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Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

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bei irgend einem befreundeten Wesen. Doch alle Gesichter waren ihr fremd -- alles sah sie an mit lauernd kaltem Blick; Niemand tanzte mit ihr, aus Respekt vor dem Prinzen, dessen Gewalt sie ganz anheim gegeben schien, und so Reden ruhig anhören mußte, die ihr das Blut immer heißer in die Wangen trieben. Endlich, als der Prinz sich einen Augenblick entfernt, um ihr ein Glas Eis zu holen, trat ein ernster junger Mann, der Baron Stein zu ihr und bat sie um einen Tanz. Freudig, als sei sie erlöst von einer großen Qual, sah sie ihn an, und schloß sich, als der Prinz wieder eintrat, fester an seinen Arm. Der junge Mann verstand dies stumme Zeichen der Furcht und flüsterte ihr zu: "Vertrauen Sie mir; ich schütze Sie, und müßte ich mein Blut für Sie opfern!" Mit großer Heftigkeit drängte sich der Prinz an den Baron Stein heran -- versuchte auf jede Art, ihn zu reizen -- und gerieth fast außer sich, als er die Ruhe bemerkte, mit der Stein sich selbst bezwang. Den nächsten Tanz eröffnete er wieder mit der Oburn. Unter dem Vorwand, sie müsse sich in einem kühlen Zimmer durchaus etwas erholen,

bei irgend einem befreundeten Wesen. Doch alle Gesichter waren ihr fremd — alles sah sie an mit lauernd kaltem Blick; Niemand tanzte mit ihr, aus Respekt vor dem Prinzen, dessen Gewalt sie ganz anheim gegeben schien, und so Reden ruhig anhören mußte, die ihr das Blut immer heißer in die Wangen trieben. Endlich, als der Prinz sich einen Augenblick entfernt, um ihr ein Glas Eis zu holen, trat ein ernster junger Mann, der Baron Stein zu ihr und bat sie um einen Tanz. Freudig, als sei sie erlöst von einer großen Qual, sah sie ihn an, und schloß sich, als der Prinz wieder eintrat, fester an seinen Arm. Der junge Mann verstand dies stumme Zeichen der Furcht und flüsterte ihr zu: „Vertrauen Sie mir; ich schütze Sie, und müßte ich mein Blut für Sie opfern!“ Mit großer Heftigkeit drängte sich der Prinz an den Baron Stein heran — versuchte auf jede Art, ihn zu reizen — und gerieth fast außer sich, als er die Ruhe bemerkte, mit der Stein sich selbst bezwang. Den nächsten Tanz eröffnete er wieder mit der Oburn. Unter dem Vorwand, sie müsse sich in einem kühlen Zimmer durchaus etwas erholen,

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[55/0067] bei irgend einem befreundeten Wesen. Doch alle Gesichter waren ihr fremd — alles sah sie an mit lauernd kaltem Blick; Niemand tanzte mit ihr, aus Respekt vor dem Prinzen, dessen Gewalt sie ganz anheim gegeben schien, und so Reden ruhig anhören mußte, die ihr das Blut immer heißer in die Wangen trieben. Endlich, als der Prinz sich einen Augenblick entfernt, um ihr ein Glas Eis zu holen, trat ein ernster junger Mann, der Baron Stein zu ihr und bat sie um einen Tanz. Freudig, als sei sie erlöst von einer großen Qual, sah sie ihn an, und schloß sich, als der Prinz wieder eintrat, fester an seinen Arm. Der junge Mann verstand dies stumme Zeichen der Furcht und flüsterte ihr zu: „Vertrauen Sie mir; ich schütze Sie, und müßte ich mein Blut für Sie opfern!“ Mit großer Heftigkeit drängte sich der Prinz an den Baron Stein heran — versuchte auf jede Art, ihn zu reizen — und gerieth fast außer sich, als er die Ruhe bemerkte, mit der Stein sich selbst bezwang. Den nächsten Tanz eröffnete er wieder mit der Oburn. Unter dem Vorwand, sie müsse sich in einem kühlen Zimmer durchaus etwas erholen,

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Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/67>, abgerufen am 24.04.2024.