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Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847.

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unter diesem Atlas schlägt. Ich bin wohl kindisch, daß ich solche Angst habe; doch ich fürchte mich fast, allein in diese Gesellschaft zu gehn. Der heutige Tag steht so bedeutsam vor meiner Seele, als müßte er ein Wendepunkt meines Geschickes sein, der mich unvermeidlich in ein neues Verhängniß hineinreißt." Sinnend und ernst sah sie sich darauf noch einige Sekunden im Spiegel mit prüfendem Blick an -- ließ sich dann die weiße Spitzen-Mantille um den edlen Nacken legen, sprang graziös in den Wagen, und rief mit jugendlich heller Stimme dem Kutscher zu: "Zum Palais des Großfürsten Constantin!"

"Hier saß im Empfangzimmer die Fürstinn auf sammetnem Divan, neben ihr die ältesten und vornehmsten Damen, und hatte für jeden der ankommenden Gäste ein freundlich-gewinnendes Lächeln in Bereitschaft. Doch hinter diesem Lächeln, hinter all' dem Glanz, der sie umgab, lauerte der schadenfrohe Dämon, welcher den Großen dieser Welt auf der Ferse folgt.

Noch am Abend waren die Augen der Fürstinn trübe und geschwollen durch anhaltendes Weinen! Vergebens

unter diesem Atlas schlägt. Ich bin wohl kindisch, daß ich solche Angst habe; doch ich fürchte mich fast, allein in diese Gesellschaft zu gehn. Der heutige Tag steht so bedeutsam vor meiner Seele, als müßte er ein Wendepunkt meines Geschickes sein, der mich unvermeidlich in ein neues Verhängniß hineinreißt.“ Sinnend und ernst sah sie sich darauf noch einige Sekunden im Spiegel mit prüfendem Blick an — ließ sich dann die weiße Spitzen-Mantille um den edlen Nacken legen, sprang graziös in den Wagen, und rief mit jugendlich heller Stimme dem Kutscher zu: „Zum Palais des Großfürsten Constantin!“

„Hier saß im Empfangzimmer die Fürstinn auf sammetnem Divan, neben ihr die ältesten und vornehmsten Damen, und hatte für jeden der ankommenden Gäste ein freundlich-gewinnendes Lächeln in Bereitschaft. Doch hinter diesem Lächeln, hinter all' dem Glanz, der sie umgab, lauerte der schadenfrohe Dämon, welcher den Großen dieser Welt auf der Ferse folgt.

Noch am Abend waren die Augen der Fürstinn trübe und geschwollen durch anhaltendes Weinen! Vergebens

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[47/0059] unter diesem Atlas schlägt. Ich bin wohl kindisch, daß ich solche Angst habe; doch ich fürchte mich fast, allein in diese Gesellschaft zu gehn. Der heutige Tag steht so bedeutsam vor meiner Seele, als müßte er ein Wendepunkt meines Geschickes sein, der mich unvermeidlich in ein neues Verhängniß hineinreißt.“ Sinnend und ernst sah sie sich darauf noch einige Sekunden im Spiegel mit prüfendem Blick an — ließ sich dann die weiße Spitzen-Mantille um den edlen Nacken legen, sprang graziös in den Wagen, und rief mit jugendlich heller Stimme dem Kutscher zu: „Zum Palais des Großfürsten Constantin!“ „Hier saß im Empfangzimmer die Fürstinn auf sammetnem Divan, neben ihr die ältesten und vornehmsten Damen, und hatte für jeden der ankommenden Gäste ein freundlich-gewinnendes Lächeln in Bereitschaft. Doch hinter diesem Lächeln, hinter all' dem Glanz, der sie umgab, lauerte der schadenfrohe Dämon, welcher den Großen dieser Welt auf der Ferse folgt. Noch am Abend waren die Augen der Fürstinn trübe und geschwollen durch anhaltendes Weinen! Vergebens

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Zitationshilfe: Aston, Louise: Aus dem Leben einer Frau. Hamburg, 1847, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/aston_leben_1847/59>, abgerufen am 23.04.2024.