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Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700.

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Th. III. C. II. Von D. Henrico Cunrado, etc.
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biß
MDCC
"kommen kan. Dieweil dann das urtheil
"Calvini sich so fern nicht streckt/ und er an der
"vernunfft und vermögen noch keinen tod gelit-
"ten hat/ so bringt er das urtheil über ihn selb-
"sten/ dieweil ihn durch das licht des Evange-
"lii zu seinem eigenen nutz und auffenthalt im
"leben das jene hält/ daß Rom. IIX. durch
"das Evangelium der tod zu seyn gepredigt und
"bewiesen wird. Denn das Evangelium
"GOttes gehet erst im schwange/ nach der
"aufferstehung CHristi/ und wird CHristus
"dann erst ein Sohn GOttes in uns bekant.
"Sonst ist unser bekantniß noch vest auff die
"person CHristi nach dem fleisch/ damit wir
"beweisen/ daß wir selbst noch fleischlich seyn/
"wiewol nicht gleich der groben welt/ sondern
"als gute nachfolger CHristi/ die alles verlas-
"sen haben. Aber wir müssen zu gleichem tod
"CHristi eingepflantzet werden. Noch ist
"mein bekennen/ daß kein mensch aus vermögen
"der natur/ die er von Adam emp fangen hat/
"GOttes ewige barmhertzigkeit überkommen
"kan. Gleichwol den ernst und arbeit/ darin-
"nen diese bekümmerte menschheit stehet/ ehe
"sie die gnade CHristi erreichen kan/ kenne ich
"vor recht/ als unter das Gesetz gebunden; aber
"die gerechtigkeit/ die er drinnen bekommt/ ist
"diejenige noch nicht/ die für GOtt gilt/ son-
"dern wird erst nach dem gesetz durch Christum
"in uns auffgerichtet: So muß denn der
"mensch erst unter der strengigkeit des gesetzes
"arbeiten zu seiner höchsten vollkommenheit/
"und vermögen seiner höchsten unschuld/ da-
"durch er denn erst GOttes gerichte fühlet/ dar-
"innen er nicht bestehen kan/ und fällt in den
"tod/ und wird dann durch CHristum in das
"leben des geistes auffgenommen. Nun die
"gemeine bekantniß der gerechtigkeit GOttes
"wird also genommen von der läster-kirchen/
"daß GOTT lauter seligkeit auffrichte durch
"CHristum ohne zuthun der wercke. Wel-
"ches ich zwar gestehe. Aber weil sie keine ge-
"rechtigkeit in dem gesetz überkommen mit
"wercke/ ernst und strengigkeit/ so können sie
"davon keinen abstand thun/ noch ihr ziel/ das
"sie dadurch nicht gefunden haben/ um CHri-
"sti willen lassen. Denn sie stehen von demje-
"nigen ab/ das sie nicht haben/ und unterdes
"verlieren sie/ das sie nicht gefunden haben.
"So ist dasjenige/ das sie sagen/ recht/ aber an
"ihnen nicht recht/ nach ausweisen der gantzen
"Schrifft/ da die warheit an ihr fehlet. Doch
"weise ich sie nicht von der gnade in ihrem theil
"und maß der gaben (dieweil sie sich CHristi
"nach ihrem vermögen befleißigen/ und von
"ihm durch viel mittel der Schrifft gehöret ha-
"ben) wenn sie treu in demjenigen seyn/ das
"sie auffs höchste bekennen: wer das nicht thut/
"bringet sein eigen urtheil mit sich.

Von der
neuen ge-
burt und
derselben
unter-
scheid von
der busse.

19. Der andere ort ist dieser: "Diese erkant-
"niß (nemlich Dieterich Philipsen) von der
"neuen geburt/ bekenne ich wol eines theils für
"recht/ so sie nicht höher gesetzet wird/ denn sie
"an ihr ist/ nemlich für ein fromm/ bußfertig
"leben/ das zu führen nach zeugniß der Schrifft.
"Aber daß man ein bußfertig leben für eine neue
"creatur halten solte/ da das gewissen oder con-
"scien
tz noch unter der last der sünden liegt/ ist
"unrecht: Denn da ist noch kein tod geschehen
"und liegt die sünde noch so mächtig in der gan-
[Spaltenumbruch] tzen menschheit/ daß sie die seele auch in han-"Jahr
MDC.
biß
MDCC

gigkeit bringt durch beschuldigung/ und ist der-"
halben noch unter dem gesetz/ dieweil wir der"
sünde in unserm gewissen überzeugt werden"
durch das gesetz. Und wie wol man die beschul-"
digung und last der sünde/ so uns in dem gewis-"
sen quälet/ mit verheissung aus der schrifft"
wieder stillet und sich selbsten tröstet/ so muß"
man dennoch bekennen/ daß wir noch in dem"
alten menschen stehen/ und desselben tod noch"
nicht erreicht haben: Denn die neue creatur"
nicht unter der sünde stehet/ derhalben auch"
keine beschuldigung durch das gesetz daran"
kommen kan in dem gewissen/ und leben gäntz-"
lich der gnaden/ und dürffen das gemüth nicht"
mit einigem auswendigem trost durch reden"
oder lesen der schrifft unterhalten/ oder durch"
loßsprechung der sünden aus gezeugnissen der"
Schrifft sich versichern/ denn ihr leben in dem"
geist stehet/ und stehen unter dem gesetz GOt-"
tes in der gnaden. Derhalben das gewissen"
in der reinigung in guten frieden stehet/ und"
bleibt durch den H. Geist versiegelt: Da in"
denjenigen/ so noch unter dem gewissen stehen/"
das gesetz der sünden ihre krafft noch hat/ auch"
noch stetig das gewissen der übertretung hal-"
ben angeklagt und angetastet wird/ also daß"
darin offenbar wird/ daß sie dem gesetz noch"
nicht gestorben sind/ dieweil die beschuldigung"
aus dem gesetz ihre krafft noch hat/ dieweil wir"
wieder unser gewissen thun durch übertretung"
des gesetzes/ wiewol wir nicht bekennen wol-"
len/ daß wir unter dem gesetz stehen/ oder un-"
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wird. So fern wir denn in der reinigung"
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krafft/ so es durch die sünde in dem gewissen"
hat/ uns an der seelrn nicht antasten/ dadurch"
wir gedrungen werden/ uns selbsten aus der"
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dere zeugniß geben/ daß sie nicht in der wahr-"
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gen versichern. Denn der alte mensch (der"
allezeit mit gewalt in dem menschen regieret"
mit übertrettung/ das man straucheln nen-"
net/ und gering achtet/ und dennoch vor dem"
ansehen des HErrn in dem neuen menschen"
ohne verdammniß in den tod nicht gelitten"
werden mag) giebt widerwertig zeugniß da-"
von/ daß wir noch in dem leben des alten men-"
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nicht erreicht haben. Denn der tod des natürli-"
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willen seines eigenen wollens/ und arbeit in sei-"
ner eigenen gerechtigkeit und strengigkeit/ son-"
dern wider sein begehren und willen unter dem"

"gehor-

Th. III. C. II. Von D. Henrico Cunrado, ꝛc.
[Spaltenumbruch] Jahr
MDC.
biß
MDCC
„kommen kan. Dieweil dann das urtheil
Calvini ſich ſo fern nicht ſtreckt/ und er an der
„vernunfft und vermoͤgen noch keinen tod gelit-
„ten hat/ ſo bringt er das urtheil uͤber ihn ſelb-
„ſten/ dieweil ihn durch das licht des Evange-
„lii zu ſeinem eigenen nutz und auffenthalt im
„leben das jene haͤlt/ daß Rom. IIX. durch
„das Evangelium der tod zu ſeyn gepredigt und
„bewieſen wird. Denn das Evangelium
„GOttes gehet erſt im ſchwange/ nach der
„aufferſtehung CHriſti/ und wird CHriſtus
„dann erſt ein Sohn GOttes in uns bekant.
„Sonſt iſt unſer bekantniß noch veſt auff die
„perſon CHriſti nach dem fleiſch/ damit wir
„beweiſen/ daß wir ſelbſt noch fleiſchlich ſeyn/
„wiewol nicht gleich der groben welt/ ſondern
„als gute nachfolger CHriſti/ die alles verlaſ-
„ſen haben. Aber wir muͤſſen zu gleichem tod
„CHriſti eingepflantzet werden. Noch iſt
„mein bekennen/ daß kein menſch aus vermoͤgen
„der natur/ die er von Adam emp fangen hat/
„GOttes ewige barmhertzigkeit uͤberkommen
„kan. Gleichwol den ernſt und arbeit/ darin-
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„ſie die gnade CHriſti erreichen kan/ kenne ich
„vor recht/ als unter das Geſetz gebunden; aber
„die gerechtigkeit/ die er drinnen bekommt/ iſt
„diejenige noch nicht/ die fuͤr GOtt gilt/ ſon-
„dern wird erſt nach dem geſetz durch Chriſtum
„in uns auffgerichtet: So muß denn der
„menſch erſt unter der ſtrengigkeit des geſetzes
„arbeiten zu ſeiner hoͤchſten vollkommenheit/
„und vermoͤgen ſeiner hoͤchſten unſchuld/ da-
„durch er denn erſt GOttes gerichte fuͤhlet/ dar-
„innen er nicht beſtehen kan/ und faͤllt in den
„tod/ und wird dann durch CHriſtum in das
„leben des geiſtes auffgenommen. Nun die
„gemeine bekantniß der gerechtigkeit GOttes
„wird alſo genommen von der laͤſter-kirchen/
„daß GOTT lauter ſeligkeit auffrichte durch
„CHriſtum ohne zuthun der wercke. Wel-
„ches ich zwar geſtehe. Aber weil ſie keine ge-
„rechtigkeit in dem geſetz uͤberkommen mit
„wercke/ ernſt und ſtrengigkeit/ ſo koͤnnen ſie
„davon keinen abſtand thun/ noch ihr ziel/ das
„ſie dadurch nicht gefunden haben/ um CHri-
„ſti willen laſſen. Denn ſie ſtehen von demje-
„nigen ab/ das ſie nicht haben/ und unterdes
„verlieren ſie/ das ſie nicht gefunden haben.
„So iſt dasjenige/ das ſie ſagen/ recht/ aber an
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„Schrifft/ da die warheit an ihr fehlet. Doch
„weiſe ich ſie nicht von der gnade in ihrem theil
„und maß der gaben (dieweil ſie ſich CHriſti
„nach ihrem vermoͤgen befleißigen/ und von
„ihm durch viel mittel der Schrifft gehoͤret ha-
„ben) wenn ſie treu in demjenigen ſeyn/ das
„ſie auffs hoͤchſte bekennen: wer das nicht thut/
„bringet ſein eigen urtheil mit ſich.

Von der
neuen ge-
burt und
derſelben
unter-
ſcheid von
der buſſe.

19. Der andere ort iſt dieſer: „Dieſe erkant-
„niß (nemlich Dieterich Philipſen) von der
„neuen geburt/ bekenne ich wol eines theils fuͤr
„recht/ ſo ſie nicht hoͤher geſetzet wird/ denn ſie
„an ihr iſt/ nemlich fuͤr ein fromm/ bußfertig
„leben/ das zu fuͤhꝛen nach zeugniß der Schrifft.
„Aber daß man ein bußfertig leben fuͤr eine neue
„creatur halten ſolte/ da das gewiſſen oder con-
„ſcien
tz noch unter der laſt der ſuͤnden liegt/ iſt
„unrecht: Denn da iſt noch kein tod geſchehen
„und liegt die ſuͤnde noch ſo maͤchtig in der gan-
[Spaltenumbruch] tzen menſchheit/ daß ſie die ſeele auch in han-„Jahr
MDC.
biß
MDCC

gigkeit bringt durch beſchuldigung/ uñ iſt der-“
halben noch unter dem geſetz/ dieweil wir der“
ſuͤnde in unſerm gewiſſen uͤberzeugt werden“
durch das geſetz. Und wie wol man die beſchul-“
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alten menſchen ſtehen/ und deſſelben tod noch“
nicht erreicht haben: Denn die neue creatur“
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[20/0032] Th. III. C. II. Von D. Henrico Cunrado, ꝛc. „kommen kan. Dieweil dann das urtheil „Calvini ſich ſo fern nicht ſtreckt/ und er an der „vernunfft und vermoͤgen noch keinen tod gelit- „ten hat/ ſo bringt er das urtheil uͤber ihn ſelb- „ſten/ dieweil ihn durch das licht des Evange- „lii zu ſeinem eigenen nutz und auffenthalt im „leben das jene haͤlt/ daß Rom. IIX. durch „das Evangelium der tod zu ſeyn gepredigt und „bewieſen wird. Denn das Evangelium „GOttes gehet erſt im ſchwange/ nach der „aufferſtehung CHriſti/ und wird CHriſtus „dann erſt ein Sohn GOttes in uns bekant. „Sonſt iſt unſer bekantniß noch veſt auff die „perſon CHriſti nach dem fleiſch/ damit wir „beweiſen/ daß wir ſelbſt noch fleiſchlich ſeyn/ „wiewol nicht gleich der groben welt/ ſondern „als gute nachfolger CHriſti/ die alles verlaſ- „ſen haben. Aber wir muͤſſen zu gleichem tod „CHriſti eingepflantzet werden. Noch iſt „mein bekennen/ daß kein menſch aus vermoͤgen „der natur/ die er von Adam emp fangen hat/ „GOttes ewige barmhertzigkeit uͤberkommen „kan. Gleichwol den ernſt und arbeit/ darin- „nen dieſe bekuͤmmerte menſchheit ſtehet/ ehe „ſie die gnade CHriſti erreichen kan/ kenne ich „vor recht/ als unter das Geſetz gebunden; aber „die gerechtigkeit/ die er drinnen bekommt/ iſt „diejenige noch nicht/ die fuͤr GOtt gilt/ ſon- „dern wird erſt nach dem geſetz durch Chriſtum „in uns auffgerichtet: So muß denn der „menſch erſt unter der ſtrengigkeit des geſetzes „arbeiten zu ſeiner hoͤchſten vollkommenheit/ „und vermoͤgen ſeiner hoͤchſten unſchuld/ da- „durch er denn erſt GOttes gerichte fuͤhlet/ dar- „innen er nicht beſtehen kan/ und faͤllt in den „tod/ und wird dann durch CHriſtum in das „leben des geiſtes auffgenommen. Nun die „gemeine bekantniß der gerechtigkeit GOttes „wird alſo genommen von der laͤſter-kirchen/ „daß GOTT lauter ſeligkeit auffrichte durch „CHriſtum ohne zuthun der wercke. Wel- „ches ich zwar geſtehe. Aber weil ſie keine ge- „rechtigkeit in dem geſetz uͤberkommen mit „wercke/ ernſt und ſtrengigkeit/ ſo koͤnnen ſie „davon keinen abſtand thun/ noch ihr ziel/ das „ſie dadurch nicht gefunden haben/ um CHri- „ſti willen laſſen. Denn ſie ſtehen von demje- „nigen ab/ das ſie nicht haben/ und unterdes „verlieren ſie/ das ſie nicht gefunden haben. „So iſt dasjenige/ das ſie ſagen/ recht/ aber an „ihnen nicht recht/ nach ausweiſen der gantzen „Schrifft/ da die warheit an ihr fehlet. Doch „weiſe ich ſie nicht von der gnade in ihrem theil „und maß der gaben (dieweil ſie ſich CHriſti „nach ihrem vermoͤgen befleißigen/ und von „ihm durch viel mittel der Schrifft gehoͤret ha- „ben) wenn ſie treu in demjenigen ſeyn/ das „ſie auffs hoͤchſte bekennen: wer das nicht thut/ „bringet ſein eigen urtheil mit ſich. Jahr MDC. biß MDCC 19. Der andere ort iſt dieſer: „Dieſe erkant- „niß (nemlich Dieterich Philipſen) von der „neuen geburt/ bekenne ich wol eines theils fuͤr „recht/ ſo ſie nicht hoͤher geſetzet wird/ denn ſie „an ihr iſt/ nemlich fuͤr ein fromm/ bußfertig „leben/ das zu fuͤhꝛen nach zeugniß der Schrifft. „Aber daß man ein bußfertig leben fuͤr eine neue „creatur halten ſolte/ da das gewiſſen oder con- „ſcientz noch unter der laſt der ſuͤnden liegt/ iſt „unrecht: Denn da iſt noch kein tod geſchehen „und liegt die ſuͤnde noch ſo maͤchtig in der gan- tzen menſchheit/ daß ſie die ſeele auch in han-„ gigkeit bringt durch beſchuldigung/ uñ iſt der-“ halben noch unter dem geſetz/ dieweil wir der“ ſuͤnde in unſerm gewiſſen uͤberzeugt werden“ durch das geſetz. Und wie wol man die beſchul-“ digung uñ laſt der ſuͤnde/ ſo uns in dem gewiſ-“ ſen quaͤlet/ mit verheiſſung aus der ſchrifft“ wieder ſtillet und ſich ſelbſten troͤſtet/ ſo muß“ man dennoch bekennen/ daß wir noch in dem“ alten menſchen ſtehen/ und deſſelben tod noch“ nicht erreicht haben: Denn die neue creatur“ nicht unter der ſuͤnde ſtehet/ derhalben auch“ keine beſchuldigung durch das geſetz daran“ kommen kan in dem gewiſſen/ und leben gaͤntz-“ lich der gnaden/ und duͤrffen das gemuͤth nicht“ mit einigem auswendigem troſt durch reden“ oder leſen der ſchrifft unterhalten/ oder durch“ loßſprechung der ſuͤnden aus gezeugniſſen der“ Schrifft ſich verſichern/ denn ihr leben in dem“ geiſt ſtehet/ und ſtehen unter dem geſetz GOt-“ tes in der gnaden. Derhalben das gewiſſen“ in der reinigung in guten frieden ſtehet/ und“ bleibt durch den H. Geiſt verſiegelt: Da in“ denjenigen/ ſo noch unter dem gewiſſen ſtehen/“ das geſetz der ſuͤnden ihre krafft noch hat/ auch“ noch ſtetig das gewiſſen der uͤbertretung hal-“ ben angeklagt und angetaſtet wird/ alſo daß“ darin offenbar wird/ daß ſie dem geſetz noch“ nicht geſtorben ſind/ dieweil die beſchuldigung“ aus dem geſetz ihre krafft noch hat/ dieweil wir“ wieder unſer gewiſſen thun durch uͤbertretung“ des geſetzes/ wiewol wir nicht bekennen wol-“ len/ daß wir unter dem geſetz ſtehen/ oder un-“ ter der beſchuldigung des geſetzes (da gleich-“ wol keine beſchuldigung ſeyn kan/ denn durch“ die krafft des geſetzes/ daruͤber das geſetz/“ noch herꝛſchet) dennoch durch das gewiſſen/“ das uns der ſuͤnden beſchuldigung offenbar“ wird. So fern wir denn in der reinigung“ ſtuͤnden durch das blut CHriſti an den inwen-“ digen menſchen/ ſo koͤnte das geſetz mit ſeiner“ krafft/ ſo es durch die ſuͤnde in dem gewiſſen“ hat/ uns an der ſeelꝛn nicht antaſten/ dadurch“ wir gedrungen werden/ uns ſelbſten aus der“ ſchrifft troſt zu ſuchen/ und uns mit GOtt zu“ verſoͤhnen durch zuſagung der gnaden/ welche“ dem neu gebornē im grunde eingewurtzelt liegt“ nach rechter art/ alſo/ daß ſie das mittel nicht“ auſſer ihnen ſuchen duͤrffen/ dardurch die an-“ dere zeugniß geben/ daß ſie nicht in der wahr-“ heit und weſen dasjenige haben/ deß ſie ſich be-“ ruͤhmen/ und aus beweiß der ſchrifft als ei-“ gen verſichern. Denn der alte menſch (der“ allezeit mit gewalt in dem menſchen regieret“ mit uͤbertrettung/ das man ſtraucheln nen-“ net/ und gering achtet/ und dennoch vor dem“ anſehen des HErꝛn in dem neuen menſchen“ ohne verdammniß in den tod nicht gelitten“ werden mag) giebt widerwertig zeugniß da-“ von/ daß wir noch in dem leben des alten men-“ ſchen verfaſſet ſeyn/ und nicht in dem tode: die-“ weil in uns keine ſuͤnde ohne luſt und willen“ ausgefuͤhret werden kan. Alſo iſt offenbar/“ daß wir noch im leben des alten menſchen be-“ griffen ſtehen/ und das leben des neuen noch“ nicht erreicht haben. Denn der tod des natuͤꝛli-“ chen in ſeinem lebē nicht ausgefuͤhret wird mit“ willen ſeines eigenen wollens/ und arbeit in ſei-“ ner eigenen gerechtigkeit und ſtrengigkeit/ ſon-“ dern wider ſein begehren und willen unter dem“ „gehor- Jahr MDC. biß MDCC

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Zitationshilfe: Arnold, Gottfried: Unpartheyische Kirchen- und Ketzer-Historie. Bd. 2 (T. 3/4). Frankfurt (Main), 1700, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnold_ketzerhistorie02_1700/32>, abgerufen am 25.04.2024.