Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 4. Augsburg, 4. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite


Rußland sollte, meinen wir, Paris nicht wie Konstantinopel behandeln wollen.

Ein Journal sagt, die HH. Thiers und Guizot hätten sich am 28 Dec. Abends mit einander in die Tuilerien begeben. Andrerseits liest man in der Presse: "Wenn man dem, was der Minister des Innern sagt, glauben will, so wäre der Wiedereintritt des Hrn. Thiers ins Ministerium in Folge der wichtigsten Beweggründe unmöglich geworden. Hr. Duchatel ließ diese Beweggründe durchblicken, fügte aber bei, daß seine Stellung als Minister des Innern ihm keine nähere Erläuterung gestatte. Dieß heißt zu viel und zu wenig sagen." Darauf antwortet nun aber der Moniteur sogleich: "Die Aeußerungen, welche das Journal la Presse diesen Morgen dem Minister des Innern in Bezug auf Hrn. Thiers zuschreibt, sind eine jener täglichen Erfindungen, denen immer speciell zu widersprechen fruchtlos wäre. Wir sind inzwischen ermächtigt zu versichern, daß die Sprache des Ministers des Innern nie den geringsten Vorwand zu etwas diesem Aehnlichen geliefert hat."

Das Assisengericht von Rennes hat nach zwölftägigen Verhandlungen in der Nacht vom 24 Dec. um 1 Uhr Morgens in dem Processe wegen der in der Stadt Dol der freien Verführung des Getreides entgegengesetzten Hemmnisse sein Urtheil gesprochen. Die Jury hatte auf 406 Fragen zu antworten, welche 30 Angeklagte betrafen. 14 wurden freigesprochen, 16 verurtheilt, einer zu fünfjähriger Haft, ein anderer zu vierjähriger, sechs zu halbjähriger und einer Geldbuße von 50 Fr., drei zu dreimonatlicher Haft und 50 Fr. Geldbuße, zwei nur zu 100 Fr. Geldbuße.

Die Erneuerung der Hälfte der Mitglieder der Municipalräthe wird in allen Gemeinden Frankreichs in den ersten Monaten von 1840 stattfinden.

Ein Schreiben aus Constantine vom 16 Dec. im Journal des Debats meldet, daß die fünf, wegen ihres Briefwechsels mit Achmet Bey zum Tode verurtheilten Araber auf die Verwendung des Herzogs von Orleans begnadigt und in Freiheit gesetzt worden seyen. General Galbois machte diese Amnestie am dritten Tage des Beiramfestes in Gegenwart der Ulemas, Khalifas, Kaids und anderer Beamten bekannt. Die Eingebornen bezeugten laut ihre Freude darüber, und die Khalifas sagten dem General, von ihren drei Festtagen sey dieser der schönste gewesen. In der Stadt sollen viele Muselmänner, sogar Weiber, auf die Gesundheit der Franzosen und den Sieg ihrer Waffen getrunken haben!

(Precurseur d'Anvers.) Wir erhalten über den Vorfall bei der Insel Mauritius neue sehr interessante Details, und haben die Freude, den Dünkirchern zu melden, daß der französische Lieutenant, welcher an den englischen Capitän eine Ausforderung schickte, der junge Jean-Bart, erster Lieutenant am Bord der Isere ist, welcher, von seiner Reise zurück, in Brest angekommen. Der französische Charakter zeigte bei dieser Gelegenheit all' seine schönen Seiten: Muth, redlichen Sinn und Heiterkeit. Während die Engländer die Sache ernst aufnahmen, und an der Küste der Insel Mauritius eine bedeutende Streitmacht entwickelten, machten die Franzosen, ohne sich um die brennenden Lunten, mit denen man sie einschüchtern wollte, zu kümmern, am Steuerruder die nöthigen Reparaturen, und statt der englischen Flagge, welche man ihnen aufzupflanzen befahl, steckten sie die große Kampfflagge auf, und bedeckten die übrigen Masten mit dreifarbigen Flaggen, welche auf die Einwohner von Mauritius, die im Innersten noch so gut französisch sind, eine außerordentliche Wirkung machten. Diesen Insulanern stieg ganz besonders ein Klagelied in den Kopf, welches ein Mastwächter der Isere bei dieser Gelegenheit dichtete, und das auf dem Eiland sogleich in Umlauf kam. Wenn wir dieses Lied, welches wir vor uns liegen haben, nicht veröffentlichen, so geschieht es nur, weil dasselbe in einem Geist und in einer Weise geschrieben ist, welche es sogleich populär machen, und die Erbitterung der englischen Nation nur vermehren würde.

Wollen Sie ein erstes übersichtliches Bild der Kammersession haben? Nichts ist leichter: Plan, Farbe und gewisse Fahne erblicken wir nirgends. Bis jetzt hat keine der Oppositionsseiten in der Kammer Aussicht auf eine Mehrheit, oder nur auf ein entscheidendes Gewicht; die Zerstückelung, die Zerrissenheit in Haltung und Meinung, die der Opposition in den vorhergehenden Sitzungen eigen war, und ihre Bestrebungen lähmte, scheint sie auch dießmal zu verfolgen. Und wie könnte dieß anders seyn? der wichtigste, der bekannteste Theil der Opposition, die Linke, wird sie nicht von einem Manne geleitet, Odilon-Barrot, der selbst in seiner Politik nie einen sichern Leitstern hatte, so wenig als seine Ideen Klarheit, sein Wollen einen bestimmten Zweck! Die Rede Sauzets auf dem Präsidentenstuhle beleidigt Niemanden, denn sie spricht von Wenigem, und sagt gar nichts: Hr. Sauzet hat sich selbst übertroffen. In den verschiedenen Bureaux sind Aeußerungen gemacht worden, die als Vorboten dessen, was später in der Kammer vorkommen wird, betrachtet werden können: Algier! Algier! tönt es von allen Bänken. Algier! erwiedert das Ministerium, und liest seine Siegesnachrichten, die mit etwas hyberbolischer Ausschmückung abgefaßt sind. Auch die Rabenstimme Desjoberts hat sich vernehmen lassen: er wirft der Regierung vor, daß sie seit 1830 nichts wahrhaft Nützliches in der afrikanischen Colonie gegründet, und namentlich daß man die Abwesenheit Abd-El-Kaders benützt habe, um einen District wegzunehmen, wodurch der neue Krieg entstanden sey. Ueber diese Punkte werden wir hoffentlich bestimmte Thatsache erfahren. Auffallend ist, daß dieser Angriff Desjoberts keine ausdrückliche Zurechtweisung gefunden hat. Auch Dupin, der selige Kammerpräsident, hat geredet, und die Regierung zur größten Energie gegen Abd-El-Kader aufgefordert; nichts steht dem wortreichen Gegner des Zweikampfes anmuthiger, als von Schlacht und Muth, Krieg und Blut zu sprechen, doch liebt er hier eine angemessene Ferne. Bemerken Sie die wichtige Nachricht: der Finanzminister hat ausdrücklich versprochen, ein Gesetz über die Rentenverminderung vorzulegen; von der Commission des Gesetzvorschlages über den Aemtererkauf nichts; von dem Gesetz über die Competenz der Pairskammer als Gerichtshof vorerst nichts, weil es unanständig wäre, davon zu reden in einem Augenblick, wo die Kammer kraft dieser Competenz, die man ihr bestreitet, Sitzung hält. Und wann? fragt eine zudringliche Stimme; ich glaube die von Isambert; Stillschweigen von Seite des Hrn. Dufaure. Ueberhaupt war dieser Minister nicht glücklich in seinen Antworten. Er rühmte sich der größeren Energie des neuen Ministeriums in den spanischen Angelegenheiten, wo es dem Espartero mit Rath an die Hand gegangen sey, und den Prätendenten bis zum Ende des Bürgerkriegs in Frankreich zurück halte, und als Thiers ihn fragte, ob er diese Thatsachen, die bedeutend seyen, auf der Rednerbühne wiederholen werde, zog er sich mit unzufriedenem Stillschweigen zurück. Ich hätte Ihnen wohl auch noch von Bugeaud erzählen können, der den Kriegsminister angriff, und ihm die Mißgeschicke in Algier zu Last legte; aber wer wird mit einigem Ernst auf die Klagen Bugeauds in der afrikanischen Angelegenheit hören wollen? Das Endresultat ist die Commission


Rußland sollte, meinen wir, Paris nicht wie Konstantinopel behandeln wollen.

Ein Journal sagt, die HH. Thiers und Guizot hätten sich am 28 Dec. Abends mit einander in die Tuilerien begeben. Andrerseits liest man in der Presse: „Wenn man dem, was der Minister des Innern sagt, glauben will, so wäre der Wiedereintritt des Hrn. Thiers ins Ministerium in Folge der wichtigsten Beweggründe unmöglich geworden. Hr. Duchatel ließ diese Beweggründe durchblicken, fügte aber bei, daß seine Stellung als Minister des Innern ihm keine nähere Erläuterung gestatte. Dieß heißt zu viel und zu wenig sagen.“ Darauf antwortet nun aber der Moniteur sogleich: „Die Aeußerungen, welche das Journal la Presse diesen Morgen dem Minister des Innern in Bezug auf Hrn. Thiers zuschreibt, sind eine jener täglichen Erfindungen, denen immer speciell zu widersprechen fruchtlos wäre. Wir sind inzwischen ermächtigt zu versichern, daß die Sprache des Ministers des Innern nie den geringsten Vorwand zu etwas diesem Aehnlichen geliefert hat.“

Das Assisengericht von Rennes hat nach zwölftägigen Verhandlungen in der Nacht vom 24 Dec. um 1 Uhr Morgens in dem Processe wegen der in der Stadt Dol der freien Verführung des Getreides entgegengesetzten Hemmnisse sein Urtheil gesprochen. Die Jury hatte auf 406 Fragen zu antworten, welche 30 Angeklagte betrafen. 14 wurden freigesprochen, 16 verurtheilt, einer zu fünfjähriger Haft, ein anderer zu vierjähriger, sechs zu halbjähriger und einer Geldbuße von 50 Fr., drei zu dreimonatlicher Haft und 50 Fr. Geldbuße, zwei nur zu 100 Fr. Geldbuße.

Die Erneuerung der Hälfte der Mitglieder der Municipalräthe wird in allen Gemeinden Frankreichs in den ersten Monaten von 1840 stattfinden.

Ein Schreiben aus Constantine vom 16 Dec. im Journal des Débats meldet, daß die fünf, wegen ihres Briefwechsels mit Achmet Bey zum Tode verurtheilten Araber auf die Verwendung des Herzogs von Orleans begnadigt und in Freiheit gesetzt worden seyen. General Galbois machte diese Amnestie am dritten Tage des Beiramfestes in Gegenwart der Ulemas, Khalifas, Kaids und anderer Beamten bekannt. Die Eingebornen bezeugten laut ihre Freude darüber, und die Khalifas sagten dem General, von ihren drei Festtagen sey dieser der schönste gewesen. In der Stadt sollen viele Muselmänner, sogar Weiber, auf die Gesundheit der Franzosen und den Sieg ihrer Waffen getrunken haben!

(Précurseur d'Anvers.) Wir erhalten über den Vorfall bei der Insel Mauritius neue sehr interessante Details, und haben die Freude, den Dünkirchern zu melden, daß der französische Lieutenant, welcher an den englischen Capitän eine Ausforderung schickte, der junge Jean-Bart, erster Lieutenant am Bord der Isère ist, welcher, von seiner Reise zurück, in Brest angekommen. Der französische Charakter zeigte bei dieser Gelegenheit all' seine schönen Seiten: Muth, redlichen Sinn und Heiterkeit. Während die Engländer die Sache ernst aufnahmen, und an der Küste der Insel Mauritius eine bedeutende Streitmacht entwickelten, machten die Franzosen, ohne sich um die brennenden Lunten, mit denen man sie einschüchtern wollte, zu kümmern, am Steuerruder die nöthigen Reparaturen, und statt der englischen Flagge, welche man ihnen aufzupflanzen befahl, steckten sie die große Kampfflagge auf, und bedeckten die übrigen Masten mit dreifarbigen Flaggen, welche auf die Einwohner von Mauritius, die im Innersten noch so gut französisch sind, eine außerordentliche Wirkung machten. Diesen Insulanern stieg ganz besonders ein Klagelied in den Kopf, welches ein Mastwächter der Isère bei dieser Gelegenheit dichtete, und das auf dem Eiland sogleich in Umlauf kam. Wenn wir dieses Lied, welches wir vor uns liegen haben, nicht veröffentlichen, so geschieht es nur, weil dasselbe in einem Geist und in einer Weise geschrieben ist, welche es sogleich populär machen, und die Erbitterung der englischen Nation nur vermehren würde.

Wollen Sie ein erstes übersichtliches Bild der Kammersession haben? Nichts ist leichter: Plan, Farbe und gewisse Fahne erblicken wir nirgends. Bis jetzt hat keine der Oppositionsseiten in der Kammer Aussicht auf eine Mehrheit, oder nur auf ein entscheidendes Gewicht; die Zerstückelung, die Zerrissenheit in Haltung und Meinung, die der Opposition in den vorhergehenden Sitzungen eigen war, und ihre Bestrebungen lähmte, scheint sie auch dießmal zu verfolgen. Und wie könnte dieß anders seyn? der wichtigste, der bekannteste Theil der Opposition, die Linke, wird sie nicht von einem Manne geleitet, Odilon-Barrot, der selbst in seiner Politik nie einen sichern Leitstern hatte, so wenig als seine Ideen Klarheit, sein Wollen einen bestimmten Zweck! Die Rede Sauzets auf dem Präsidentenstuhle beleidigt Niemanden, denn sie spricht von Wenigem, und sagt gar nichts: Hr. Sauzet hat sich selbst übertroffen. In den verschiedenen Bureaux sind Aeußerungen gemacht worden, die als Vorboten dessen, was später in der Kammer vorkommen wird, betrachtet werden können: Algier! Algier! tönt es von allen Bänken. Algier! erwiedert das Ministerium, und liest seine Siegesnachrichten, die mit etwas hyberbolischer Ausschmückung abgefaßt sind. Auch die Rabenstimme Desjoberts hat sich vernehmen lassen: er wirft der Regierung vor, daß sie seit 1830 nichts wahrhaft Nützliches in der afrikanischen Colonie gegründet, und namentlich daß man die Abwesenheit Abd-El-Kaders benützt habe, um einen District wegzunehmen, wodurch der neue Krieg entstanden sey. Ueber diese Punkte werden wir hoffentlich bestimmte Thatsache erfahren. Auffallend ist, daß dieser Angriff Desjoberts keine ausdrückliche Zurechtweisung gefunden hat. Auch Dupin, der selige Kammerpräsident, hat geredet, und die Regierung zur größten Energie gegen Abd-El-Kader aufgefordert; nichts steht dem wortreichen Gegner des Zweikampfes anmuthiger, als von Schlacht und Muth, Krieg und Blut zu sprechen, doch liebt er hier eine angemessene Ferne. Bemerken Sie die wichtige Nachricht: der Finanzminister hat ausdrücklich versprochen, ein Gesetz über die Rentenverminderung vorzulegen; von der Commission des Gesetzvorschlages über den Aemtererkauf nichts; von dem Gesetz über die Competenz der Pairskammer als Gerichtshof vorerst nichts, weil es unanständig wäre, davon zu reden in einem Augenblick, wo die Kammer kraft dieser Competenz, die man ihr bestreitet, Sitzung hält. Und wann? fragt eine zudringliche Stimme; ich glaube die von Isambert; Stillschweigen von Seite des Hrn. Dufaure. Ueberhaupt war dieser Minister nicht glücklich in seinen Antworten. Er rühmte sich der größeren Energie des neuen Ministeriums in den spanischen Angelegenheiten, wo es dem Espartero mit Rath an die Hand gegangen sey, und den Prätendenten bis zum Ende des Bürgerkriegs in Frankreich zurück halte, und als Thiers ihn fragte, ob er diese Thatsachen, die bedeutend seyen, auf der Rednerbühne wiederholen werde, zog er sich mit unzufriedenem Stillschweigen zurück. Ich hätte Ihnen wohl auch noch von Bugeaud erzählen können, der den Kriegsminister angriff, und ihm die Mißgeschicke in Algier zu Last legte; aber wer wird mit einigem Ernst auf die Klagen Bugeauds in der afrikanischen Angelegenheit hören wollen? Das Endresultat ist die Commission

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0003" n="0027"/><lb/>
Rußland sollte, meinen wir, Paris nicht wie Konstantinopel behandeln wollen.</p><lb/>
          <p>Ein Journal sagt, die HH. Thiers und Guizot hätten sich am 28 Dec. Abends mit einander in die Tuilerien begeben. Andrerseits liest man in der <hi rendition="#g">Presse</hi>: &#x201E;Wenn man dem, was der Minister des Innern sagt, glauben will, so wäre der Wiedereintritt des Hrn. Thiers ins Ministerium in Folge der wichtigsten Beweggründe unmöglich geworden. Hr. Duchatel ließ diese Beweggründe durchblicken, fügte aber bei, daß seine Stellung als Minister des Innern ihm keine nähere Erläuterung gestatte. Dieß heißt zu viel und zu wenig sagen.&#x201C; Darauf antwortet nun aber der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> sogleich: &#x201E;Die Aeußerungen, welche das Journal la Presse diesen Morgen dem Minister des Innern in Bezug auf Hrn. Thiers zuschreibt, sind eine jener täglichen Erfindungen, denen immer speciell zu widersprechen fruchtlos wäre. Wir sind inzwischen ermächtigt zu versichern, daß die Sprache des Ministers des Innern nie den geringsten Vorwand zu etwas diesem Aehnlichen geliefert hat.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das Assisengericht von Rennes hat nach zwölftägigen Verhandlungen in der Nacht vom 24 Dec. um 1 Uhr Morgens in dem Processe wegen der in der Stadt Dol der freien Verführung des Getreides entgegengesetzten Hemmnisse sein Urtheil gesprochen. Die Jury hatte auf 406 Fragen zu antworten, welche 30 Angeklagte betrafen. 14 wurden freigesprochen, 16 verurtheilt, einer zu fünfjähriger Haft, ein anderer zu vierjähriger, sechs zu halbjähriger und einer Geldbuße von 50 Fr., drei zu dreimonatlicher Haft und 50 Fr. Geldbuße, zwei nur zu 100 Fr. Geldbuße.</p><lb/>
          <p>Die Erneuerung der Hälfte der Mitglieder der Municipalräthe wird in allen Gemeinden Frankreichs in den ersten Monaten von 1840 stattfinden.</p><lb/>
          <p>Ein Schreiben aus <hi rendition="#b">Constantine</hi> vom 16 Dec. im <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi> meldet, daß die fünf, wegen ihres Briefwechsels mit Achmet Bey zum Tode verurtheilten Araber auf die Verwendung des Herzogs von Orleans begnadigt und in Freiheit gesetzt worden seyen. General Galbois machte diese Amnestie am dritten Tage des Beiramfestes in Gegenwart der Ulemas, Khalifas, Kaids und anderer Beamten bekannt. Die Eingebornen bezeugten laut ihre Freude darüber, und die Khalifas sagten dem General, von ihren drei Festtagen sey dieser der schönste gewesen. In der Stadt sollen viele Muselmänner, sogar Weiber, auf die Gesundheit der Franzosen und den Sieg ihrer Waffen getrunken haben!</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Précurseur</hi> d'<hi rendition="#g">Anvers</hi>.) Wir erhalten über den Vorfall bei der Insel Mauritius neue sehr interessante Details, und haben die Freude, den Dünkirchern zu melden, daß der französische Lieutenant, welcher an den englischen Capitän eine Ausforderung schickte, der junge Jean-Bart, erster Lieutenant am Bord der <hi rendition="#g">Isère</hi> ist, welcher, von seiner Reise zurück, in Brest angekommen. Der französische Charakter zeigte bei dieser Gelegenheit all' seine schönen Seiten: Muth, redlichen Sinn und Heiterkeit. Während die Engländer die Sache ernst aufnahmen, und an der Küste der Insel Mauritius eine bedeutende Streitmacht entwickelten, machten die Franzosen, ohne sich um die brennenden Lunten, mit denen man sie einschüchtern wollte, zu kümmern, am Steuerruder die nöthigen Reparaturen, und statt der englischen Flagge, welche man ihnen aufzupflanzen befahl, steckten sie die große Kampfflagge auf, und bedeckten die übrigen Masten mit dreifarbigen Flaggen, welche auf die Einwohner von Mauritius, die im Innersten noch so gut französisch sind, eine außerordentliche Wirkung machten. Diesen Insulanern stieg ganz besonders ein Klagelied in den Kopf, welches ein Mastwächter der Isère bei dieser Gelegenheit dichtete, und das auf dem Eiland sogleich in Umlauf kam. Wenn wir dieses Lied, welches wir vor uns liegen haben, nicht veröffentlichen, so geschieht es nur, weil dasselbe in einem Geist und in einer Weise geschrieben ist, welche es sogleich populär machen, und die Erbitterung der englischen Nation nur vermehren würde.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>=</byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 29 Dec.</dateline>
          <p> Wollen Sie ein erstes übersichtliches Bild der Kammersession haben? Nichts ist leichter: Plan, Farbe und gewisse Fahne erblicken wir nirgends. Bis jetzt hat keine der Oppositionsseiten in der Kammer Aussicht auf eine Mehrheit, oder nur auf ein entscheidendes Gewicht; die Zerstückelung, die Zerrissenheit in Haltung und Meinung, die der Opposition in den vorhergehenden Sitzungen eigen war, und ihre Bestrebungen lähmte, scheint sie auch dießmal zu verfolgen. Und wie könnte dieß anders seyn? der wichtigste, der bekannteste Theil der Opposition, die Linke, wird sie nicht von einem Manne geleitet, Odilon-Barrot, der selbst in seiner Politik nie einen sichern Leitstern hatte, so wenig als seine Ideen Klarheit, sein Wollen einen bestimmten Zweck! Die Rede Sauzets auf dem Präsidentenstuhle beleidigt Niemanden, denn sie spricht von Wenigem, und sagt gar nichts: Hr. Sauzet hat sich selbst übertroffen. In den verschiedenen Bureaux sind Aeußerungen gemacht worden, die als Vorboten dessen, was später in der Kammer vorkommen wird, betrachtet werden können: Algier! Algier! tönt es von allen Bänken. Algier! erwiedert das Ministerium, und liest seine Siegesnachrichten, die mit etwas hyberbolischer Ausschmückung abgefaßt sind. Auch die Rabenstimme Desjoberts hat sich vernehmen lassen: er wirft der Regierung vor, daß sie seit 1830 nichts wahrhaft Nützliches in der afrikanischen Colonie gegründet, und namentlich daß man die Abwesenheit Abd-El-Kaders benützt habe, um einen District wegzunehmen, wodurch der neue Krieg entstanden sey. Ueber diese Punkte werden wir hoffentlich bestimmte Thatsache erfahren. Auffallend ist, daß dieser Angriff Desjoberts keine ausdrückliche Zurechtweisung gefunden hat. Auch Dupin, der selige Kammerpräsident, hat geredet, und die Regierung zur größten Energie gegen Abd-El-Kader aufgefordert; nichts steht dem wortreichen Gegner des Zweikampfes anmuthiger, als von Schlacht und Muth, Krieg und Blut zu sprechen, doch liebt er hier eine angemessene Ferne. Bemerken Sie die wichtige Nachricht: der Finanzminister hat ausdrücklich versprochen, ein Gesetz über die Rentenverminderung vorzulegen; von der Commission des Gesetzvorschlages über den Aemtererkauf nichts; von dem Gesetz über die Competenz der Pairskammer als Gerichtshof <hi rendition="#g">vorerst</hi> nichts, weil es unanständig wäre, davon zu reden in einem Augenblick, wo die Kammer kraft dieser Competenz, die man ihr bestreitet, Sitzung hält. Und wann? fragt eine zudringliche Stimme; ich glaube die von Isambert; Stillschweigen von Seite des Hrn. Dufaure. Ueberhaupt war dieser Minister nicht glücklich in seinen Antworten. Er rühmte sich der größeren Energie des neuen Ministeriums in den spanischen Angelegenheiten, wo es dem Espartero mit Rath an die Hand gegangen sey, und den Prätendenten bis zum Ende des Bürgerkriegs in Frankreich zurück halte, und als Thiers ihn fragte, ob er diese Thatsachen, die bedeutend seyen, auf der Rednerbühne wiederholen werde, zog er sich mit unzufriedenem Stillschweigen zurück. Ich hätte Ihnen wohl auch noch von Bugeaud erzählen können, der den Kriegsminister angriff, und ihm die Mißgeschicke in Algier zu Last legte; aber wer wird mit einigem Ernst auf die Klagen Bugeauds in der afrikanischen Angelegenheit hören wollen? Das Endresultat ist die Commission<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0027/0003] Rußland sollte, meinen wir, Paris nicht wie Konstantinopel behandeln wollen. Ein Journal sagt, die HH. Thiers und Guizot hätten sich am 28 Dec. Abends mit einander in die Tuilerien begeben. Andrerseits liest man in der Presse: „Wenn man dem, was der Minister des Innern sagt, glauben will, so wäre der Wiedereintritt des Hrn. Thiers ins Ministerium in Folge der wichtigsten Beweggründe unmöglich geworden. Hr. Duchatel ließ diese Beweggründe durchblicken, fügte aber bei, daß seine Stellung als Minister des Innern ihm keine nähere Erläuterung gestatte. Dieß heißt zu viel und zu wenig sagen.“ Darauf antwortet nun aber der Moniteur sogleich: „Die Aeußerungen, welche das Journal la Presse diesen Morgen dem Minister des Innern in Bezug auf Hrn. Thiers zuschreibt, sind eine jener täglichen Erfindungen, denen immer speciell zu widersprechen fruchtlos wäre. Wir sind inzwischen ermächtigt zu versichern, daß die Sprache des Ministers des Innern nie den geringsten Vorwand zu etwas diesem Aehnlichen geliefert hat.“ Das Assisengericht von Rennes hat nach zwölftägigen Verhandlungen in der Nacht vom 24 Dec. um 1 Uhr Morgens in dem Processe wegen der in der Stadt Dol der freien Verführung des Getreides entgegengesetzten Hemmnisse sein Urtheil gesprochen. Die Jury hatte auf 406 Fragen zu antworten, welche 30 Angeklagte betrafen. 14 wurden freigesprochen, 16 verurtheilt, einer zu fünfjähriger Haft, ein anderer zu vierjähriger, sechs zu halbjähriger und einer Geldbuße von 50 Fr., drei zu dreimonatlicher Haft und 50 Fr. Geldbuße, zwei nur zu 100 Fr. Geldbuße. Die Erneuerung der Hälfte der Mitglieder der Municipalräthe wird in allen Gemeinden Frankreichs in den ersten Monaten von 1840 stattfinden. Ein Schreiben aus Constantine vom 16 Dec. im Journal des Débats meldet, daß die fünf, wegen ihres Briefwechsels mit Achmet Bey zum Tode verurtheilten Araber auf die Verwendung des Herzogs von Orleans begnadigt und in Freiheit gesetzt worden seyen. General Galbois machte diese Amnestie am dritten Tage des Beiramfestes in Gegenwart der Ulemas, Khalifas, Kaids und anderer Beamten bekannt. Die Eingebornen bezeugten laut ihre Freude darüber, und die Khalifas sagten dem General, von ihren drei Festtagen sey dieser der schönste gewesen. In der Stadt sollen viele Muselmänner, sogar Weiber, auf die Gesundheit der Franzosen und den Sieg ihrer Waffen getrunken haben! (Précurseur d'Anvers.) Wir erhalten über den Vorfall bei der Insel Mauritius neue sehr interessante Details, und haben die Freude, den Dünkirchern zu melden, daß der französische Lieutenant, welcher an den englischen Capitän eine Ausforderung schickte, der junge Jean-Bart, erster Lieutenant am Bord der Isère ist, welcher, von seiner Reise zurück, in Brest angekommen. Der französische Charakter zeigte bei dieser Gelegenheit all' seine schönen Seiten: Muth, redlichen Sinn und Heiterkeit. Während die Engländer die Sache ernst aufnahmen, und an der Küste der Insel Mauritius eine bedeutende Streitmacht entwickelten, machten die Franzosen, ohne sich um die brennenden Lunten, mit denen man sie einschüchtern wollte, zu kümmern, am Steuerruder die nöthigen Reparaturen, und statt der englischen Flagge, welche man ihnen aufzupflanzen befahl, steckten sie die große Kampfflagge auf, und bedeckten die übrigen Masten mit dreifarbigen Flaggen, welche auf die Einwohner von Mauritius, die im Innersten noch so gut französisch sind, eine außerordentliche Wirkung machten. Diesen Insulanern stieg ganz besonders ein Klagelied in den Kopf, welches ein Mastwächter der Isère bei dieser Gelegenheit dichtete, und das auf dem Eiland sogleich in Umlauf kam. Wenn wir dieses Lied, welches wir vor uns liegen haben, nicht veröffentlichen, so geschieht es nur, weil dasselbe in einem Geist und in einer Weise geschrieben ist, welche es sogleich populär machen, und die Erbitterung der englischen Nation nur vermehren würde. = Paris, 29 Dec. Wollen Sie ein erstes übersichtliches Bild der Kammersession haben? Nichts ist leichter: Plan, Farbe und gewisse Fahne erblicken wir nirgends. Bis jetzt hat keine der Oppositionsseiten in der Kammer Aussicht auf eine Mehrheit, oder nur auf ein entscheidendes Gewicht; die Zerstückelung, die Zerrissenheit in Haltung und Meinung, die der Opposition in den vorhergehenden Sitzungen eigen war, und ihre Bestrebungen lähmte, scheint sie auch dießmal zu verfolgen. Und wie könnte dieß anders seyn? der wichtigste, der bekannteste Theil der Opposition, die Linke, wird sie nicht von einem Manne geleitet, Odilon-Barrot, der selbst in seiner Politik nie einen sichern Leitstern hatte, so wenig als seine Ideen Klarheit, sein Wollen einen bestimmten Zweck! Die Rede Sauzets auf dem Präsidentenstuhle beleidigt Niemanden, denn sie spricht von Wenigem, und sagt gar nichts: Hr. Sauzet hat sich selbst übertroffen. In den verschiedenen Bureaux sind Aeußerungen gemacht worden, die als Vorboten dessen, was später in der Kammer vorkommen wird, betrachtet werden können: Algier! Algier! tönt es von allen Bänken. Algier! erwiedert das Ministerium, und liest seine Siegesnachrichten, die mit etwas hyberbolischer Ausschmückung abgefaßt sind. Auch die Rabenstimme Desjoberts hat sich vernehmen lassen: er wirft der Regierung vor, daß sie seit 1830 nichts wahrhaft Nützliches in der afrikanischen Colonie gegründet, und namentlich daß man die Abwesenheit Abd-El-Kaders benützt habe, um einen District wegzunehmen, wodurch der neue Krieg entstanden sey. Ueber diese Punkte werden wir hoffentlich bestimmte Thatsache erfahren. Auffallend ist, daß dieser Angriff Desjoberts keine ausdrückliche Zurechtweisung gefunden hat. Auch Dupin, der selige Kammerpräsident, hat geredet, und die Regierung zur größten Energie gegen Abd-El-Kader aufgefordert; nichts steht dem wortreichen Gegner des Zweikampfes anmuthiger, als von Schlacht und Muth, Krieg und Blut zu sprechen, doch liebt er hier eine angemessene Ferne. Bemerken Sie die wichtige Nachricht: der Finanzminister hat ausdrücklich versprochen, ein Gesetz über die Rentenverminderung vorzulegen; von der Commission des Gesetzvorschlages über den Aemtererkauf nichts; von dem Gesetz über die Competenz der Pairskammer als Gerichtshof vorerst nichts, weil es unanständig wäre, davon zu reden in einem Augenblick, wo die Kammer kraft dieser Competenz, die man ihr bestreitet, Sitzung hält. Und wann? fragt eine zudringliche Stimme; ich glaube die von Isambert; Stillschweigen von Seite des Hrn. Dufaure. Ueberhaupt war dieser Minister nicht glücklich in seinen Antworten. Er rühmte sich der größeren Energie des neuen Ministeriums in den spanischen Angelegenheiten, wo es dem Espartero mit Rath an die Hand gegangen sey, und den Prätendenten bis zum Ende des Bürgerkriegs in Frankreich zurück halte, und als Thiers ihn fragte, ob er diese Thatsachen, die bedeutend seyen, auf der Rednerbühne wiederholen werde, zog er sich mit unzufriedenem Stillschweigen zurück. Ich hätte Ihnen wohl auch noch von Bugeaud erzählen können, der den Kriegsminister angriff, und ihm die Mißgeschicke in Algier zu Last legte; aber wer wird mit einigem Ernst auf die Klagen Bugeauds in der afrikanischen Angelegenheit hören wollen? Das Endresultat ist die Commission

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_004_18400104
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_004_18400104/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 4. Augsburg, 4. Januar 1840, S. 0027. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_004_18400104/3>, abgerufen am 25.04.2024.