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Allgemeine Zeitung. Nr. 14. Augsburg, 14. Januar 1840.

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Gouverneur der Insel Mauritius an die Stelle Sir William Nicolay's, dessen neulicher Streit mit den Officieren zweier französischen Schiffe in den Londoner und Pariser Blättern so viel zu reden gab.

Im auswärtigen Amte fand heut (6) abermals ein Cabinetsrath statt, zu welchem die Einladungen gleich am Schlusse des gestrigen erlassen worden.

Am 6 Januar plaidirte Sir F. Pullock vor den Monmouther Assisen für seinen Clienten Frost in einer Rede, die man als ein Meisterstück forensischer Beredsamkeit betrachtet. Sein Bemühen ging dahin, dem Vorfall in Newport den gesetzlichen Charakter des Hochverraths zu benehmen, ihn in die Classe eines gewöhnlichen Aufstands (riot) ohne klares Bewußtseyn des Zwecks zu stellen und Frosts Theilnahme daran so gering als möglich erscheinen zu lassen. Besonderes Gewicht legte er auf den - sofort auch durch einige Entlastungszeugen bekräftigten - Umstand, daß sich Frost bei mehreren früheren Gelegenheiten ausdrücklich gegen die Anwendung physischer Gewalt ausgesprochen habe, so daß er sich also nur durch eine Art Verblendung in den Versuch auf Newport habe hinreißen lassen. Frost sah an diesem Tage sehr niedergeschlagen aus. Der Spruch der Jury dürfte wahrscheinlich am 7 erfolgt seyn. Dann bleibt aber, wie mehr erwähnt, der von dem Vertheidiger, unter Bezug auf ein Statut der Königin Anna, mit Erfolg urgirte Punkt wegen der Förmlichkeit der Anklage zu entscheiden, bevor auf das etwaige "Schuldig" der Jury von den Richtern das gesetzliche Strafmaaß gegen Frost verhängt werden kann. Wohl zu bemerken, wird der Punkt nach Pullocks Ansicht entschieden, so fällt die Hochverrathsanklage nicht nur gegen Frost, sondern auch gegen seine eilf Mitangeschuldigten zusammen, und sie sind eo ipso freigesprochen, da nach englischem Gesetz Niemand wegen eines und desselben Verbrechens zweimal vor Gericht gestellt werden kann. Doch heißt es, die Regierung würde in diesem Fall Frost und seine Genossen wegen anderer Vorgänge, Theilnahme an aufrührerischen Versammlungen etc., auf "sedition" und "riot" verfolgen lassen. - Der bekannte Geistliche Stephens sitzt, mit mehreren andern Chartisten, noch immer als Gefangener auf dem Schlosse zu Chester, wo er ziemlich hart gehalten wird. Er scheint übrigens von seiner politischen Schwärmerei großentheils geheilt zu seyn.

Die North Midland- (d. h. nordwärts durch des Landes Mitte führende) Eisenbahn wird bis Mai oder Junius bis Leeds fertig seyn, und die große nordenglische Eisenbahn (Great North of England Railway) bis zum Herbst zwischen York und Darlington eröffnet werden. Von London nach Newcastle kann man dann in Einem Tage gelangen.

Frankreich.

Am 8 Jan., um acht Uhr Abends, ward die große Deputation der Pairskammer, die beauftragt war, dem Könige die Antwortsadresse der Pairskammer auf die Thronrede vorzulegen, von Sr. Maj. empfangen. Der Kanzler von Frankreich, Baron Pasquier, Präsident der Pairskammer, verlas dieselbe. Der König antwortete darauf: "Die in dieser Adresse ausgedrückten Gesinnungen haben mein Herz mit Freude erfüllt, Ich danke Ihnen dafür sowohl für mich als alle die Meinigen. Die enge Vereinigung der Staatsgewalten, wovon Sie mir neue Unterpfänder darbringen, macht die große Stärke unserer Institutionen und die Entmuthigung derer aus, die noch den Untergang derselben träumen können. Diese wohlthätige Vereinigung gibt allen Wohlgesinnten Vertrauen, die nur die Ruhe und die Wohlfahrt Frankreichs unter der beschützenden Aegide der constitutionellen Monarchie wünschen. Ihre edle Sprache, welche diese Wahrheit ausdrückt, bezeugt die loyale Wirkung, die ich von Ihnen erwartete, und die Sie meiner Regierung für die Interessen des Landes beständig gewährt haben."

Der Constitutionnel behauptet, es scheine jetzt gewiß, daß der Bischof von Arras das Erzbisthum von Paris annehme. Dieser Prälat habe sich endlich den dringenden Bitten des Königs gefügt.

(Sitzung der Pairskammer vom 7 Jan.) "Die einzige merkwürdige Rede in dieser Sitzung - sagt das Journal des Debats - war die des Herzogs von Fezensac über Spanien. Auf das Klarste bewies dieser ehemalige Botschafter Frankreichs in Madrid, daß der Triumph des Don Carlos unmöglich war. Nachdem wir diese Rede gelesen, erklären wir mit mehr Vertrauen, als früher: man darf dem Don Carlos seine Pässe geben. Der Weg, den er einschlagen wird, ist gewiß nicht der nach Spanien." Hr. v. Fezensac suchte in seiner Rede besonders die Behauptungen der Freunde des Don Carlos zu widerlegen, daß dessen Unternehmen nur durch Maroto's Verrätherei gescheitert sey. Nicht dieser Abfall seines Generals und seiner Truppen, sondern die Abneigung oder Gleichgültigkeit der großen Mehrzahl der Spanier für seine Sache und die Ermüdung der des Krieges überdrüssig gewordenen baskischen Provinzen habe die Fortschritte des Prätendenten gehindert, und ihn am Ende zur Flucht nach Frankreich gezwungen. Der Redner ging alle Phasen des Kampfes durch. "Die Absolutisten (sagt er) erhoben sich für die Sache des Don Carlos, weil sie einen schwachen König mit absoluter Gewalt wünschen, um unter seinem Namen regieren zu können. Don Carlos war in ihren Augen nur deßhalb legitim, weil seine Politik ihnen günstig war; auch außerhalb Spaniens zählte jener Prinz nur aus diesem Grunde viele Anhänger. Aber Don Carlos und die Absolutisten fanden in den großen und reichen Provinzen Spaniens keinen Anklang. Inmitten der anarchischen Wirren, der unaufhörlichen Ministerwechsel, der Cortesauflösungen und der Organisation insurrectioneller Junten wurde doch fast nicht Eine Stimme für Don Carlos laut. Die Einen verlangten eine Constitution, die Andern eine Aenderung der Regentschaft, aber Niemand die Thronbesteigung des Prätendenten. Die Carlisten glaubten, es sey Furcht oder Unentschlossenheit, die ihre Anhänger abhalte, sich in den innern Provinzen zu erheben. Sie schickten daher Gomez mit 5000 Mann ab, damit die Freunde ihrer Sache sich um ihn schaarten. Aber Gomez, der Spanien durchzog, traf überall nur Gleichgültigkeit oder Widerstand, und kehrte unverrichteter Sache nach dem Baskenland zurück. Dasselbe Loos hatte der Prätendent selbst, als er 1837 an der Spitze eines Heerhaufens Catalonien, Aragonien, Valencia durchzog und sich bis in die Nähe von Madrid wagte. Ich fordere meine Gegner auf, mir eine Stadt oder auch nur ein Fort, groß oder klein, zu nennen, welches Don Carlos seine Thore geöffnet hätte; ich fordere sie auf, mir einen Truppencommandanten, einen Officier, ich möchte fast sagen, auch nur einen Soldaten zu nennen, der sich ihm angeschlossen hätte; jeder Marschtag constatirte seine Unmacht mehr." Auf die Ereignisse, welche dem Abfall Maroto's vorangingen, übergehend äußerte der Herzog: "Erst proscribirte Don Carlos seinen Feldherrn wegen der Hinrichtung der sechs Generale, dann widerrief er dieß auf die drohende Haltung Maroto's hin, ließ seine eigene Proclamation verbrennen, sanctionirte das Geschehene und verbannte seine vertrautesten Diener. Darüber erstaunte die ganze Welt; in Madrid war die Wirkung furchtbar, der größte Feind hätte jenem Fürsten nichts Schlimmeres zufügen können. Die Freunde des


Gouverneur der Insel Mauritius an die Stelle Sir William Nicolay's, dessen neulicher Streit mit den Officieren zweier französischen Schiffe in den Londoner und Pariser Blättern so viel zu reden gab.

Im auswärtigen Amte fand heut (6) abermals ein Cabinetsrath statt, zu welchem die Einladungen gleich am Schlusse des gestrigen erlassen worden.

Am 6 Januar plaidirte Sir F. Pullock vor den Monmouther Assisen für seinen Clienten Frost in einer Rede, die man als ein Meisterstück forensischer Beredsamkeit betrachtet. Sein Bemühen ging dahin, dem Vorfall in Newport den gesetzlichen Charakter des Hochverraths zu benehmen, ihn in die Classe eines gewöhnlichen Aufstands (riot) ohne klares Bewußtseyn des Zwecks zu stellen und Frosts Theilnahme daran so gering als möglich erscheinen zu lassen. Besonderes Gewicht legte er auf den – sofort auch durch einige Entlastungszeugen bekräftigten – Umstand, daß sich Frost bei mehreren früheren Gelegenheiten ausdrücklich gegen die Anwendung physischer Gewalt ausgesprochen habe, so daß er sich also nur durch eine Art Verblendung in den Versuch auf Newport habe hinreißen lassen. Frost sah an diesem Tage sehr niedergeschlagen aus. Der Spruch der Jury dürfte wahrscheinlich am 7 erfolgt seyn. Dann bleibt aber, wie mehr erwähnt, der von dem Vertheidiger, unter Bezug auf ein Statut der Königin Anna, mit Erfolg urgirte Punkt wegen der Förmlichkeit der Anklage zu entscheiden, bevor auf das etwaige „Schuldig“ der Jury von den Richtern das gesetzliche Strafmaaß gegen Frost verhängt werden kann. Wohl zu bemerken, wird der Punkt nach Pullocks Ansicht entschieden, so fällt die Hochverrathsanklage nicht nur gegen Frost, sondern auch gegen seine eilf Mitangeschuldigten zusammen, und sie sind eo ipso freigesprochen, da nach englischem Gesetz Niemand wegen eines und desselben Verbrechens zweimal vor Gericht gestellt werden kann. Doch heißt es, die Regierung würde in diesem Fall Frost und seine Genossen wegen anderer Vorgänge, Theilnahme an aufrührerischen Versammlungen etc., auf „sedition“ und „riot“ verfolgen lassen. – Der bekannte Geistliche Stephens sitzt, mit mehreren andern Chartisten, noch immer als Gefangener auf dem Schlosse zu Chester, wo er ziemlich hart gehalten wird. Er scheint übrigens von seiner politischen Schwärmerei großentheils geheilt zu seyn.

Die North Midland- (d. h. nordwärts durch des Landes Mitte führende) Eisenbahn wird bis Mai oder Junius bis Leeds fertig seyn, und die große nordenglische Eisenbahn (Great North of England Railway) bis zum Herbst zwischen York und Darlington eröffnet werden. Von London nach Newcastle kann man dann in Einem Tage gelangen.

Frankreich.

Am 8 Jan., um acht Uhr Abends, ward die große Deputation der Pairskammer, die beauftragt war, dem Könige die Antwortsadresse der Pairskammer auf die Thronrede vorzulegen, von Sr. Maj. empfangen. Der Kanzler von Frankreich, Baron Pasquier, Präsident der Pairskammer, verlas dieselbe. Der König antwortete darauf: „Die in dieser Adresse ausgedrückten Gesinnungen haben mein Herz mit Freude erfüllt, Ich danke Ihnen dafür sowohl für mich als alle die Meinigen. Die enge Vereinigung der Staatsgewalten, wovon Sie mir neue Unterpfänder darbringen, macht die große Stärke unserer Institutionen und die Entmuthigung derer aus, die noch den Untergang derselben träumen können. Diese wohlthätige Vereinigung gibt allen Wohlgesinnten Vertrauen, die nur die Ruhe und die Wohlfahrt Frankreichs unter der beschützenden Aegide der constitutionellen Monarchie wünschen. Ihre edle Sprache, welche diese Wahrheit ausdrückt, bezeugt die loyale Wirkung, die ich von Ihnen erwartete, und die Sie meiner Regierung für die Interessen des Landes beständig gewährt haben.“

Der Constitutionnel behauptet, es scheine jetzt gewiß, daß der Bischof von Arras das Erzbisthum von Paris annehme. Dieser Prälat habe sich endlich den dringenden Bitten des Königs gefügt.

(Sitzung der Pairskammer vom 7 Jan.) „Die einzige merkwürdige Rede in dieser Sitzung – sagt das Journal des Débats – war die des Herzogs von Fezensac über Spanien. Auf das Klarste bewies dieser ehemalige Botschafter Frankreichs in Madrid, daß der Triumph des Don Carlos unmöglich war. Nachdem wir diese Rede gelesen, erklären wir mit mehr Vertrauen, als früher: man darf dem Don Carlos seine Pässe geben. Der Weg, den er einschlagen wird, ist gewiß nicht der nach Spanien.“ Hr. v. Fezensac suchte in seiner Rede besonders die Behauptungen der Freunde des Don Carlos zu widerlegen, daß dessen Unternehmen nur durch Maroto's Verrätherei gescheitert sey. Nicht dieser Abfall seines Generals und seiner Truppen, sondern die Abneigung oder Gleichgültigkeit der großen Mehrzahl der Spanier für seine Sache und die Ermüdung der des Krieges überdrüssig gewordenen baskischen Provinzen habe die Fortschritte des Prätendenten gehindert, und ihn am Ende zur Flucht nach Frankreich gezwungen. Der Redner ging alle Phasen des Kampfes durch. „Die Absolutisten (sagt er) erhoben sich für die Sache des Don Carlos, weil sie einen schwachen König mit absoluter Gewalt wünschen, um unter seinem Namen regieren zu können. Don Carlos war in ihren Augen nur deßhalb legitim, weil seine Politik ihnen günstig war; auch außerhalb Spaniens zählte jener Prinz nur aus diesem Grunde viele Anhänger. Aber Don Carlos und die Absolutisten fanden in den großen und reichen Provinzen Spaniens keinen Anklang. Inmitten der anarchischen Wirren, der unaufhörlichen Ministerwechsel, der Cortesauflösungen und der Organisation insurrectioneller Junten wurde doch fast nicht Eine Stimme für Don Carlos laut. Die Einen verlangten eine Constitution, die Andern eine Aenderung der Regentschaft, aber Niemand die Thronbesteigung des Prätendenten. Die Carlisten glaubten, es sey Furcht oder Unentschlossenheit, die ihre Anhänger abhalte, sich in den innern Provinzen zu erheben. Sie schickten daher Gomez mit 5000 Mann ab, damit die Freunde ihrer Sache sich um ihn schaarten. Aber Gomez, der Spanien durchzog, traf überall nur Gleichgültigkeit oder Widerstand, und kehrte unverrichteter Sache nach dem Baskenland zurück. Dasselbe Loos hatte der Prätendent selbst, als er 1837 an der Spitze eines Heerhaufens Catalonien, Aragonien, Valencia durchzog und sich bis in die Nähe von Madrid wagte. Ich fordere meine Gegner auf, mir eine Stadt oder auch nur ein Fort, groß oder klein, zu nennen, welches Don Carlos seine Thore geöffnet hätte; ich fordere sie auf, mir einen Truppencommandanten, einen Officier, ich möchte fast sagen, auch nur einen Soldaten zu nennen, der sich ihm angeschlossen hätte; jeder Marschtag constatirte seine Unmacht mehr.“ Auf die Ereignisse, welche dem Abfall Maroto's vorangingen, übergehend äußerte der Herzog: „Erst proscribirte Don Carlos seinen Feldherrn wegen der Hinrichtung der sechs Generale, dann widerrief er dieß auf die drohende Haltung Maroto's hin, ließ seine eigene Proclamation verbrennen, sanctionirte das Geschehene und verbannte seine vertrautesten Diener. Darüber erstaunte die ganze Welt; in Madrid war die Wirkung furchtbar, der größte Feind hätte jenem Fürsten nichts Schlimmeres zufügen können. Die Freunde des

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[0106/0002] Gouverneur der Insel Mauritius an die Stelle Sir William Nicolay's, dessen neulicher Streit mit den Officieren zweier französischen Schiffe in den Londoner und Pariser Blättern so viel zu reden gab. Im auswärtigen Amte fand heut (6) abermals ein Cabinetsrath statt, zu welchem die Einladungen gleich am Schlusse des gestrigen erlassen worden. Am 6 Januar plaidirte Sir F. Pullock vor den Monmouther Assisen für seinen Clienten Frost in einer Rede, die man als ein Meisterstück forensischer Beredsamkeit betrachtet. Sein Bemühen ging dahin, dem Vorfall in Newport den gesetzlichen Charakter des Hochverraths zu benehmen, ihn in die Classe eines gewöhnlichen Aufstands (riot) ohne klares Bewußtseyn des Zwecks zu stellen und Frosts Theilnahme daran so gering als möglich erscheinen zu lassen. Besonderes Gewicht legte er auf den – sofort auch durch einige Entlastungszeugen bekräftigten – Umstand, daß sich Frost bei mehreren früheren Gelegenheiten ausdrücklich gegen die Anwendung physischer Gewalt ausgesprochen habe, so daß er sich also nur durch eine Art Verblendung in den Versuch auf Newport habe hinreißen lassen. Frost sah an diesem Tage sehr niedergeschlagen aus. Der Spruch der Jury dürfte wahrscheinlich am 7 erfolgt seyn. Dann bleibt aber, wie mehr erwähnt, der von dem Vertheidiger, unter Bezug auf ein Statut der Königin Anna, mit Erfolg urgirte Punkt wegen der Förmlichkeit der Anklage zu entscheiden, bevor auf das etwaige „Schuldig“ der Jury von den Richtern das gesetzliche Strafmaaß gegen Frost verhängt werden kann. Wohl zu bemerken, wird der Punkt nach Pullocks Ansicht entschieden, so fällt die Hochverrathsanklage nicht nur gegen Frost, sondern auch gegen seine eilf Mitangeschuldigten zusammen, und sie sind eo ipso freigesprochen, da nach englischem Gesetz Niemand wegen eines und desselben Verbrechens zweimal vor Gericht gestellt werden kann. Doch heißt es, die Regierung würde in diesem Fall Frost und seine Genossen wegen anderer Vorgänge, Theilnahme an aufrührerischen Versammlungen etc., auf „sedition“ und „riot“ verfolgen lassen. – Der bekannte Geistliche Stephens sitzt, mit mehreren andern Chartisten, noch immer als Gefangener auf dem Schlosse zu Chester, wo er ziemlich hart gehalten wird. Er scheint übrigens von seiner politischen Schwärmerei großentheils geheilt zu seyn. Die North Midland- (d. h. nordwärts durch des Landes Mitte führende) Eisenbahn wird bis Mai oder Junius bis Leeds fertig seyn, und die große nordenglische Eisenbahn (Great North of England Railway) bis zum Herbst zwischen York und Darlington eröffnet werden. Von London nach Newcastle kann man dann in Einem Tage gelangen. Frankreich. Paris, 9 Jan. Am 8 Jan., um acht Uhr Abends, ward die große Deputation der Pairskammer, die beauftragt war, dem Könige die Antwortsadresse der Pairskammer auf die Thronrede vorzulegen, von Sr. Maj. empfangen. Der Kanzler von Frankreich, Baron Pasquier, Präsident der Pairskammer, verlas dieselbe. Der König antwortete darauf: „Die in dieser Adresse ausgedrückten Gesinnungen haben mein Herz mit Freude erfüllt, Ich danke Ihnen dafür sowohl für mich als alle die Meinigen. Die enge Vereinigung der Staatsgewalten, wovon Sie mir neue Unterpfänder darbringen, macht die große Stärke unserer Institutionen und die Entmuthigung derer aus, die noch den Untergang derselben träumen können. Diese wohlthätige Vereinigung gibt allen Wohlgesinnten Vertrauen, die nur die Ruhe und die Wohlfahrt Frankreichs unter der beschützenden Aegide der constitutionellen Monarchie wünschen. Ihre edle Sprache, welche diese Wahrheit ausdrückt, bezeugt die loyale Wirkung, die ich von Ihnen erwartete, und die Sie meiner Regierung für die Interessen des Landes beständig gewährt haben.“ Der Constitutionnel behauptet, es scheine jetzt gewiß, daß der Bischof von Arras das Erzbisthum von Paris annehme. Dieser Prälat habe sich endlich den dringenden Bitten des Königs gefügt. (Sitzung der Pairskammer vom 7 Jan.) „Die einzige merkwürdige Rede in dieser Sitzung – sagt das Journal des Débats – war die des Herzogs von Fezensac über Spanien. Auf das Klarste bewies dieser ehemalige Botschafter Frankreichs in Madrid, daß der Triumph des Don Carlos unmöglich war. Nachdem wir diese Rede gelesen, erklären wir mit mehr Vertrauen, als früher: man darf dem Don Carlos seine Pässe geben. Der Weg, den er einschlagen wird, ist gewiß nicht der nach Spanien.“ Hr. v. Fezensac suchte in seiner Rede besonders die Behauptungen der Freunde des Don Carlos zu widerlegen, daß dessen Unternehmen nur durch Maroto's Verrätherei gescheitert sey. Nicht dieser Abfall seines Generals und seiner Truppen, sondern die Abneigung oder Gleichgültigkeit der großen Mehrzahl der Spanier für seine Sache und die Ermüdung der des Krieges überdrüssig gewordenen baskischen Provinzen habe die Fortschritte des Prätendenten gehindert, und ihn am Ende zur Flucht nach Frankreich gezwungen. Der Redner ging alle Phasen des Kampfes durch. „Die Absolutisten (sagt er) erhoben sich für die Sache des Don Carlos, weil sie einen schwachen König mit absoluter Gewalt wünschen, um unter seinem Namen regieren zu können. Don Carlos war in ihren Augen nur deßhalb legitim, weil seine Politik ihnen günstig war; auch außerhalb Spaniens zählte jener Prinz nur aus diesem Grunde viele Anhänger. Aber Don Carlos und die Absolutisten fanden in den großen und reichen Provinzen Spaniens keinen Anklang. Inmitten der anarchischen Wirren, der unaufhörlichen Ministerwechsel, der Cortesauflösungen und der Organisation insurrectioneller Junten wurde doch fast nicht Eine Stimme für Don Carlos laut. Die Einen verlangten eine Constitution, die Andern eine Aenderung der Regentschaft, aber Niemand die Thronbesteigung des Prätendenten. Die Carlisten glaubten, es sey Furcht oder Unentschlossenheit, die ihre Anhänger abhalte, sich in den innern Provinzen zu erheben. Sie schickten daher Gomez mit 5000 Mann ab, damit die Freunde ihrer Sache sich um ihn schaarten. Aber Gomez, der Spanien durchzog, traf überall nur Gleichgültigkeit oder Widerstand, und kehrte unverrichteter Sache nach dem Baskenland zurück. Dasselbe Loos hatte der Prätendent selbst, als er 1837 an der Spitze eines Heerhaufens Catalonien, Aragonien, Valencia durchzog und sich bis in die Nähe von Madrid wagte. Ich fordere meine Gegner auf, mir eine Stadt oder auch nur ein Fort, groß oder klein, zu nennen, welches Don Carlos seine Thore geöffnet hätte; ich fordere sie auf, mir einen Truppencommandanten, einen Officier, ich möchte fast sagen, auch nur einen Soldaten zu nennen, der sich ihm angeschlossen hätte; jeder Marschtag constatirte seine Unmacht mehr.“ Auf die Ereignisse, welche dem Abfall Maroto's vorangingen, übergehend äußerte der Herzog: „Erst proscribirte Don Carlos seinen Feldherrn wegen der Hinrichtung der sechs Generale, dann widerrief er dieß auf die drohende Haltung Maroto's hin, ließ seine eigene Proclamation verbrennen, sanctionirte das Geschehene und verbannte seine vertrautesten Diener. Darüber erstaunte die ganze Welt; in Madrid war die Wirkung furchtbar, der größte Feind hätte jenem Fürsten nichts Schlimmeres zufügen können. Die Freunde des

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 14. Augsburg, 14. Januar 1840, S. 0106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_014_18400114/2>, abgerufen am 24.04.2024.