verlangte die Absetzung Chosrew Pascha's, bestand aber, wie Sie alle wissen, auf dieser Forderung nicht lange. Hätte der Pascha den Taurus überschritten und Konstantinopel bedroht, dann wäre mir die Einmischung der europäischen Diplomatie begreiflich gewesen; aber diese erfolgte zu einer Zeit, wo in Konstantinopel Ruhe herrschte, wo die Aufregung aller Köpfe sich gelegt hatte. Man sagt zwar, es sey schwer gewesen, zwischen dem Pascha und dem Sultan eine Ausgleichung zu Stande zu bringen. Ich frage aber: waren diese Schwierigkeiten zwischen dem Pascha und dem Sultan denen zu vergleichen, die jetzt alle Mächte spalten, und wäre es nicht ein großer Gewinn gewesen, die orientalische Frage noch einige Zeit ihren eigenen Weg gehen zu lassen, statt sie zu einer europäischen Frage umzuwandeln, von der ich nicht weiß, wie man sie wird lösen können? (Bewegung.) Man entgegnet zwar, daß Frankreich von den Conferenzen sich nicht ausschließen konnte, und daß die Intervention nothwendig die Folge dieser Conferenzen seyn mußte. Aber die Art, wie diese Intervention erfolgte, vergrößerte nur den Fehler, den man begangen. Man hatte eine Conferenz in Wien vorgeschlagen, und ich stimme der Meinung des Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts bei, daß die Macht, die sich geweigert hätte, einer Conferenz über diese große Frage beizutreten, den Verdacht selbstsüchtiger Entwürfe auf sich geladen haben würde. Ich bin also gleichfalls der Ansicht, daß man dieser Conferenz beitreten mußte. Welchen Zweck aber hatte sie? Ihr Zweck war, wie man öffentlich sagte: 1) Rußland zu bewegen, daß es auf sein ausschließliches Protectorat verzichte; 2) einen Vergleich zwischen dem Pascha und dem Sultan herbeizuführen. Um Conferenzen dieser Art beizutreten, mußte man vor Allem des Beitritts Rußlands sicher seyn. In den aus fünf Mächten bestehenden Conferenzen hätten wenigstens zwei Mächte gleicher Meinung seyn, hätten wenigstens Frankreich und England sich zuvor verständigen müssen, dann hätten Preußen und Oesterreich sich ihnen wohl angeschlossen und mit vier Stimmen gegen Eine hätte man Hoffnung gehabt, Rußland sein ausschließliches Protectorat zu entwinden und zwischen dem Sultan und dem Pascha einen Vergleich zu Stand zu bringen. Daß man in Conferenzen einwilligte, ohne sicher zu seyn, daß Rußland

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 21. Augsburg, 21. Januar 1840, S. 0164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_021_18400121/4>, abgerufen am 25.04.2024.