Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 19. Augsburg, 19. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mission des Hrn. v. Brunnow nach England erhalten wir so eben über Holland eine Mittheilung, die von hohem Interesse ist, um so mehr als sie aus einer Quelle fließt, auf die wir uns ganz verlassen können. Hiernach ist es der hauptsächliche, wo nicht der einzige Zweck von Brunnows Mission, für Rußland Zeit zu gewinnen, um seine Plane hinsichtlich der Türkei und Aegyptens zu vervollständigen und die Zufälle und Uneinigkeiten, welche die Zeit entwickeln mag, gehörig auszubeuten. Hr. v. Brunnow, so versichert unser Berichterstatter, hat vorgeschlagen, drei englische und eben so viele französische Kriegsschiffe sollen die Dardanellen passiren dürfen, jedoch unter der Bedingung, daß dieselben ihren Stand nicht jenseits von Gallipoli nehmen und keinesfalls bis Konstantinopel vorgehen werden. Rußland behält sich allein das Recht vor, eine Seemacht im Angesicht der türkischen Hauptstadt aufzustellen. Zugleich will es 40,000 Mann in Kleinasien einrücken lassen, um die Defileen des Taurus zu bewachen. Außerdem wird von Hrn. v. Brunnow vorgeschlagen, daß es England und Frankreich freistehen solle, den Hafen von Alexandria zu blokiren, um Mehemed Ali zur Herausgabe der türkischen Flotte zu zwingen; ferner daß diese Mächte Geschwader zur Kreuzung an der Küste Syriens detachiren mögen, während ein russisches Heer die Aegyptier im Rücken (?) angriffe. Unser holländischer Correspondent bemerkt, Vorschläge wie diese werde das französische Cabinet unfehlbar mit Spott zurückweisen, hingegen könne er nicht errathen, welche Bahn der englische Staatssecretär des Auswärtigen einschlagen werde, da bei den Continentalhöfen zu Großbritanniens auswärtiger Politik unter dessen jetziger Verwaltung kein Vertrauen herrsche."

Das M. Chronicle läßt sich also vernehmen: "Das Debats räth eifrigst, man solle den Pascha und den Sultan ihre Händel unter sich ausmachen lassen, ohne weitere Einmischung von Seite europäischer Mächte. Das wäre Alles schön und gut, wenn europäische Mächte sich nicht eingemischt hätten und sich einzumischen fortführen wider ihren eigenen Willen. Die künftige Einmischung auf ein fortgesetztes Verbot des Kriegs beschränken hieße bloß den status quo sanctioniren und den Waffenstillstand des vorigen Jahrs fortflicken, der, wie alle Welt einräumt, für beide Länder, Aegypten und die Türkei, so erschöpfend ist wie der Krieg. Die Wünsche der Großmächte sind in dieser Frage allvermögend, und da drei in Einem Wunsche vereinigt sind, so sollte diese Thatsache hinreichen, die vierte zur Ausgleichung ihrer Differenzen zu vermögen und zu einer Beilegung der Sache beizutragen, bei der man es sich sorgfältigst wird angelegen seyn lassen, die Wünsche der, wenn schon in der Minorität stehenden, vierten Macht zu Rathe zu ziehen. Statt dessen eine isolirte, beobachtende, mißvergnügte Stellung einzunehmen, ist weder freundlich noch redlich gehandelt. England wird gewiß stets bereit seyn, dem Entgegenkommen Frankreichs halbwegs zu begegnen, seine Freundschaft zu verdienen und seine Allianz zu wahren; aber dieß kann nicht um den Preis geschehen, daß Englands uneigennützige Zwecke dem Eigennutz Frankreichs aufgeopfert werden. So weit wir den Stand der Unterhandlungen kennen, hat Frankreich die Zugeständnisse nicht gemacht, die sonst ein Gleicher dem Gleichen in einem Streitpunkte zu machen pflegt, über den man zu einer einträchtigen Vereinigung zu gelangen wünscht. Rußland, müssen wir sagen, scheint geneigt, solche Zugeständnisse zu machen; ja, es hat Beweise davon gegeben, daß es ihm mit einer Ausgleichung Ernst ist. Seine Anerbietungen, wie unsere Annahme derselben, involviren keine Feindschaft gegen Frankreich, dessen Gebiet und Einfluß dadurch keine Schmälerung erleiden. Denn jedwede Bedingungen, zu denen England seine Zustimmung gibt, müssen in Einklang stehen mit der Unabhängigkeit der Türkei. Wenn also eine gütliche Uebereinkunft befriedigender Art ohne lästige oder unehrenhafte Bedingung erreicht werden kann, so sehen wir nicht ein, warum sie bloß darum verworfen werden sollte, weil es Rußland ist, das sie anbietet, oder weil Frankreich, mehr aus verletztem Stolz als wegen verletzter Interessen, seinen Zutritt dazu verweigert."

Galignani's Messenger läßt sich von einem Londoner Correspondenten schreiben, das brittische Cabinet habe Hrn. v. Brunnows Vorschläge verworfen, weil sie ihrem Wesen nach nicht annehmbar, und überdieß nicht in der Form einer directen Mittheilung vom St. Petersburger Cabinet gestellt worden, sondern bloß auf ein vertrauliches Schreiben von dort basirt seyen. (Wir erwähnen diese Notiz, brauchen jedoch kaum erst zu bemerken, wie wenig sie Beachtung verdient.)

Frankreich.

Der Leibarzt des Königs, Dr. Marc, ist am 13 Jan. an einem Schlagfluß gestorben. Auch der älteste dramatische Schriftsteller, Hr. Bouilly, ist in einem Alter von 80 Jahren mit Tod abgegangen. Endlich ist die Wittwe des Eigenthümers des Moniteurs, Madame Agasse, am 13 Jan. in hohem Alter verschieden.

(Moniteur.) Ein Bericht des Marschalls Valee aus Algier vom 5 Jan. meldet dem Kriegsminister Folgendes: "In Belida sind mehrere Couvois angekommen, ohne auf Feinde in der Ebene gestoßen zu seyn. Die Citadelle und das Lager von Belida sind in einem trefflichen Vertheidigungszustand, und die Verproviantirung ist für alle Bedürfnisse hinreichend. Der Marschall hat den Lauf der Chiffa von Belida bis Coleah durchzogen, ohne eine Versammlung von Arabern getroffen zu haben, und die Ebene der Hadschuten schien verlassen. Die von dem Obristen Lamoriciere zu Coleah eingezogenen Erkundigungen sind, daß nach der Niederlage der Araber zu Uad Lallg am 31 Dec. der Khalifa M'Baruk, an der Schulter verwundet, sich weit zurückgezogen habe; daß das Infanteriebataillon von Medeah nicht mehr existire; daß das Bataillon von Miliana, das weniger gelitten, allein im arabalischen Lager geblieben sey; daß 15 Kaids getödtet und die Reiter in ihre Stämme zurückgekehrt seyen. Die Nachrichten aus Constantine lauten sehr gut; alle Stämme sind dort ruhig."

(Commerce.) Die Regierung hat vor 4 oder 5 Tagen Depeschen von Graf Sebastiani erhalten, nach welchen Lord Palmerston und Hr. v. Brunnow die Angelegenheit des Orients unter den in frühern Schreiben der Allg. Zeitg. enthaltenen Bedingungen geordnet haben. Wenn sich Mehemed dieser Anordnung nicht unterwerfen will, so soll eine vereinigte Flotte die Häfen von Aegypten und Syrien blokiren und 25,000 Russen dem Ibrahim Pascha in Syrien entgegengestellt werden. Die andern Mächte sind zum Beitritt zu dieser Anordnung eingeladen. Das Ministerconseil hat im Einklang mit dem König und Hrn. Guizot entschieden, daß es ihr nicht beitreten, übrigens aber keine Schritte zu Gunsten des Vicekönigs machen und den Ereignissen ihren Gang lassen würde.*)*) Wahrschein ist das Conseil der Ansicht, daß Zwangsdemonstrationen keinen Eindruck auf Mehemed Ali machen, und die andern Mächte genöthigt werden würden, zu bewaffneten Demonstrationen zu schreiten. Man kann aus einer Phrase des Hrn. Villemain

*) Aufmerksame Leser werden bemerken, daß ein Schreiben aus Paris schon in der Allg. Zeitg. vom 15 Jan. alle diese Nachrichten, und noch umständlicher als es hier geschieht, gab.

der Mission des Hrn. v. Brunnow nach England erhalten wir so eben über Holland eine Mittheilung, die von hohem Interesse ist, um so mehr als sie aus einer Quelle fließt, auf die wir uns ganz verlassen können. Hiernach ist es der hauptsächliche, wo nicht der einzige Zweck von Brunnows Mission, für Rußland Zeit zu gewinnen, um seine Plane hinsichtlich der Türkei und Aegyptens zu vervollständigen und die Zufälle und Uneinigkeiten, welche die Zeit entwickeln mag, gehörig auszubeuten. Hr. v. Brunnow, so versichert unser Berichterstatter, hat vorgeschlagen, drei englische und eben so viele französische Kriegsschiffe sollen die Dardanellen passiren dürfen, jedoch unter der Bedingung, daß dieselben ihren Stand nicht jenseits von Gallipoli nehmen und keinesfalls bis Konstantinopel vorgehen werden. Rußland behält sich allein das Recht vor, eine Seemacht im Angesicht der türkischen Hauptstadt aufzustellen. Zugleich will es 40,000 Mann in Kleinasien einrücken lassen, um die Defiléen des Taurus zu bewachen. Außerdem wird von Hrn. v. Brunnow vorgeschlagen, daß es England und Frankreich freistehen solle, den Hafen von Alexandria zu blokiren, um Mehemed Ali zur Herausgabe der türkischen Flotte zu zwingen; ferner daß diese Mächte Geschwader zur Kreuzung an der Küste Syriens detachiren mögen, während ein russisches Heer die Aegyptier im Rücken (?) angriffe. Unser holländischer Correspondent bemerkt, Vorschläge wie diese werde das französische Cabinet unfehlbar mit Spott zurückweisen, hingegen könne er nicht errathen, welche Bahn der englische Staatssecretär des Auswärtigen einschlagen werde, da bei den Continentalhöfen zu Großbritanniens auswärtiger Politik unter dessen jetziger Verwaltung kein Vertrauen herrsche.“

Das M. Chronicle läßt sich also vernehmen: „Das Débats räth eifrigst, man solle den Pascha und den Sultan ihre Händel unter sich ausmachen lassen, ohne weitere Einmischung von Seite europäischer Mächte. Das wäre Alles schön und gut, wenn europäische Mächte sich nicht eingemischt hätten und sich einzumischen fortführen wider ihren eigenen Willen. Die künftige Einmischung auf ein fortgesetztes Verbot des Kriegs beschränken hieße bloß den status quo sanctioniren und den Waffenstillstand des vorigen Jahrs fortflicken, der, wie alle Welt einräumt, für beide Länder, Aegypten und die Türkei, so erschöpfend ist wie der Krieg. Die Wünsche der Großmächte sind in dieser Frage allvermögend, und da drei in Einem Wunsche vereinigt sind, so sollte diese Thatsache hinreichen, die vierte zur Ausgleichung ihrer Differenzen zu vermögen und zu einer Beilegung der Sache beizutragen, bei der man es sich sorgfältigst wird angelegen seyn lassen, die Wünsche der, wenn schon in der Minorität stehenden, vierten Macht zu Rathe zu ziehen. Statt dessen eine isolirte, beobachtende, mißvergnügte Stellung einzunehmen, ist weder freundlich noch redlich gehandelt. England wird gewiß stets bereit seyn, dem Entgegenkommen Frankreichs halbwegs zu begegnen, seine Freundschaft zu verdienen und seine Allianz zu wahren; aber dieß kann nicht um den Preis geschehen, daß Englands uneigennützige Zwecke dem Eigennutz Frankreichs aufgeopfert werden. So weit wir den Stand der Unterhandlungen kennen, hat Frankreich die Zugeständnisse nicht gemacht, die sonst ein Gleicher dem Gleichen in einem Streitpunkte zu machen pflegt, über den man zu einer einträchtigen Vereinigung zu gelangen wünscht. Rußland, müssen wir sagen, scheint geneigt, solche Zugeständnisse zu machen; ja, es hat Beweise davon gegeben, daß es ihm mit einer Ausgleichung Ernst ist. Seine Anerbietungen, wie unsere Annahme derselben, involviren keine Feindschaft gegen Frankreich, dessen Gebiet und Einfluß dadurch keine Schmälerung erleiden. Denn jedwede Bedingungen, zu denen England seine Zustimmung gibt, müssen in Einklang stehen mit der Unabhängigkeit der Türkei. Wenn also eine gütliche Uebereinkunft befriedigender Art ohne lästige oder unehrenhafte Bedingung erreicht werden kann, so sehen wir nicht ein, warum sie bloß darum verworfen werden sollte, weil es Rußland ist, das sie anbietet, oder weil Frankreich, mehr aus verletztem Stolz als wegen verletzter Interessen, seinen Zutritt dazu verweigert.“

Galignani's Messenger läßt sich von einem Londoner Correspondenten schreiben, das brittische Cabinet habe Hrn. v. Brunnows Vorschläge verworfen, weil sie ihrem Wesen nach nicht annehmbar, und überdieß nicht in der Form einer directen Mittheilung vom St. Petersburger Cabinet gestellt worden, sondern bloß auf ein vertrauliches Schreiben von dort basirt seyen. (Wir erwähnen diese Notiz, brauchen jedoch kaum erst zu bemerken, wie wenig sie Beachtung verdient.)

Frankreich.

Der Leibarzt des Königs, Dr. Marc, ist am 13 Jan. an einem Schlagfluß gestorben. Auch der älteste dramatische Schriftsteller, Hr. Bouilly, ist in einem Alter von 80 Jahren mit Tod abgegangen. Endlich ist die Wittwe des Eigenthümers des Moniteurs, Madame Agasse, am 13 Jan. in hohem Alter verschieden.

(Moniteur.) Ein Bericht des Marschalls Valée aus Algier vom 5 Jan. meldet dem Kriegsminister Folgendes: „In Belida sind mehrere Couvois angekommen, ohne auf Feinde in der Ebene gestoßen zu seyn. Die Citadelle und das Lager von Belida sind in einem trefflichen Vertheidigungszustand, und die Verproviantirung ist für alle Bedürfnisse hinreichend. Der Marschall hat den Lauf der Chiffa von Belida bis Coleah durchzogen, ohne eine Versammlung von Arabern getroffen zu haben, und die Ebene der Hadschuten schien verlassen. Die von dem Obristen Lamoricière zu Coleah eingezogenen Erkundigungen sind, daß nach der Niederlage der Araber zu Uad Lallg am 31 Dec. der Khalifa M'Baruk, an der Schulter verwundet, sich weit zurückgezogen habe; daß das Infanteriebataillon von Medeah nicht mehr existire; daß das Bataillon von Miliana, das weniger gelitten, allein im arabalischen Lager geblieben sey; daß 15 Kaids getödtet und die Reiter in ihre Stämme zurückgekehrt seyen. Die Nachrichten aus Constantine lauten sehr gut; alle Stämme sind dort ruhig.“

(Commerce.) Die Regierung hat vor 4 oder 5 Tagen Depeschen von Graf Sebastiani erhalten, nach welchen Lord Palmerston und Hr. v. Brunnow die Angelegenheit des Orients unter den in frühern Schreiben der Allg. Zeitg. enthaltenen Bedingungen geordnet haben. Wenn sich Mehemed dieser Anordnung nicht unterwerfen will, so soll eine vereinigte Flotte die Häfen von Aegypten und Syrien blokiren und 25,000 Russen dem Ibrahim Pascha in Syrien entgegengestellt werden. Die andern Mächte sind zum Beitritt zu dieser Anordnung eingeladen. Das Ministerconseil hat im Einklang mit dem König und Hrn. Guizot entschieden, daß es ihr nicht beitreten, übrigens aber keine Schritte zu Gunsten des Vicekönigs machen und den Ereignissen ihren Gang lassen würde.*)*) Wahrschein ist das Conseil der Ansicht, daß Zwangsdemonstrationen keinen Eindruck auf Mehemed Ali machen, und die andern Mächte genöthigt werden würden, zu bewaffneten Demonstrationen zu schreiten. Man kann aus einer Phrase des Hrn. Villemain

*) Aufmerksame Leser werden bemerken, daß ein Schreiben aus Paris schon in der Allg. Zeitg. vom 15 Jan. alle diese Nachrichten, und noch umständlicher als es hier geschieht, gab.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0002" n="0146"/>
der Mission des Hrn. v. Brunnow nach England erhalten wir so eben <hi rendition="#g">über Holland</hi> eine Mittheilung, die von hohem Interesse ist, um so mehr als sie aus einer Quelle fließt, auf die wir uns ganz verlassen können. Hiernach ist es der hauptsächliche, wo nicht der einzige Zweck von Brunnows Mission, für Rußland Zeit zu gewinnen, um seine Plane hinsichtlich der Türkei und Aegyptens zu vervollständigen und die Zufälle und Uneinigkeiten, welche die Zeit entwickeln mag, gehörig auszubeuten. Hr. v. Brunnow, so versichert unser Berichterstatter, hat vorgeschlagen, drei englische und eben so viele französische Kriegsschiffe sollen die Dardanellen passiren dürfen, jedoch unter der Bedingung, daß dieselben ihren Stand nicht jenseits von Gallipoli nehmen und keinesfalls bis Konstantinopel vorgehen werden. Rußland behält sich allein das Recht vor, eine Seemacht im Angesicht der türkischen Hauptstadt aufzustellen. Zugleich will es 40,000 Mann in Kleinasien einrücken lassen, um die Defiléen des Taurus zu bewachen. Außerdem wird von Hrn. v. Brunnow vorgeschlagen, daß es England und Frankreich freistehen solle, den Hafen von Alexandria zu blokiren, um Mehemed Ali zur Herausgabe der türkischen Flotte zu zwingen; ferner daß diese Mächte Geschwader zur Kreuzung an der Küste Syriens detachiren mögen, während ein russisches Heer die Aegyptier im Rücken (?) angriffe. Unser holländischer Correspondent bemerkt, Vorschläge wie diese werde das französische Cabinet unfehlbar mit Spott zurückweisen, hingegen könne er nicht errathen, welche Bahn der englische Staatssecretär des Auswärtigen einschlagen werde, da bei den Continentalhöfen zu Großbritanniens auswärtiger Politik unter dessen jetziger Verwaltung kein Vertrauen herrsche.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Das M. <hi rendition="#g">Chronicle</hi> läßt sich also vernehmen: &#x201E;Das Débats räth eifrigst, man solle den Pascha und den Sultan ihre Händel unter sich ausmachen lassen, ohne weitere Einmischung von Seite europäischer Mächte. Das wäre Alles schön und gut, wenn europäische Mächte sich nicht eingemischt hätten und sich einzumischen fortführen wider ihren eigenen Willen. Die künftige Einmischung auf ein fortgesetztes Verbot des Kriegs beschränken hieße bloß den status quo sanctioniren und den Waffenstillstand des vorigen Jahrs fortflicken, der, wie alle Welt einräumt, für beide Länder, Aegypten und die Türkei, so erschöpfend ist wie der Krieg. Die Wünsche der Großmächte sind in dieser Frage allvermögend, und da drei in Einem Wunsche vereinigt sind, so sollte diese Thatsache hinreichen, die vierte zur Ausgleichung ihrer Differenzen zu vermögen und zu einer Beilegung der Sache beizutragen, bei der man es sich sorgfältigst wird angelegen seyn lassen, die Wünsche der, wenn schon in der Minorität stehenden, vierten Macht zu Rathe zu ziehen. Statt dessen eine isolirte, beobachtende, mißvergnügte Stellung einzunehmen, ist weder freundlich noch redlich gehandelt. England wird gewiß stets bereit seyn, dem Entgegenkommen Frankreichs halbwegs zu begegnen, seine Freundschaft zu verdienen und seine Allianz zu wahren; aber dieß kann nicht <hi rendition="#g">um den</hi> Preis geschehen, daß Englands uneigennützige Zwecke dem Eigennutz Frankreichs aufgeopfert werden. So weit <hi rendition="#g">wir</hi> den Stand der Unterhandlungen kennen, hat Frankreich die Zugeständnisse <hi rendition="#g">nicht</hi> gemacht, die sonst ein Gleicher dem Gleichen in einem Streitpunkte zu machen pflegt, über den man zu einer einträchtigen Vereinigung zu gelangen wünscht. Rußland, müssen wir sagen, scheint geneigt, solche Zugeständnisse zu machen; ja, es hat Beweise davon gegeben, daß es ihm mit einer Ausgleichung Ernst ist. Seine Anerbietungen, wie unsere Annahme derselben, involviren keine Feindschaft gegen Frankreich, dessen Gebiet und Einfluß dadurch keine Schmälerung erleiden. Denn jedwede Bedingungen, zu denen England seine Zustimmung gibt, müssen in Einklang stehen mit der Unabhängigkeit der Türkei. Wenn also eine gütliche Uebereinkunft befriedigender Art ohne lästige oder unehrenhafte Bedingung erreicht werden kann, so sehen wir nicht ein, warum sie bloß darum verworfen werden sollte, weil es Rußland ist, das sie anbietet, oder weil Frankreich, mehr aus verletztem Stolz als wegen verletzter Interessen, seinen Zutritt dazu verweigert.&#x201C;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Galignani</hi>'s <hi rendition="#g">Messenger</hi> läßt sich von einem Londoner Correspondenten schreiben, das brittische Cabinet habe Hrn. v. Brunnows Vorschläge verworfen, weil sie ihrem Wesen nach nicht annehmbar, und überdieß nicht in der Form einer directen Mittheilung vom St. Petersburger Cabinet gestellt worden, sondern bloß auf ein vertrauliches Schreiben von dort basirt seyen. (Wir erwähnen diese Notiz, brauchen jedoch kaum erst zu bemerken, wie wenig sie Beachtung verdient.)</p>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 14 Jan.</dateline><lb/>
          <p>Der Leibarzt des Königs, Dr. Marc, ist am 13 Jan. an einem Schlagfluß gestorben. Auch der älteste dramatische Schriftsteller, Hr. Bouilly, ist in einem Alter von 80 Jahren mit Tod abgegangen. Endlich ist die Wittwe des Eigenthümers des Moniteurs, Madame Agasse, am 13 Jan. in hohem Alter verschieden.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Ein Bericht des Marschalls Valée aus <hi rendition="#b">Algier</hi> vom 5 Jan. meldet dem Kriegsminister Folgendes: &#x201E;In Belida sind mehrere Couvois angekommen, ohne auf Feinde in der Ebene gestoßen zu seyn. Die Citadelle und das Lager von Belida sind in einem trefflichen Vertheidigungszustand, und die Verproviantirung ist für alle Bedürfnisse hinreichend. Der Marschall hat den Lauf der Chiffa von Belida bis Coleah durchzogen, ohne eine Versammlung von Arabern getroffen zu haben, und die Ebene der Hadschuten schien verlassen. Die von dem Obristen Lamoricière zu Coleah eingezogenen Erkundigungen sind, daß nach der Niederlage der Araber zu Uad Lallg am 31 Dec. der Khalifa M'Baruk, an der Schulter verwundet, sich weit zurückgezogen habe; daß das Infanteriebataillon von Medeah nicht mehr existire; daß das Bataillon von Miliana, das weniger gelitten, allein im arabalischen Lager geblieben sey; daß 15 Kaids getödtet und die Reiter in ihre Stämme zurückgekehrt seyen. Die Nachrichten aus Constantine lauten sehr gut; alle Stämme sind dort ruhig.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Commerce</hi>.) Die Regierung hat vor 4 oder 5 Tagen Depeschen von Graf Sebastiani erhalten, nach welchen Lord Palmerston und Hr. v. Brunnow die Angelegenheit des Orients unter den in frühern Schreiben der Allg. Zeitg. enthaltenen Bedingungen geordnet haben. Wenn sich Mehemed dieser Anordnung nicht unterwerfen will, so soll eine vereinigte Flotte die Häfen von Aegypten und Syrien blokiren und 25,000 Russen dem Ibrahim Pascha in Syrien entgegengestellt werden. Die andern Mächte sind zum Beitritt zu dieser Anordnung eingeladen. Das Ministerconseil hat im Einklang mit dem König und Hrn. Guizot entschieden, daß es ihr nicht beitreten, übrigens aber keine Schritte zu Gunsten des Vicekönigs machen und den Ereignissen ihren Gang lassen würde.<hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)"> Aufmerksame Leser werden bemerken, daß ein Schreiben aus Paris schon in der Allg. Zeitg. vom 15 Jan. alle diese Nachrichten, und noch umständlicher als es hier geschieht, gab.</note> Wahrschein ist das Conseil der Ansicht, daß Zwangsdemonstrationen keinen Eindruck auf Mehemed Ali machen, und die andern Mächte genöthigt werden würden, zu bewaffneten Demonstrationen zu schreiten. Man kann aus einer Phrase des Hrn. Villemain<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146/0002] der Mission des Hrn. v. Brunnow nach England erhalten wir so eben über Holland eine Mittheilung, die von hohem Interesse ist, um so mehr als sie aus einer Quelle fließt, auf die wir uns ganz verlassen können. Hiernach ist es der hauptsächliche, wo nicht der einzige Zweck von Brunnows Mission, für Rußland Zeit zu gewinnen, um seine Plane hinsichtlich der Türkei und Aegyptens zu vervollständigen und die Zufälle und Uneinigkeiten, welche die Zeit entwickeln mag, gehörig auszubeuten. Hr. v. Brunnow, so versichert unser Berichterstatter, hat vorgeschlagen, drei englische und eben so viele französische Kriegsschiffe sollen die Dardanellen passiren dürfen, jedoch unter der Bedingung, daß dieselben ihren Stand nicht jenseits von Gallipoli nehmen und keinesfalls bis Konstantinopel vorgehen werden. Rußland behält sich allein das Recht vor, eine Seemacht im Angesicht der türkischen Hauptstadt aufzustellen. Zugleich will es 40,000 Mann in Kleinasien einrücken lassen, um die Defiléen des Taurus zu bewachen. Außerdem wird von Hrn. v. Brunnow vorgeschlagen, daß es England und Frankreich freistehen solle, den Hafen von Alexandria zu blokiren, um Mehemed Ali zur Herausgabe der türkischen Flotte zu zwingen; ferner daß diese Mächte Geschwader zur Kreuzung an der Küste Syriens detachiren mögen, während ein russisches Heer die Aegyptier im Rücken (?) angriffe. Unser holländischer Correspondent bemerkt, Vorschläge wie diese werde das französische Cabinet unfehlbar mit Spott zurückweisen, hingegen könne er nicht errathen, welche Bahn der englische Staatssecretär des Auswärtigen einschlagen werde, da bei den Continentalhöfen zu Großbritanniens auswärtiger Politik unter dessen jetziger Verwaltung kein Vertrauen herrsche.“ Das M. Chronicle läßt sich also vernehmen: „Das Débats räth eifrigst, man solle den Pascha und den Sultan ihre Händel unter sich ausmachen lassen, ohne weitere Einmischung von Seite europäischer Mächte. Das wäre Alles schön und gut, wenn europäische Mächte sich nicht eingemischt hätten und sich einzumischen fortführen wider ihren eigenen Willen. Die künftige Einmischung auf ein fortgesetztes Verbot des Kriegs beschränken hieße bloß den status quo sanctioniren und den Waffenstillstand des vorigen Jahrs fortflicken, der, wie alle Welt einräumt, für beide Länder, Aegypten und die Türkei, so erschöpfend ist wie der Krieg. Die Wünsche der Großmächte sind in dieser Frage allvermögend, und da drei in Einem Wunsche vereinigt sind, so sollte diese Thatsache hinreichen, die vierte zur Ausgleichung ihrer Differenzen zu vermögen und zu einer Beilegung der Sache beizutragen, bei der man es sich sorgfältigst wird angelegen seyn lassen, die Wünsche der, wenn schon in der Minorität stehenden, vierten Macht zu Rathe zu ziehen. Statt dessen eine isolirte, beobachtende, mißvergnügte Stellung einzunehmen, ist weder freundlich noch redlich gehandelt. England wird gewiß stets bereit seyn, dem Entgegenkommen Frankreichs halbwegs zu begegnen, seine Freundschaft zu verdienen und seine Allianz zu wahren; aber dieß kann nicht um den Preis geschehen, daß Englands uneigennützige Zwecke dem Eigennutz Frankreichs aufgeopfert werden. So weit wir den Stand der Unterhandlungen kennen, hat Frankreich die Zugeständnisse nicht gemacht, die sonst ein Gleicher dem Gleichen in einem Streitpunkte zu machen pflegt, über den man zu einer einträchtigen Vereinigung zu gelangen wünscht. Rußland, müssen wir sagen, scheint geneigt, solche Zugeständnisse zu machen; ja, es hat Beweise davon gegeben, daß es ihm mit einer Ausgleichung Ernst ist. Seine Anerbietungen, wie unsere Annahme derselben, involviren keine Feindschaft gegen Frankreich, dessen Gebiet und Einfluß dadurch keine Schmälerung erleiden. Denn jedwede Bedingungen, zu denen England seine Zustimmung gibt, müssen in Einklang stehen mit der Unabhängigkeit der Türkei. Wenn also eine gütliche Uebereinkunft befriedigender Art ohne lästige oder unehrenhafte Bedingung erreicht werden kann, so sehen wir nicht ein, warum sie bloß darum verworfen werden sollte, weil es Rußland ist, das sie anbietet, oder weil Frankreich, mehr aus verletztem Stolz als wegen verletzter Interessen, seinen Zutritt dazu verweigert.“ Galignani's Messenger läßt sich von einem Londoner Correspondenten schreiben, das brittische Cabinet habe Hrn. v. Brunnows Vorschläge verworfen, weil sie ihrem Wesen nach nicht annehmbar, und überdieß nicht in der Form einer directen Mittheilung vom St. Petersburger Cabinet gestellt worden, sondern bloß auf ein vertrauliches Schreiben von dort basirt seyen. (Wir erwähnen diese Notiz, brauchen jedoch kaum erst zu bemerken, wie wenig sie Beachtung verdient.) Frankreich. _ Paris, 14 Jan. Der Leibarzt des Königs, Dr. Marc, ist am 13 Jan. an einem Schlagfluß gestorben. Auch der älteste dramatische Schriftsteller, Hr. Bouilly, ist in einem Alter von 80 Jahren mit Tod abgegangen. Endlich ist die Wittwe des Eigenthümers des Moniteurs, Madame Agasse, am 13 Jan. in hohem Alter verschieden. (Moniteur.) Ein Bericht des Marschalls Valée aus Algier vom 5 Jan. meldet dem Kriegsminister Folgendes: „In Belida sind mehrere Couvois angekommen, ohne auf Feinde in der Ebene gestoßen zu seyn. Die Citadelle und das Lager von Belida sind in einem trefflichen Vertheidigungszustand, und die Verproviantirung ist für alle Bedürfnisse hinreichend. Der Marschall hat den Lauf der Chiffa von Belida bis Coleah durchzogen, ohne eine Versammlung von Arabern getroffen zu haben, und die Ebene der Hadschuten schien verlassen. Die von dem Obristen Lamoricière zu Coleah eingezogenen Erkundigungen sind, daß nach der Niederlage der Araber zu Uad Lallg am 31 Dec. der Khalifa M'Baruk, an der Schulter verwundet, sich weit zurückgezogen habe; daß das Infanteriebataillon von Medeah nicht mehr existire; daß das Bataillon von Miliana, das weniger gelitten, allein im arabalischen Lager geblieben sey; daß 15 Kaids getödtet und die Reiter in ihre Stämme zurückgekehrt seyen. Die Nachrichten aus Constantine lauten sehr gut; alle Stämme sind dort ruhig.“ (Commerce.) Die Regierung hat vor 4 oder 5 Tagen Depeschen von Graf Sebastiani erhalten, nach welchen Lord Palmerston und Hr. v. Brunnow die Angelegenheit des Orients unter den in frühern Schreiben der Allg. Zeitg. enthaltenen Bedingungen geordnet haben. Wenn sich Mehemed dieser Anordnung nicht unterwerfen will, so soll eine vereinigte Flotte die Häfen von Aegypten und Syrien blokiren und 25,000 Russen dem Ibrahim Pascha in Syrien entgegengestellt werden. Die andern Mächte sind zum Beitritt zu dieser Anordnung eingeladen. Das Ministerconseil hat im Einklang mit dem König und Hrn. Guizot entschieden, daß es ihr nicht beitreten, übrigens aber keine Schritte zu Gunsten des Vicekönigs machen und den Ereignissen ihren Gang lassen würde.*) *) Wahrschein ist das Conseil der Ansicht, daß Zwangsdemonstrationen keinen Eindruck auf Mehemed Ali machen, und die andern Mächte genöthigt werden würden, zu bewaffneten Demonstrationen zu schreiten. Man kann aus einer Phrase des Hrn. Villemain *) Aufmerksame Leser werden bemerken, daß ein Schreiben aus Paris schon in der Allg. Zeitg. vom 15 Jan. alle diese Nachrichten, und noch umständlicher als es hier geschieht, gab.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_019_18400119
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_019_18400119/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 19. Augsburg, 19. Januar 1840, S. 0146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_019_18400119/2>, abgerufen am 28.03.2024.